Strahlenoptik
Einführung
Grundidee
In der Strahlenoptik, auch geometrische Optik genannt[14], behandelt man Licht so, als ob es aus geraden Linien, den Strahlen bestünde. Mit der Strahlenoptik kann man viele Instrumente wie etwa Teleskope, Brillen oder Kameras konstruieren. Ein großer Vorteil der Strahlenoptik liegt in ihrer einfachen mathematischen Handhabbarkeit. Sie kann aber nicht alle Phänomene der Optik erklären. Licht besteht nicht aus Strahlen.
Die Ausgangsidee: der Lichtstrahl
Ein Strahl im Sinn der modernen Optik ist eine gerade Linie mit einem Anfang aber ohne Ende. In der Mathematik spricht man auch von einer Halbgeraden[1]. Der Lichtstrahl beginnt damit immer in einer Lichtquelle und dehnt sich dann entweder unendlich weit aus oder er endet an einem Hindernis. Im Teilchemodell des Lichts wird der Lichtstrahl dann zu dem Weg, auf dem sich das gedachte Teilchen geradeaus fortbewegt[2]. Vorsicht ist bei historischen Texten geboten. So sprach Isaac Newton zwar von Lichtstrahlen (rays of light) meinte damit aber beidseitig begrenzte kleine Körper[4]. Für die heutige Strahlenoptik gilt, dass ein Strahl eine Halbgerade ist. Siehe auch Lichtstrahl ↗
Die vier Axiome der modernen Strahlenoptik
Die heutige Strahlenoptik fußt auf vier sogenannten Axiomen. Als Axiom bezeichnet man eine Annahme, die selbst nicht bewiesen werden muss aber auch nicht hinterfragt wird[5]. Große Teile der Naturwissenschaften beruhen auf solchen Axiomen.
- 1. Axiom: In homogenem[6] Material sind die Lichtstrahlen gerade. Siehe auch geradlinig ↗
- 2. Axiom: An der Grenze zwischen zwei homogenen isotropen[7] Materialien wird das Licht im Allgemeinen nach dem Reflexionsgesetz[8] reflektiert und nach dem Brechungsgesetz[9] gebrochen.
- 3. Axiom: Der Strahlengang ist umkehrbar; bei Umkehrung der Richtung eines Strahls ändert sich sein Verlauf nicht.
- 4. Axiom: Die Lichtstrahlen durchkreuzen einander, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen Superpositionsprinzip ↗
Was kann die Strahlenoptik beschreiben?
- Die Entstehung von klassischem Halb- und Kernschatten ↗
- Die Brechung von Licht Snelliussches Gesetz ↗
- Die Spiegelung von Licht Reflexion von Licht ↗
- Die Bündelung von Licht Linsenformel ↗
Wie exakt ist die Strahlenoptik?
- Für viele praktische Aufgaben ist die Strahlenoptik ausreichend gut.
- Ihr großer Vorteil ist, dass man zu ihrer Anwendung wenig Theorie benötigt.
- Es gibt aber auch Phänomene von Licht, bei der die Strahlenoptik versagt.
- Das sind alle Erescheinungen rund um Interferenz und Beugung.
- Damit beschäftigt sich die sogenannte Wellenoptik ↗
Besteht Licht wirklich aus Strahlen?
Nein, spätestens im 17ten Jahrhundert hatte man beobachtet, dass Licht in Schattenbereiche hineinfällt, in die es nach den Regeln einer strengen Strahlenoptik überhaupt nicht gelangen dürfte[10]. Schon früh sah man eine Ähnlichkeit zu Wasserwellen, die sich um Hindernisse herumbewegen können. So entstand schon früh die Idee, dass Licht etwas Wellenartiges sein könnte. Die im 17ten Jahrhundert beobachteten und damals sehr rätselhaften Phänomene bezeichnet man heute als Beugung ↗
Welche Alternativen Modelle von Licht gibt es?
- Licht als Teilchen, aber nur historisch interessant, die Korpuskeltheorie ↗
- Eine umfassende und korrekte Beschreibung liefert die moderne Wellenoptik ↗
- Ebenfalls umfassend und korrekt aber ohne Wellen erklärbar ist Licht über die QED ↗
- Als direktes Sinneserleben ohne tiefere physikalische Realität Goethes Farbenlehre ↗
Welche Theorie ist am Ende korrekt?
Eine vollständige und korrekte Beschreibung aller physikalischen Phänomene von Licht liefern sowohl die Wellenoptik als auch die Quantenelektrodynamik[11]. In der Schulphysik wird meist ausschließlich die Wellenoptik betrachet. Aus der Wellenoptik gehen die Phänomene der Strahlenoptik hervor, wenn die Wellenlänge des Lichts immer kleiner gedacht wird während die mit dem Licht wechselwirkenden Objekte dazu vergleichsweise groß gedacht werden (Sommerfeld–Runge Methode). Die Strahlenoptik ist damit auch mathematisch zu einem Sonderfall der Wellenoptik. Dieses Verhältnis von zwei Theorien zueinander nennt man in der Erkenntnistheorie das Korrespondenzprinzip ↗
Fußnoten
- [1] "Halbgerade, in älterem Spachgebrauch auch als Strahl bezeichnet, Teil einer Geraden, der durch einen festen Punkt auf dieser begrenzt wird." In: Guido Walz: Spektrum Lexikon der Mathematik. Band 5: Sed bis Zyl; 2002; ISBN: 3-8274-9437-1. Dort der Artikel zu Strahl ↗
- [2] Strahl als Weg von Lichtteilchen: "Der Lichtstrahl, des -es, plur. die -en, das Licht in Ansehung seiner Bewegung von dem leuchtenden Körper betrachtet,[2054] die geraden Linien, in welcher sich die Theilchen der Lichtmaterie von dem leuchtenden Körper fortbewegen, oder doch als fortbewegend gedacht werden." Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 2054-2055. Online: http://www.zeno.org/nid/20000298654
- [3] 1838, Strahlenoptik, auch Emanationstheorie genannt, muss falsch sein: "Licht (das) ist trotz der vielfachen scharfsinnigen und gelehrten Untersuchungen, welche über dasselbe angestellt worden sind, doch noch immer ein seinem Wesen nach völlig Unbekanntes, welches wir nur nach den Wirkungen kennen, welche es auf die Gegenstände der Natur und uns selbst, besonders aber auf unsern Gesichtssinn hervorbringt. Das Licht ist die Bedingung des Sehens und des Gesehenwerdens; ob es aber (welches die ältere Annahme) ein unendlich seiner, daher unwägbarer, von den sehbaren Körpern ausgehender Stoff sei, oder ob es nur in einer zitternden, wellenförmigen Bewegung bestehe, welche sich von einem Körper zum andern oder durch einen eigenen äußerst dünnen Äther bis zum Auge des Sehenden fortsetzt, davon haben wir keine Kenntniß, obschon es gewiß ist, daß sich die meisten der höchst interessanten Lichterscheinungen unter der zuletzt aufgestellten Annahme insoweit erklären lassen, daß man sie unter einander in einen Zusammenhang bringt, welcher eine Berechnung der zusammengesetzteren Erscheinungen aus den genau beobachteten einfachern gestattet. Der erste Augenschein rechtfertigt die Annahme, daß das Licht von den leuchtenden Körper nach allen Seiten zu in geraden Linien ausgeht, und demgemäß ist die gewöhnliche Vorstellung und Redeweise vom Lichte so, als bestehe dasselbe in einem seinen Stoffe, welcher in unendlich vielen und unendlich dünnen Strahlen von den leuchtenden Körpern ausgesendet werde. Die einfachern Lichtphänomene lassen sich auch recht deutlich von dieser Vorstellungsweise aus erklären, und nur erst bei den zusammengesetzteren zeigt es sich, daß jene Vorstellung falsche Begriffe enthält. Von den beiden angegebenen, der Lehre vom Licht zu Grunde gelegten Vorstellungsweisen hat man die erste die Emanationstheorie (d.h. Ausflußlehre), die zweite die Vibrations- oder Undulationstheorie (d. h. Erzitterungs- oder Wellenlehre) genannt." Aus dem Artikel "Licht". In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 740-742. Online: http://www.zeno.org/nid/20000840858
- [4] Isaac Newton (1642 bis 1727) definierte einen Lichtstrahl (ray) als den kleinstens Teil Licht, der für sich alleine vorkommen kann: "By the Rays of Light I understand its least Parts, and those as well Successive in the same Lines, as Contemporary in several Lines. For it is manifest that Light consists of Parts, both Successive and Contemporary; because in the same place you may stop that which comes one moment, and let pass that which comes presently after; and in the same time you may stop it in any one place, and let it pass in any other. For that part of Light which is stopp'd cannot be the same with that which is let pass. The least Light or part of Light, which may be stopp'd alone without the rest of the Light, or propagated alone, or do or suffer any thing alone, which the rest of the Light doth not or suffers not, I call a Ray of Light." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The_ FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Dort die Definition I auf Seite 2.
- [5] Das Metzeler Philosophie Lexikon definiert Axiom als "nicht abgeleitete Grund-Sätze" innerhalb einer Theorie. Die Axiome sind die 'ersten Sätze' die innerhalb einer Wissenschaft nicht bewiesen werden können, aus denen aber über Deduktion weitere Sätze abgeleitet werden können." In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort die Seite 58. Siehe auch Axiom ↗
- [6] Homogen nennt man Stoffe, die überall aus gleichartigen Stoffanteilen zusammengesetzt sind und alle physikalischen Eigenschaften, zum Beispiel die Dichte, gleich sind. Eine gut durchmischte Lösung oder Legierung ist homogen. Auf mikroskopischer Ebene hingegen werden alle Stoffe heterogen, spätestens dann, wenn man zwischen einzelnen Atomen unterscheidet. Wo viele Atome oder kleine Teilchen aber eng beieinander liegen, können sie in der Strahlenoptik als homogen betrachtet werden. Man muss nicht ewa bei Wasser die Form oder Verteilung einzelner Moleküle betrachten. Siehe auch Homogenität ↗
- [7] Bei isotropen Stoffen oder Materialien hängt das betrachtete physikalische Verhalten nicht von der Richtung ab. Homogene Stoffe können auch isotrop sein, müssen es aber nicht. Ein einfaches Beispiel für ein homogenes aber nicht isotropes Material sind viele Papiersorten. Sie bestehen überall aus denselben Teilen, lassen sich aber in einer Richtung oft besser reißen als in einer anderen Richtung. Vergleichbare Effekte, nämlich richtungsabhängige, gibt es auch in der Optik. Siehe auch isotrop ↗
- [8] Mit Reflexionsgesetz ist der Gedanke "Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel" gemeint. Siehe mehr unter Reflexionsgesetz ↗
- [9] Das Gesetz der Brechung besagt, dass sich Lichtstrahlen ihre Richtung immer hin zum optisch dichteren Medien ändern. Die formelmäßige Fassung heißt snelliussches Gesetz ↗
- [10] Francesco Maria Grimaldi (1618 bis 1663): Physicomathesis de lumine, coloribus, et iride, aliisque annexis, Bologna 1665. Siehe auch de lumine, coloribus, et iride ↗
- [11] Ein sehr anschauliches Buch des Physikers und Nobelpreisträgers Richard Feynman (1918 bis 1988) zeigt, wie viele Phänomene der Strahlenoptik von gänzlich anderen Grundlagen hergeleitet werden können: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Siehe auch QED (Feynman) ↗
- [14] Zur Gleichsetzung von Strahlen- und geometrischer Optik: "Trotzdem in den vorstehenden Überlegungen von Wellenflächen, Fortpflanzungsgeschwindigkeit, Huygensschem Prinzip die Rede ist, hat man dieselben doch eigentlich nicht als eine Analogie der Mechanik mit der Wellenoptik, sondern mit dem der geometrischen Optik anzusehen. Denn der Begriff der Strahlen, auf den es für die Mechanik dann hauptsächlich ankommt, gehört der geometrischen Optik an, er ist nur ihr ein scharfer Begriff." In: Erwin. in Schrödinger: Quantisierung als Eigenwertproblem. Zweite Mitteilung. Annalgen der Physik. Band 79. 1926. Nr. 6. Dort auf Seite 495.