Komplementaritätsprinzip
Physik
Basiswissen
Vereinigung von Widersprüchlichem zu einem sinnvollen Ganzen, zum Beispiel des Welle-Teilchen Dualismus: in dem Maß wie das eine gilt oder zur Wirkung kommt, muss das andere zurücktreten. Hier stehen einige Beispiele aus verschiedenen Themengebieten.
Komplementarität in der Physik
Das von dem Physiker Niels Bohr aufgestellte und von Werner Heisenberg[5] aufgegriffte Komplementaritätsprinzip besagt, dass zwei methodisch verschiedene Beschreibungen eines Phänomens einander ausschließen, aber dennoch zusammengehören und einander ergänzen[2], ein Konzept, das Bohr auch auf Bereiche außerhalb der Physik anwandte[3] und welches auch von anderen Physiker aufgegriffen wurde[4].
Als Beispiel aus der Quantenmechanik dient vielfach der Sachverhalt, dass eine gleichzeitige Bestimmung von Wellen- und Teilchencharakter des Lichts nicht möglich ist, sondern je nach Versuchsanordnung die eine oder die andere Eigenschaft hervortritt. Das klassische Experiment hierzu ist der Doppelspaltversuch. Bohr sieht die Aufgabe, eine Theorie der Komplementarität zu entwickeln, und verweist auf eine tiefreichende Analogie zwischen dem Komplementaritätsbegriff und den allgemeinen Erkenntnisschwierigkeiten, die in der Subjekt-Objekt-Unterscheidung begründet sind. Siehe als Beispiel den Welle-Teilchen-Dualismus ↗
Komplementarität als Lebensprinzip bei Goethe
In Goethes Werk eingewoben ist das Prinzip widerstreitender Prinzipien, Goethe spricht von Polaritäten als Grundprinzip des Lebens. In seiner Farbenlehre glaubte er dies als Botschaft der Natur an uns erkannt zu haben (Licht und Finsternis als Polaritäten). Die Widersprüchlichkeit der Pole scheint dabei gerade ihren Gehalt auszumachen: "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" spricht etwa Mephistopheles im Faust aus. Diese Sicht, dass sich scheinbar gegensätzliches komplementär zu einem Sinnganzen zusammenfügt hat Goethe unter anderem in einem seiner letzten Gedichte zum Ausdruck gebracht Urworte Orphisch. Siehe auch Goethes Polarität ↗
Komplementarität im Hinduismus
Der Hinduismus kennt eine Art Trinität, dort Trimurti genannt: drei Gottwesen wirken ständig scheinbar widerstreitend und erschaffen erst dadurch das (sinnvolle) Weltganze: Brahma erschafft, Vishnus bewahrt und Shiva zerstört. Siehe auch Trimurti ↗
Fußnoten
- [1] Komplementarität. In: Jochen Fahrenberg. Zur Kategorienlehre der Psychologie. Komplementaritätsprinzip. Perspektiven und Perspektiven-Wechsel. 2013. Seite 200 bis 271. (Dort speziell auch das Konzept von Niels Bohr)
- [2] Werner Heisenberg hat in den 1920er Jahren viel Zeit gemeinsam mit Niels Bohr verbracht. Heisenberg charakterisierte Bohrs Idee im Bezug auf den Welle-Teilchen-Dualismus rückblickend mit den folgenden Worten: "Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand der von ihm nun neu geprägte Begriff der Komplementarität, der eine Situation beschreiben sollte, in der wir ein und dasselbe Geschehen mit zwei verschiedenen Betrachtungsweisen erfassen können. Diese Betrachtungsweisen schließen sich zwar gegenseitig aus, aber sie ergänzen sich auch, und erst durch das Nebeneinander der widersprüchlichen Betrachtungsweisen wird der anschauliche Gehalt des Phänomens voll ausgeschöpft." In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel "6 Aufbruch in das neue Land. 1926-1927" auf Seite 110.
- [3] D. Favrholdt (Herausgeber): Niels Bohr Collected Works. Volume 10: Complementarity Beyond Physics (1928-1962). Elsevier, Amsterdam. 2008.
- [4] Wolfgang Pauli: Die philosophische Bedeutung der Idee der Komplementarität. Experientia 6. 1950. S. 72–75. Online: https://doi.org/10.1007/BF02174830
- [5] Werner Heisenberg legt seine Deutung der Komplementarität ausführlich dar im Kapitel "3 Bohrs Begriff der Komplementarität". In: Werner Heisenberg. Die physikalischen Prinzipien der Quantentheorie. 1930.
- [6] Niels Bohr beschreibt zunächst den Teilchen (Lichtquanten) und Wellencharakter von Licht und auch Materie und bietet dann die Komplementarität als Lösung an: "Die Individualität der elektrischen Elementarteilchen dürfte aus den allgemeinsten Erfahrungen hervorgehen. Nichtsdestoweniger ist man gezwungen, um verschiedene Tatsachen, namentlich die kürzlich entdeckte selektive Reflexion von Elektronen an Metallkristallen zu erklären, das wellentheoretische Superpositionsprinzip heranzuziehen, wie es den ursprünglichen Ideen von L. DE BROGLIE entspricht. Ähnlich wie bei dem Licht stehen wir also, solange wir uns an klassische Begriffe halten, auch bei der Frage des Wesens der Materie vor einem unvermeidbaren Dilemma, das eben als ein sinngemäßer Ausdruck für die Analyse des Erfahrungsmaterials zu betrachten sein dürfte. In der Tat handelt es sich hier nicht um einander widersprechende, sondern um komplementäre Auffassungen der Erscheinungen, die erst zusammen eine naturgemäße Verallgemeinerung der klassischen Beschreibungsweise darbieten." In: - [1] Niels Bohr: Das Quantenpostulat und die neuere Entwicklung der Atomistik. In: Die Naturwissenschaften. I6. Jahrgang 13. April 1928 Heft 15. Siehe auch Elektronenwelle ↗