Objektivismus
Physik
Grundidee
Die „neuzeitliche Wissenschaft“ geht davon aus, dass man „objektive Wahrheit nur durch Ausschalten subjektiver Einflüsse (Emotionen, Interessen, Perspektiven“ erlangen kann[1], bis hin zur bewussten Vernachlässigung vieler Sinnesqualitäten, etwa des „Farbsinnes“[2][3]. In dieser Definition unausgesprochen enthalten ist die Annahme, dass es eine solche objektive Realität überhaupt gibt.[4] Dass aber die Physik als Wissenschaft nicht unbedingt geeignet ist, diese objektive Realität vollständig zu erfassen, drängte sich mit erneuter Dringlichkeit mit der Quantenphysik auf[4]. Die Idee einer für sich alleine objektiv existierenden physikalischen Realität war ein Grundbaustein[4] für die klassische Physik ↗
Fußnoten
- [1] Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Seite 410.
- [2] Das Ausschalten der subjektiven Anteile von Sinneserlebnissen aus der physikalischen Beobachtung beschrieb der Physik Max Planck anschaulich auf einem Vortrag im Jahr 1908: "Welcher Physiker denkt heutzutage bei der Elektrizität noch an geriebenen Bernstein oder beim Magnetismus an den kleinasiatischen Fundort der ersten natürlichen Magnete? Und in der physikalischen Akustik, Optik und Wärmelehre sind die spezifischen Sinnesempfindungen geradezu ausgeschaltet. Die physikalischen Definitionen des Tons, der Farbe, der Temperatur werden heute keineswegs mehr der unmittelbaren Wahrnehmung durch die entsprechenden Sinne entnommen, sondern Ton und Farbe werden durch die Schwingungszahl bzw. Wellenlänge definiert, die Temperatur theoretisch durch die dem zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie entnommene absolute Temperaturskala, in der kinetischen Gastheorie durch die lebendige Kraft der Molekularbewegung, praktisch durch die Volumenänderung einer thermometrischen Substanz bzw. durch den Skalenausschlag eines Bolometers oder Thermoelements; von der Wärmeemfpidnung ist aber bei der Temperatur in keinem Fall mehr die Rede. Genau ebenso ist es mit dem Begriff der Kraft gegangen. Das Wort „Kraft“ bedeutet ursprünglich ohne Zweifel menschliche Kraft, entsprechend dem Umstand, daß die ersten und ältesten Maschinen: der Hebel, die Rolle, die Schraube, durch Menschen oder Tiere angetrieben wurden, und dies beweist, daß der Begriff der Kraft ursprünglich dem Kraftsinn oder Muskelsinn, also einer spezifiischen Sinnensempfindung, entnommen wurde. Aber in der modernen Definition der Kraft erscheint die spezifische Sinnesempfindung ebenso eliminiert, wie in derjenigen der Farbe der Farbensinn." In: Max Planck: Die Einheit des physikalischen Weltbildes. Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakultät des Studentenkorps an der Universität Leiden. Die Methode Beobachtungen und Messungen auf ausführbare Anleitungen zu reduzieren nennt man auch Operationalisierung ↗
- [3] Dass beim Ausschalten des Subjekts in der Physik durchaus etwas Sonderbares geschieht, beschrieb wiederum Max Planck: "Bedenkt man […] daß doch die Empfindungen anerkanntermaßen den Ausgangspunkt aller physikalischen Forschung bilden, so muß diese bewußte Abkehr von den Grundvoraussetzungen immerhin erstaunlich, ja paradox erscheinen. Und dennoch liegt kaum eine Tatsache in der Geschichte der Physik so klar zutage wie diese. Fürwahr, es müssen unschätzbare Vorteile sein, welche einer solchen prinzipiellen Selbsttäuschung wert sind!" In: Die Einheit des physikalischen Weltbildes. Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakultät des Studentenkorps an der Universität Leiden. Dass dieser Schritt vielleicht im 19ten und 20ten Jahrhundert methodologisch zunächst sinnvoll Jahr, aber auf lange Sicht die physikalisch Erkenntnis folgenreich einengen könnten, legen die enge und möglicherweise untrennbare Einflussnahme des Psychischen auf das angenommen Materielle dar. Das klassische Phänomen der Physik dazu ist das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗
- [4] Entgegen der vorherrschenden Ansicht vieler seiner Kollegen und auch entgegen einer zweifelhaften Faktenlage hielt Albert Einstein an der Existenz einer streng objektiven Wirklichkeit fest. Den von ihm abgelehnten Subjektivismus spitzte er mit seiner provokativen Mond-Frage zu: "We [Einstein und Bohr] often discussed his notions on objective reality. I recall that during one walk Einstein suddenly stopped, turned to me and asked whether I really believed that the moon exists only when I look at it." Auf Deutsch: glauben Sie, dass der Mond nur dann existiert, wenn ich ihn ansehen? In: Abraham Pais: Einstein and the quantum theory. In: Rev. Mod. Phys. 51, 863–914 (1979), p. 907. DOI: https://doi.org/10.1103/RevModPhys.51.863
- [5] Einstein präzisierte seine Sicht auf die objektvive, reale Außenwelt. In direktem Gegensatz zu Ernst Mach hält Einstein die Außenwelthypothese nicht für ein Problem, sondern für eine notwendige Grundlage jeder sinnvollen Physik: "Fragt man, was unabhängig von der Quanten-Theorie für die physikalische Ideenwelt charakteristisch ist, so fällt zunächst folgendes auf: die Begriffe der Physik beziehen sich auf eine reale Außenwelt, d. h. es sind Ideen von Dingen gesetzt, die eine von wahrnehmenden Subjekten unabhängige ›reale Existenz‹ beanspruchen (Körper, Felder etc.), welche Ideen anderseits zu Sinneseindrücken in möglichst sichere Beziehung gebracht sind. Charakteristisch für diese Dinge ist ferner, daß sie in ein raum-zeitliches Kontinuum eingeordnet gedacht sind. Wesentlich für diese Einordnung der in der Physik eingeführten Dinge erscheint ferner, daß zu einer bestimmten Zeit diese Dinge eine voneinander unabhängige Existenz beanspruchen, soweit diese Dinge ›in verschiedenen Teilen des Raum liegen‹ Ohne die Annahme einer solchen Unabhängigkeit der Existenzs (des ›So-Seins‹) der räumlich distanten Dinge voneinander, die zunächst dam alltags-Denken entstammt, wäre physikalisches Denken in dem uns geläufigen Sinne nicht möglich." In: ein Brief von Einstein an Max Born vom 5. April 1948. Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 231.
- [5] Der Physiker Max Born zweifelt zumindest an, dass die Physik keine umfassende Kenntnis einer objektiven Welt liefern kann. Im Rückblick auf seinen Briefwechsel mit Albert Einstein schrieb Born: "Einstein war fest überzeugt, daß uns die Physik Kenntnisse von der objektiv existierenden Außenwelt liefere. Mit vielen anderen Physikern bin ich langsam durch die Erfahrungen im Gebiete der atomaren Quantenerscheinungen dazu bekehrt worden, daß das nicht so ist, da wir nur in jedem Zeitpunkt eine rohe, angenäherte Kenntnis der objektiven Welt haben und aus dieser nach bestimmten Regeln, den Wahrscheinlichkeitsgesetzen der Quantenmechanik, auf unbekannte (z. B. zukünftige) Zustände schließen können." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort über einen Brief Einsteins an Born vom 29. April 1924, Seite 119.
- [6] Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Interview von Andrea Naica-Loebell mit Anton Zeilinger. Telepolis, 7. Mai 2001. Siehe auch Zeilingers Kant-Forderung ↗