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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Sehen

Psychologie

Definition


Sehen heißt sich mit Hilfe von biologisch wahrgenommenen elektromagnetischen Wellen ein inneres, geistiges Bild der äußeren Welt aufzubauen. Das ist hier aus physikalischer und psychologischer Sicht kurz vorgestellt.

Augen: die biologische Grundlage des Sehens


Jedes Sehen bei Lebewesen beginnt mit einem Auge. Als Augen im weitesten Sinn bezeichnet man lichtempfindliche Zellen oder Teile von Zellen. Lichtempfindlich heißt, dass eine Zelle sich chemisch oder elektrisch verändert, wenn Licht auf sie trifft. Ändert sich der chemische oder elektrische Zustand eines Auges, kann der Organismus im Umkehrschluss daraus folgern, dass das Auge von Licht getroffen worden sein muss. Das ist die Grundidee des Sehens.

Augen: Richtungssehen


Man stelle sich als Gedankenexperiment ein frei im leeren Weltraum schwebendes Auge vor. Dieses Auge sei so gebaut ist, dass sich sein Zustand jedesmal von A nach B ändert, wenn von außen ein Lichtteilchen eingefallen ist. Wenn das so gilt, dann kann ein solches Auge zwar sagen, dass ein Lichtteilchen ankam, aber es kann keine Aussage darüber liefern, aus welcher Richtung das Lichtteilchen kam. Wenn der Zustand B eingetreten ist, dann weiß man nur: irgendwoher kam ein Lichtteilchen. Schattet man nun manche Richtungen um das Auge ab, dann kann man jetzt auch aus dem Eintritt des Zustandes B heraus schließen, aus welchen das Lichtteilchen nicht gekommen sein kann. Das ist die Grundidee für das Richtungssehen: man schattet möglichst viele Herkunftsrichtungen ab und weißt dann, woher das Lichtteilchen nicht gekommen sein kann. In der biologischen Evolution führte das vom Flachauge über das Becherauge hin zu den Loch- und Linsenaugen. Diese biologische Evolution ist kurz skizziert im Artikel zu Augen ↗

Augen: Farbsehen


Neben der Richtung, aus der ein Lichtteilchen gekommen sein muss, ist eine zweite interessante Information über die Umwelt in der Farbe oder Wellenlänge des Lichts enthalten. Diese Information erlangen biologische Augen darüber, dass sie nur auf bestimmte Wellenlängen (Farben) von Licht reagieren: wenn ein sternförmiges Gebilde gelb aussieht könnte es ein die Blüte eines Löwenzahns sein, sieht es eher violett ist, ist es vielleicht die Blüte von einem Veilchen. Dem Farbsehen dienen die sogenannten Zapfen (Auge) ↗

Augen: Entfernungssehen I


Kennt man die Richtung, aus der ein einzelnes Lichtteilchen (Photon) gekommen sein muss, kann man darüber noch keine Information erlangen, wie weit die Lichtquelle entfernt ist. In der Astronomie wusste man zum Beispiel bis ins 19te Jahrhundert wenig über den wahren Abstand der Sterne zu uns. Man konnte zwar genau sagen, aus welcher Richtung das Licht von einem Stern zu uns kam, nicht aber, wie weit dieser Stern von uns entfernt war. Um die Entfernung abschätzen zu können, hat die Evolution mindestens zwei Mechanismen hervorgebracht: bei einem Linsenauge kann die Form der Linse oft mit Muskeln in ihrer Wölbung verändert werden. Nur bei einer bestimmten Wölbung kann man ein Objekt dann scharf sehen. Wie stark diese Wölbung für ein scharfes Bild sein muss, hängt von der Entfernung des betrachteten Objektes ab. Über diese Logik kann ein Organismus im Umkehrschluss aus der Stärke der Krümmung für ein scharfes Bild auf die Entfernung des Objektes schließen. Das optische Prinzip dahinter ist die Brennweite, ein Schlüssel zum mathematichen Verständnis die sogenannte Linsenformel ↗

Augen: Entfernungssehen II


Eine weitere Möglichkeit, mit Hilfe von Augen eine Information über die Entfernung von Objekten zu erlangen, setzt zwei gleichzeitig arbeitende Augen voraus. Die zwei Augen müssen auch räumlich voneinander getrennt liegen (wie zum Beispiel bei Menschen). Jedes Auge blickt sozusagen aus einer anderen Richtung auf eine Objekt. Aus den unterschiedlichen Bildern und Winkeln kann man rückwärts auf die Entfernung der betrachteten Objekte schließen. Diese Auswertungen sind sehr kompliziert und rechenaufwändig. Sie laufen aber in unserem Kopf völlig unbewusst ab. Das Fachwort dazu ist Stereoskopie ↗

Augen: Entfernungsehen III


Über die Farbunterschiede im Bild kann das Gehirn Rückschlüsse auf die Ferne gesehen Objekte ziehen: bei Panoramablicken in die Landschaft wirken weit entfernte Objekte oft heller, bläulicher und unschärfer. Der physikalische Effekt heißt Rayleigh-Streuung. Siehe dazu auch den Artikel zur Luftperspektive ↗

Wie schnell kann man sehen?


Sehen wir sofort, wenn sich in der Wirklichkeit etwas verändert? Die Antwortet lautet eindeutig nein. Wenn zum Beispiel jetzt plötzlich die Sonne aufhören würde zu leuchten, dann würden wir das auf der Erde erst 8 Minuten und einige Sekunden später merken. Solange braucht nämlich Licht von der Sonne bis zur Erde. Die Lichtteilchen, die kurz vor dem Erlöschen der Sonne von ihr wegflogen, würden noch über 8 Minuten lang bei uns ankommen, auch wenn die Sonne bereits erloschen ist. Solange würde wir die Sonne ganz normal am Himmel leuchten sehen, obwohl sie in Wirklichkeit dann schon dunkel ist. Noch eindrucksvoller ist dieser Effekt bei fernen Galaxien. Die Galaxien, deren Licht wir heute in Teleskopen wahrnehmen, sind zum Teil schon seit 10 Milliarden Jahren erloschen. Der Grund dafür, dass wir Veränderungen nicht „sofort“ sehen ist die Tatsache, dass Licht zur Bewegung durch den Raum Zeit benötigt. Siehe dazu auch Lichtgeschwindigkeit ↗

Das Sehen als mathematische Funktion oder Zuordnung


Augen kann man mathematisch mit Hilfe der Worte Zuordnung und Funktion betrachten. Kann man jeder Sehzelle im Auge genau eindeutig eine Richtung zuordnen, aus der das Lichtteilchen gekommen sein muss, dann ist das Signal einerZelle eine eine eindeutige Funktion der Lichtquellenrichtung. Das ermöglicht ein sehr scharfes sehen, etwa bei einem Loch- oder Linsenaugen. Kann man einer Sehzelle jedoch mehrere Richtungen zuordnen, aus denen ein einfallendes Lichtteilchen gekommen sein kann, dann handelt es sich nicht mehr um eine Funktion im Sinne der Mathematik, aber immer noch um eine mathematische Zuordnung ↗

Wodurch entstehen optische Täuschungen?


Scheinbar krumme Linien sind in Wirklichkeit gerade (Münsterberg-Täuschung). Scheinbar hellgraue und dunkelgraue Felder sind in Wirklichkeit beide gleich hell (Goethes Graufeld-Versuch). Und wo man Farben sieht, gibt es in Wirklichkeit nur schwarze und weiße Flächen (Benham-Scheibe): optische Täuschungen entstehen meist erst bei der „Auswertung“ der Sinnesdaten des Auges im Gehirn. Für Beispiele zu einigen bekannten solchen Effekten siehe den Artikel optische Täuschungen ↗

Wie zuverlässig ist das „innere Bild“?


Optische Täuschungen zeigen uns eindrucksvoll, wie anders die Wirklichkeit sein kann, gemessen an dem, was wir zu sehen glauben. Schon früh stellten sich deshalb Philosophen die Frage, wie zuverlässig denn unsere Sinneseindrücke überhaupt sind. Können wir die wahre Wirklichkeit mit dem Sehen zuverlässig erkennen? Der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) glaubte, das sei nicht möglich. Ein Gegenstand aus der Wirklichkeit bleibt für uns immer ein nicht sicher erkennbares Ding an sich ↗