Agent
Informatik
Basiswissen
Das Wort Agent geht auf die lateinische Wurzel agere zurück, die für ein Treiben oder Tun steht. Traditionell steht das Wort für einen Bevollmächtigten im Kaufmannswesen[8], eine Mittelsperson[9] oder einen staatlichen oder polizeilichen Spitzel[11]. Das Wort Agent wird heute auch in verschiedenen Gebieten der Wissenschaft verwendet. Diesen Verwendungen gemeinsam ist die Idee, dass der Agent Quelle von zielgerichteten Handlungen ist[12]. Dazu stehen hier kurz einige Beispiele.
Software-Agenten als Quelle von Aktionen
„Ein technischer Agent ist eine abgrenzbare (Hardware- oder/und Software-) Einheit mit definierten Zielen. Ein technischer Agent ist bestrebt, diese Ziele durch selbstständiges Verhalten zu erreichen und interagiert dabei mit seiner Umgebung und anderen Agenten.“ Diese Definition betont, die zumindest scheinbare Eigenständig des Agenten. Siehe auch Software-Agent ↗
Agenten und ein freier Wille
An agent in possession of free will is able to perform an action that was possible to predict by nobody but the agent itself: ein Agente mit einem freien Willen kann Aktionen ausführen, die niemand außer dem Agenten selbst hätten vorhersagen können. Die Physikerin Sabine Hossenfelder (geboren 1976) verwendet das Konzept des Agenten, um damit die Idee eines Freien Willen möglichst objektiv zu fassen. Einen Agenten definiert sie dann als: An “agent” here is to mean a system described by a collection of degrees of freedom, a subsystem of the universe, and an “action” is any change in its degrees of freedom ( i.e. an “action” can well be an entirely intrinsic, not necessarily externally observable, change). We will in the following refer to the values of all the agent’s degrees of freedom as the “state” of the agent. Ein Agent bringt damit Änderungen in die Welt, die aus einem Inneren zu entspringen scheinen, auf jeden Fall nicht aus den umgebenden Zuständen der Welt alleine heraus vorhergesagt werden können.[2]
Agenten im Sozialen Raum
Der französische Soziologie Pierre Bourdieu (1930 bis 2002) bezeichnet Menschen als Agenten in sozialen Feldern[3]. Der Agent erhält Macht und Kapital aus seinem sozialen Feld und definiert sich vor allem relativ zur Position anderer Agenten. Bei Bourdieus Idee eines Agenten steht stark der Einfluss des Sozialen Feldes auf den Agenten im Vordergrund. Bourdieus Agenten scheinen weniger Quelle von Handlung zu sein als Vielmehr Zahnräder in einer Mechanik. Siehe dazu auch Soziales Feld ↗
Insekten als Agenten in der Schwarmintelligenz
Social insects - ants, bees, termites, and wasps - can be viewed as powerful problem-solving systems with sophisticated collective intelligence. Composed of simple interacting agents, this intelligence lies in the networks of interactions among individuals and between individuals and the environment: diese Definition aus einem frühen Standardwerk zur Schwarmintelligenz[5] sieht Agenten als simple Teile eines Systems zur Lösung komplexer Probleme. Die Agenten hier sind soziale Insekten wie Ameisen, Bienen, Termiten oder Wespen. Schränkte der Soziologie Bourdieu die Autonomie der Agenten ein, wird in dem Ansatz zur Erforschung der kollektiven Intelligenz die innere Komplexität des Agenten letztendlich beliebig reduzierbar. Diese Idee beliebig simpler Agenten als Teil leistungsfähiger kollektiver Intelligenz ist ein Kernkonzept der Idee von einer Schwarmintelligenz ↗
Agenten und die Idee eine soziointegrativen Degeneration
Agenten sind Teile sozialer Systeme. Auf diesen gemeinsamen Nenner kann man die meiste Definitionen eines Agenten, quer durch verschiedene Fachgebiete bringen. Die Definition unterschieden sich im zugestandenen Grad der Autonomie und der inneren Komplexität. Bei ausreichend großer Abstraktionen werden Systeme aus diesen Agenten vergleichbar. Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten von Insektenstaaten oder Multiagentensystemen der Informatik lassen sich dann auf menschliche Gesellschaften übertragen. Ein Aspekt, der beharrlich an mehreren Stellen auftaucht und damit auf ein vielleicht tieferliegenden Phänomen verweist ist die mögliche Simplifizierung der Agenten bei gleichzeitiger Erhöhung der Gesamtkomplexität der Gesellschaft. Der polnische Autor Stanislaw Lem spielete diesen Gedanken am Beispiel des menschlichen Militärs durch: die einzelnen Soldaten - bis hin zu den Offizieren - konnten immer primitiver werden und gerade dadurch stieg die Schlagkraft der Armee als Ganzes an. Wo Mechanismen sozialer Intelligenz Wissen und Können auf Strukturen außerhalb der Individuen verlagern (erweiterter Geist) oder auf die Art der Vernetzung (global Brain), kann gleichzeitig die Komplexität von Menschen verringert werden. Diese - für mich dystopische - Tendenz nannte Lem soziointegrative Degeneration ↗
Agent oder Subjekt?
Wo ein Agent für eine bewusst und zielgerichtet handelnde Person steht, deckt sich die Bedeutung weitgehend mit der des Wortes Subjekt im Sinn der Philosophie. Bei einem Agenten steht jedoch oft die eigentliche Handlung im Vordergrund, der Agent ist damit ein Mittel zum Zweck. Beim Subjekt hingegen interessiert weniger dessen Handlung als vielmehr das innere Erleben, die Wahrnehmung seiner Welt und die Quelle seiner Ziele[13]. Siehe dazu auch Subjekt ↗
Fußnoten
- [1] Stuart Russell, Peter Norvig: Künstliche Intelligenz. Ein moderner Ansatz. Pearson Education Deutschland. 2004. ISBN: 3-8273-7089-2. Dort die Seiten 70 ff.
- [2] Sabine Hossenfelder: The Free Will Function. Free will from the perspective of a particle physicist. 2012. https://arxiv.org/abs/1202.0720
- [3] Pierre Bourdieu: The social space and the genesis of groups. Theor Soc 14, 723–744 (1985). Dort die Seite 724. https://doi.org/10.1007/BF00174048
- [4] VDI-Richtlinie 2653 Blatt 1: Agentensysteme in der Automatisierungstechnik - Grundlagen, 2010.
- [5] Eric Bonabeau, Marco Dorigo, Guy Theraulaz, Guy Theraulaz: Swarm intelligence: from natural to artificial systems. Oxford university press. 1999.
- [6] 1793, Agent im bürgerlichen Sinn: "Der Agênt, des -en, plur. die -en, aus dem Lat. agens, ein jeder, der eines andern, besonders eines Höhern Privat-Geschäfte an einem Orte besorgt; der Geschäftträger, im Oberdeutschen Gerhab, Gewalthaber. Daher die Agentūr, plur. die -en, das Amt eines Agenten, welches auch wohl die Agentschaft genannt wird. Der Agent regierender Herren, hat keine öffentlichen, sondern nur Privat-Geschäfte zu besorgen, daher er auch mit keinen Beglaubigungsschreiben versehen wird." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 182. Online: http://www.zeno.org/nid/20000014184
- [7] 1809, noch bürgerlich: "Der Agent ist eigentlich derjenige, welcher für Andre Aufträge und Geschäfte an einem andern Orte besorgt; dann auch besonders: der Geschäftsträger großer Herren, welcher jedoch einen weit geringern Grad hat, als andre Gesandten. Er heißt auch bisweilen Chargé dʼAffaires (spr. Scharsché daffaire)." Und so weiter. In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 19-20. Online: http://www.zeno.org/nid/20000782378
- [8] 1854, Bevollmächtigter: "Agent, Bevollmächtigter, mit einem bestimmten Geschäfte Betrauter." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 70. Online: http://www.zeno.org/nid/20003185567
- [9] 1857, Agent als Mittelsperson: "Agent (v. lat.), Person, welche gewisse Geschäfte im Auftrage u. Namen eines Andern besorgt. So hatten schon die römischen Kaiser ihre Agentes in rebus, welche in den Provinzen allerhand Aufträge derselben, z.B. die Zufuhr des Getreides, besorgten. Nach der Art der ihm aufgetragenen Geschäfte ist der A. entweder ein diplomatischer A., Geschäftsträger, Gesandter, Consul, Hof-A., od. ein Handels-A. Letzterer ist es, den man gewöhnlich unter der einfachen Bezeichnung A. versteht. Er ist die Mittelsperson eines od. mehrerer auswärtigen Häuser, Versicherungsgesellschaften, Schiffsrheder etc., vertritt andauernd u. ausschließlich deren Interessen, schließt die Geschäfte ab u. bringt dann Käufer u. Auftraggeber in directe Berührung." Und wo weiter. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 181. Online: http://www.zeno.org/nid/2000931458X
- [10] 1905, Agenten in vielen Bereichen: "Agent (lat., »ein Handelnder«), Bezeichnung für Geschäftsvermittler der verschiedensten Art; Agentur, Agenturgeschäft, Agentschaft, Agentie, Bezeichnungen für den Geschäftsbetrieb eines Agenten. Dem Haupt- oder Generalagent, der den ganzen Geschäftsbetrieb unter sich hat, stehen Unter- oder Spezialagenten für einzelne Geschäftszweige oder bestimmt abgegrenzte räumliche Gebiete zur Seite. Man spricht von Hofagenten, welche die Privatinteressen eines fürstlichen Hofes wahrnehmen" und noch sehr ausführlich so weiter. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 166-167. Online: http://www.zeno.org/nid/20006199275
- [11] 1911, Agent kaufmännisch: "Agént (lat.), jeder, der im Auftrag eines andern handelt; insbes. Vermittler von Grundstücksverkäufen, Stellungen, Miets- und Darlehnsangelegenheiten, Sammler von Versicherungsanträgen für eine Versicherungsgesellschaft (Versicherungs-A.), ständiger Vertreter auswärtiger Häuser, welcher für deren Rechnung Verkäufe gegen Provision bewirkt (Handels-A.), auch Beauftragter einer Regierung ohne diplomat. Rang (polit. A.). A. provocateur (frz., spr. ascháng -töhr), geheimer Polizei-A., der sich in das Vertrauen politisch verdächtiger Personen einschleicht, um sie auszuhorchen und zu strafbaren Handlungen aufzureizen. Agentūr, Geschäft eines A." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 21. Online: http://www.zeno.org/nid/20000887951
- [12] Agenten handeln mit Zielen: "the agent’s ”desire for the end, and his belief in the action as a means … jointly cause an intention to take it, which in turn causes the corresponding movements of the agent’s body.“ Das Zitat stammt aus: Action. In: Stanford Enclopedia of Philosophy. 2023. Dort das Kapitel "Mental states as the causal explanans of actions
- [13] Subjekt in der Philosophie: "Subjekt [lat. subjectu =Zugrundeliegendes und Unterworfenes), philosophische und soziologische Konstruktion eines anthropologischen Typus des Menschen als reflektierendes und handelndes Wesen, die ihren Ursprung in der Aufklärung hat. Ausgangspunkt der Subjektdiskussion ist die Definition des Ich (Ego) als denkendes Wesen gegenüber der objektiven Welt (Descartes)." Aus dem Artikel "Subjekt". In: Spektrum Lexikon der Geowissenschaften. Abgerufen am 23. November 2023. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/subjekt/7811