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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Flacherde (Rowbotham)

Spekulation

Basiswissen


Im Jahr 1865 veröffentlichte der Engländer Samuel Rowbotham (1816 bis 1884) unter dem Pseudonym Parallax eine Schrift, in der er mit er eine große Anzahl von Argumenten für eine kugelähnlich gestaltete Erde aufgriff und zu widerlegen versuchte. Für Rowbotham war die Erde eine flache Kreisscheibe mit dem Nordpol als Mittelpunkt und Antarktika als eisiger Rand entlang des Umfangs[4]. Rowbotham schildert viele Experimente, die man selbst ohne großen Aufwand nachstellen könnte. Doch habe er sich stets durch Tricks und Kniffe eine Nachstellung entziehen können[16]. Das treibende Motiv seiner lebenslangen Beschäftigung mit der Erdgestalt sei der Beweis der biblischen Schöpfungsgeschichte gewesen. Hier sind beispielhaft einige Gedanken Rowbothams vorgestellt.

Zur Entstehungsgeschichte des Buches


Schon im Alter von 7 Jahren soll Robotham das Newtonsche Weltbild angzweifelt haben. Seine aggressive Verweigung brachte ihm sogar einen Schulverweis ein. Stets sah er die Newtonsche Lehre als unvereinbar mit der Bibel an, an deren substantiellen Gehalt er unzweifelhaft glaubte. Im Jahr 1838 bekam der damals 21 Jahre alte Rowbotham den Auftrag zur Leitung einer neu zu errichtenden utopischen Kolonie der sogenannten Oweniten (Anhänger des Sozialutopisten Robert Owen). Die Siedlung lag in der sehr flachen Gegend der sogenannten Fens, südlich der als Wash bekannen Bucht an der Ostküste England. Rowbotham soll bereits im ersten Jahr der Kolonie dort seine Theorie einer flachen Erde aggressiv verbreitet haben, worauf hin er mit einigen Gefolgsleuten gewaltsam von der Kolonie entfernt werden musste. Er begann dann eine Karriere als öffentlicher Redner, vor allem zum Thema der Flachen Erde. Wurde ein skeptischer Zuhöhrer zu hartnäckig, beendete er die Diskussion mit "Now, Sir, you have had your share of the discussion. Let someone else have a turn." Rowbotham sei für seine höfliche Art bekannt gewesen. Diese und viele weitere biograpischen Begebenheiten sind in einem Buch von Bob Schadewald, einem Spezialisten zu Pseudowissenschaften ausführlich geschildert[16]. Rowbothams erste Veröffentlichung zur Flacherde erschien im Jahr 1849 als 16-seitiges Pamphlet, dann als Buch mit 229 Seiten im Jahr 1865 und später als Buch mit 430 Seiten im Jahr 1881. Rowbotham soll in dieser Zeit zahlreiche öffentliche Auftritte in Großbritannien abgehalten haben, um seine Weltsicht zu verbreiten. Er sei ein mitreißender Redner gewesen, der seine Gegner niederwalzt (steamrollered) habe. Einer seiner Anhänger, John Hampden, sei mit dem Biologen Alfred Russell Wallace über eine Wette zur Weltsicht Rowbothams letztendlich sogar bis vor Gericht gegangen.[10]

SECTION I. experiments proving the Earth to be a Plane


Hier führt Rowbotham ein Experiment im dem englischen Canal "Old Bedford" an: ein Beobachter, maximal 8 Zoll über der Wasseroberfläche durch ein Teleskop blickend, konnte ein 6 Meilen entferntes Boot bis hinhunter zur Wasserlinie erkennen. Rowbotham zeigt mit quantitativen Berechnungen, dass dies unter der Annahme einer kugeligen Erde unmöglich sein müsste. Auf einer Kugelerde läge das Boot hinter dem Horizont ↗

Ein weiteres Argument gegen die Kugelform der Erde sei, dass der Horizont am Meer als gerade Linie erscheint, bei einer kugeligen Erde müsste er gewölbt sein. Dazu spannte Rowbotham ein gut 6 Yard (fast auch 6 Meter) langes Seil parallel zum Strand. Ein Segelschiff, dass parallel zu diesem Seil fuhr, bewegte sich aber immer auf einer Geraden, das Seil habe für einen Betrachter vom Strand aus immer in etwa den Deckbereich des Schiffes über viele Stunden Fahrt geschnitten. Das Schiff folgte also nicht einer konvexen, krummen Linie, wie es zu einer gewölbten Erde passen sollte. Rowbotham untermauerte das auch noch durch Zahlenmaterial auf Grundlage einer gekrümmten Wasserfläche.

Rowbotham nimmt weiter an, dass das Zentrum der flachen runden Erdscheibe der Nordpol ist. Der Kontinent Antarktika erstreckt sich über den gesamten Umfang des Erdkreises. Als Indiz dafür nennt Rowbotham große Probleme von Kapitänen seiner Zeit (z. B. Ross), den Kontinent zu umrunden. Es werden dazu passende Einträge aus dem Tagebuch von Ross zitiert. Der Grund sei darin zu finden, dass Antarktika nicht eher klein den punktartigen Südpol (den es nicht geben soll) umschließt, sondern mit viel größer Längserstreckung den gesamten Umfang der Erde.

Rowbotham geht dann sehr detailliert mit vielen Skizzen auf das Herabsinken eines Schiffes auf eine Position hinter dem Horizont ein. Mit parallel zueinander verlaufenden Bahnschienen argumentiert, dass eng beeinander liegende Schienen mit der Entfernung räumlich früher in einem Punkt zusammenfallen, und damit sozusagen verschwinden, als weiter voneinander entfernte Schienen: "It is true that parallel lines converge to one and the same eye-Iine but meet it at different distances when more or less apart from each other." Für die Effekte rund um Schiffe am Horizont benötigt man, so Rowbotham, keine Kugelgestalt der Erde. Siehe auch Horizontformel ↗

Anschließend greift RRowbothamdass Argument für die Kugelform der Erde auf, dass man bei ständigem Ost- oder Westkurs am Ende wieder an seinem Ausgangspunkt ankommt. Er deutet Ost oder West als Richtung als senkrecht zur Nordrichtung. Tatsächlich würde bei einer Kreisscheiben-Welt mit dem Nordpol als Mittelpunkt derselbe Effekt einer Umrundbarkeit der Erde entstehen wie auf einer Kugel. Das wird auch mit einer Skizze unterstrichen.

Auch das Absinken des Nordpols immer näher zum Horizont hin bei einer Fahrt nach Süden erklärt Rowbotham mit einer flachen Erde. So würde auch die Spitze von hohen Gebäuden bei zunehmender Entfernung des Beobachtungs zum Horizont absinken, der Winkel, unter dem man nach oben blicken muss, wird immer kleiner. Wäre die Erde eine Kugel, so Rowbotham, dürfte der Polarstern auch nicht mehr südlich des Äquators sichtbar sein. Tatsächlich hätten Seeleute (mariners) aber den Polarstern (Polaris) von Regionen südlich des Äquators, bis zum Wendekreis des Steinbocks (tropic of capricorn) gesehen. Sogar das gleichzeitige Erblicken des Polarsterns und des Kreuz des Südens sei möglich: "In the Times newspaper of May 13, 1862, under the head of " Naval and Military Intelligence,' it is stated that Captain Wilkins distinctly saw the Southern Cross and the polar star at midnight in 23*53 degrees of latitude, and longitude 35 46." Siehe auch Polarstern ↗

Auch das Argument, dass ein Sekundenpendel[8] am Äquator kürzer ist als am Nordpol (It is argued that as the length of a seconds pendulum at the
equator is 39,027 inches, and 39,197 inches at the north pole, that the Earth must be a globe, having a less diameter through its axis than through its equator) weist Rowbotham zurück. Zum Beispiel Newton und Huygens hatten das damit begründet, dass man am Nordpol näher am Erdzentrum sei und dass daher dort auch die Anziehungskraft der Erdmasse größer. RRowbothamhingegen erklärt - mit Zahlenwerten in Tabellen - den Effekt der unterschiedlichen Längen von Sekundenpendeln mit der Wärmeausdehnung des Pendelmaterials. Da es an den Polen kälter sei, seien die Pendel dort kürzer als in den wärmeren Äquatorgegenden. Und längere Pendel gehen langsamer. Siehe dazu auch das Pendelgesetz ↗

Ein zweites Argument für die längere Pendeldauer des Pendels am Äquator könne die andere Luftdichte sein. Die Luft sei am Nordpol kälter und dichter als am Äquator. In dichterer Luft aber würde das Pendel weniger weit ausschlagen und hätte damit auch eine geringere Pendeldauer, würde also schneller gehen. Wieder führt Rowbothams Argument zur Beobachtung, dass ein Pendel am Äquator langsamer geht. Siehe auch Luftdichte ↗

Auch das Argument, dass der Abstand zwischen zwei benachbarten Längengraden (longitudes) am Äquator am größten ist und dann Norden und Süden hin wieder abnimmt, weist RRowbothamzurück. Er zitiert Aussagen von Seefahrern, die die gesegelten Distanzen zwischen zwei Längengraden als sehr viel größer angeben, als mit der Theorie einer runden Erde verträglich sei. RRowbothamsagt voraus: "a degree of longitude along the southern part of Australia ought to be, if the Earth is a plane nearly 20 miles greater than a degree of longitude on the southern coast of England. This is the point which has yet to be settled." Was Rowbotham hier vorschlägt ist ein Experimentum crucis ↗

Das Argument Newtons, dass die Erde einmal flüssig gewesen sei und ihre rotierende Bewegung die Flüssigkeit zu einer Kugel- oder besser Ellipsoidgstalt geformt habe, weist Rowbotham damit zurück, dass die Erde sich überhaupt nicht bewege, auch nicht um sich selbst. Hier baut Rowbothams darauf auf, dass seine Gegner eine Bewegung der Erde zur Erklärung ihrer Rundheit (rotundity) angenommen haben sollen. Siehe auch Erdentstehung ↗

SECTION II. The Earth no Axial or Orbital Motion


Rowbotham argumentiert mit Versuchen zum senkrechten Wurf, dass sich die Erde nicht dreht. Wirft oder schießt man einen Gegenstand senkrecht nach oben, dann fällt er wieder auf derselben Stelle zu Boden, wo er gestartet. Hier scheint RRowbothammit der antiken und mittelalterlichen Impetus-Theorie der Bewegung zu argumentieren. In seinen Skizzen steigen die nach oben geschossenen Gegenstände erst schräg auf, doch wenn sie ihre "Bewegung verbraucht" haben, fallen sie in den Skizzen senkrecht zu Boden. Die Idee, dass Bewegung an sich etwas verbraucht, um aufrecht erhalten zu werden, wurden spätestens seit dem 15ten Jahrhundert immer mehr angezweifelt und gilt heute als überholt. Rowbothams Redewendung "until the two forces expend themselves" deutet auf ein doppeltes Missverständnis hin. Nicht Kräfte (force) sind eine Größe, die sich verbrauchen kann, sondern bestenfalls Energien oder Impulse eines Objektes. Und zum anderen gibt es bei einer Bewegung ohne Luft- oder sonstigen Widerstand nichts, was sich zur Erhaltung der Bewegung verbrauchen (expend) würde. Siehe auch Impetus ↗

SECTION III The true distance of the Sun and Stars


Die Sonne ist weniger als 4000 Meilen von der Erde entfernt. Aufbauend auf der Idee einer flachen Erde, lässt Rowbotham Experimentaroren um 12 Uhr mittags die Höhe der Sonne über der Erfläche als Winkel bestimmen, und zwar zum einen in London und zum anderen Brighton, beide Orte liegen auf demselben Längengrad, etwa 51 Meilen entfernt. Eine Skizze zeigt die Anordnung. Für eine konkrete Rechnung nimmt Rowbotham konkrete Zahlen: "Altitude of the Sun at London 55"" 13'; altitude taken at the same time, on the grounds of a public school, at Ackworth, in Yorkshire, 58° 2' ; the distance
between the two places in a direct line, as measured by triangulation, is 151 statute miles. From these elements the true distance of the Sun may be readily computed ; and proved to be under 4,000 miles!" Geht man von einer flachen Erde aus, kann man das Dreieck maßstäblich über einen der Kongruenzsätze konstruieren und sollte RRowbotham Angaben überprüfen können. Mit derselben Methode kommt Rowbotham zu dem Ergebnis, dass kein Stern im Himmel weiter als 6000 Statue Meilen[6] von der Erde entfernt ist. Siehe dazu WSW [als Kongruenzsatz] ↗

SECTION IV. The Sun moves in a Circle over the Earth, concentric with the North Pole


Die Sonne beschreibt tagsüber, so Rowbotham, einen Kreisbogen und dass sie tatsächlich kreisförmig um den Nordpol wandert habe zum Beispiel der Polarforscher Parry bestätigt, der im arktischen Sommer gesehen habe, wie die Sonne einen vollständigen Kreis am Tageshimmel vollzieht. Das alles zeigt, dass die Annahme einer flachen, völlig ruhenden Erde auch gut zu der Beobachtung der sich bewegenden Himmelskörper passt.

SECTION V. Diameter of Sun's path constantly changing


Sommer und Winter erklärt Rowbotham damit, dass sich die Sonne im Sommer in einem kleineren Kreis um den Nordpol bewegt als im Winter. Eine Skizze und eine einseitige Tabelle mit Messwerten zur Winkelhöhe der Sonne zu verschiedenen Zeiten sollen die Sicht bekräftigen.

SECTION VI. Cause of Day and Night, Seasons, &


Die Sonne wandert einmal in 24 Stunden auf einer kompletten Kreisbahn von 360° um den Nordpol. Die Idee einer Erdkugel will er dadurch entkräften, dass für England und Neuseeland, die beide auf derselben geographischen Breite, England auf der Nord- und Neuseeland auf der Südhalbkugel, liegen des längsten Tages nicht annähernd gleich sind: "At Wellington, New Zealand, December 21, Sun rises 4h. 31m., and sets at 7h. 29m., the day being 1 4 hours 68 minutes. June 21st, Sun rises at 7h. 29m., and sets at 4 h 31m., the day being 9 hours and 2 minutes. In England the longest day is 16h. 34m., and the shortest day is 7h. 45m. Thus the longest day in New Zealand is 1 hour and 36 minutes shorter than the longest day in England ; and the shortest day in New Zealand is 1 hour and 17 minutes longer than the shortest day in England". Hier wäre es interessant die Angaben nachzuprüfen und und zu sehen, ob die maximalen Tageslängen für die selben Breiten tatsächlich unterschiedlich sind.

SECTION VII. Cause of "Sun rise" and "Sun set"


Nach Rowtbotham kreist die Sonne in einer immer gleichen Höhe auf einer Kreisbahn die parallel zur Erdoberfläche verläuft, mit dem Mittelpunkt direkt über dem Nordpol. Dass die Sonne dabei vom Aufgang bis zu ihrem Niedergang am Himmel aufzusteigen scheint erklärt er wieder mit dem Prinzip der Perspektive, mit auch bereits das Sinken von Schiffen hinter den Horizont erklärt wird. Rowbotham führt als analoges Beispiel an, dass auch ein Schwarm von Vögeln kleiner zu werden scheint und näher an den Horizont heranrückt, wenn er sich entfernt. Das scheinbare Auf- und Absteigen der Sonne relativ zum Horizont ist nur ein Effekt der wahren Annäherung und Entfernung: 'Thus "Sunrise'' and " Sunset" are phenomena dependent entirely upon the fact that horizontal lines parallel to each other appear to approach or converge in the distance, the surface of the Earth being horizontal, and the line-of-sight of the observer and the Sun's path being parallel with it, necessarily produce the observed phenomena.'

SECTION VIII. Cause of Sun appearing larger when "Arising" and "Setting" than when on the Meridian


Hier erklärt Rowbotham warum die Sonne näher am Horizont größer erscheint als wenn sie mittags den höchsten Stand erreicht hat. Da die Sonne näher am Horizont auch weiter weg ist, muss ihr Licht auch mehr Atmosphäre durchlaufen. Und sei ein bekannter Fakt, dass dichtere Medien, wie die Atmosphäre, Objekte optisch vergrößern.

SECTION IX. Cause of Solar and Lunar Eclipses


Eine Sonnenfinsternis, so Rowbotham, werden durch die Bewegung des Mondes zwischen Sonne und Erde verursacht. Zur Mondfinsternis beschreibt Rowbotham zunächst viele Beispiele, dass auch bei einer totalen Finsternis viele Teile des Mondes erleuchtet gewesen seien. Hier werden konkrete Ereignisse mit genauen Jahres- und Zeitangaben zitiert. Das sei nicht vereinbar mit der Vorstellung eines Mondes ganz im Erdschatten. Als weiteren Zweifel am gängigen Modell eines von der Sonne erleuchteten Mondes führt Rowbotham seine Helligkeit an, die nur daher können, dass er wie eine polierte Spiegelfläche Licht reflektiere. Eine glatte Mondoberfläche müsste aber ähnlich einer verspiegelten Kugeloberfläche nicht gleichmäßig sondern punktartig erleuchtet scheinen (man kann das tatsächlich gut mit Christbaumkugeln nachstellen). Als Lösung schlägt Rowbotham vor, dass der Mond von sich aus leuchte, nicht das Licht der Sonne reflektiere. Etwa befremdlich mutet in diesem Kapitel an, dass Rowtboth reflektierter Kälte spricht: "If a mass of red-hot metal be placed before a plane or concave surface, heat will be reflected. If snow or ice be similarly placed, cold will be reflected." Das Argument geht dann dahin, dass ein reflektierender Körper niemals anderes als das erhaltene Licht in genau derselben Art reflektieren kann. Es mag in der Stärke sich ändern (abnehmen), aber nicht in der Art. Das Mondlicht sei aber von der Art ganz anders als das Sonnenlicht. Nicht nur die Farbe, auch die Hitzewirkung sei eine andere. Während mit einem Brennglas fokussiertes Sonnenlicht die größte Hitze produziere, würde fokussiertes Mondlicht große Helligkeit aber niemals auch nur die geringste Wärme produzieren. In dem medizinischen Fachblatt Lancet vom 14. März 1856 soll sogar gezeigt worden sein, dass fokussiertes Mondlicht die Temperatur im Brennpunkt um 8 °C abgesenkt habe. Rowbotham verwirft die Idee eines beleuchteten Mondes und hält ihn für selbstleuchtend. Mondfinsternisse kommen dann dadurch zustande, dass ein noch unbekannter halbdurchsichtiger Körper sich zwischen Mond und Erde schiebt.

SECTION X. Cause of Tides


Selbst bei den größten Stürmen wird das Meereswasser selten tiefer als bis zu 72 Fuß (etwa 24 Meter) bewegt. Nicht der Mond oder die Sonne werden als Ursache der Gezeiten angesehen, sondern Schwankungen im atmosphärischen Druck. Die Regelmäßigkeit der Gezeiten des Meeres werden als Extrapolation erklärt: man könne beobachten, dass auch bei Windstille Boote und Schiffe auf dem Meer, selbst bei ausgelegtem Anker, ständig kleine Bewegung (fluctuation) machen. Je schwerer die Schiffe, desto weniger schnell ist dabei die Bewegung. Und so kommt es, dass die Erde mit ihrem Gewicht nur eine Bewegung in etwa 12 Stunden macht, passend zu den Gezeiten. Rowbotham erwähnt dann noch, dass auf entgegensetzen Seiten der Erde die Gezeiten synchron verliefen (The simultaneous ebb and flow upon meridians 180° apart), warum das so sein soll, habe ich jedoch nicht verstanden.

SECTION XI. Constitution, Condition, and ultimate Destruction of the Earth by Fire


Das Festland der Erde bestehen zu großen Teilen aus Oxiden. Entzieht man den Oxiden den Sauerstoff, entstehen so wieder hochbrennbare Stoffe. Desweiteren nehmen die Temperatur der Erde nach unten hin zu, mit etwa einem Grad Fahrenheit pro 545 Meter. In einer Tiefe von rund 12 Meilen sei die Erde geschmolzen. In dieser Tiefe findet man glühende Metalle, feuriges Gas und kochende Lava (glowing metals, fiery gas, and boiling lava). Wo die Erdkurste Risse zeigt, treten diese Massen an die Oberfläche. Und da es nahe an der Erdoberfläche viele brennbare Stoffe gebe (coals, peat, turf, mineral oils, rock tar, pitch, asphalte, bitumen, petroleum, mineral naphtha, and numerous other hydro-carbons) sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Prozesse des Feuers aus der Tiefe auch die Erdkruste entzünden und die Erde in einem großen Feuer (annihilating conflagration) verbrennt.

SECTION XII. Miscellanea — Moon's Phases — Moon's appearance — Planet Neptune — Pendulum Experiments as Proofs of Earth's motion


Rowbotham verwirft die Idee einer Topographie der Mondoberfläche, mit Bergen und Tälern als Trugfiguren (Nothing but unmeaning figures), selbst wenn man sie im Teleskop betrachtet. Siehe auch Mondmeere ↗

Die Entdeckung des schwer sichtbaren Planeten galt als Meisterleistung der Newtonschen Astronomie und auch als ein weiterer Beleg für deren Gültigkeit. Man habe aus Bahnabweichung des damals bekannten Planeten Uranus auf einen noch unbekannten Planten geschlossen, eben den Neptun. Rowbothman beschreibt viele Untereimtheiten bezüglich der Angaben zum Neptun und bezweifelt, dass so unzuverlässige Annahmen in Einklang stehen können mit einer Meisterleistung der Wissenschaft. Siehe auch Neptun ↗

Rowbotham geht dann auf das Foucaultsche Pendel, zu seiner Zeit eine wissenschaftliche Sensation ein. Die Umlaufzeit des Pendels sei an Nordpol exakt 24 Stunden, bei niedrigeren Breiten aber eine andere Zeit, doch stets abhängig von der geographischen Breite. Es werden dann Artikel und Briefe verschiedener Personen angeführt, die die Phänomene aber eher mit magnetischen und nicht mit geographischen Breitengraden in Verbindung bringen. Das Ziel der Argumentation ist es, eine kugelige Erde als wesentlichen Faktor zu hinterfragen, vor allem eine bewegte kugelige Erde.

SECTION XIII. Perspective on the Sea


Hier argumentiert Rowbotham, wie schon zuvor, dass die Gesetze des perspektivischen Sehens allgemein falsch aufgefasst werden. Richtig sei, dass tieferliegende Tile von Körpern mit zunehemender Entfernung in einem Punkt konvergieren. Deshalb wurde eine weit entfernte Kutsche wie ohne Räder aussehen, ein Mädchen mit kurzem Rock so als hätte sie keine Beine. Aber mit einem Fernrohr könnte man die so entschwundenen Details wieder sehen. Das sei theoretisch auch bei Schiffen "hinter dem Horizont" möglich, doch sei die stets unruhige Meeresoberfläche hier ein Problem.

SECTION XIV. General Summary — Application — "Cui Bono.'


Die vorherigen Kapitel hätten gezeigt, dass die Kopernikaniche und Newtonsche Astronomie ein Wirrwarr aus Wahrheiten und Irrtum (an absurd composition of truth and error) seien. Die Vertreter dieser Theorien werden aufgefordert, einen einzigen Fakt zu erklären, ohne dabei Annahmen machen zu müssen (show a single instance wherein a phenomenon is explained, a calculation made, or a conclusion advanced without the aid of an avowed or implied assumption). Doch den Befürwortern der flüchtigen und durch nichts wirklich bewiesenen Theorien sei der Kampf angesagt (The soldiers of truth and reason have drawn the sword). Besonders die Newtonsche Theorie sei zu verwerfen (monstrous absurdity, It is false in its foundation; irregular, unfair, and illogical in its details ; and in its conclusions inconsistent and contradictory). Sie führe nicht nur in der Wissenschaft in die Irre, sondern auch zu einer Abkehr von der Religion und zu Atheismus (prolific source of irreligion and of atheism). Viele gute Köpfe würden so dauerhaft geschädgit (reject the scriptures altogether, to ignore the worship, and doubt and deny the existence of a Supreme Ruler of the world). Rowbotham habe aber die Falschheit der Theorie einer bewegten oder kugelförmigen Erde bewiesen und (The doctrine of the Earth's rotundity and motion is now shown to be unconditionally false; and therefore the scriptures which assert the contrary, are, in their philosophical teachings at least, literally true). Das Kapitel zitiert dann umfangreich aus der Bibel, Rowbothams gesamte Argumentation scheint am Ende auf eine Bestätigung der biblischen Botschaft hinauszulaufen.

War Rowbotham der Urheber der Flacherde-Idee?


Nein, Vorstellungen einer flachen Erde, einer Erdscheibe, gehen bis mindestens in die Zeit um 2000 vor Christus zurück[1] und waren im christlich geprägten Mittelalter typisch für die Darstellung der Erde, zum Beispiel in Form der weit verbreiteten Radkarten[2]. Im Jahr 1867 hieß es in einem deutschsprachigen Buch über den Aberglauben aus dem norddeutschen Oldenburg: "Die Erde ist eine große flache Scheibe und treibt auf dem Wasser (Saterld.) Über ihr wölbt sich der Himmel, an welchem sich Sonne, Mond und Sterne als um ihren Mittelpunkt drehen.[11]" Der Autor, Ludwig Strackerjahn charakterisiert den Aberglauben des Volkes unter anderem als Ausschmückung der christlichen Glaubenswelt, eine Symbiose, die auch Rowbotham zum Ende seines Buches hin sehr eindringlich vertritt. Siehe auch Flacherde ↗

Die Flat Earth Society des 21ten Jahrhunderts


Aus der von Rowbotham begründeten "Zetetic Society"[5] entstand dann bis zum 21ten Jahrhundert die die Flat Earth Society[6]. Diese vertritt auch weiterhin Argumente für eine flache Erde. Das Wort Flacherde bezeichnet meist die Idee einer nicht-kugeligen flachen Erdscheibe.

Ist Rowbotham Flacherden-Theorie Pseudowissenschaft


Die Frage finde ich schwer zu beantworten. Der lateinische Spruch "Nulla poena sine lege" heißt so viel wie "keine Strafe ohne Gesetz". Damit ist gemeint, dass man im rechtlichen Sinn nur für Dinge bestraft werden soll, für die es zum Zeitpunkt der unterstellten Straftat auch ein Gesetz gab, das den "Straftabestand" eindeutig beschrieb. Ich hatte ich Jahr 2018 angefangen eine Liste mit Merkmalen von Pseudowissenschaft zusammenzustellen. Je mehr der Merkmale dann zutreffen, desto mehr sollte dann der Vorwurf der Pseudowissenschaft greifen. Hier ist der Stand der Liste BEVOR ich das Buch von Rowbotham las. Für jedes Merkmal habe ich kurz notiert, ob ich es für zutreffend im Falle von Rowbothams Buch zur Flacherde halte. Ein X heißt "trifft nicht zu", ein Haken sagt "trifft zu":


Nach dieser Liste steht es 9 zu 6 für eine Einordnung von Rowbothams Buch als Pseudowissenschaft. Das bemerkenswerte an seinem Werk ist jedoch die Fülle und Detailliertheit von Experimenten, die er selbst zur Prüfung seiner Theorie vorschlägt. Er verliert sich nicht in vagen Worten, einer nebulösen Sprache oder schlecht definierten Begriffen. Rowbotham schreibt in klarer und einfacher Sprache und gibt nachvollziehbare Anleitungen dazu, seine Experimente und Beobachtungen nachzustellen. Das ist eindeutig wissenschaftlich. Zum anderen durchzieht das Buch eine Grundströmung fundamentaler Skepsis an allen Gedankengebäuden der etablierten Astronomie und Geodäsie. Auch das ist nicht per se unwissenschaftlich.

Sind Rowbothams Experimente gute Wissenschaft?


Dass er eine große Anzahl von Experimenten vorschlägt ist gute Wissenschaft, wie er sie deutet muss aber hinterfragt werden: als wesentliches Kriterium guter Naturwissenschaft gilt, dass Experimente oder Beobachtungen vorgeschlagen werden, die eine Theorie überprüfbar machen. Dass Beobachtungen an der Wirklichkeit über die Gültigkeit von Theorien entscheiden nennt man als Grundhaltung auch Empirismus. Der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper (1901 bis 1994) verschärft den Empirismus sogar dahingehend, dass Theorien nicht nur vorschlagen sollten, wie sie bestätigt werden könnten, sondern auch, wie man sie theoretisch widerlegen könnte. Beide Anforderungen erfüllt Rowbotham. Viele der Experimente will er als Bestätigung seiner Flacherde-Theorie verstanden wissen. Er macht aber auch vorschläge, wie die Theorie widerlegt werden könnte. So ist ihm zufolge die Entfernung zwischen Afrika und Australien wesentlich größer, als Anhäher einer Kugelerde glauben. Auch sei die Entfernung zwischen denselben zwei Längengraden auf der Südhalbkugel größer als auf der Nordhalbkugel. Er schlägt eine genaue Messung dieser Entfernungen vor, und will das dann als Entscheidungskriterium auch über seine Theorie gelten lassen. Das ist formal gesehen gute Naturwissenschaft.

Lassen sich die Experimente nachstellen?


Hier schildert Bob Schadewald, ein Experte auf dem Gebiet der Pseudowissenaft, wie Rowbotham Verwirrung stiftete, um sich einer Widerlegung zu entziehen: "Rowbotham was often challenged to repeat his experiments. Sometimes, he would bluff his way out. On one occasion, he agreed to duplicate one of his Bedford Canal experiments on the Teign River. Markers were to be set up at intervals, all at a fixed height above the river, and the row of markers was to be inspected by telescope for curvature. Parallax was late, so the committee of auditors from the previous lecture set up the markers without him. When Parallax arrived, he claimed that the committee had shown bad faith by setting up the markers in his absence, was trying to swindle him, and so forth, and he left in a huff.[16]"

Wie sauber belegt Rowbotham seine Behauptungen?


Formal gesehen zunächst sauber: Rowbotham zitiert zum Beispiel Tagebucheinträge von Seeleuten und Forschern auf Seereisen, etwa dass eine Umrundung des Kontinents Antarktika wider erwarten große Probleme aufwerfe. Desweiteren zitiert er öfters Zeitungsartikel, gelegentlich auch Artikel aus anerkannten Fachzeitschriften (z. B. The Lancet, seit 1823). Was man bei Rowbotham aber vermisst ist die Erwähnung von einer großen Anzahl möglicher Belege, die ihn widerlegen könnten. Es gibt wahrscheinlich abertausende von Schiffstagebüchern, über Jahrhunderte geführt, die Rowbothams Geographie der Flacherde widerlegen könnten. Nach Rowbothams Geographie hätte eine Reise nach Australien wesentlich länger dauern müssen als es tatsächlich der Fall war. Solche Belege aber fehlen. Hier kann man Rowbotham ganz sicher den Vorwurf der Einseitigkeit machen.

Rowbotham hat Recht mit seiner fundamentalen Skepsis?


An sich ja: Rowbotham zweifelt in Bausch und Bogen die Befunde der Astronomie seiner Zeit an (monstrous absurdity, false in its foundation). Das ist an sich nicht unwissenschaftlich. Nehmen wir zwei Beispiele. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) untersuchte kritisch die Erklärungskraft menschlichen Denkens. Er kam dabei unter anderem zu dem Schluss, dass wir die wahren Dinge, sein berühmtes "Ding an sich" niemals direkt wahrnehmen können[12], ein sehr fundamentaler Zweifel. Der anerkannte Physiker Ernst Mach (1838 bis 1916) ging diesen Weg weiter und zweifelte die reale Existenz einer materiellen Außenwelt an[13]. Im 20ten und 21ten Jahrhundert kamen dann Theorien dazu auf, dass die ganze Welt nur eine Computersimulation sei[14]. Dass unsere gesamte Wissenschaft auf falschen Annahmen (false foundation) beruhen könnte, wird also in Wissenschaftskreisen selbst sehr ernsthaft diskutiert. Die gesamte Idee für sich existierender Materie könnte falsch sein, wenn die Idee einer Computersimulation zuträfe. Rowbotham begeht aber einen großen Fehler, wenn er glaubt, dass die Wissenschaft Theorien beweisen müsse. Seriöse Wissenschaftler hinterfragen ständig selbst ihre Interpretationen und stellen sie niemals als endgültig richtiges Bild der Welt dar[15]. Siehe dazu auch Zeilingers Kant-Forderung ↗

Gibt es einen fundamentalen Gedankenfehler Rowbothams?


Ja, wenn er nämlich von der möglichen Falschheit der Newtonschen Astronomie quasi zwingend auf die Richtigkeit der christlichen Lehre schließt. Noch einmal soll dieses Scharnier in seiner gesamten Argumentation wörtlich wiedergegeben werden: "The doctrine of the Earth's rotundity and motion is now shown to be unconditionally false; and therefore the scriptures which assert the contrary, are, in their philosophical teachings at least, literally true." In der Logik spricht man hier von einem non sequitur, wörtlich "es folgt nicht", also einem Trugschluss. Rowbothams argumentiert, dass die Theorie einer kugeligen und bewegten Erde sicher falsch ist. Aus der Falschheit folgert er dann, dass die Lehren der biblischen Überlieferung (the scriptures) wahr sein müssen. Das ist formallogisch ein Fehlschluss. Mit dem gleichen Anspruch auf Gültigkeit könnte man dann folgern, dass es eine Erde gar nicht, weil die Welt nur eine Simulation ist[14] oder dass die Religion der alten Babyloniere richtig sei[1], die ja auch an eine flache Erde glaubten[17]. Mehr dieser fehlerhaften Logik siehe unter non sequitur ↗

Was ist das Fazit zur Flacherde Rowbothams?


Rowbothams Argumente gegen eine Kugel- und für eine Scheibenform der Erde sind zunächst bestechend einfach. Punktelle Stichproben lösten sie aber an vielen Stellen als unzutreffend auf, wie unter anderem Bob Schadewald an vielen Beispielen[17] zeigte. Ein starkes Argument für die kugelartige Erde ist, dass alle praktisch angewandten navigatorischen technischen Anwendungen dieses Modell verwenden und damit sehr erfolgreich sind: wer aufgrund der Kugeltheorie ein Schiff steuert kommt in der geschätzen Zeit an, wer es nach der Theorie der Flacherde tut, wird nicht ankommen, zumindest nicht in der geschätzten Zeit. Ich persönlich halte Rowbothams Darlegungen letztendlich für Pseudowissenschaft ↗

Fußnoten