Kompartmentalisierung
Übersicht
Basiswissen
Ein Kompartment ist eines von mehreren gegeneinander abgetrennten Teilen, in die man etwas Ganzes aufgegliedert hat. Der Begriff wird unter anderem verwendet im Brandschutz aber auch der Psychologie, Wirtschaft, Politik und der Didaktik. Die vier letzteren Bedeutungen sind hier kurz vorgestellt.
Kompartmentalisierung in der Psychologie
In der Psychologie und Wissenssoziologie steht Kompartmentalisierung für die strikte Trennung von widersprüchlichen Wissensinhalten oder auch Handlungen und Gewohnheiten: man glaube seinem Hausartz, dass man sich zu wenig bewegt und dringend abnehmen muss um eine Diabetes zu vermeiden, fährt aber trotzdem aus Bequemlichkeit jeden Meter mit dem Auto, vermeidet körperliche Anstrengung und genießt üppiges Essen in Fülle. Siehe mehr dazu im Artikel zur Kompartmentalisierung (Psychologie) ↗
Kompartmentalisierung in der Wirtschaft
Im Wirtschaftsleben nehmen Personen durchaus sehr verschiedene scheinbar widersprüchliche Rollen ein, etwa als "liebevoller Familienvater" einerseits und als "rücksichtsloser Konkurrent" andererseits.[2] Getrennt im Sinne einer Kompartmentalisierung sind hier privates und berufliches Leben. Regeln aus dem einen Bereich gelten nicht zwangsläufig auch im anderen Bereich. Der logische Widerspruch kann aufgehoben werden, wenn die eigene Lebensaufassung die Gültigkeit von Normen an bestimmte Situationen (Familie, Beruf) oder Personenkreise (Volksgenossen, Ausländer[3]) knüpft.[4]
Kompartmentalisierung in der Politik
Unter dem einprägsamen Wort Doppeldenk hat der englische Autor George Orwell viele Beispiele einer gesellschaftlichen Kompartmentalsierung aus der Politik seiner Zeit (1930 bis etwa 1950) beschrieben. So wollte man zum Beispiel Hitler-Deutschland gegenüber auch militärisch wehrhaft sein, dafür aber kein Geld ausgeben. Oder man wollte die Menschenrechte hochhalten und ignorierte dabei die krass-brutalen Schauprozesse und Hinrichtungen in der damaligen Sowjetunion. Lies mehr unter Doppeldenk ↗
Kompartmentalisierung in der Didaktik
8 geteilt durch was gibt 12? Bis in die Oberstufe hinein antworten hier viele Schüler, dass die Aufgabe nicht lösbar sei, da teilen ja "alles kleiner" macht. Dass teilen "alles kleiner macht" war in der Grundschule noch richtig, gilt aber nicht mehr für das Rechnen mit Kommazahlen und Brüchen. Die Schüler können gleichzeitig durch Umformungen Gleichungen wie 8:x=12 lösen: sie erhalten als Ergebnis dann 8/12 oder gekürzt 3/4. Dass damit auch die Frage 8 durch was gibt 12 beantwortet ist, tritt als Erkenntnis oft nicht auf. Die zwei Erkennntnisse bleiben in getrennten Kompartmenten, sie werden nicht zusammengeführt. Siehe mehr zu dieser zusammenhangsfreien Abspeicherung von Wissen unter Kompartmentalisierung (Didaktik) ↗
Fußnoten
- [1] Schletter, Jens Christoph; Bayrhuber, Horst: Lernen und Gedächtnis - Kompartmentalisierung von Schülervorstellungen und wissenschaftlichen Konzepten. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 4 (1998) 3, Seite 19-34.
- [2] In den Wirtschaftswissenschaften ist Kompartmentalisierung eine: "Bezeichnung für die strikte Aufteilung der Denk- und Verhaltensweisen eines Individuums in verschiedene, als zusammenhanglos erscheinende Bereiche, wodurch das Individuum Widersprüche in seinem Verhalten und Denken zu neutralisieren oder gar als nicht vorhanden zu betrachten vermag." In: Wirtschaftslexikon.co online. Jean-Paul Hüsli. Panama.
- [3] Ein beklemmendes Beispiel schildert die Tochter des Soldaten Hans-Georg Klamroth rückblickend: im ersten Weltkrieg habe Klamroth einen russischen Gegner in einem Scharmützel aber ohne klare Notwendigkeit erschossen. Nie äußerte er deswegen Gewissensbisse. Nachdem Klamroth aber einen betrunkenen und drohenden deutschen Plünderer erschossen hatte, plagten ihn lebenslange Gewissensbisse; und das, obwohl ihn alle militärischen Instanzen von jeder Schuldhaftigkeit frei gesprochen hatten. In: Wiebke Bruhns: Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie. Econ Verlag. München. 2004. ISBN: 3-430-11571-X. In der 14. Auflage (2005) die Seiten 98 bis 100. Siehe auch Nationalismus ↗
- [4] Mental eng mit dem Wirtschatsleben verwandt sind nationaler Wettbewerb und Krieg. In beiden Wirklichkeitsbereichen müssen "Konkurrenten ausgeschaltet" und "Widerstand gebrochen" werden, gilt es, sich dem "Wettbewerb" oder dem "Kampf der Völker" zu stellen und gewinnt am Ende nur "der Stärkere". So konnte der Engländer George Orwell inmitten des deutschen Bombenhagels auf London zu genau der Zeit und an genau dem Ort schreiben: George Orwell: The Lion and the Unicorn. Secker & Warburg. London. 1941. Das folgende Zitat findet sich als einführender Abschnitt des Buches: "As I write, highly civilized human beings are flying overhead, trying to kill me. They do not feel any enmity against me as an individual, nor I against them. They are ‘only doing their duty’, as the saying goes. Most of them, I have no doubt, are kind-hearted law-abiding men who would never dream of committing murder in private life." Siehe auch kognitive Dissonanz ↗