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Newtons Lichtbeugung

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Kurzinhalt


Isaac Newton nimmt Stellung zur Lichtwellen-Vermutung des Italieners Francesco Maria Grimaldi. Das Zitat aus Newton Buch „Opticks“ beschreibt das Phänomen der Beugung (diffraction): Der Schatten eines Objekts sei größer als nach der Logik der Strahlenoptik möglich. Kurz erwähnt werden auch Streifen im Sinne eines Beugungsmusters am Schattenrand. Es bleibt ein ungeklärter Widerspruch am Ende. Das steht hier im englischen Originaltext.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Ein Nagel wirft einen Schatten. Der Schatten ist größer als strahlen-theoretisch möglich.☛


Original-Zitat


Beobachtungen über die Beugung von Lichtstrahlen und die dadurch erzeugten Farben.

Grimaldo hat uns mitgeteilt, dass, wenn ein Sonnenstrahl durch ein sehr kleines Loch in einen dunklen Raum fällt, die Schatten der Objekte in diesem Licht größer sind, als sie sein sollten, wenn die Strahlen in geraden Linien an den Körpern vorbeigingen, und dass diese Schatten drei parallele Streifen, Bänder oder Reihen farbigen Lichts in ihrer Nachbarschaft aufweisen. Wird das Loch jedoch vergrößert, breiten sich die Streifen aus und laufen ineinander über, sodass sie nicht mehr unterschieden werden können. Manche vermuteten, dass diese breiten Schatten und Streifen auf die gewöhnliche Brechung der Luft zurückzuführen sind, ohne die Materie jedoch näher zu untersuchen. Denn die Umstände des Phänomens, soweit ich sie beobachtet habe, sind wie folgt.

Bemerkungen 1. Ich machte in ein Stück Blei mit einer Nadel ein kleines Loch, dessen Breite den 42ten eines Zolls betrug. Denn 21 dieser Stecknadeln hatten zusammen eine Breite von einem halben Zoll. Durch dieses Loch ließ ich einen Strahl Sonnenlicht in meine abgedunkelte Kammer und stellte fest, dass die Schatten von Haaren, Fäden, Stecknadeln, Strohhalmen und ähnlichen dünnen Substanzen, die in diesen Lichtstrahl gelegt wurden, erheblich breiter waren, als sie sein sollten, wenn die Lichtstrahlen in geraden Linien an diesen Körpern vorbeigingen. Insbesondere warf ein Haar eines Mannes, dessen Breite nur den 280ten Teiles Zolls betrug, in diesem Licht in einer Entfernung von etwa zwölf Fuß vom Loch einen Schatten, der in vier Zoll Entfernung vom Haar sechzigstel Zoll breit war, also über viermal breiter als das Haar, in zwei Fuß Entfernung vom Haar etwa achtundzwanzigstel Zoll, also zehnmal breiter als das Haar, und in zehn Fuß Entfernung ein Achtel Zoll, also 35mal breiter.

Es spielt auch keine Rolle, ob das Haar von Luft oder einer anderen durchsichtigen Substanz umgeben ist. Ich befeuchtete eine polierte Glasplatte und legte das Haar ins Wasser darauf. Dann legte ich eine weitere polierte Glasplatte darauf, sodass das Wasser den Raum zwischen den Gläsern ausfüllte. Ich hielt sie in den besagten Lichtstrahl, sodass das Licht senkrecht hindurchfiel und der Schatten des Haares wieder genauso groß war wie zuvor. Die Schatten der Kratzer in den polierten Glasplatten waren zudem viel breiter als sie sein sollten, und auch die Adern in den polierten Glasplatten warfen ähnlich breite Schatten. Die große Breite dieser Schatten hat also eine andere Ursache als die Luftbrechung.

Was meinte Newton mit Schatten?


Stellt man den Versuch selbst nach, etwa mit einem Laserstrahl und einer Nadel, so wird man feststellen, dass sich dort, wo man eigentlich einen dunklen Schatten erwarten würde, auch helles Licht zeigt, nämlich in Bereichen des sogenannte geometrischen Schatten. Newton hätte also auch sagen können, dass sich das Licht in Bereiche bewegte, wo es nach der Logik der Strahlenoptik, die Newton vertrat, nicht hingelangen konnte. Newtons Zitat ergibt aber dann Sinn, wenn man das was er als Schatten bezeichnet als die Gesamtheit der vom Hindernis erzeugten Lichteffekte versteht. Das entspräche dem, was man später als Beugungs- oder Interferenzmuster bezeichnete. Siehe auch Interferenzmuster ↗

Nachstellung mit einfachen Mitteln


Die Bedeutung von Newtons Experiment liegt darin, dass die reine Strahlenoptik das beobachtete Phänomen des erweiterten Schattens nicht ohne Weiteres erklären kann. Um das nachvollziehen zu können ist es gut, zwei verwandete aber getrennte Versuche zu machen.

  • 1) Man folgt der Logik der Strahlenoptik und untersucht, wo nach diesem Modell echter dunkler Schatten und wo helles Licht sein müssten. Dazu eignet sich zum Beispiel eine ganz einfach hergestellte Schattenbank (Lernwerkstatt) ↗
  • 2) Man stellt Newtons verschmierten Schatten eines dünnen Objektes mit einem einfachen Laserstrahl nach. Das ist beschrieben auf Einzelhaarexperiment (Laser) ↗

Es ist bemerkenswert, mit welcher Genauigkeit Newton die Phänomene beschrieb. Dazu musste er seinen Beobachtungsraum weitgehend abdunkeln. Schon geringste störende Helligkeiten machen die Phänomene unsichtbar. Heute ist ein völlig abgedunkelter Raum nicht mehr nötig. Ein billiger Laserpointer liefert eine ausreichend starke Lichtquelle, um sogar bei normalen Tageslicht die wichtigen Effekte bequem beobachten zu können.

Naturphilosophischer Rahmen


Newtons epochales Werk über die Optik stand am Anfang der wissenschaftlichen Untersuchung des Lichts. Newton war nicht der einzige Pionier und er griff auf Ergebnisse vieler anderer zurück, etwa Grimaldi und Huygens. Aber schon ganz früh gab es die widerstreitenden Vorstellung von Licht als Strahl, als Teilchenstrom oder als Wellenphänomen. Newton waren all diese Denkmodelle bekannt. Newton selbst neigte der Vorstellung zu, dass Licht aus Teilchen besteht, den Korpuskeln, die sich auf mehr oder minder geraden Bahnen bewegen. Doch eben das von ihm selbst beschriebene Phänomen von verschmierten Schatten (Beugungs- oder Interferenzmuster), sollte über 100 Jahre nach seiner "Optick" das Pendel der Meinungen hin zu Wellentheorie des Lichts schlagen lassen:

ZITAT:

"Bereits Leibniz, Young, Huyghens und andere hatten, um die Lichtphänomene oder die universelle Anziehungskraft oder die Erhaltung der Energie zu erklären, die Existenz eines kontinuierlichen, unwägbaren Mediums im gesamten Raum, des Äthers, erdacht. Aber es ist Fresnel, der diese Vorstellung durchsetzt, nicht ohne Kampf. Der streng geradlinige Strahl Newtons sollte also diesen Wellen weichen, die nur noch eine ungefähre Strahlung übrig lassen und so schwer zu erklären sind! Mit Schmerz opferte die klassische Wissenschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Emissionstheorie. Man kennt die Kontroverse zwischen Poisson und Fresnel, das Experiment mit dem Schirm, dessen Schatten an den äußersten Rändern nicht schwarz ist, weil die Lichtwellen über die Konturen des Schirms schwappen und sehr leicht in das Innere seines Bildes eindringen."[2]

Tatsächlich kann der verschmierte Schatten bis ins Detail in seiner Form und Helligkeitsverteilung im Voraus berechnet werden, wenn man Denkmodelle nutzt, die die Ausbreitung von Licht im wellenartig deuten. Welche Argumente gegen Newtons Korpuskel und für den Wellengedanken sprechen, steht unter anderem im Artikel zum Licht als Welle ↗

Fußnoten


  • [1] Isaac Newton: Opticks. Kapitel: The Third Book of Opticks Part I. Das Zitat stammt aus der Ausgabe des Jahres 1730 (London), ab Seite 317. Auf Deutsch: Optik; oder, Abhandlung über Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und Farben des Lichts 1704. Die Übersetzung hier wurde mit einer KI gemacht und dann persönlich korrektur gelsen. Eine offizielle Übersetzung von Newtons Opticks ins Deutsch stammt von William Abendroth. Verlag Wilhelm Engelmann. Leipzig 1898. Online ist nur das erste von drei Büchern: https://archive.org/details/bub_gb_Z0FGAAAAYAAJ
  • [2] Das Zitat stammt von dem französischen Mathematiker und Politiker Paul Painlevé, der im Jahr 1927 auf die Geschichte der Physik zurückblickt. Im französischen Original heißt es: "Déjà, Leibnitz, Young, Huyghens et d'autres, pour expliquer les phénomènes lumineux ou l'attraction universelle, ou la conservation de l'énergie, avaient imaginé l'existence dans tout l'espace d'un milieu continu impondérable, l'éther. Mais c'est Fresnel qui impose cette conception, non sans combat, d'ailleurs. Le rayon rigoureusement rectiligne de Newton allait donc céder la place à ces ondulations, qui ne laissent plus subsister qu'un à peu près de rayon, et si péniblement expliqué ! C'est avec douleur qu'au début du XIXe siècle la science classique sacrifia la théorie de l'émission. On connaît la controverse de Poisson et de Fresnel, l'expérience de l'écran, dont l'ombre n'est pas noire sur les bords extrêmes parce que les ondes lumineuses déferlent sur les contours de l'écran et pénètrent très légèrement à l'intérieur de son image. Jamais Poisson ne voulut avouer qu'il y avait de la lumière sur les bords." In: Paul Painlevé: Les conceptions modernes de la matière et la science classique. Discours prononcé à Londres, le 15 novembre 1927 devant la « Royal Institution of Great Britain. Eine kurze Zusammenfassung des Vortrages wurde 1927 in Nature veröffentlicht: [News and Views]. Nature 120, 777–781 (1927). Für eine volle Textversion siehe auch Materie und klassische Physik (Vortrag) ↗