Gunter Heim
Physik-Lexikon
© 2016
- 2025
Autoreninformation|
Kindheit und Jugend|
Bis zum Studium|
Studienzeit|
Industrietätigkeit|
IT-Branche|
Philosophie|
Als Lehrer|
Lernwerkstatt|
Diverses|
Familie|
Haltungen und Werte|
Der Kern
Autoreninformation
Das Lexikon rhetos.de beinhaltet Texte, Bilder und Filme verschiedener Autoren und Quellen. Die Hauptredaktion liegt bei mir, Gunter Heim, aus Aachen. Alle Inhalte werden persönlich von mir durchgelesen. Die Auswahl der Inhalte und die Gesamtausrichtung entsprechen meiner Philosophie, dass die Fächer Physik, Chemie und Mathematik Teil eines über historische Zeiträume andauernden Bemühens sind, unseren Platz im Kosmos zu finden.
Kindheit und Jugend
Aufgewachsen bin ich irgendwo im Nirgendwo zwischen Hanau und Frankfurt am Main. Die 1970er Jahre mit ihrem Fortschfrittsglauben und ihrer ausgelassenen Popkultur bilden den Hintergrund meiner Kindheitserinnerungen. Prägende Eindrücke waren große Familienfeiern, die Silberschmiede meiner Eltern, der Besuch der methodistischen Sonntagsschule, die "tausenden" kleinen Geschäfte in unserem Ort (die es heute alle nicht mehr git), viele ausgedehnte Wanderungen in den Wäldern der Umgebung und auch häufige Besuche in den damaligen Ostblock.
Eine Vorliebe für naturkundliche und technische Themen muss schon früh da gewesen sein. Lego, Fischer-Technik, später eine elektrische Eisenbahn, die Briefmarken-Sammlung, Kosmos-Experimentierkästen, Was-ist-Was Bücher und dann der legendäre ZX81 Home-Computer und Ähnliches mehr füllten Stunden, Tage und Wochen aus.
Langfristig einen großen Einfluss auf meine Lebenshaltung hatten sicher auch die vielen, vielen Spuren des Zweiten Weltkriegs. Die Folgen des Krieges waren unreflektierter Teil meiner frühen Eindrücke. Vielen Verwandten fehlte ein Körperteil, viele Freunde der Familie waren "Ausgebombte" oder "Flüchtlinge". Ich hörte oft episodisch erzählte Erinnerungen wie etwa die Bombardierung Hanaus gegen Kriegsende oder aus Kampfhandlungen in der Wüste Nordafrikas. Eine enge Familienfreundschaft ins polnische Masuren stammte ebenfalls vom Krieg her. Das Stadtbild von Hanau und Frankfurt war von amerikanischen Soldaten sehr geprägt, auch eine Kriegsfolge. Aber erst viele Jahrzehnte später wurde mir klar, wie sehr mein kindlich-jugendliches Bild von der Kriegszeit auch ein Ergebnis von Auslassungen, von Verschwiegenem und Unerwähntem war.
Sehr prägend waren ferner der örtliche Schwimmverein mit seinem sehr lebendigen Vereinsleben sowie viele Schüleraustausche mit England und Nordfrankreich. 1983/84 verbrachte ich ein Jahr an einer Schule in Ostlondon, wo ich am Ende den englischen Realschulabschluss erwarb. Stolz war ich damals auf die bestandenen O-Level Prüfungen in Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Französisch. Erst im englischen Schulsystem mit seinen schon damals zentral gestellten Prüfungen entdeckte ich meine Freude am strukturierten Lernen. Formell endete die Jugendzeit dann mit dem Abitur im Jahr 1986.
Bis zum Studium
Nach der Schule jobbte ich zunächst in mehreren Fabriken. Ich hatte damals einen Drang, endlich etwas vom "echten Leben" kennenzulernen. Dann folgten 21 Monate Zivildienst in einem Kurheim für behinderte Menschen am Rande des Spessarts. Aus dieser Zeit nahm ich einen großen Respekt für Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen mit. Der Umgang mit den Kurgästen hingegen hinterließ bei mir den Eindruck, dass zwischen dem was man gemeinhin als "normal" bezeichnet und was als "behindert" gilt, ein fließender Übergang herrscht. Meine heute große Wertschätzung für "Neurodiversität" war wohl schon damals angelegt. Während des Zivildienstes nahm ich auch an einem Fernstudium in Hagen teil. Dort lernte ich das Programmieren mit Fortran und einige Themen der Soziologie kennen.
Auf Umwegen politisch sehr prägend war eine mehrwöchige Flugsafari mit meinem Vater in Südafrika. Mein Vater erfüllte sich damit einen Lebenstraum. Für mich war es ein Einblick in die ausklingende (Un)Kultur der Apartheid im Südlichen Afrika. Erst in der späteren Erinnerungen, dann aber sehr stark, begann ich mich immer mehr darüber zu wundern, wie selbstverständlich damals die rabiate Trennung von Menschen verschiedener Hautfarben war. Später sollte ich noch zweimal mit Bergbauexkursionen und einmal als Austauschlehrer in die Region reisen.
Am Ende des Zivildienstes war für mich noch unklar, wohin die weitere Reise gehen sollte. Ein Studium sollte es sein. In der engeren Wahl waren Fächer wie Englisch, Soziologie, Meeresbiologie oder auch der klassische Maschinenbau. Die Wahl fiel dann auf ein Ingenieurstudium. Es folgten mehrere mehrmonatige Praktika auf einer Schiffswerft, in einem Steinkohlenbergwerk und in einem Kalibergwerk. Dort nahm ich vor allem eine große Bewunderung für die komplexen Abläufe in industriellen Großbetrieben mit. Und mit den "Kumpels" von "unter Tage" lernte ich einen zupackenden, oft schroffen aber auch herzlichen Menschenschlag kennen, den es heute immer weniger gibt. Nostalgie ist ein Gemütszustand, in dem ich mich gerne aufhalte.
Studienzeit
1990 begann ich das Studium des Bergbaus in Aachen. Dieses Studium generale bot zunächst einen soliden Einstieg in die Grundlagen der Ingenieurfächer. Parallel gab es neben den bergbaukundlichen Fächern aber auch Fächer wie Geologie, Mineralogie, Lagerstättenkunde, öffentliches und bürgerliches Recht, Wirtschaft, Kokerei- und Brikettierwesen, Geophysik, Mikroskopieren und manche Kuriositäten mehr.
Während der Studienzeit nahm ich an rund 80 geologischen und bergaukundlichen Exkursionen teil und arbeitete unter dem Strich etwa ein weiteres Jahr in verschiedenen Bergbaubetrieben in Deutschland sowie der Türkei. Was mich an diesem Studium so faszinierte war die sehr enge Verzahnung von lebendiger Praxis mit der eher wissenschaftlich dargebotenen Theorie. Die Vorlesungen und Übungen fanden oft in familiären Rahmen statt. Nicht selten waren die Dozenten auch Personen aus der Industrie. Neben dem Faszinosum von Industrie und Technik berührte mich jedoch mindestens genauso stark der geologische Hintergrund, das Erlebnis der überwältigenden Natur, wie sie sich in den großen Formationen und der Tiefe der Zeit offenbaren.
Industrietätigkeit
Nach dem Studium ging es als Ingenieur in die Braunkohlentagebau des rheinischen Reviers zwischen Köln und Aachen. Im Tagebau Inden arbeite ich zunächst im Dreischichtbetrieb als sogenannter Steiger sowie später als Ingenieur in Hambach betriebsnah vor Ort im Tagebau selbst. Ich bewundere noch heute, wie zuverlässig die gigantischen Kraftwerke mit Braunkohle versorgt wurden. Keine Betriebsstörung, kein Unwetter, kein Stromausfall, keine Störaktion von Aktivisten und keine Epidemie hat jemals ein Kraftwerk ernsthaft zum Stillstand gebracht. Die drei Jahre in den Tagebauen haben mir aber auch gezeigt, was technisch alles möglich ist, wenn Wille und Durchsetzungskraft vorhanden sind. Sie vertieften weiter meine Einblicke in eine streng hierarchisch organisierte Arbeitswelt und eine kulturell verwurzelte Trennung von Mitarbeitern und Führungskräften. Dass ich 1998 der ehemaligen Firma Rheinbraun den Rücken kehrte war kein Ausdruck von Unzufriedenheit. Was mir aber fehlte war der Bezug zur Kultur von Wissenschaft und Theorie.
IT-Branche
Die Jahre 1998 bis 2003 verbrachte ich am Institut für Bergwerks- und Hüttenmaschinenkunde der RWTH Aachen sowie einer damit eng verbundenen Softwarefirma. Dort erlebte ich die Frühzeit des Internets mit ihrem Pioniergeist mit. Ich war Teil eines größeren Teams, das technische Planungssoftware für die Steinkohlenindustrie erstellte. Neben der Entwicklung von Datenbanken und der Software selbst führte ich auch Mitarbeiterschulungen im Ruhrgebiet durch. Die Teilnahme an mehreren internationalen Konferenzen und das Schreiben von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften gaben einen Einblick in die Welt des Wissenschaftsbetriebs. Eine Erinnerung mahnt mich noch heute sehr zur Vorsicht. Als um das Jahr 2000 ein Kollege davon schwärmte, dass die Zukunft in kleinen mobilen Geräten liegen könnte, tat ich das ungläubig ab. Ich konnte mir damals überhaupt nicht vorstellen, dass jemand freiwillig auf einem so kleinen Gerät wie einem Smartphone (gab es damals noch nicht) auf einen Bildschirm blickt oder Tasten bedient. Künstliche Intelligenz wurde auch als Potenzial erwähnt, war aber de facto auf Nischenanwendungen beschränkt. Mit der Promotion endete diese auch menschlich sehr schöne Zeit.
Philosophie
Von 2003 bis 2005 war mein offizieller Arbeitgeber das Philosophische Institut der RWTH Aachen. Ich arbeitete dort aber nicht als Philosoph sondern in der Einwerbung von Fördergeldern für interdisziplinäre Projekte. Dort lernte ich einen ganz anderen Typ Mensch kennen als in den eher industrienahen Tätigkeiten der Jahre vorher. Ich begann mich für die Soziologie von Milieus und Fachdisziplinen zu interessieren. Ein bleibender Eindruck sind die meiner Erfahrung nach unüberbrückbaren Gegensätze im Denken und in den Werten von erfolgreichen Personen aus verschiedenen Disziplinen. Die Denkwelt eines erfolgreichen Ingenieurs aus Deutschland ist von der Denkwelt eines erfolgreichen Philosophen aus Deutschland wahrscheinlich um ein Vielfaches weiter entfernt als die Denkwelten eines deutschen und eines chinesischen Ingenieurs. "Getrennte Welten" war denn auch der passende Titel einer von mir mitorganisierten Ringvorlesung an der RWTH.
Als Lehrer
2005 kam dann den wohl letzte größere Wechsel in meinem Werdegang. Ich ging als Lehrer für Mathematik und Informatik sowie auch Physik an eine Privatschule. Im Rückblick auf meinen Lebensweg glaube ich zu erkennen, dass die Freude am gemeinschaftlichen Lernen vielleicht schon immer die eigentliche Bestimmung gewesen ist. In dieser Zeit an der Privatschule schloss ich so manche Freundschaft, auch mit Schülern, die Jahrzehnte überdauerte. 2009 kam dann ein Ereignis, das die Wende hin zur Gründung der Lernwerkstatt in Aachen bringen sollte. Ich wurde von der Privatschule als Austauschlehrer mehrere Wochen an eine Privatschule in Johannesburg (Südafrika) geschickt. Und zwei Lehrer dieser Schule wohnten dann auch mehrere Wochen bei uns privat zuhause. In der Schule in Johannesburg waren die Räume nicht den Klassen sondern den Lehrern zugeordnet. Jeder Lehrer hatte seinen festen Raum. Zwischen den Stunden mussten also die Schüler die Räume wechseln. Und so kam es, dass die Räume der Lehrer immer auch wie kleine Museen, Labore, Bibliotheken, Musizierstuben oder Werkstätten aussahen. Besonders beeindruckt hatte mich der sehr kleine Raum einer Physik-Lehrerin. Voll mit Experimentiermaterial, einer lebendigen Echse, einem Skelett und kleineren Gadgets fühlte man sich wie im Labor eines Forschers aus dem 19. Jahrhundert. Das hatte fast schon etwas von Steam-Punk. Der Anblick dieses Raumes war für mich der Moment der Geburt der Idee der Lernwerkstatt.
Lernwerkstatt
2010 traf ich dann auf der vorläufig letzten Station meines Lebensweges ein: der Mathe-AC Lernwerkstatt in Aachen, die ich heute als Zwei-Personen-Firma mit meiner Frau betreibe. Als Selbständige haben wir dort alle Freiheiten, eigene Ideen auszuprobieren. Ein gewisser Realitäts-Check besteht darin, dass Eltern uns letztendlich für unsere Tätigkeit bezahlen müssen. Dieser wirtschaftliche Bewährungsdruck hat die nüchterne Wirkung, sich nicht dauerhaft in substanzlosen Träumereien verlieren zu können. Die Lernwerkstatt ist nun mehr oder minder mein vorrangiger Lebensinhalt.
Diverses
Vor dem Hintergrund der hier kurz skizzierten Stationen im eigenen Werdegang gab es einige formende oder zumindest bereichernden Tätigkeiten und Erlebnisse, die ich hier einfach nur chronologisch noch erwähnen möchte.
- Sprechfunktzeugnis für Privatflugzeuge
- Sportbootführerschein Binnen und See
- Ausbildung zum Schwimmtrainer (NL)
- Ausbildung zum Übungsleiter Tauchen
- 20 Jahre in der Vennlandakademie (Philosophie)
- Fernstudium Dyskalkulie- und Legasthenietrainer
- Mitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Familie
Meine jetzige Frau lernte ich bereits in der 5. Klasse im Schwimmverein kennen. Das gemeinsame Interesse an Naturwissenschaften und Technik passte später dann ideal zu unseren Studienwünschen. Wir haben eine erwachsene Tochter und leben in der Nähe von Aachen.
Haltungen und Werte
Wir leben in Zeiten großer Umwälzungen. Das konnte man wahrscheinlich in fast jeder Epoche der Geschichte sagen. Aber das macht die Empfindung nicht falsch. Vielleicht ging es schon immer und geht es auch jetzt ständig um große und wichtige Weichenstellungen. Als Kind und Jugendlicher hatte ich ein unverwüstliches Vertrauen in die wohlbringende Kraft des technologischen Fortschrittes. Heute bin ich zutiefst erschüttert von der Behäbigkeit und der fehlenden Experimentierfreude vieler Menschen an Neuem. Hier sind einige Positionen, die ich im Moment recht bewusst verteidige.
- Wir werden in keiner Weise dem Ernst der Lage in Sachen Klimawandel gerecht.
- Wo Menschen ihr Humankapital nachweisen müssen, haben sie gegen KI keine Chance.
- Marktwirtschaft ist nur duchgepauster Darwinismus. Da muss mehr drin sein.
- Die Verlockungen der Welt des Konsums lenken oft ab von wahreren Bedürfnissen.
- Die jetzigen Schulen sind Verwaltungsfabriken. Auch da muss mehr möglich sein.
- Die zu starke Trennung des Lernens in Fächer schadet mehr als sie nützt.
Keine dieser Positionen ist unverhandelbar. Aber meine Argumente sind nicht vom Blauen Himmel gefallen. Um mich von einzelnen Standpunkten wegzubringen, müsste jemand schon für mich neue Argumente anführen. Nicht verhandelbar sind für mich meine Werte. Ob zum Guten oder zum Schlechten, die Werte sind wohl Teil meiner Grundaustattung, die ich selbst nicht abändern kann. Solche Werte sind Bescheidenheit in der Lebensführung (kein Luxus und Status), Zurückhaltung gegenüber bestehendem Leben (Unversehrtheit der Natur), Toleranz im Denken und Sprechen (nicht im Handeln), Intellektualität und Gemeinschaftssinn. Das Verbindende dieser Werte ist wohl die Neigung eher zu beobachten als zu tun.
Der Kern
Während ich das hier schreibe ist der 60. Geburtstag nicht mehr allzuweit entfernt. Ich glaube, im Rückblick einen roten Faden ausmachen zu können. Dieser war mir vielleicht schon in die Wiege gelegt. Es ist ein Drang, in allen Erscheinungen der Welt Puzzleteile eines größeren Ganzen erkennen zu wollen. Die Neugier auf die verschiedensten Einzelteile (Bergbau, Philosophie, Tauchen, Physik etc.) wechselte ab mit immer neuen Versuchen, diese Einzelteile zu einem größeren Bild zusammensetzen zu wollen. Und das ist vielleicht auch die wesentliche Haltung, die ich Schülern in der Lernwerkstatt vermitteln möchte. Tauche tief ein in einzelne Aspekte des Lebens. Das kann der nächste Schulabschluss, ein Hobby, ein Beruf, das Studium, eine sich aufdrängende Pflicht oder sonst etwas sein. Eigne dir alle dazu nötigen Kenntnisse an und entwickele sie mit Fleiß und Biss. Aber suche auch immer wieder die Muße zur Kontemplation, zur großen Beschauung. Was ist das große Spiel, in das wir hineingestoßen sind? Es ist nicht alleine wichtig, auf einer im Moment zugewiesenen Baustelle (Schulabschluss, Beruf, Familie) erfolgreich seinen Mann oder seine Frau zu stehen. Genauso wichtig ist es auch, immer wieder neu und mit philosophischer Gelassenheit und denkerischem Ernst über unsere Stellung in der Welt nachzudenken, unseren richtigen Platz im Leben zu finden und darüber mit anderen Menschen gemeinsam nachzusinnen.