Subjekt
Physik
Basiswissen
Der Mond kann auch am hellen Tag scheinen: in diesem Satz ist der Mond das Subjekt. Das Subjekt wird in der Grammatik auch als Satzgegenstand bezeichnet. In der Psychologie ist das Subjekt der Träger des Ichs[1], welches mit Bewusstsein[2] privater Natur[3] ausgestattet ist. In der Philosophie des Mittelalters stand die Bedeutung von Subjekt nahe dem Wort Substanz[4] und bezeichnete eine tiefer liegende Wirklichkeit, die Grund und Ursache der darüberliegende Phänomene war[5]. In der Aufklärung erst wandelte sich das Subjekte hin zum Gegensatz des Objektes[6].
Das ausgeschaltete Subjekt in der klassischen Physik
Der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) betonte, dass die moderne Physik seiner Zeit im Bestreben die Natur objektiv beschreiben zu wollen, das Subjekt ausschloss: "Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zur objekten Welt gehört ."[7, Seite 28]. Der "Leib" aber "konstruiere" sich der Mensch aus seinen "Sinnesempfindungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen" als Teil der "realen Außenwelt". Und auch die "Leiber anderer Wesen" gehören dann zu dieser "objektiven Welt". Schrödinger zufolge "versetzte [ich] sozusagen mein eigenes wahrnehmendes und denkendes Selbst (elches diese Welt als geistiges Produkt konstruiert hat) in sie zurück[7, Seite 28 und 29]". Daraus folgt nun eine "Kette von Fehlschlüssen" und eine "Hölle von uneträglichen logischen Antinomien" mit den "schreiendsten Widersprüchen". Diese fußen letztendlich darauf, dass "wir uns nicht bewußt sind, daß ein einigermaßen zufriedenstellendes Weltbild bloß erreicht worden ist, um einen hohen Preis, nämlich so, daß jeder sich selbst as dem Bild ausgeschlossen hat, indem er in die Rolle eines unbeteiligten Beobachters zurückgetreten ist[7, Seite 29]." Diese konsequente Ausschaltung eines handelnden Ichs aus dem Erkenntnisprozess nennt man Objektivierung ↗
Die Subjekt-Objekt-Spaltung in der Philosophie
Der Philosoph Karl Jaspers (1883 bis 1969) sah die Trennung der Wahrnehmung in eine erkennendes Subjekt und die wahrgenommenen Objekte als eine unablegbare Eigenschaft des menschlichen Intellekts an. Jaspers Idee war nicht neu, doch er unterstrich damit noch einmal die vielleicht nicht ausreichend gewürdigte Bedeutung dieses Umstandes. Die Spaltung sei uns so "selbstverständlich", dass wir das "Rätsel kaum spüren".
Die Rückkehr des Ichs in der Quantenphysik?
In den 1920er Jahren mehrten sich experimentelle Befunde, die es nahelegten, dass es eine für sich alleine existierende objektive Welt nicht gibt[8]. Die mikroskopisch kleinen Objekte der Quantenphysik, so der Gedanke, nehmen möglicherweise erst in Verbindung mit einem Messapparat Gestalt und Eigenschaften an[9]. Die Welt existiert vielleicht nicht "von unserer Beobachtung" sondern erst durch unser "Zutun"[10]. Damit aber ist das Subjekt nicht mehr nur als bewusster Beobachter sondern als vielleicht untrennbarer Teil des Geschehens in der Welt zurück gekehrt. Der Physiker John Archival Wheeler[11] spann diesen Gedanken als partizipatorisches Universum ↗
Fußnoten
- [1] Im heutigen Sprachgebrauch ist ein Subjekt ist ein "über ein Bewusstsein und Denkvermögen verfügendes, erkennendes und handelndes Wesen" In: Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache. Dort der Artikel "Subjekt". Abgerufen am 21. Mai 2024. Online: https://www.dwds.de/wb/Subjekt
- [2] Der Psychrembel definiert Subjekt als das "erkennende, mit Bewusstsein ausgestattete, handelnde Ich." Der online Artikel Subjekt. Abgerufen am 21. Mai 2024.
- [3] Subjekt als Kern des Privaten: "That a given subject has a particular phenomenological point of view can be taken as saying that there exists a discrete ‘sphere’ of conscious experiential goings-on corresponding to this subject, with regard to which other subjects are distinct in respect of the phenomenal qualities they experience, and they have no direct (i.e. experiential) access to the qualitative field enjoyed by the first subject. A subject, then, can be thought of as a point of view annexed to a private qualitative field." In: S. Coleman: The real combination problem: Panpsychism, micro-subjects, and emergence, Erkenntnis, 79 (1). 2014. pp. 19–44.
- [4] Das Dorsch Lexikon der Psychologie verweist auf den Bedeutungswandel: "ursprünglich das Zugrundeliegende, so die Substanz bei Aristoteles. Allmählich wurde der Begriff zum «Ich» als dem Gegenüber des «Nicht-Ich», des Objekts." In: der Artikel "Subjekt" des Dorsch Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 21. Mai 2024. Online: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/subjekt
- [5] Das Wort geht auf das lateinische subiectum zurück, was wörtlich so viel heißt wie "das Daruntergeworfene". Im Aristotelismus des Mittelalters wird das so aufgefasste Subjekt zum Ausdruck "für eine zugrundeliegende Wirklichkeit, von der anderes in seinem Sein abhängt und im Ausgang von der es aufgefaßt werden muß, wenn es gewußt werden soll". Damit rückt das Wort Subjekt in seiner philosophischen Bedeutung in die Nähe des Wortes Substanz. Die griechische Entsprechung bei Aristoteles war das Wort hypokeimenon. Sinngemäß nach: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel "Subjekt" auf Seite 572.
- [6] Subjekt als handelndes Wesen: "Subjekt [lat. subjectu = Zugrundeliegendes und Unterworfenes), philosophische und soziologische Konstruktion eines anthropologischen Typus des Menschen als reflektierendes und handelndes Wesen, die ihren Ursprung in der Aufklärung hat. Ausgangspunkt der Subjektdiskussion ist die Definition des Ich (Ego) als denkendes Wesen gegenüber der objektiven Welt (Descartes)." Aus dem Artikel "Subjekt". In: Spektrum Lexikon der Geowissenschaften. Abgerufen am 23. November 2023. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/subjekt/7811
- [7] Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Seite 29. (Deutsche Übersetzung der Tarner Lecturesabgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956). Dort insbesondere das Kapitel "3 Objektivierung" von Seite 27 bis Seite 38.
- [8] So erinnert sich Werner Heisenberg an die Jahr 1926 bis 1927, an die Frühzeit der Quantenphysik: "Nun wurde behauptet, daß es, wenn man bis zu den Atomen hinabsteigt, eine solche objektive Welt in Raum und Zeit gar nicht gibt und daß die mathematischen Symbole der theoretischen Physik nur das Mögliche, nicht das Faktische abbilden." In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel 6 "Aufbruch in das neue Land. 1926-1927" auf Seite 112.
- [9] Insbesondere Niels Bohr (1885 bis 1962) beharrte darauf, dass Aussagen über ein physikalisches Objekt nur in Verbindung mit den benutzten Messgeräten sinnvoll seien. Siehe auch Kopenhagener Deutung ↗
- [10] Der Physiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger (geboren 1945) steht einem starken Subjektivismus nahe. Die Ergebnisse von Versuchen zur Quantenverschränkung und dem Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon legen für ihn nahe: „Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.“ In: Interview von Andrea Naica-Loebell mit Anton Zeilinger. Telepolis, 7. Mai 2001. Siehe auch Subjektivismus ↗
- [11] John Archibald Wheeler: Information, physics, quantum: The search for links. In: Zurek, Wojciech Hubert (ed.). Complexity, Entropy, and the Physics of Information. 1990. Redwood City, California: Addison-Wesley. ISBN 978-0-201-51509-1. (Definition von "participatory universe" auf Seite 5). Siehe auch partizipatorisches Universum ↗