Operationalisierung
Statistik
Definition
Als Operationalisierung oder Messbarmachung bezeichnet man in den empirischen Wissenschaften eine Anleitung wie man ein theoretisches Konstrukt mithilfe sogenannter Indikatoren eindeutig beobachten oder messen kann. Dazu hier zwei Beispiele.
1850 bis 1900: Psychophysik
Im 19ten Jahrhundert bildete sich als eigene wissenschaftliche Disziplin die Psychophysik heraus. Sie versuchte psychologisch wichtige Phänomene mit physikalisch messbaren Eigenschaften menschlicher Körper zu verbinden. Wichtige Vertreter waren Hermann von Helmholtz und Gustav Fechner. Siehe auch => Psychophysik
2000er Jahre: Glück als Lebensziel?
Woran misst man den Erfolg eines Landes? Soll man seine Wirtschaftskraft (USA im 20ten Jahrhundert) nehmen, seine Beständigkeit über die Zeit (Vatikan, China) oder vielleicht die Zufriedenheit seiner Bewohner? Während im 20ten Jahrhundert weitgehend unangefochten die Formel galt, dass eine gesunde Wirtschaft Ausdruck (BIP) erfolgreicher menschlicher Wunscherfüllung ist, werden seit den 2000er Jahren verstärkt Methoden entwickelt, die Zufriedenheit oder das Lebensglück von Menschen in einem Staat zu messen. Doch woran soll man festmachen? Soll man Menschen einen Fragebogen zur Selbstauskunft geben? Lässt die Selbstmordrate oder die Anzahl psychischer Behandlungsfälle Rückschlüsse zu? Eignen sich Lebensalter, Kinderzahl oder der Drogen- und Alkohlkonsum als Indiktoren? Um Glück oder Zufriedenheit statistisch-empirisch greifbar zu machen, muss man eine genaue Messmethode definieren, ein Wort wie Glück als operationalisieren. Siehe als Beispiel den => World Happiness Report
1946: Lesebedürfnis
Der englische Autor George Orwell sah sich Anfang 1946 mit der These konfrontiert, Menschen würden keine Bücher kaufen, weil sie zu teuer sind. Der Aussage zugrunde liegt, dass die Menschen seiner Zeit (direkt nach dem zweiten Weltkrieg) möglicherweise durchaus ein Bedürnis nach Literatur haben, haben sie sich nicht leisten können. Sein Gedanke war es dann, diese These messbar zu machen. Er überschlägt zunächst für sich, dass er im Durchschnitt etwa 25 englisch Pfund Geld pro Jahr für Lesen bezahlt, verglichen mit rund 40 Pfund für Zigaretten. Aus statistischen Veröffentlichungen zitiert er dann, dass durchschnittliche englische Männer im Jahr rund 40 Pfund für Alkohol und Zigaretten ausgeben. Aus der Zahl der jährlich herausgegebenen Bücher - einschließlich Schulbücher - und der geschätzten Auflage kommt er zu dem Schluss, dass der durchschnittliche englische Bürger 3 Bücher pro Jahr. Er schließt, dass es in England kein ausgeprägten Lesebürfnis gibt und der Preis von Büchern dafür nicht der Grund sein kann. So mit beobachtbaren oder messbaren Zahlen zu argumentieren nennt man empirisch arbeiten. Und eine Anleitung mit der man ein Wort wie Lesebedürfnis messbar machen kann ist eine Operationalisierung. Siehe auch => Glück
Quellen
- [1] George Orwell: Books v. Cigarettes (Tribune, February 8th, 1946). In: George Orwell. Essays. Everyman Library. 242. Herausgegeben von Alfred A. Knopf. 2002. ISBN: 978-1-85715-242-5. Seite 1021 bis 1025.