Kopenhagener Deutung
Quantenphysik
Basiswissen
Die sogenannte Kopenhagener Deutung der Quantenphysik war ein Versuch, die anschaulich nicht fassbaren Befunde der Quantenphysik, wie bis zum Jahr 1927 bekannt, zu interpretieren. Diese Deutung ist hier vor allem mit original Zitaten der beteiligten Physiker kurz vorgestellt.
Die Umstände der Entstehung der Kopenhagener Deutung
- Die Kopenhagener Deutung entstand in der Zeit um 1926 bis 1927[9].
- Der Entstehungsort war Niels Bohrs dänischer Wohnort Kopenhagen ↗
- Einfluss hatten unter anderem auch Erwin Schrödinger[13], Albert Einstein[14], Max Born[15] und Wolfgang Pauli[16].
- Der Kern des Problems war der Welle-Teilchen-Dualismus[20] ↗
- Die Gespräche waren wohl auch menschlich sehr anstrengend[21].
Die Problemlage um das Jahr 1925
Die gemeinsame Wurzel aller Probleme, die Niels Bohr und Werner Heisenberg in Kopenhagen gemeinsam[22] lösen wollten, war der Verlust einer anschaulichen Deutbarkeit des oft statistischen Verhaltens[47] von Photonen und Elektronen[19][45][46]. Dieses Problem kann wiederum in zwei Felder aufgeteilt werden: a) die gleichzeitige Berechtigung von Teilchen- und Wellenbildern[21] sowie b) die damals unter anderem von Heisenberg als notwendig gedachte Idee von sprunghaften Vorgängen in der Natur, der sogenannten Quantensprünge[17].
Die Kernaussage der Kopenhagener Deutung
Niels Bohr ging davon aus, dass man zur Beschreibung von Vorgängen in Atomen das Teilchenbild gleichzeitig neben dem dazu widersprüchlichen Wellenbild bestehen lassen sollte[18]. Und Bohr zufolge kann man Teilchen außerhalb eines Experimentes[23] oder sogar zwischen zwei sicheren Ereignissen innerhalb eines Experimentes[49] keine Eigenschaften zuschreiben. Zulässig ist nur eine Beschreibung dessen, was man direkt beobachten könne, und das seien im Wesentlichen die Anzeigen der Messinstrumente. Heisenberg gestand dazu passend ein, dass man auf eine anschauliche Vorstellung der Vorgänge wohl verzichten müsse[19].
MERKSATZ:
1.0 Sicher ist nur, was man direkt als Messergebnis beobachten kann. Darüberhinaus kann man keine Aussagen über Eigenschaften von Objekten treffen. Auf eine anschauliche Deutung der Objekte der Quantenwelt muss man damit verzichten.
1.0 Sicher ist nur, was man direkt als Messergebnis beobachten kann. Darüberhinaus kann man keine Aussagen über Eigenschaften von Objekten treffen. Auf eine anschauliche Deutung der Objekte der Quantenwelt muss man damit verzichten.
Das ist eine beachtliche Haltung. Bohr[44] will offensichtlich widerspüchliche Sichten gleichzeitig für wahr halten[32] und die Frage nach dem Wesen der Teilchen ignorieren[48]. Und Heisenberg verzichtet darauf, die Wirklichkeit umfassend verstehen zu wollen[33], zumindest vorläufig[56]. Hier wird noch einmal deutlich, dass nicht gedeutet wird, was die Objekte der Quantenwelt wirklich sind. Gerade auf diese Deutung soll bewusst verzichtet werden[34]. Dieser Verzicht klang bereits in Immanuel Kants "Ding an Sich" an.[52]
Die Kopenhagener Deutung als Selbstbeschränkung
Die Kopenhagener Deutung deutet NICHT das Wesen der physikalischen Realität. Sie ist keine Deutung, was eine Welle oder ein Teilchen oder ein Atom ist. Die Kopenhagener Deutung ist vielmehr eine Deutung dessen, was wir über die physikalische Realität überhaupt wissen können und was nicht.[56]
MERKSATZ:
2.0 Die Kopenhagener Deutung ist keine ontische Deutung der Realitität sondern eine epistemische Deutung unserer Erkenntnisfähigkeit über diese Realität.
2.0 Die Kopenhagener Deutung ist keine ontische Deutung der Realitität sondern eine epistemische Deutung unserer Erkenntnisfähigkeit über diese Realität.
Ontisch heißt so viel wie auf die Wirklichkeit bezogen, das wirklich Seiende betreffend: "Eine individuell und ontisch interpretierte Quantenmechanik bezieht sich auf einzelne, reale Mikrosysteme und deren Verhalten"[51]. Aber genau diese Deutung lieferte die Kopenhagener Deutung (K. D.) nicht, sondern nur eine Deutung unsererer Erkenntnisfähigkeit: "Bei der K. D. handelt es sich um eine viel schwächere, epistemische Deutung: Die Terme des Formalismus beziehen sich der K. D. zufolge nicht auf Mikrosysteme oder Ensembles von Mikrosystemen, sondern auf unsere intersubjektive objektivierbare Kenntnissituation über deren Zustand."[51] Das heißt, Heisenberg und Bohr haben den Kern dessen herausgearbeitet haben, was wir objektiv über die Wirklichkeit erfahren können. Siehe auch Objektivität ↗
Zitate zur Kopenhagener Deutung
- Niels Bohr (1928): Zum Quantenpostulat, "wonach jeder atomare Prozeß einen Zug von Diskontinuitat oder vielmehr Individualität enthalt, der den klassischen Theorien vollständig fremd ist und durch das Plancksche Wirkungsquantum gekennzeichnet ist."[3]
- Niels Bohr (1928): "Dieses Postulat [das Quantenpostulat] hat einen Verzicht betreffend die kausale raumzeitliche Beschreibung der atomaren Phänomene zur Folge. In der Tat beruht unsere gewöhnliche Beschreibung der Naturerscheinungen letzten Endes auf der Voraussetzung, daß die in Rede stehenden Phänomene beobachtet werden können, ohne sie wesentlich zu beeinflussen."[3]
- Niels Bohr (1928): "Nun bedeutet aber das Quantenpostulat, daß jede Beobachtung atomarer Phänomene eine nicht zu vernachlässigende Wechselwirkung mit dem Messungsmittel fordert, und daß also weder den Phänomenen noch dem Beobachtungsmittel eine selbständige physikalische Realität im gewöhnlichen Sinne zugeschrieben werden kann. Überhaupt enthält der Begriff der Beobachtung eine Willkür, indem er wesentlich darauf beruht, welche Gegenstände mit zu dem zu beobachtenden System gerechnet werden."[3]
- Niels Bohr (1928): Es verlangt "die Definition des Zustandes eines physikalischen Systems, wie gewöhnlich aufgefaßt, das Ausschließen aller äußeren
- Niels Bohr (1928): "Letzten Endes wird jede Beobachtung selbstverständlich auf unsere Sinnesempfindungen zurückgeführt werden können."[3]
- Niels Bohr (1928): "Für die weitere Verfolgung der Korrespondenz der Quantengesetze zur klassischen Mechanik ist die Betonung des von dem Quantenpostulat bedingten statistischen Charakters der quantentheoretischen Beschreibung von grundsätzlicher Bedeutung gewesen."[3]
- Niels Bohr (1928): "Eine für die weitere Entwicklung bedeutungsvolle Anwendung der SCHRÖDINGERschen Methode wurde von BORN gegeben durch seine Untersuchungen über das Problem des Zusammenstoßes yon Atomen und und freien elektrischen Teilchen. In diesem Zusammenhang gelang es ihm eine statistische Deutung der Wellenfunktionen anzugeben, die die Wahrscheinlichkeit der vom Quantenpostulat geforderten individuellen Übergangsprozesse zwischen stationären Zuständen zu berechnen erlaubt."[3]
- Werner Heisenberg (1930): "Der Zweck des Buches scheint mir erfüllt, wenn es etwas beiträgt zur Verbreitung jenes Kopenhagener Geistes der Quantentheorie‘, wenn ich so sagen darf, der ja der ganzen Entwicklung der neueren Atomistik die Richtung gewiesen hat.[57]
- Albert Einstein (1953): "Man braucht sich dann nicht auf die Bohrsche Interpretation einzulassen daß es keine vom wahrscheinlichen Subjekt unabhängige Realität gebe."[54]
- Werner Heisenberg (1969): "›Quantensprünge‹ und dergleichen sollten aus der Theorie vollständig verschwinden. Ich konnte diese Deutung nicht glauben, da sie unseren Kopenhagener Vorstellungen total widersprach…"[55]
- Anton Zeilinger (1997): "Es ist hier jedoch sicher am besten, ebenfalls wieder die Aussage der Kopenhagener Interpretation [ …], nämlich die, daß wir es in der Naturwissenschaft zu tun haben mit Aussagen über beobachtete Phänomene, und daß es für die Verstehbarkeit der Welt in der Quantenphysik Grenzen gibt."[23]
Der Einfluss von Ernst Mach auf die Kopenhagener Deutung
Descartes' berühmter Aussprach "Cogito ergo sum" - ich denke, also bin ich - ist im Prinzip ein, dass nur das eigene Denken als Tatsache sicher ist. Jede andere Erkenntnis ist unsicher[39].
Der Physiker Ernst Mach (1838 bis 1916) führte bereits im 19ten Jahrhundert eine Reihe von Problemen mit einer real für sich existierenden Außenwelt an[24], die von späteren Physikern sehr ernst genommen wurden[25]. Aus dieser Haltung heraus sprach er auch Goethe (für dessen Farbenlehre) seine Anerkennung aus[40].
MERKSATZ:
3.0 Schon lange vor der Entstehung der Quantenphysik sprachen Denker sich für eine Beschränkung physikalischer Aussagen auf das sinnlich Wahrnehmbare aus.
3.0 Schon lange vor der Entstehung der Quantenphysik sprachen Denker sich für eine Beschränkung physikalischer Aussagen auf das sinnlich Wahrnehmbare aus.
Bemerkenswert ist, dass zu Machs Zeit die Probleme der Relativititätstheorie und der Quantenphysik noch völlig unbekannt waren. Gleichwohl hatten Philosophen schon immer auf Schwierigkeiten hingewiesen, wenn man sich eine Welt außerhalb des eigenen Bewusstseins vorstellt[26] oder dieser zuverlässig Eigenschaften zuschreiben möchte[27]. Mach entwickelte die Idee einer Physik, die ganz ohne die Annahme einer realen Außenwelt auskommt. Machs Physik beschränkt sich dabei konsequent darauf, nur nach Wahrscheinlichkeiten zu suchen, die zwischen zeitlich aufeinander folgenden Sinneseindrücken gelten. Auch die vermuteten Objekte der Realitität übersetzte Mach folgerichtig in die Sprache von Sinneseindrücken. Genau das, die Selbstbeschränkung auf Sinneseindrücke, nämlich die der abgelesenen Messerergebnisse, ist der Kern der Kopenhagener Deutung nach Bohr und Heisenberg. Siehe auch Außenwelthypothese ↗
Ist die Kopenhagener Deutung noch aktuell?
Ja: zwar war die Kopenhagener Deutung bereits zur Zeit ihrer Entstehung umstritten. Das ist sie auch heute noch. Vor allem Albert Einstein fühlte sich ihr immer fremd. Ihr tieferer Sinn aber, dass man nämlich bei Aussagen über die Eigenschaften von Quantenobjekten über die engen Versuchsergebnisse hinaus sehr vorsichtig sein sollte, wird auch heute noch von führenden Physikern vertreten. So mahnt der Nobelpreisträger des Jahres 2022, Anton Zeilinger am Beispiel des Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon an: "Es ist hier jedoch sicher am besten, ebenfalls wieder die Aussage der Kopenhagener Interpretation [ …], nämlich die, daß wir es in der Naturwissenschaft zu tun haben mit Aussagen über beobachtete Phänomene, und daß es für die Verstehbarkeit der Welt in der Quantenphysik Grenzen gibt.[23]" Und auch Einsteins Anspruch, dass die Welt anschaulich verständlich sei, müsse, so Zeilinger, aufgegeben werden[50].
MERKSATZ:
3.0 Dass man jenseits sicher gemachter Beobachtungen vorsichtig mit Aussagen über unsichtbare Objekte sein sollte, betonen auch heute noch viele Physiker.
3.0 Dass man jenseits sicher gemachter Beobachtungen vorsichtig mit Aussagen über unsichtbare Objekte sein sollte, betonen auch heute noch viele Physiker.
Ähnlich äußerte sich auch der spätere Nobelpreisträger Richard Feynman im Jahr 1964[35]. Man hört hier Bohr heraus, der stets betonte, dass man jenseits der beobachtbaren Dinge der makroskopischen Welt nichts mit Sicherheit sagen könne; und Heisenberg, der stets die Grenzen des anschauliche Vorstellbaren hervorhob. Es gab und gibt aber auch Skepsis gegenüber der Kopenhagener Deutung. Hier wird unter anderem Albert Einstein oft zitiert.
Die Simulationshypothese als Lösung?
Die Vorstellung, dass die Welt nur ein Traum sei reicht bis in die Antike zurück. In der mittelalterlichen Theologie wurde der Gedanke formuliert, dass die Welt ein andauernder Schöpfungsakt Gottes sei.[28] Im 20ten Jahrhundert stand dann die Metapher von einem Gehirn im Tank für die Idee, dass unsere gesamten Eindrücke der Welt von einem Computer erzeugt sein könnten.[29] Im Jahr 1970 stellte der Computerpionier Konrad Zuse seine Idee von einem rechnenden Raum vor[30], die die Welt bereits nahe an einer Simulation durch Rechenmaschinen zeichnete.
MERKSATZ:
4.0 Simulationshypothesen gehen davon aus, dass unsere Sinneseindrücke nicht Abbild einer realen Außenwelt sind, sondern irgendwie künstlich geschaffen werden. Mit solchen Hypothesen entfallen die Kernprobleme der Deutung der Quantenphysik.
4.0 Simulationshypothesen gehen davon aus, dass unsere Sinneseindrücke nicht Abbild einer realen Außenwelt sind, sondern irgendwie künstlich geschaffen werden. Mit solchen Hypothesen entfallen die Kernprobleme der Deutung der Quantenphysik.
Im 21ten Jahrhundert schließlich wird die Idee einer rechnerisch simulierten Welt von Physikern ernsthaft erwogen[31]. Wäre die Welt tatsächlich eine Simulation, die uns lediglich Sinnesdaten ins Gehirn einspielt und vielleicht unsere Reaktionen darauf irgendwie verarbeitet, dann wären die Probleme der Kopenhagener Deutung bedeutungslos: wenn man in einem Computerspiel einen Baum sieht, dann weiß man sicher, dass man den Sinneseindruck Baum hat. Aber niemand käme bei einem Computerspiel ernstaft auf den Gedanken zu fragen, ob oder in welcher Form der simulierte Baum wirklich existiert. Siehe mehr zur Idee einer von Computern erzeugten Realität unter Simulationshypothese ↗
Der Kopenhangener Deutung ähnliche Konzepte
Die Kopenhagener Deutung entstand nicht isoliert als Geistesblitz von Niels Bohr und Werner Heisenberg. Die beiden Urheber wiesen selbst immer wieder auf die ideengeschichtlichen Wurzeln ihres Denkens hin, zum Beispiel den oben erwähnten Ernst Mach.
Und auch in anderen Gebieten als der Physik spitze sich vielfach die Frage zu, ob man über die direkt wahrnehmbaren Sinneseindrücke hinaus auf die Existenz von Dingen schließen darf. Einige der Kopenhagener Deutung nahestende Sichten aus Gebieten außerhalb der Physik sind:
- Man bündelt seine Kräfte auf das Machbare Pragmatismus ↗
- Man spricht nur über eindeutige, sichere Dinge Positivismus ↗
- Grundlage jeder Erkenntnis ist die Beobachtung Empirismus ↗
- Noch beobachtbares Verhalten gilt als wirklich Behaviorismus ↗
- Als sicher gelten nur Sinneseindrücke Sensualismus ↗
- Nicht Materie sondern Abläufe sind real Prozessphilosophie ↗
- Wille oder Intelligenz sind ein rein theoretisches Konstrukt ↗
- Ob es wirklich existiert ist unklar Quantenobjekt ↗
- Von Farben soll man nicht auf Dinge dahinter schließen[41] Goethes Farbenlehre ↗
- Objekte der Welt sind letztendlich ein unerkennbares Ding an sich ↗
Von 1924 bis 1936, und damit um die Zeit der Entstehung der Kopenhagener Deutung tauschten sich Physiker, Logiker, Mathematiker, Philosophen und Denker anderer Disziplinen unter anderem im sogenannten Wiener Kreis aus. Die zentrale Figur des Kreises, der Spiritus Rector war Moritz Schlick[38].
Persönliche Einschätzung
Die Kopenhagener Deutung mahnt davor, aus den beobachteten Versuchsergebnisen vorschnell Schlüsse über die dahinter liegende Wirklichkeit zu ziehen. Das halte ich[36] für berechtigt und wichtig: dass das Paradoxon von Einstein, Podolsky und Rosen eine Art ganzheitlich spirituelles Universum ermöglicht, ist vielleicht denkbar, aber nicht sicher. Dass die Idee einer bloß simulierten Welt die Probleme mit dem Welle-Teilchen-Dualismus lösen könnte ist wiederum denkbar, aber nicht zwingend. Als Ermahnung zur Vorsicht ist die Kopenhagener Deutung auf jeden Fall anzuerkennen. Sie sollte aber nicht so gedeutet werden, dass man letzten Endes alles Hypothetische, alles nicht Messbare aus dem Denken zu verbannen sucht[43]. Etwa zeitgleich zur Entstehung der Kopenhagener Deutung arbeitete der Mathematiker Alfred North Whitedhead an seinem Konzept für eine spekulative Philosophie ↗
Fußnoten
- [1] Max Born: Zur Quantenmechanik der Stoßvorgänge. In: Zeitschrift für Physik. Band 37, Nr. 12, 1926, S. 863–867. DOI: 10.1007/BF01397477
- [2] Werner Heisenberg: Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. In: Zeitschrift für Physik. 1927. Online: https://people.isy.liu.se/jalar/kurser/QF/references/Heisenberg1927.pdf
- [3] Niels Bohr: Niels Bohr: Das Quantenpostulat und die neuere Entwicklung der Atomistik. In: Die Naturwissenschaften. I6. Jahrgang 13. April 1928 Heft 15. Online: http://www.psiquadrat.de/downloads/bohr28_como.pdf
- [4] Johann von Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Berlin: Springer. 1932.
- [5] Die Wellenfunktion enthält, so die Kopenhagener Deutung, nur Informationen über die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Versuchsausgänge. Aber erst zum Ende des Versuch nimmt das System einen dieser Zustände ein. Siehe dazu auch Delayed-Choice-Experiment ↗
- [5] Werner Heisenberg: Prinzipielle Fragen der modernen Physik. In: Helmut Rechenberg, Hans-Peter Dürr und Walter Blum (Hrsg.): Physik und Philosophie. Stuttgart: Hirzel. 1936.
- [6] Erwin Schrödinger. Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik. Naturwissenschaften. 1935.
- [7] Jan Faye: Copenhagen Interpretation of Quantum Mechanics. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2019 Edition), Edward N. Zalta (ed.). Online: https://plato.stanford.edu/archives/win2019/entries/qm-copenhagen
- [8] Das Metzler Lehrbuch der Physik hebt heraus, wie Quantensysteme nie frei von der Wechselwirkung durch die Messapparatur betrachtet werden können. Diesen Punkt betonte vor allem Niels Bohr immer wieder: Die "Kopenhagener Interpretation […] befasst sich mit dem Problem der Messung mikroskopischer, quantenphysikalischer Größen mithilfe einer makroskopischen Apparatur […] Jegliche Information über die Quantenwelt ergibt sich aus diesen Messungen, die sich jedoch stets auf das gemessene System auswirken". Und die "gemessenen Eigenschaften hängen sowohl von dem Quantenobjekt selbst ab als auch von der verwendeten Messapparatur. Eine physikalische Größe kann nur als real angesehen werden, wenn sie gemessen worden ist." In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Dort der Abschnitt "Die Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik" auf Seite 408. Siehe auch Metzler (Physik) ↗
- [9] Wie die "Kopenhagener Vorstellung" durch die Gespräche zwischen Niels Bohr, Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg in der Zeit ab 1926 in und um Bohrs Wohnort Kopenhagener entstand, ist aus Sicht einer der Beteiligten ausführlich beschrieben in: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort das Kapitel "Aufbruch in das neue Land. 1926-1927". Die Seiten 99 bis 112.
- [10] Niels Bohr führte seine eigenen Gedanken unter anderem auf einem Vortrag in den USA aus: Atoms and Human Knowledge. Vorlesung vom 13. Dezember 1957. Universität von Oklahoma. USA. Online: http://www.nhn.ou.edu/assets/doc-or-pdf/Bohr-1957-large.pdf
- [11] Niels Bohr (1885 bis 1962) wuchs in einer intellektuellen Familie in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen auf. Schon früh fiel er mit herausragenden Leistungen in den Naturwissenschaften auf. Im Jahr forschte er in Cambridge unter Joseph John Thomson, wechselte dann im Ersten Weltkrieg nach Manchester zu Ernest Rutherford und nahm noch im Krieg eine Professor in Kopenhagen an. In Berlin lernte er 1920 Max Planck und Albert Einstein kennen. 1922 erhielt Bohr den Nobelpreis für Physik. In den 1920er Jahren war Bohr wesentlich an der Entwicklung der Quantenphysik beteiligt. Dabei kam es auch zu einer freundschaftlichen Verbindung mit Werner Heisenberg. Im Zweiten Weltkrieg wurde Bohrs Wirkungs- und Wohnort Kopenhagen von der nationalsozialistischen Deutschen Wehrmacht besetzt. Bei einem Besuch Heisenbergs dort kam es zu einer dauerhaften Entfremdung der zwei Physiker. Bohrs wesentlicher Beitrag zur Kophenagener Deutung sind die Idee der Komplementarität sowie der unauflösbaren Verbindung zwischen Messapparatur und dem quantenphysikalischen Messobjekt. Siehe auch Niels Bohr ↗
- [12] Werner Heisenberg (1901 bis 1976) war in den 1920er Jahren das Wunderkind der Physik. Er wohnte längere Zeit bei Bohr in Kopenhagen und entwickelte dort mit Bohr die Kopenhagener Interpretation. In der Zeit des Nationalsozialismus arrangierte sich Heisenberg mit dem deutschen Nationalsozialismus. Er stellte stellte seine Fähigkeiten unter anderem dem deutschen Uranverein zu Verfügung. Heisenbergs Rolle und Haltung gegenüber der Diktatur wird bis heute sehr kontrovers diskutiert. Zur Kopenhagener Deutung trug Heisenberg wesentlich die philosophische Frage nach der Realität bei. Siehe auch Werner Heisenberg ↗
- [13] Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) hatte in den 1920er Jahren die Mathematik zur Beschreibung der Quantenphysik als Wellenphänomen entwickelt. Schrödinger war gleichzeitig mit Heisenberg bei Bohr in Kopenhagen anwesend. Bohr und Heisenberg akzeptierten zwar Schrödingers Mathematik. Mindestens Heisenberg warf in seinem Buch "Der Teil und das Ganze" (dort auf Seite 101) Schrödinger vor, dass er "die Existenz dieser Unstetigkeiten einfach leugnete". Mit diesen Unstetigkeiten meinte Heisenberg zum Beispiel "daß ein Atom beim Übergang von einem stationären Zustand zu einem anderen seine Energie plötzlich ändert und die abgegebene Energie in Form eines Einsteinschen Lichtquants abstrahlt." Anders als Heisenberg, gelang es Schrödinger trotz eines ernsthaften Versuchs nicht, sich dauerhaft mit den Nationalsozialisten zu arrangieren. 1933 wechselte er nach Oxford. Nach einem kurzen Zwischenspiel an der Universität Graz wechselte er dann 1940 nach Dublin, wo er bis nach dem Krieg auch wirkte. Im Jahr 1956 kehrte er in seine Österreichische Heimat zurück. Siehe auch Erwin Schrödinger ↗
- [14] Albert Einstein (1879 bis 1955) traf in den 1920er Jahren zu vielen Anlässen mit Bohr und Heisenberg zusammen. Anders als Bohr und Heisenberg, hielt Einstein stets an einer klassischen, anschaulichen Deutbarkeit der Quantenphänomene fest. Als Jude erlebte Einstein in Deutschland seit 1933 deutliche Anfeindungen und wenig Solidarität durch seine Physik-Kollegen. Einstein kehrte 1933 Deutschland den Rücken und lebte letztendlich in den USA. Eine enge freundschaftliche Verbindung mit Max Born drückte sich in einem treuen Briefwechsel mit diesem aus. Siehe auch Albert Einstein ↗
- [15] Max Born (1882 bis 1970) entwickelte die Deutung der quantenphysikalischen Wellen als Wahrscheinlichkeitswellen. In der Zeit des Nationalsozialismus wirkte Born an den Universitäten Cambridge und Edinburgh. 1939 nahm er britischer Staatsbürger, kehrte aber 1953 nach Deutschland zurück. Born war zeitlebens eng mit Albert Einstein befreundet. Siehe auch Max Born ↗
- [16] Wolfgang Pauli (1900 bis 1958) wuchs in Wien auf und galt dort bereits früh als mathematisches Genie. In den Jahren 1921 und 1922 arbeitete er als Assistent von Max Born am Bohrschen Atommodell. 1922 und 1923 verbrachte er ein Jahr bei Niels Bohr in Kopenhagen. Im Jahr 1925 veröffentlichte er das Pauli-Prinzip über den quantenmechanischen Aufbau von Atomen. Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln stieß Pauli später in Deutschland auf Anfeindungen. Seit 1928 wirkte er an der ETH in Zürich (Schweiz) sowie auch in den USA. Pauli war als junger Mann sehr dem Alkohol und Nachtleben zugetan und galt unter Physikern als scharfer Kritiker. Ein besonderes philosophisches Interesse verband ihn mit dem Psychiater C. G. Jung (Theorie der Intro- und Extraversion). Siehe auch Wolfgang Pauli ↗
- [17] Die Kernfragen zum Quantensprung waren: benötigt ein Atom beim Übergang von einem zu einem anderen Zustand Zeit? Und falls nicht, wie soll man sich die Bewegung von Elektronen im Atom anschaulich dann überhaupt vorstellen? Siehe dazu Quantensprung ↗
- [18] Niels Bohrs Ansicht, dass neben dem Teilchen- auch das Wellenbild bestehen könne, und dass man die Widersprüche nicht weiter auflösen müssen. Heisenberg schrieb in seinem Buch "Der Teil und das Ganze " dazu: "Bohrs Bestrebungen gingen dahin, die beiden anschaulichen Vorstellungen, Teilchenbild und Wellenbild, gleichberechtigt nebeneinaner stehen zu lassen, wobei er zu formulieren suchte, daß diese Vorstellungen sich zwar gegenseitig ausschlössen, da aber doch beide erst zusammen eine vollständige Beschreibung des atomaren Geschehens ermöglchten." (Der Teil und das Ganze, Seite 107). Heisenberg fügt dem noch hinzu, dass ihm, Heisenberg "diese Art zu denken nicht angenehm" war. Bohrs Gedanke ist ausgedrückt im sogenannten Komplementaritätsprinzip ↗
- [19] Werner Heisenberg kam zu dem Schluss, dass es eine befriedigende anschauliche Vorstellung für Quantenphänomene nicht gibt. In seinem Buch "Der Teil und das Ganze" schreibt er: "… wir Kopenhagener fühlten uns gegen Ende des Besuchs [von Schrödinger] doch sehr sicher, daß wir auf dem richtigen Weg wären. Wir erkannten allerdings gleichzeitig, wie schwierig es sein würde, auch die besten Physiker davon zu überzeugen, daß man hier auf eine raum-zeitliche Beschreibung der Atomvorgänge wirklich verzichten müsse." (Der Teil und das Ganze, Seite 106).
- [20] Der Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenphysik, in den Worten von Niels Bohr: "In the attempts to give a theoretical interpretation of the mechanism of interaction between radiation and matter, two apparently contradictory aspects of this mechanism have been disclosed. On the one hand, the phenomena of interference, on which the action of all optical instruments essentially depends, claim an aspect of continuity of the same character as that involved in the wave theory of light, especially developed on the basis of the laws of classical electrodynamics. On the other hand, the exchange of energy and momentum between matter and radiation, on which the observation of optical phenomena ultimately depends, claims essentially discontinuous features. These have even led to the introduction of the theory of light-quanta, which in its most extreme form denies the wave constitution of light." In: Niels Bohr, Kramers, H. A. and Slater, J. C.: The quantum theory of radiation. In: Philosophical Magazine Series 6, 47: 281, 785 — 802. DOI: 10.1080/14786442408565262. Online: https://uni-tuebingen.de/fileadmin/Uni_Tuebingen/Fakultaeten/MathePhysik/Institute/IAP/Forschung/MOettel/Geburt_QM/bks_PhilMag_47_785_1924.pdf
- [21] Heisenberg erinnert sich an die Treffen in Kopenhagen in den Jahren 1926 und 1927. Er schrieb später: "Da unsere Gespräche oft bis spät nach Mitternacht ausgedehnt wurden und trotz der über Monate fortgesetzten Anstrengungen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führten, gerieten wir in einen Zustand der Erschöpfung, der in Anbetracht der verschiedenen Denkrichtungen auch manchmal Spannungen hervorrief". Heisenberg fügt dem noch hinzu, dass Schrödinger möglicherweise dadurch einmal ernsthaft erkrankte und Bohr einen spontanten Urlaub in Norwegen als Flucht nutzte. In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel "Aufbruch in das neue Land. 1926-1927", auf Seite 104. Siehe auch Denkstil ↗
- [22] Im Wesentlichen waren es Werner Heisenberg und Niels Bohr, Heisenberg schreibt: "In den folgenden Monaten bildete die physikalische Deutung der Quantenmechanik das zentrale Thema der Gespräche zwischen Bohr und mir […] Bohr kam oft noch spät abendss in mein Zimmer, und wir erörterten alle möglichen sogenannten Gedankenexperimente, um zu sehen, ob wir die Theorie wirklich schon vollständig verstanden hätten." (Der Teil und das Ganze, Seite 106).
- [23] Die Kopenhagener Deutung nach Anton Zeilinger: "Nach der Kopenhagener Deutung, die besonders von Niels Bohr ausgearbeitet wurde, macht es keinen Sinn, von der Eigenschaft eines Quantenteilchens zu reden, unabhängig von dem Versuchsaufbau, in dem sich diese Eigenschaft manifestiert. Ein Photon oder Neutron besitzt also an sich weder Welleneigenschaft noch Teilcheneigenschaft." In: Anton Zeilinger: Jenseits jeder Gewißheit: Das Rätsel der Quantenwelt. Ausstellung in der Neuen Galerie in Graz (1997) und im Ludwig Museum in Budapest (1996). Katalog im Passagen Verlag, Wien. Online: https://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/Quantentheorie/sciweek2000/Zeilinger-Artikel/index.html
- [24] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886. Siehe auch Ernst Mach ↗
- [25] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Hier speziell die Kapitel 37: Realität der Außenwelt. Summe der Materie in der Welt. Seite 287 bis 293 sowie die 82. bis 84. Vorlesung zum Farbempfinden, Seite 614 bis 645. Siehe auch Außenwelthypothese ↗
- [26] Der bekannteste Skeptiker an der Existenz einer realen Außenwelt ist der Ire George Berkeley (1685 bis 1753): ""It is indeed an opinion strangely prevailing amongst men, that houses, mountains, rivers, and in a word all sensible objects have an existence natural or real..." Siehe dazu Berkeley-Frage ↗
- [27] Dass es vielleicht eine reale Welt außerhalb unseres Bewusstseins gibt, dass man über deren Eigenschaften aber nicht immer zuverlässig Erkenntnis erlangen könne, war einer der Kerngedanken der Philosophie von Immanuel Kant (1724 bis 1804). Das nicht sicher erkennbare Objekt nannt Kant ein Ding an sich ↗
- [28] Der Theologe und Mysteriker Eckerhart schrieb: "Alles was Gott je vor sechstausend Jahren und mehr schuf, als Gott die Welt machte, das schafft Gott jetzt zumal." Und: "Alles was vergangen ist und alles was künftig ist, das schafft Gott im Innersten der Seele." In: Meister Eckhart: Predigt 20. Von Gott und Mensch. In: Eckharts mystische Schriften. Berlin 1903, S. 130-136. Siehe auch Mystik ↗
- [29] Aus der "Kopenhagener Zeit" der Physiker stammt die ernsthaft gemeinte Vision eines Mathematikers eines ganz von der Welt abgekapselten Gehirns: "it is a matter of delicate surgery to attach nerves permanently to apparatus which will either send messages to the nerves or receive them. And the brain thus connected up continues an existence, purely mental". Siehe dazu The World, the Flesh and the Devil ↗
- [30] Konrad Zuse: Rechnender Raum. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn. 1969. 70 Seiten. Siehe auch rechnender Raum ↗
- [31] Tom Campbell, Houman Owhadi, Joe Sauvageau, David Watkinson: On Testing the Simulation Hypothesis. 2017. arXiv:1703.00058v2 [quant-ph]. Siehe auch Simulationshypothese ↗
- [32] Die Fähigkeit, gleichzeitig zwei widersprüchliche Sichten für wahr zu halten sollte später der politische Schriftsteller George Orwell aus ganz anderne Gründen betrachten. Orwell gab dieser Haltung den passenden Ausdruck Doppeldenk ↗
- [33] Was "Verstehen" heißen könnte, das diskutierte Heisenberg in einem eigenen Kapital in seinem Buch über das Teil und das Ganze. Er führt das am Beispiel der Relativitätstheorie aus. Im Kern ist Heisenberg nicht damit zufrieden, "für jedes gegebene Experiment [auszurechnen], was der ruhende Beobachter misst" (Seite 48) oder "nur solche Wörter oder Begriffe [zu] benutzen, die unmittelbar auf sinnliche Wahrnehmungen bezogen werden können" (Seite 49). Denn wie der Zeitbegriff der Relativitätstheorie zeigt, kann uns das unsicher bezüglich unseres intuitiven Grundlagen des Denkens machen. Heisenberg wollte dann auch "betonen, daß Sprechen und Denken unsicher werden, wenn wir so grundlegende Begriffe ändern, und Unsicherheit ist mit Verständnis nicht vereinbar." (Seite 48) In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel "Der Begriff »Verstehen« in der modernen Physik. 1920-1922". Siehe auch Verstehen ↗
- [34] In diesem Zusammenhang wird oft der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) zitiert: "I think I can say nobody understands quantum mechanics". Das Zitat stammt aus einem Vortrag aus dem Jahr 1964 an der Cornell University in den USA.
- [35] Auch Feynman betonte ganz im Sinne Bohrs immer wieder, dass die Ergebnisse von Experimente das oberste Wahrheitskriterium der Physik sind: "The principle of science, the definition, is almost the following: The test of all knowledge is experiment. Experiment is the sole judge of scientific 'truth'." Siehe auch Wahrheitskriterium ↗
- [36] Das Pronomen Ich steht hier für Gunter Heim ↗
- [37] Der baltendeutsche Philosoph Nicolai Hartmann (1882 bis 1950) hatte bemerkt, dass über die Jahrhunderte gesehen kaum eines der großen philosophischen Systeme überlebt hat. Das Systemdenken, so Hartmann, "hängt an der Systemkonsequenz, sucht diese durchzuführen um jeden Preis […] Sie kann dabei nicht umhin, die Probleme zu vergewaltigen; sie läßt erzwungene Lösungen gelten. Oder aber, wenn die Probleme sich dem System nicht fügen wollen, neigt sie dazu, sie abzuweisen, für falsch gestellte Fragen zu erklären.” In: Nicolai Hartmann: Der philosophische Gedanke und seine Geschichte. Aufsätze. Reclam UniversalBibliothek Nr. 8538-40. 1955. Siehe auch Philosophia perennis ↗
- [38] Der Physiker Anton Zeilinger zitiert den Physiker und Philosophen Moritz von Schlick (1882 bis 1936) mit der von ihm unterstützten Sicht, dass es sich bei der "Unerkennbarkei der Natur, die die Quantentheorie behaupten muß, nicht um eine zu beklagende Begrenzung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit handle, sondern daß diese eine objektiv bestehende Eigenschaft der Natur ausdrückt. Wenn die Quantentheorie die Vorausberechenbarkeit von Ereignissen innerhalb gewisser Grenzen prinzipiell leugnet, so heißt dies nicht, daß uns eine vollkommene Einsicht in bestehende Zusammenhänge im Prinzip verschlossen sei, sondern es heißt, daß gewisse Zusammenhänge eben nicht bestehen." Schlick äußerte diese Sicht in einem Vortrag zur "Quantentheorie und Erkennbarkeit der Natur", gehalten auf dem 2. Internationalen Kongreß für Einheit der Wissenschaft, Kopenhagen 1936, präsentiert. In: Anton Zeilinger: Jenseits jeder Gewißheit: Das Rätsel der Quantenwelt. Ausstellung in der Neuen Galerie in Graz (1997) und im Ludwig Museum in Budapest (1996). Katalog im Passagen Verlag, Wien. Online: https://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/Quantentheorie/sciweek2000/Zeilinger-Artikel/index.html
- [39] Descartes suchte nach einem sicheren Ausgangspunkt für die Entwicklung einer zuverlässigen Philosophie. Als einzig unumstößlich sicher ließ er dabei gelten, dass er selbst wohl existiert, da er ja denkt und das wahrnimmt. Siehe mehr unter cogito ergo sum ↗
- [40] Goethe (1749 bis 1832) hatte in seiner Farbenlehre, die er selbst für sein wichtigtses Werk hielt, immer wieder gegen Newton (1642 bis 1727) gewettert. Im Kern lehnte Goethe es ab, irgendeine Realität hinter den Erscheinungen unserer Sinne zu suchen (was genau Newton tat). Ernst Mach erkannte dieses Bemühen Goethes an. Siehe dazu auch Ernst Mach über Goethe ↗
- [41] Werner Heisenberg beschäftigte sich mehrfach und stets respektvoll mit der Farbenlehre von Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832). Goethe lehnte in seiner Physik jede weiterführende Abstraktion und jede Frage nach den Dingen hinter den Erscheinungen strikt ab. Ob Licht aus Teilchen oder Wellen besteht, interessierte Goethe nicht. Goethe blieb bei den sinnlich erfahrbaren Gegebenheiten und versuchte nur diese alleine zu deuten. Das erinnert sehr an Bohrs Selbstbeschränkung auf die sinnlich wahrnehmbaren Messerergebnisse. Siehe auch Goethes Farbenlehre ↗
- [42] Michael Grodzicki: Physikalische Wirklichkeit – Konstruktion oder Entdeckung? Eine Einführung in die Methoden und Ziele der Physik. ISBN: 978-3-901585-30-2. Erste Auflage, 5. Oktober 2015. 528 Seiten.
- [43] „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Diese Mahnung des Philosophen Ludwig Wittgenstein stammt aus dem Jahr 1921 und steht für die erstarkende Position, sich auf das Sichere, das Faktische, das klar Sagbare zu beschränken. In: Ludwig Wittgenstein: Logisch-philosophische Abhandlung, W. Ostwald (Hrsg.), Annalen der Naturphilosophie, Band 14, 1921, S. 185–262. Online: https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jparticle_00326119
- [44] Der Physiker und Weggefährte von Niels Bohr, Max Born (1882 bis 1970) schrieb am 22. Dezember 1953 in einem Brief an seinen Freund Albert Einstein: "Bohr ist oft im Ausdruck nebelhaft und dunkel." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 282.
- [45] "Meine Versuche, den Quanten greifbare Gestalt zu geben, sind allerdings immer wieder gescheitert, aber die Hoffnung gebe ich noch lange nicht auf." Albert Einstein in einem Brief an Max und Hedi Born, geschrieben am 29. April 1924. In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 118. Siehe auch Albert Einstein (Zitate) ↗
- [46] Der spätere Nobelpreisträger Max Born (1882 bis 1970) schrieb am 7. April 1923 in einem Brief an Albert Einstein kurz: "An die großen Quantenrätsel komme ich trotz aller Mühe nicht heran." Und am 25. August 1923 schrieb er, wiederum an Einstein: "Ich denke, wie immer, hoffnungslos über Quantentheorie nach und suche ein Rezept, um Helium und die andern Atome zu rechnen; aber auch dies gelingt mir nicht." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seiten 109 und 117.
- [47] Dass Niels Bohr zur hier beschriebenen Zeit ganz statistisch dachte, untertstrich der spätere Nobelpreisträger Max Born rücklickend aus den 1960er Jahren. "Vor allem Niels Bohr und seine Schule" und "die ganze theoretische Physik" habe schon damals mit der "statistischen Auffassung" gearbeitet. Aber: "Daß sie überall als Kopenhagener Auffassung zitiert wird, scheint mir jedoch nicht gerechtfertigt." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 174.
- [48] Max Born beklagt, dass Bohr die Frage nach dem Wesen der Teilchen mehr oder minder ausblendet: "Er [Niels Bohr] ist so zufrieden mit der Kerntheorie - die man so schön unrealistisch machen kann - daß er die Fragen nach dem Wesen der Elementarteilchen, die mich fascinieren, vorläufig beiseite schiebt." Max Born in einem Brief an Albert Einstein, vom 2. September 1938. In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 188.
- [49] Bohr zum Licht im Doppelspaltexperiment "Bohr asked about it once - where can the photon be said to be in its travel from the entrance to the reception? To be, he said, what does it mean, to be? We have no right to speak of where the photon is, what it's doing. It's like a great smoky dragon: the tail is definite where it enters the equipment, the mouth is definite where it bites the observing device, but in between it's nonsense to talk of what it's doing." In: Paul Davies, David Deutsch, John Archibald Wheeler, Frank Tipler, Martin Redfern: The anthropic universe. Radio Präsentation vom 18. Februar 2006. ABC Radio Australia.
- [50] Anton Zeilinger sieht die moderne Quantenphysik jenseits einer Vorstellung klassisch gedachter Teilchen von Licht: „Und wenn Sie fragen, wo gehen wir heute über Einstein hinaus, dann sind es genau diese realistischen Bilder. Die akzeptieren wir heute in der Quantenphysik nicht mehr.“ In: Anton Zeilinger: Einstein auf dem Prüfstand. In: Sternstunde Philosophie. Interview des Schweizer Rundfunks. 14.05.2006. Siehe dazu auch Zeilingers Kant-Forderung ↗
- [51] Dass eine ontische Deutung eine Deutung der physikalischen Objekte sein muss wird gefordert in: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel "Kopenhagener Deutung" auf den Seiten 303 und 304. Siehe auch ontisch ↗
- [52] Vom "Ding an Sich", etwa der Quantenphysik zum Beispiel ein Elektron in einem Atom, könne man, so Kant nichts Genaues sagen. Das war eine der wesentlichen Erkenntnise von Kant. Siehe mehr unter Ding an Sich ↗
- [53] "Es ist falsch zu glauben, die Aufgabe der Physik sei es, etwas über die Natur herauszufinden. Physik befasst sich damit, was wir über die Natur sagen können." Niels Bohr, zitiert nach: Gleick, J.: Richard Feynman: Leben und Werk des genialen Physikers. Deutsche ̈Ubersetzung. Munchen: Droemer Knaur 1993. Gleich wiederum zitierte: Gregory, B. Inventing reality, New York 1988.
- [54] Albert Einstein in einem Brief vom 3. Dezember 1953 an Max Born. In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort auf Seite 179.
- [55] Anders als etwa Schrödinger, wollte Heisenberg an den sogenannten Quantensprüngen, den "schwer verständlichen Unstetigkeiten" festhalten. In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel "Aufbruch in das neue Land. 1926-1927" auf Seite 101.
- [56] Ganz im Sinne einer solchen Selbstbeschränkung schrieb Werner Heisenberg im Rückblick auf die 1920er Jahre über seine und Bohrs Deutung: "Freilich war das zunächst nur eine negative Feststellung, und von einer vollständigen physikalischen Deutung der Quantenmechanik waren wir noch weit entfernt. Aber wir glaubten doch, sicher zu sein, daß man von der Vorstellung objektiver, in Raum und Zeit ablaufender Vorgänge irgendwie loskommen müsste." In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel "Aufbruch in ein neues Land. 1926-1927" auf Seite 101. Siehe auch Objektivismus ↗
- [57] Werner Heisenberg spricht im Vorwort seines 1930 erschienen Aufsatzes "Die physikalischen Prinzipien der Quantentheorie" von einem 'Kopenhagener Geist': „Der Zweck des Buches scheint mir erfüllt, wenn es etwas beiträgt zur Verbreitung jenes ‚Kopenhagener Geistes der Quantentheorie‘, wenn ich so sagen darf, der ja der ganzen Entwicklung der neueren Atomistik die Richtung gewiesen hat.“