Subjekt-Objekt-Dualismus
Physik
Basiswissen
Als Dualismus bezeichnet man Trennung des Denkens oder der Realität in zwei widerstreitende oder auch sich ergänzende Prinzipien.[1] Sind diese Prinzipien ein erkennendes[2] oder handelndes Subjekt einerseits und eine erkannte[3] oder beeinflusste Realität andererseits, so spricht man von einem Subjekt-Objekt-Dualismus. Dieser Dualismus wurde spätestens in der griechischen Antike greifbar[4] und prägte wesentlich die westliche Philosophie der Neuzeit[5]. Heute wird dieser Dualismus zunehmend in Frage gestellt, und zwar aus pragmatischer[6][7], psychologischer[8][9], ethischer[10] und auch physikalischer Sicht[11], letztere starken experimentellen Befunden[12]. Dieser Problemkreis wird dem Sinn nach auch betrachtet im Artikel zur sogenannten Außenwelthypothese ↗
Fußnoten
- [1] Zur Definition von Dualismus: "Dualism, in philosophy, the use of two irreducible, heterogeneous principles (sometimes in conflict, sometimes complementary) to analyze the knowing process (epistemological dualism) or to explain all of reality or some broad aspect of it (metaphysical dualism)." Als erstes Beispiel angeführt wird der Dualismus von "subject" und "object". In: Britannica, The Editors of Encyclopaedia. "dualism" Encyclopedia Britannica, 4 Jun. 2024
- [2] Den Dualismus als Methode der Erkenntnis und als bewusste Selbsttäuschung beschrieb Max Planck: "Bedenkt man […] daß doch die Empfindungen anerkanntermaßen den Ausgangspunkt aller physikalischen Forschung bilden, so muß diese bewußte Abkehr von den Grundvoraussetzungen immerhin erstaunlich, ja paradox erscheinen. Und dennoch liegt kaum eine Tatsache in der Geschichte der Physik so klar zutage wie diese. Fürwahr, es müssen unschätzbare Vorteile sein, welche einer solchen prinzipiellen Selbsttäuschung wert sind!" In: Die Einheit des physikalischen Weltbildes. Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakultät des Studentenkorps an der Universität Leiden. Dass dieser Schritt vielleicht im 19ten und 20ten Jahrhundert methodologisch zunächst sinnvoll Jahr, aber auf lange Sicht die physikalisch Erkenntnis folgenreich einengen könnten, legen die enge und möglicherweise untrennbare Einflussnahme des Psychischen auf das angenommen Materielle dar. Das klassische Phänomen der Physik dazu ist das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗
- [3] Einstein präzisierte seine Sicht auf die objektvive, reale Außenwelt. In direktem Gegensatz zu Ernst Mach hält Einstein die Außenwelthypothese nicht für ein Problem, sondern für eine notwendige Grundlage jeder sinnvollen Physik: "Fragt man, was unabhängig von der Quanten-Theorie für die physikalische Ideenwelt charakteristisch ist, so fällt zunächst folgendes auf: die Begriffe der Physik beziehen sich auf eine reale Außenwelt, d. h. es sind Ideen von Dingen gesetzt, die eine von wahrnehmenden Subjekten unabhängige ›reale Existenz‹ beanspruchen (Körper, Felder etc.), welche Ideen anderseits zu Sinneseindrücken in möglichst sichere Beziehung gebracht sind. Charakteristisch für diese Dinge ist ferner, daß sie in ein raum-zeitliches Kontinuum eingeordnet gedacht sind. Wesentlich für diese Einordnung der in der Physik eingeführten Dinge erscheint ferner, daß zu einer bestimmten Zeit diese Dinge eine voneinander unabhängige Existenz beanspruchen, soweit diese Dinge ›in verschiedenen Teilen des Raum liegen‹ Ohne die Annahme einer solchen Unabhängigkeit der Existenzs (des ›So-Seins‹) der räumlich distanten Dinge voneinander, die zunächst dam alltags-Denken entstammt, wäre physikalisches Denken in dem uns geläufigen Sinne nicht möglich." In: ein Brief von Einstein an Max Born vom 5. April 1948. Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 231.
- [] Der Physiker Werner Heisenberg den klassischen Subjektivismus aus Sicht der Physik klar zurück: "Zu seiner [Einsteins] philosophischen Grundeinstellung gehörte die Überzeugung von der Möglichkkeit einer vollständigen Trennung der Welt in einen objektiven und einen subjektiven Bereich und die Hypothese, daß man über die objektive Seite in einer unzweideutigen Weise reden können müsse. Diesen Forderungen aber konnte die Quantenmechanik nicht genügen, und es sieht nicht so aus, als könne die Naturwissenschaft jemals wieder zu den Einsteinschen Postulaten zurückfinden. In: Albert Einstein Max Born: Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort im Vorwort von Werner Heisenberg auf Seite 12. Eines der zentralen physikalischen Phänomene zur Stärkung einer subjektivistischen Position ist das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon [EPR] ↗
- [4] Erwin Schrödinger über die Außenwelt als bloßes Modell, über das man nicht wirklich etwas herausfinden kann: "In diesem letzten Kapitel [des Buches Geist und Materie] will ich etwas ausführlicher den seltsamen Sachverhalt behandeln, auf den schon in einem berühmten Fragment des DEMOKRIT von Abdera hingewiesen wird. Es handelt sich um die wunderliche Tatsache, daß einerseits unser gesamtes Wissen über die uns umgebende Welt, ob es nun im Alltagsleben oder durch höchst sorgfältig geplante und mühsame Laboratoriumsversuche erworben ist, ganz und gar auf unmittelbaren Sinnesempfindungen beruht, während andererseits dieses Wissen nicht imstande ist, uns die Beziehung der Sinnesempfindungen zur Außenwelt zu enthüllen. So kommt es, daß in dem Bilde oder Modell, das wir uns von dieser bilden, die Sinnesqualitäten völlig fehlen. Dem ersten Teil dieser Behauptung wird wohl ein jeder leicht beistimmen. Des zweiten Teils hingegegen wird man sich vielleicht nicht so oft bewußt, einfach weil der Laie in der Regel eine große Hochachtung vor der Wissenschaft hat und uns Wissenschaftlern die Fähigkeit zutraut, Dinge herauszufinden, die der Mensch ihrer Natur nach unmöglich herausfinden kann oder je können wird." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort das Kapitel 6: Das Geheimnis der Sinnensqualität. Seite 66. Schrödinger geht dann beispielhaft auf die rätselhaft Psychophysik der Farben ein. Siehe dazu Farbwahrnehmung ↗
- [5] "Der Subjekt-Objekt Dualismus ist die Kernprämisse sämtlicher philosophischer Konzeptionen zumindest in der westlichen Philosophie. Wie bei Prämissen üblich, bleibt er in der Regel unhinterfragt und unbewiesen. Er ist eine Annahme, die auf Interpretation von Erfahrung beruht." In: Sascha Rohr. Einladungstext zum Kolloquium: "Eine Alternative zum Subjekt-Objekt Dualismus". Instititut für partizipatives Gesalten. Oldenburg. 14. Dezember 2014.
- [6] Unter anderem aus Sicht der internen Kommunikation von Unternehmen: Introna, Lucas & Whittaker, Louise. (2002). The Phenomenology of Information Systems Evaluation: Overcoming the Subject/Object Dualism. Online: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-0-387-35634-1_9
- [7] Holismus und Pragmatismus überwinden den Subjekt-Objekt-Dualismus der Aufklärung: "This paper presents and analyses a social-practice contextualist version of meaning holism, whose main root lies in American pragmatism. Proposing that beliefs depend on systems of language-use in social practices, which involve communities of people and worldly objects, such meaning holism effectively breaks down the Enlightenment tradition’s philosophical subject-object dualism (and skepticism). " T. Piiroinen: A meaning holistic (dis)solution of subject–object dualism – its implications for the human sciences. History of the Human Sciences, 31(3). 2018. 64-82. Online: https://doi.org/10.1177/0952695117752015
- [8] Der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers formulierte den Dualismus spitz aus Sicht der Psychologie: "Allen […] Anschauungen ist eines gemeinsam: sie erfassen das Sein als etwas, das mir als Gegenstand gegenübersteht, auf das ich als auf ein mir gegenüberstehendes Objekt, es meinend, gerichtet bin. Dieses Urphänomen unseres bewußten Daseins ist uns so selbstverständlich, daß wir sein Rätsel kaum spüren, weil wir es gar nicht befragen." In: Karl Jaspers: Einführung in die Philosophie. [1953] 25. Auflage, R. Piper, München 1986, Neuausgabe 1971. ISBN 3-492-10013-9. Dort ab Seite 24. Siehe dazu den Artikel Subjekt-Objekt-Spaltung ↗
- [9] Aus Sicht der transpersonalen Psychologie: "Transpersonal psychology has at times critiqued the broader psychology field for perpetrating a somewhat arbitrary Cartesian subject-object divide. Some phenomenologists claim that reframing this purported divide as an experienced phenomenon can defuse its philosophical impact. If subjective experiences are viewed as continuous with the lifeworld out of which objective phenomena are abstracted, the divide between these is revealed as a somewhat arbitrary, if useful, construction. " In: Brent Robbins, Harris Friedman, Chad Johnson, Zeno Franco: Subjectivity Is No Object: Can Subject-Object Dualism Be Reconciled Through Phenomenology? Recommended Citation. International Journal of Transpersonal Studies. 2018. 32. 10.24972/ijts.2018.37.2.144.
- [10] Christiane Bender. Der Subjekt-Objekt-Dualismus. Für ein neues Verständnis der Natur. Brockhaus - Die Bibliothek ; Kunst und Kultur; 6: Kunst und Kultur: Auf dem Weg zur "Weltkultur" - das zwanzigste Jahrhundert. 1999. Dort etwa 7 Seiten.
- [11] Schon der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger wies immer wieder auf die möglicherweise folgenschwere und fehlerhafte Auslassung hin, die man mit der Ausschaltung des Subjekts begeht: "Damit [mit dem Begriff der Objektivierung] meine ich genau dasselbe, was auch oftmals die Hypothese der realen Außenwelt genannt wird. Ich behaupte, es handelt sich dabei um eine gewisse Vereinfachung, die wir einführen, um das unerhört verwickelte Probleme der Natur zu meistern. Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zu einer objektiven Welt wird." Quelle: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Siehe auch Außenwelthypothese ↗
- [12] Unter anderem Albert Einstein schlug in den 1930er Jahren ein Experiment vor mit der zeigen wollte, dass alles andere als eine strikte Trennung von Subjekt und Objekt zu unsinnigen Folgerungen führen müsse. Dieses Experiment wurde einige Jahrzehnte später erfolgreich - zur Widerlegung von Einstein - durchgeführt. In: Aspect, A., P. Grangier und G. Roger (1982b): Experimental Realization of Einstein-Podolsky-Rosen-Bohm Gedankenexperiment: A New Violation of Bell’s Inequalities. Phys. Rev. Lett., 49: S. 91–94. Siehe mehr unter Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗