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Materie

Physik

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Einführung


Materie besteht nicht aus Materie: in diesem Ausspruch des Physikers David Bohm ist der Kern des Materie-Problems gut eingefangen. In einer naiven, oft auch schulphysikalischen Vorstellung besteht Materie aus kleinen festen und räumlich ausgedehnten Klumpen eines beständigen und festen Stoffes. Doch wer mit diesem Bild versucht, die Realität der physikalischen Welt zu verstehen, wird in unlösbare Widersprüche geraten. Spätestens mit den Themen der Oberstufenphysik ist es von großem Vorteil, sich mit den verschiedenen Deutungen von Materie und ihren Begrenzungen einmal bewusst auseinander zu setzen.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
So ähnlich könnte es ausgesehen haben, als Marie Curie in den Jahren von 1897 bis 1904 in Paris mit einfachsten Geräten aus insgesamt 8 Tonnen Pechblende aus den Bergwerken des tschechischen Joachimsthal letztendlich 0,1 Gramm Radiumchlorid und noch weniger Polonium gewann. Doch Curies Arbeiten führten schnell tiefer in das Geheimnis um das Wesen der Materie. Materie, so sollte gut 80 Jahre später sinngemäß der Physiker David Bohm sagen, besteht nicht aus Materie. © Gunter Heim/ChatGPT ☛


Etymologie


Das Wort Materie ist sprachlich verwandt mit dem Wort Mutter. Die gedankliche Verbindung liegt in der Idee des Urstoffes, aus dem etwas entsteht. Diese Idee eines allem zugrundeliegenden Stoffes findet sich bereits in der Antike.

Beispiel: Goldkugel


Eine Goldkugel besteht aus Materie. Sie braucht soundsoviele cm³ Raum und hat eine eindeutige Masse von soundsovielen kg. Auch ein einzelnes Goldatom wäre in diesem Sinn Materie. Seine Masse macht sich zum Beispiel über Rückstoßeffekte bemerkbar. Dass ein Atom auch Raum einnimmt kann man auf modernsten Aufnahmen von Elektronenmikroskopen sehen. Problematisch wird es aber etwa bei einem Elektron. Man weiß nicht, ob ein Elektron eine Ausdehnung hat oder ein mathematischer Punkt ist. Siehe dazu Elektronendurchmesser ↗

Materie als eine Art Baustein oder Urstoff


Das Wort Materie wurde im 19ten Jahrhundert zunächst als Gegensatz zur Form gedacht[2][3][4] und immer auch mit einem Widerstand gegen eine Eindringung oder Verdrängung verbunden[3], oft auch als Gegensatz zu etwas Geistigem[4]. Eng verbunden mit dem Wort Materie war die Vorstellung von einem elementaren Stoff, aus dem alle anderen Dingen zusammgensetzt seien. 1856 steht in einem Lexikon zum damals aktuellen Forschungstand: "bis heute sind jedoch die Naturwissenschaften noch zu keiner Urmaterie vorgedrungen, sondern zu 64 Ur-Materien oder Grundstoffen der Körperwelt[4]". Das Lexikon verweist von dort dann auf das Stichworte Elemente und meint damit chemische Elemente ↗

Materie in der klassischen Physik: bis etwa 1905


Seit dem frühen 17ten Jahrhundert hat sich in der Naturphilosophie (Physik) der Gedanke immer weiter verbreitet, dass unsere Welt ganz aus kleinsten Materiebausteinen aufgebaut ist. Alle Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe der belebten und unbelebten Welt würden sich demnach aus diesen Bausteinen zusammensetzen. In Analogie zur strengen Regelmäßigkeit der Planetenbewegungen am Himmel, glaubte man auch, dass die Materiebausteine ausschließlich einfachen Kraft- und Bewegungsgesetzen gehorchen. Ein Beispiel für so ein Gesetz wären die Formeln für einen elastischen oder inelastischen Stoß. In strenger Denk-Konsequenz gelangt man letztendlich zum Weltbild des "Materialismus": alles besteht nur aus Materie. Geistiges, wie etwa die Idee eines freien Willens, waren nur Folgeerscheinungen des ständigen Spieles der Materie. Dieses Weltbild dominierte die Wissenschaft bis etwa zur Jahrhundertwende um 1900. Manche Menschen waren fasziniert von der Idee, dass letztendlich der ganze Ablauf der Welt vorausberechenbar sein könnte. Andere sahen im Materialismus den Menschen zu einem bloßen Roboter reduziert. Ein berühmtes Sinnbild für den Materialismus ist der Laplace-Dämon ↗

Erste Zweifel: gibt es neben Materie andere Urdinge?


Schon Newton nahm an, dass die Wirkung der Schwerkraft (Gravitation) sich mit unendlicher Geschwindigkeit im Weltraum ausbreite. Es war aber völlig unklar, woher denn die Sonne etwa "wissen" solle, dass in ihrer Nähe eine Erde war und eine Anziehungskraft wirken muss. Woraus bestand der Raum zwischen den Himmelskörpern, sodass Kräfte übermittelt werden könnten? Im 19ten Jahrhundert entwickelte sich dann die Idee, dass zwischen den Materiebausteinen Kraftfelder wirken. Man sprach von elektrischen Felder und Gravitationsfeldern. Mit den Feldern tauchte die Frage aus, ob sie selbst Masse haben oder Raum beanspruchen. Sind sie bloß ein Denkkonstrukt oder existieren sie auf irgendeine Weise tatsächlich? Die Frage ist bis heute ungeklärt. Man gewöhnte sich wieder an den Gedanken, dass die Welt vielleicht nicht nur aus Materie besteht, sondern auch aus immateriellen Dingen.

Die Materie als reines Sinnes-Erleben


In der Philosoph gab es durch die Jahrtausende hindurch starke Gedankenströmungen, die die Welt als eine bloße Abfolge von Sinneserscheinungen betrachtete. Ein moderner Vertreter dieser Sicht war der Physik Ernst Mach:

ZITAT:

"Materie [ist][…] ein Gedankensymbol für einen relativ stabilen Komplex sinnlicher Elemente".[13]

Mach entwickelte das Konzept einer modernen Physik, die ganz ohne das Modell einer für sich alleine existierenden Welt aus Materie auskommen sollte. Die Gesetze der Physik sollten nur eine möglichst zuverlässige Abfolge von Sinneseindrücken vorhersagen können. Insbesondere einige der frühen Quantenphysiker, etwa Erwin Schrödinger, standen unter dem Einfluss Machs.[12]

Materie in der allgemeinen Relativitätstheorie


In der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein, entstanden um das Jahr 1916, ist die Materie keine stofflich gedachte Substanz mehr sondern eine Ausprägung einer Krümmung in der Raumzeit.[15] Siehe dazu auch allgemeine Relativitätstheorie ↗

Materie in der Quantenphysik


Ab etwa 1900 entdeckte man in einer Reihe von Versuchen dann das, was wir heute Atome, Elektronen und Protonen nennen. Diesen sehr kleinen Bausteinen war sicher Masse (messbar in kg) zuzuschreiben. Sie schienen auch eine Raumausdehnung zu haben, waren also damit eindeutig materiell. Man stellte sie sich als kleine Kügelchen oder sonstwie geformte Dinge vor, die sich stetig (ohne Sprüng) durch Raum und Zeit bewegen können. Aber auch dieses modellhaft Bild geriet bald ins Schwanken: Im sogenannten Doppelspaltexperiment schoss man Elektronen durch Spalten in einer Wand auf eine Detektorfläche. Die Verteilung, wo die Elektronen am Detektor ankamen, ließ sich aber in keinster Weise mit der Idee kleiner Materiebausteine herleiten. In diesem Versuch können sich die Elektronen unmöglich wie vernünftige Materie verhalten. Viel eher müssen sie gleichzeitig auch Welleneigenschaften haben. Sie müssten auf einen Schlag wissen, wie die Welt um sie herum auch in größerer Entfernung aussieht. Das alles führt zu vielen Widersprüchen, die heute meistens unbesprochen einfach stehen gelassen werden. Der Materiebegriff ist heute sehr unscharf. So spricht man auch von masse- oder raumloser Materie ohne aber näher darauf einzugehen, wie man sich das vorstellen sollte.

Materie in der Schulphysik


In der Schulphysik wird in den unteren Klassen meist stillschweigend ein klassisches Bild von Materie verwendet: Kugeln folgen den den Stoßgesetzen, Planeten bewegen sich gemäß Kepler, Elektronen fließen nach festen Formeln durch Leiter und so weiter. Spätestens in der Oberstufe aber tauchen dann Formeln auf, die etwa Protonen eine Wellenlänge zuordnen. Licht wird einerseits als Welle betrachtet, andererseits spricht man von Lichtteilchen, den Photonen. Teilchen- und Welleneigenschaften tauchen nebeneinander auf. Man muss akzeptieren, dass es kein anschauliches Modell mehr von Materie gibt. Es scheint so etwas wie Atome und noch kleinere Materieteilchen zu geben, sie verändern ihren Zustand aber oft so, als seien sie zwischendurch eher wellenartig gewesen. Die Wellen selbst geben dabei aber nur noch Wahrscheinlichkeiten an, wo man die Teilchen wann antreffen könnte. Die moderne Physik besteht in weiten Zügen aus der Mathematik von Wellen in Verbindung mit Wahrscheinlichkeiten.

Zitate zur Materie


Der Begriff der Materie hat über die Jahrhunderte eine bemerkenswerte Boomerang-Bewegung durchlaufen: in der mittelalterlichen Scholastik galt die Materie in der Tradition von Aristoteles als zunächst noch ungeformter, formloser Urstoff. In der frühen Neuzeit bis etwa um 1900 sah man in der Materie dann feste, kleinste Bausteine der Welt. In der neueren Physik seit den 1910er Jahren hingegen verliert die Materie wieder ihre Festigkeit und ähnelt darin der mittelalterlichen Vorstellung.

Scholastik


  • Albertus Magnus: (1200 bis 1280): „Materie ist das Subjekt der Form, das durch die Form seine Wirklichkeit (Aktualität) empfängt.“[19]
  • Bonaventura: (1221 bis 1274): „Die Fülle der Dinge aber zeigt sich darin, dass die Materie mit Formen gemäß den Keimprinzipien erfüllt ist; die Form ist erfüllt von Kraft entsprechend ihrer tätigen Fähigkeit; die Kraft ist erfüllt von Wirkungen gemäß ihrer Wirksamkeit – das macht die Sache deutlich erkennbar.“[20]
  • Thomas von Aquin (1225 bis 1274): Materie als Stoff: „[…] 4ie Natur, die zuerst dem Wandel unterworfen ist, das heißt die erste Materie, kann nicht aus sich selbst heraus erkannt werden, da alles, was erkannt wird, durch seine Form erkannt wird. Die erste Materie aber wird als das betrachtet, was aller Form unterliegt. Doch sie wird in analoger Weise erkannt, das heißt durch ein Verhältnis. So erkennen wir, dass das Holz etwas ist, das jenseits der Form eines Stuhls oder eines Bettes liegt, weil es einmal unter der einen, ein anderes Mal unter der anderen Form erscheint. Wenn wir also sehen, dass das, was jetzt Luft ist, zu Wasser wird, dann müssen wir sagen, dass etwas, das unter der Form der Luft existiert, auch einmal unter der Form des Wassers existiert: und somit ist es etwas, das jenseits der Form des Wassers und jenseits der Form der Luft liegt – so wie das Holz etwas ist, das jenseits der Form des Stuhls und jenseits der Form des Bettes besteht. Was sich also zu den natürlichen Substanzen so verhält wie die Bronze zur Statue oder das Holz zum Bett, oder wie überhaupt jedes materielle und gestaltlose zu einer Form, das nennen wir die erste Materie.“[17]
  • Duns Scotus: (1266 bis 1308): „Die erste Materie ist ein Seiendes in reiner Möglichkeit, ohne jede wirkliche (aktuelle) Form, aber dennoch wirklich existierend.“[18]

Neuzeit


  • 1690: „Ich glaube daher, dass das Licht nichts anderes ist als eine Bewegung einer Art von Materie.“ Quelle: Christiaan Huygens: Traité de la lumière (Leiden, 1690), S. 11 (französisches Original: „Je crois donc que la Lumière n'est autre chose qu'un certain Mouvement de la Matière.“)
  • 1697: Geist bewegt Materie: „Materie ist an sich träge und bedarf zur Bewegung der Belebung durch eine Seele oder ein belebendes Prinzip.“ Quelle: Georg Ernst Stahl: Zymotechnica Fundamentalis. Halle: Renger, 1697, zitiert nach der Ausgabe von Wolfgang U. Eckart (Hrsg.): Georg Ernst Stahl. Medizin, Philosophie und Naturwissenschaft im frühen 18. Jahrhundert, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000, S. 112. Siehe auch Mens agitat molem ↗
  • 1713: „Materie besteht aus festen, massiven, undurchdringlichen, beweglichen Teilchen.“ Im lateinischen Original: "Materia est ex corporibus solidis, gravibus, indivisibilibus, mobilibus." Quelle: Newton, Isaac: Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. Editio secunda aucta & emendata. Londini: Typis J. Streater, pro Gul. & Joh. Innys, 1713, „Scholium Generale“, S. 942. Engl. Übersetzung: Newton, Isaac: The Principia: Mathematical Principles of Natural Philosophy, translated by I. Bernard Cohen and Anne Whitman. Berkeley: University of California Press, 1999, S. 939.
  • 1777: „There is no reason to suppose that there is anything in matter essentially different from what we find in the grossest kinds of it.“ Quelle: Joseph Priestley, in: Disquisitions relating to Matter and Spirit, London: J. Johnson, 1777, S. 6.
  • 1781: „Die Materie ist die passive, träge widerstehende Substanz, welche durch Wärme und Kälte ausgedehnt und zusammengezogen, verdünnt und verdichtet wird, aber in allem Wechsel ihre Quantität konstant behält.“ Quelle: Bernardino Telesio, „De rerum natura iuxta propria principia“, 1586.
  • 1781: „Die Materie ist das Bewegliche, das sich in Raum und Zeit befindet, und dessen Existenz durch die äußere Anschauung gegeben ist. Quelle: Immanuel Kant, „Kritik der reinen Vernunft“, A20/B34, 1781/1787.
  • 1789: „Tout ce qui a du poids et occupe de l’espace, nous le nommons matière. In: Antoine-Laurent de Lavoisier, Traité élémentaire de chimie, Paris: Cuchet, 1789, Première Partie, Chapitre Premier, p. 1. Auf Deutsch: „Alles, was Gewicht hat und Raum einnimmt, nennen wir Materie.“
  • 1798: "Dasjenige, woraus ein Körper zusammen gesetzt ist, das was einem Körper die Ausdehnung und widerstehende Kraft gibt. Die einfache Materie oder die Elemente, welche sich nicht weiter auflösen lässet, und aus deren Vermischung alle übrige zusammen gesetzte Materie entstehet […] im Gegensatze der Form, d.i. der Art und Weise ihrer Verbindung." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 107-108.
  • 1803: „Materie ist nicht einfach eine Kombination von festen und unveränderlichen Prinzipien, sondern eine Substanz, die gemäß den Gesetzen der chemischen Affinität und der Proportionen der sie bildenden Elemente verändert werden kann.“ Im französischen Original: „La matière n'est pas simplement une combinaison de principes fixes et invariables, mais une substance qui peut être modifiée selon les lois de l'affinité chimique et de la proportion des éléments qui la composent.“ Quelle: Claude Louis Berthollet, Essai de Statique Chimique, 1803, p. 45.
  • 1814: „Die Idee eines deterministischen Universums, in dem die Materie den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und der Notwendigkeit folgt, ist der wahre Sinn der Naturwissenschaften.“. Auf Französisch: «L’idée d’un univers déterminé, où la matière est soumise aux lois de la probabilité et de la nécessité, est le véritable sens des sciences naturelles.» Quelle: Pierre-Simon Laplace, Essai philosophique sur les probabilités, 1814, p. 8.
  • 1817: „Die Materie ist die Einheit der Schwere und der Gestalt, des Allgemeinen und des Besonderen.“ Quelle: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“, § 197, 1817.
  • 1820: „Die Materie der Welt ist durch die unsichtbaren Kräfte miteinander verbunden, und die Beobachtung dieser Kräfte führt uns zu einer tieferen Erkenntnis ihrer wahren Natur.“ Quelle: Christian Oersted, Versuch einer Theorie des magnetischen Systems, 1820, S. 38.
  • 1839: "Materie bedeutet überhaupt Stoff oder Inhalt, das Wesentliche der Körper, und wird gewöhnlich als Gegensatz der Form (s.d.) oder Gestalt gedacht. Von der Gegenwart der Materie überzeugen wir uns vorzüglich durch das Gefühl; der Widerstand aber, welchem man überall begegnet, wo in den Raum eines Körpers einzudringen versucht wird, heißt die Undurchdringlichkeit derselben. Die Materie erfüllt indeß den Raum der Körper nicht durchaus, sondern mit Unterbrechungen, welche man Zwischenräume und Poren nennt und an festen Körpern mit bloßem Auge oder durch Vergrößerungsgläser leicht wahrnimmt; bei flüssigen Körpern aber schließt man auf die Gegenwart von Zwischenräumen daraus, weil es keine Flüssigkeit gibt, welche nicht andere Körper in sich aufnehmen könnte. Als eine andere allgemeine Eigenschaft der Materie lehrt die Erfahrung die Theilbarkeit derselben anerkennen, welche mitunter außerordentlich weit geht, wie z. B. bei den höchst dehnbaren Metallen (s. Dehnbarkeit) und den leuchtenden und riechenden Stoffen." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 80.
  • 1845: „Die sinnliche Welt ist die wirkliche Welt. [...] Die Materie, die der Materialismus als die einzige Realität annimmt, ist nichts anderes als die wirkliche Welt der Sinne.“ Quell: Karl Marx / Friedrich Engels: Die Heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Frankfurt a.M.: Literarische Anstalt (J. Rütten), Ersterscheinung: 1845, S. 130. Auch abgedruckt in: MEW 2, Berlin: Dietz Verlag, 1957, S. 130.
  • 1856: Materie als Urstoff, als Bautein, aus dem Formen entstehen können: "Materie (vom lat. mater d.h. Mutter?), ein Ausdruck, der in der Geschichte der Philosophie, in allen Wissenschaften und Künsten sowie im gemeinen Leben oft genug, aber in sehr verschiedenen Bedeutungen vorkommt, z.B. als das Nichtgeistige im Gegensatz zum Geistigen, der Stoff im Gegensatze zur Form, der Gehalt im Gegensatze zur Gestalt, ferner gleichbedeutend mit Gegenstand, Thema u.s.w. Wird der Ausdruck M. im Gebiete des Geistes gebraucht, so beruht dies auf einer Uebertragung des gewöhnlichen Sinnes des Ausdruckes M., nämlich: das sinnlich Wahrnehmbare u. den Raum ausfüllende, der Stoff, woraus die Körper bestehen u. durch dessen Zusammenhalt die Existenz derselben bedingt ist. Die Frage nach der Ur-M. od. dem Grundstoff aller Dinge hat die Philosophen viel beschäftigt, bis heute sind jedoch die Naturwissenschaften noch zu keiner Ur-M. vorgedrungen, sondern zu 64 Ur-M.n oder Grundstoffen der Körperwelt (s. Elemente)." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 121-122.
  • „Zunächst also ist und heißt ihm das Handgreifliche Materie, nimmt er Materie da an, wo man etwas greifen kann.“ Quelle: Gustav Theodor Fechner, „Atomenlehre“, Kapitel XV, 1855.
  • 1860: "Materie (v. lat. Materia), 1) Stoff im Gegensatz zur Form. So unterscheidet man in der Ästhetik u. Rhetorik die M., den Stoff, Inhalt eines Kunst- od. Schriftwerkes von der Form, der Gestaltung, der künstlerischen od. rednerischen Behandlung; in der Logik die M. eines Urtheils, eines Schlusses, d.h. die in ihm vorkommenden Begriffe von der Form ihrer Verknüpfung. Damit hängt der Gebrauch des Wortes 2) in der Metaphysik u. Physik zusammen, insofern diese die Frage zu beantworten suchen, welche Stoffe den Dingen in ihren veränderlichen Gestaltungen zu Grunde liegen. So haben schon die ältesten griechischen Naturphilosophen, ohne gerade das Wort M. anzuwenden, bald eins, bald mehre der sogenannten Elemente (Wasser, Luft, Feuer, Erde) entweder mit od. ohne Berufung auf ein als Kraft wirkendes Princip als die Stoffe bezeichnet, aus welchen die Dinge entstehen; eine bestimmte Bedeutung gab dem Begriff der M. (unter der Bezeichnung Hyle) Aristoteles, indem er sie für das, was die Möglichkeit der Dinge enthält (Esse potentia), im Gegensatz zur Form (Eidos, Morphe) als dem, was die Dinge wirklich sind (Esse actu), für das allgemeine Substrat des Werdens u. somit für eins der Realprincipien erklärte, auf welche er die natürliche Entstehung u. die künstliche Hervorbringung der Dinge zurückführen zu müssen glaubte." Und so weiter mit vielen Beispielen. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 1-2.
  • 1866: „Die Materie ist eine dunkle, träge, starre und absolut passive Substanz.“ Quelle: Friedrich Albert Lange, „Geschichte des Materialismus“, 1866.
  • 1872: „Was Materie und Kraft an sich seien, bleibt uns ewig ein Geheimnis.“ Quelle: Emil du Bois-Reymond, Über die Grenzen des Naturerkennens, Rede gehalten am 14. August 1872 in Leipzig. In: Reden, Band 1, Leipzig: Veit & Comp., 1885, S. 441.
  • 1876: „In Wahrheit aber ist es die Natur der Materie, zur Entwicklung denkender Wesen fortzuschreiten, und dies geschieht daher auch notwendig immer, wo die Bedingungen, wenn auch nur im Laufe von Milliarden von Jahren, dazu vorhanden sind.“ Quelle: Friedrich Engels: Dialektik der Natur. In: Marx-Engels-Werke (MEW), Band 20. Berlin: Dietz Verlag, 1962, S. 479. Das Kapitel ist Teil des Fragments „Dialektik der Natur“, das Engels zwischen 1873 und 1883 (mit Unterbrechungen) schrieb. Den konkreten Text „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ datierte Engels selbst auf das Jahr 1876. Veröffentlicht wurde der Text posthum im Jahr 1896 durch Karl Kautsky in der Zeitschrift Die Neue Zeit, also erst nach Engels’ Tod (1895).
  • 1890: “Matter is but a name for the unknown and hypothetical cause of states of mind.” Quelle: William James: The Principles of Psychology, Volume I. New York: Henry Holt and Company, 1890, p. 146.
  • 1894: „Materie ist nur ein Name für die Erscheinungen, welche uns als die Wirkungen in der äußeren Welt entgegentreten.“ Quelle: Heinrich Hertz, Die Prinzipien der Mechanik in neuem Zusammenhange dargestellt, Leipzig: Barth, 1894, S. 3.

Moderne


  • 1903: „Es scheint, dass die Strahlung keine Veränderung im Zustand der Materie hervorruft, sondern dass sie ein fortdauernder Zustand der Materie selbst ist.“ Quelle: Marie Curie, Recherches sur les substances radioactives, Thèse de doctorat, Faculté des sciences de Paris, 1903, S. 47.
  • 1907: „Die Materie ist das, worin das Unpersönliche, das Unorganisierte, das Wiederholbare besteht: ein Mechanismus.“ Quelle: Bergson, Henri: L’évolution créatrice. Paris: Félix Alcan, 1907. Original: „La matière est ce en quoi consiste l’impersonnel, l’inorganisé, le répétitif : un mécanisme.“
  • 1912: Bertrand Russell (1872–1970): „Was schwingt, ist entweder der Äther oder grobe Materie, auf alle Fälle etwas, was die Philosophen Materie zu nennen pflegen.“ Quelle: Russell, B., The Problems of Philosophy, 1912, Kapitel 2.
  • 1921: Carl Ramsauer (1879–1955): „Die Durchlässigkeit von Gasen für langsame Elektronen zeigt, dass Materie nicht als undurchdringlich betrachtet werden kann.“ Quelle: Ramsauer, C., Über den Wirkungsquerschnitt der Gasmoleküle gegenüber langsamen Elektronen, Annalen der Physik, 1921, Bd. 369, Nr. 6, S. 513–540.
  • 1924: Louis de Broglie (1892–1987): „Materie zeigt Welleneigenschaften; jedes Teilchen ist mit einer Welle assoziiert.“ Quelle: de Broglie, L., Recherches sur la théorie des quanta, Thèse de doctorat, 1924.
  • 1929: Alfred North Whitehead (1861–1947): „Die traditionelle Vorstellung von Materie als passiver Substanz ist überholt; die Welt besteht aus Prozessen.“ Quelle: Whitehead, A.N., Process and Reality, Macmillan, 1929, Part II, Chapter 1.
  • 1937: Max Planck: „Es gibt keine Materie an sich. Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. […] So müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten, intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Wirkliche, Wahre, Wirkende – sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist.“ Quelle: Planck, Max (1942): „Religion und Naturwissenschaft“, in: Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft (Vorträge und Aufsätze). Leipzig: Johann Ambrosius Barth Verlag, S. 22–23. Das Zitat wurde dort zum ersten Mal veröffentlicht und stammt aus einem Vortrag, den Planck zum ersten Mal am 4. Mai 1937 in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gehalten hatte.
  • 1938: Albert Einstein: „Was unsere Sinne als Materie beeindruckt, ist in Wirklichkeit eine große Konzentration von Energie in einem vergleichsweise kleinen Raum.“ Quelle: Albert Einstein, Leopold Infeld: Die Evolution der Physik. 1938.
  • 1939: Desmond Bernal (1901–1971): „Die Struktur der Materie ist der Schlüssel zum Verständnis der Natur.“ Quelle: Bernal, J.D., The Social Function of Science, 1939, Kapitel 3.
  • 1939: Ernest Rutherford (1871–1937): „Der erste Punkt, der sich ergibt, ist das Atom. Ich wurde dazu erzogen, das Atom als einen netten, harten Burschen zu betrachten, rot oder grau gefärbt, je nach Geschmack. Um jedoch die Fakten zu erklären, kann das Atom nicht als eine Kugel aus Materie angesehen werden, sondern eher als eine Art Wellenbewegung besonderer Art. Die Theorie der Wellenmechanik, so bizarr sie auch erscheinen mag... hat die erstaunliche Tugend, dass sie funktioniert, und zwar im Detail, sodass es jetzt möglich ist, Dinge zu verstehen und zu erklären, die in früheren Zeiten fast unmöglich erschienen.“ Quelle: Ernest Rutherford, zitiert in A. S. Eve, Rutherford, Cambridge University Press, 1939, S. 193.
  • 1954: Robert Oppenheimer (1904–1967): „In der Quantenmechanik ist Materie nicht mehr fest und greifbar; sie ist eine Wahrscheinlichkeit.“ Quelle: Oppenheimer, J.R., "The Uncertainty Principle", Science and the Common Understanding, Simon and Schuster, 1954, p. 61.
  • 1963: Richard P. Feynman (1918–1988): „Alles ist aus Atomen aufgebaut. [...] Diese winzigen Teilchen bewegen sich ständig in Bewegung, anziehend und abstoßend.“ Quelle: The Feynman Lectures on Physics, Vol. I, 1963.
  • 1980: David Bohm (1917–1992): „Materie ist nicht aus Materie gemacht. Die Idee, dass die Welt aus festen, kleinen Teilchen besteht, ist eine Illusion.“ Quelle: Bohm, D., Wholeness and the Implicate Order, 1980.Richard T. Weidner; Robert Sells: Elementare moderne Physik. Verlag Friedrich Vieweg & Sohn, Ausgabe von 1982. ISBN: 3-528-8415-4.
  • 1982: Nicht erwähnt im Register wird das Wort Materie in: Richard T. Weidner; Robert Sells: Elementare moderne Physik. Verlag Friedrich Vieweg & Sohn, Ausgabe von 1982. ISBN: 3-528-8415-4.
  • 1988: Stephen Hawking (1942–2018): „Materie kann nicht ohne Raum existieren, aber Raum kann ohne Materie existieren.“ Quelle: Hawking, S., A Brief History of Time, Bantam Books, 1988, p. 44.
  • 1990: John Archibald Wheeler (1911–2008): „Materie ist nicht fundamental; sie ist eine Manifestation von Information.“ Quelle: Wheeler, J.A., "Information, Physics, Quantum: The Search for Links", in Zurek, W.H. (ed.), Complexity, Entropy, and the Physics of Information, Addison-Wesley, 1990, p. 5.
  • 1994: Ramamurti Shankar (geb. 1947): „Materie besteht aus Teilchen, aber diese Teilchen sind selbst Manifestationen von Feldern.“ Quelle: Shankar, R., Principles of Quantum Mechanics, Springer, 1994, p. 3.
  • 1994: Murray Gell-Mann (1929–2019): „Was wir als Materie betrachten, besteht aus Quarks, die niemals allein existieren.“ Quelle: Gell-Mann, M., The Quark and the Jaguar, Freeman, 1994, p. 180.
  • Nicht erwähnt im Register wird das Wort Materie in: Oskar Höfling: Physik. Lehrbuch für Unterricht und Selbststudium. Fünfzehnte Auflage. 1994. ISBN: 3-427-41045-5.
  • 2000: „Materie, grundlegender physikalischer Begriff […], der im Laufe der Physikgeschichte unterschiedliche Interpretationen erfuhr. Im Weltbild der klassischen Physik ist Materie eine von der Energie abgegrenzte meß- und berechenbare Größe, der Newtons Unterscheidung der trägen und schweren Masse materieller Körper zugrunde liegt.“ Quelle: Spektrum Akademischer Verlag (Hrsg.): Lexikon der Physik, Heidelberg 2000.
  • 2001: Nicht erklärt: zwar findet sich das Wort Materie im Register des Lehrbuches für die Mittelstufe. Aber auf der entsprechenden Seite wird lediglich ausgesagt, dass elektrische Ladung an Materie gebunden ist. Was Materie sein soll, wird nicht besprochen. In: Dorn·Bader. Physik SEK I. Gymnasium. Schroedel Verlag. 2001. ISBN: 3-507-86262-X. Dort auf Seite 178.
  • 2004: Roger Penrose (geb. 1931): „Materie ist nicht das Fundament der Realität; vielmehr ist sie ein Ausdruck tieferer mathematischer Strukturen.“ Quelle: Penrose, R., The Road to Reality, Jonathan Cape, 2004, p. 1020.
  • 2005: Akito Arima (1930–2020): „Die Struktur der Materie ist ein Spiegelbild der Symmetrien, die wir in der Natur beobachten.“ Quelle: Akito Arima, Verborgene Wahrheit, 2005.
  • 2007: Hans-Peter Dürr (1929–2014): „Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. [...] Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung - gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist.“ Quelle: Interview mit Holger Fuß, P.M. Magazin, Mai 2007.
  • Nicht erwähnt im Register wird das Wort Materie in: David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday. Physik. Englischer Originaltitel: Fundamentals of Physics. Wiley-VCH Weinheim. 2007. ISBN: 978-3-527-40746-0. Es scheint, als sei in dem Lehrbuch das Wort Masse an die Stelle der Materie getreten. Die Masse wird dann als eine "intrinsische, jedem Körper innewohnene Eigenschaft", und zwar ist "die Masse eines Körpers jene Eigenschaft [] ist, welche die auf den Körper ausgeübte Kraft mit der daraus restultierenden Beschleunigung verknüpft." [Seite 77]
  • 2008: Andrea Ghez (geb. 1965): „Die Materie, die wir sehen, ist nur ein kleiner Teil dessen, was existiert; der Rest ist unsichtbar und beeinflusst dennoch die Bewegung der Sterne.“ Quelle: Ghez, A.M., Salim, S., et al., "Measuring Distance and Properties of the Milky Way's Central Supermassive Black Hole with Stellar Orbits", Astrophysical Journal, 689, 2008, p. 1044.
  • 2008: Lyn Evans (Projektleiter des Large Hadron Collider am CERN in Genf): „Der LHC ist eine Maschine, die es uns ermöglicht, die fundamentalen Bestandteile der Materie zu untersuchen, indem wir Protonen mit sehr hoher Energie kollidieren lassen.“ Quelle: Interview mit BBC News, 2008.
  • 2010: „Materie ist jede Substanz, die Masse besitzt und Raum einnimmt.“ Quelle: Chang, Raymond. Chemistry, 10. Auflage, McGraw-Hill Education, 2010, S. 2.
  • 2014: Carlo Rovelli (geb. 1956): „Materie ist ein Prozess, nicht eine Substanz. Teilchen sind Ereignisse, nicht Dinge.“ Quelle: Rovelli, C., Reality Is Not What It Seems, 2014.
  • 2018: Sean Carroll (geb. 1966): „Materie ist eine Art von Energie, die sich in bestimmten Mustern organisiert.“ Quelle: Carroll, S., The Big Picture, 2016.
  • 2018: Sabine Hossenfelder (geb. 1976): „Materie ist nicht mehr das, was sie einmal war; sie ist ein Produkt von Feldern und deren Wechselwirkungen.“ Quelle: Hossenfelder, S., Lost in Math: How Beauty Leads Physics Astray, Basic Books, 2018, p. 85.
  • 2022: Anton Zeilinger (geb. 1945): „Die Welt ist nicht nur materiell – es gibt mehr, als man in den Naturwissenschaften sehen und messen kann.“ Quelle: Interview in: DIE FURCHE, 9. Dezember 2022.
  • 2022: Nicht erwähnt im Register wird das Wort Materie in: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6.
  • 2023: Nicht erwähnt im Register wird das Wort Materie in: Dorn.Bader. Physik SII Gesamtband Gymnasium. Westermann Bildungsmedien. Braunschweig. 2023. ISBN: 978-3-14-152376-8.
  • 2025: „Materie: […]. rein Stoffliches als Grundlage von dinglich Vorhandenem; stoffliche Substanz. 2. Stoff, Substanz ungeachtet des jeweiligen Aggregatzustandes und im Unterschied zur Energie und zum Vakuum (besonders im Hinblick auf die atomaren Bausteine makroskopischer Körper).“ Quelle: Dudenredaktion (Hrsg.): Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 28. Auflage, Bibliographisches Institut, Berlin 2025.
  • 2025: „Materie: […] rein Stoffliches als Grundlage von dinglich Vorhandenem; stoffliche Substanz.“ Quelle: Brockhaus Redaktion (Hrsg.): Brockhaus Enzyklopädie, 22. Auflage, F. A. Brockhaus GmbH, Leipzig/Mannheim 2025.
  • 2025: „Materie: […] objektive Realität; [Wissenschaft] Stoff, Substanz“. Quelle: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (Hrsg.): Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS), Berlin 2025.
  • 2025: „Matter is the material substance that constitutes the observable universe and, together with energy, forms the basis of all objective phenomena.“ Quelle: The Editors of Encyclopædia Britannica: Encyclopædia Britannica, 2025 Edition, Encyclopædia Britannica, Inc., Chicago 2025.

Kritik am klassischen Begriff der Materie


Iain McGilchrist, 2021


Der Schotte Iain McGilchrist, geboren im Jahr 1953, hat in einem viel beachteten Buch auf rund 1500 Seiten dargelegt, wie die klassische Idee von Materie als bestehend aus festen kleinen Körpern zu große weltanschaulichen Problemen führt. McGilchrist ist damit Teil einer stillen doch wachsenden Gruppe von Denkern, die insbesondere unter Bezug auf die Quantenphysik, den Begriff der Materie völlig neu denken möchten.

  • Ein zentraler Einwand McGilchrists betrifft die klassische Physik, die Materie als „dead, inert, meaningless stuff“[16, Band 1, Seite. 3] auffasst. Diese Sichtweise hält er für unzureichend, da sie das Bewusstsein, Intentionalität und den Zusammenhang von Teilen im Ganzen ignoriere.
  • Auch gegenüber der Quantenphysik äußert McGilchrist Vorbehalte: Zwar erkenne sie die Rolle des Beobachters an und betone die Nicht-Getrenntheit von Subjekt und Objekt, doch werde diese Einsicht oft in abstrakte Mathematik abgeschoben. Er schreibt: „Quantum physics reveals a world in which relations are prior to things, and wholes are prior to parts — but we continue to act as if the world is made of isolated particles“[16, Band 1, Seite. 145]
  • Physik beschreibt nur Muster, keine Ursachen oder Bedeutungen: „Physics can describe patterns, not causes or meanings.”[16, Band 1, Seite. 180]
  • Zum Problem der Trennung von Subjekt und Objekt: „We find that what we observe is affected by the act of observation Quelle: and yet we go on talking as if it weren’t.”[16, Band 1, Seite. 146]. Siehe zum Beispiel das Paradoxon EPR ↗
  • Materialismus beschreibt eine tote Welt: „A world composed entirely of material things would be a world without life, consciousness, or meaning Quelle: in short, not a world at all.”[16, Band 1, Seite. 12]. Siehe auch Materialismus ↗

Fußnoten


  • [1] Erwin Schrödinger Erwin: Was ist Materie? Die Doppel-CD enthält den aufDeutsch gehaltenen Vortrag Was ist Materie aus dem Jahr 1952 sowie den englischsprachigen Vortrag Do Electrons think? aus dem Jahr 1949. ISBN:978-3-932513-30-5.
  • [2] 1798, Materie im Gegensatz zu Stoff und Form: "Dasjenige, woraus ein Körper zusammen gesetzt ist, das was einem Körper die Ausdehnung und widerstehende Kraft gibt. Die einfache Materie oder die Elemente, welche sich nicht weiter auflösen lässet, und aus deren Vermischung alle übrige zusammen gesetzte Materie entstehet […] im Gegensatze der Form, d.i. der Art und Weise ihrer Verbindung." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 107-108. Online: http://www.zeno.org/nid/20000310662
  • [3] 1839, physikalische Beschaffenheit: "Materie bedeutet überhaupt Stoff oder Inhalt, das Wesentliche der Körper, und wird gewöhnlich als Gegensatz der Form (s.d.) oder Gestalt gedacht. Von der Gegenwart der Materie überzeugen wir uns vorzüglich durch das Gefühl; der Widerstand aber, welchem man überall begegnet, wo in den Raum eines Körpers einzudringen versucht wird, heißt die Undurchdringlichkeit derselben. Die Materie erfüllt indeß den Raum der Körper nicht durchaus, sondern mit Unterbrechungen, welche man Zwischenräume und Poren nennt und an festen Körpern mit bloßem Auge oder durch Vergrößerungsgläser leicht wahrnimmt; bei flüssigen Körpern aber schließt man auf die Gegenwart von Zwischenräumen daraus, weil es keine Flüssigkeit gibt, welche nicht andere Körper in sich aufnehmen könnte. Als eine andere allgemeine Eigenschaft der Materie lehrt die Erfahrung die Theilbarkeit derselben anerkennen, welche mitunter außerordentlich weit geht, wie z. B. bei den höchst dehnbaren Metallen (s. Dehnbarkeit) und den leuchtenden und riechenden Stoffen." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 80. Online: http://www.zeno.org/nid/20000843814
  • [3] 1856, Materie als Urstoff, als Bautein, aus dem Formen entstehen können: "Materie (vom lat. mater d.h. Mutter?), ein Ausdruck, der in der Geschichte der Philosophie, in allen Wissenschaften und Künsten sowie im gemeinen Leben oft genug, aber in sehr verschiedenen Bedeutungen vorkommt, z.B. als das Nichtgeistige im Gegensatz zum Geistigen, der Stoff im Gegensatze zur Form, der Gehalt im Gegensatze zur Gestalt, ferner gleichbedeutend mit Gegenstand, Thema u.s.w. Wird der Ausdruck M. im Gebiete des Geistes gebraucht, so beruht dies auf einer Uebertragung des gewöhnlichen Sinnes des Ausdruckes M., nämlich: das sinnlich Wahrnehmbare u. den Raum ausfüllende, der Stoff, woraus die Körper bestehen u. durch dessen Zusammenhalt die Existenz derselben bedingt ist. Die Frage nach der Ur-M. od. dem Grundstoff aller Dinge hat die Philosophen viel beschäftigt, bis heute sind jedoch die Naturwissenschaften noch zu keiner Ur-M. vorgedrungen, sondern zu 64 Ur-M.n oder Grundstoffen der Körperwelt (s. Elemente)." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 121-122. Online: http://www.zeno.org/nid/20003427935
  • [4] 1860, Stoff, Baustein für Formen: "Materie (v. lat. Materia), 1) Stoff im Gegensatz zur Form. So unterscheidet man in der Ästhetik u. Rhetorik die M., den Stoff, Inhalt eines Kunst- od. Schriftwerkes von der Form, der Gestaltung, der künstlerischen od. rednerischen Behandlung; in der Logik die M. eines Urtheils, eines Schlusses, d.h. die in ihm vorkommenden Begriffe von der Form ihrer Verknüpfung. Damit hängt der Gebrauch des Wortes 2) in der Metaphysik u. Physik zusammen, insofern diese die Frage zu beantworten suchen, welche Stoffe den Dingen in ihren veränderlichen Gestaltungen zu Grunde liegen. So haben schon die ältesten griechischen Naturphilosophen, ohne gerade das Wort M. anzuwenden, bald eins, bald mehre der sogenannten Elemente (Wasser, Luft, Feuer, Erde) entweder mit od. ohne Berufung auf ein als Kraft wirkendes Princip als die Stoffe bezeichnet, aus welchen die Dinge entstehen; eine bestimmte Bedeutung gab dem Begriff der M. (unter der Bezeichnung Hyle) Aristoteles, indem er sie für das, was die Möglichkeit der Dinge enthält (Esse potentia), im Gegensatz zur Form (Eidos, Morphe) als dem, was die Dinge wirklich sind (Esse actu), für das allgemeine Substrat des Werdens u. somit für eins der Realprincipien erklärte, auf welche er die natürliche Entstehung u. die künstliche Hervorbringung der Dinge zurückführen zu müssen glaubte." Und so weiter mit vielen Beispielen. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 1-2. Online: http://www.zeno.org/nid/20010411011
  • [5] 1904: "Materie, s.v.w. Stoff, Inhalt." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 333. Online: http://www.zeno.org/nid/20006083153
  • [6] 1905, Kraftwirkung, Masse "Materĭe (lat. materia), im allgemeinen gleichbedeutend mit Stoff, also im Gegensatz zur Form zunächst das Sachliche, Gegenständliche, der Inhalt im Unterschiede von der Art und Weise der Erscheinung, Gestaltung, Behandlung. In der Naturwissenschaft alles, was eine Kraft ausüben, d. h. Umwandlung einer Energieform in eine andre (s. Energie) bewirken kann. Da wir selbst eine Kraft (Muskelkraft) ausüben können und dabei die Empfindung haben, daß unsre Person (unser Ich) die Kraft ausübt, so denken wir uns in jedem Fall einer Kraftwirkung ein Wesen, das existiert wie unser Ich, als Träger der Kraft, da es uns nur so möglich ist, die Kraftwirkung zu »begreifen«, d. h. sie in Gedanken selbst auszuüben. Und so wie unser Ich ein unteilbares Wesen (Individuum) ist, so können wir uns auch die Träger der Kräfte nur als unteilbare Wesen (Atome) vorstellen, die M. muß also aus Atomen zusammengesetzt sein. Beweisen kann man die Existenz solcher Atome nicht, es ist indes in manchen Fallen unmöglich, auch nur eine einfache Beschreibung der Erscheinungen zu geben, ohne von Atomen zu sprechen" Und für die Physik: "Als das wesentlichste Merkmal der M. gilt ihr die Masse (bez. das Gewicht), weil diese allein bei allen Naturprozessen unvermehrt und unvermindert bleibt und somit dem logischen Postulat der Konstanz der M. entspricht; im übrigen wird die Naturwissenschaft weniger durch die abstrakten Forderungen des Denkens als durch das Bedürfnis der Erklärung der Erfahrungstatsachen geleitet, und daher ist der naturwissenschaftliche Begriff der M. nicht feststehend, sondern in beständiger Umbildung begriffen." Sowie in der Philosophie: "In der Philosophie bezeichnet M. in unbestimmterm Sinne das im Raum vorhandene, sicht- und tastbare Reale überhaupt (also materiell soviel wie körperlich), dann bestimmter die beharrende Grundlage (das substantielle Substrat) der Körperwelt im Gegensatz zu den wechselnden sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen. Im Begriff der M. sind also zwei Grundbestimmungen enthalten, daß sie unvergänglich ist und zugleich den zureichenden Realgrund der Gesamtheit aller äußern Erscheinungen bildet." Und so weiter. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 430-431. Online: http://www.zeno.org/nid/20007062060
  • [7] 1907, z. B. Masse, Ausdehnung im Raume, Form, Volumen, Gewicht: "Materie (lat. materia, gr. hylê), Stoff, bedeutet allgemein philosophisch zunächst im Gegensatz zur Form das Ungeformte, Ungestaltete, Sachliche, das uns durch die Qualität der Sinnesempfindung gegeben ist, den Raum- und Zeitinhalt. So unterscheidet man z.B. die Materie eines Raumes von seiner Gestalt, die Materie eines Kunstwerkes von der dadurch ermöglichten Darstellung. Ebenso allgemein stellt Kant (1724-1804) der Form unserer sinnlichen Empfindungen (nämlich dem Raume und der Zeit) ihre Materie gegenüber, d.h. was wir durch die Empfindungen des Gehöre, Gesichts usw. im[347] Raume und der Zeit wahrnehmen, und ebenso schied er materielle Sittengesetze, welche vorschreiben, nach welchen Objekten wir streben sollen, von den formalen, die sich nur auf die Verhältnisse, wie unser ille sich entscheidet, beziehen. Quelle: Im engeren metaphysischen Sinne bezeichnet Materie den Inhalt der Erscheinungen. Eine ausreichende und feststehende Erklärung dieses Inhaltes ist bisher nicht gelungen. Die Philosophen haben je nach ihrer Gesamtansicht anderes darunter verstanden. Die Hylozoisten (Thales, Anaximandros, Anaximenes, Herakleitos) betrachteten einen oder mehrere der durch die Erfahrung bekannten oder hypothetisch angenommenen sinnlichen Stoffe (Wasser, Apeiron [s. d.], Luft, Feuer usf.) als Grundprinzip und schieden den Stoff noch nicht von bewegenden Kräften, sondern sahen diese als mit ihm eins an. Die Scheidung des Stoffs von der bewegenden Kraft vollzogen zuerst Empedokles (484 bis 424), der vier Elemente (Erde, Wasser, Luft und Feuer) und zwei bewegende Kräfte Liebe und Haß (philia u. neikos) annahm, und Anaxagoras (500-428), der sich die Materie aus unendlich vielen qualitativ bestimmten Stoffteilchen (spermata) bestehend dachte und als bewegende Kraft einen weltordnenden Geist (nous) ansetzte. Die Atomisten (Leukippos und Demokritos, 5. u. 4. Jahrh. v. Chr.) stellten zuerst die Theorie auf, daß die Materie aus qualitätslosen, durch Gestalt, Ordnung und Lage sich unterscheidenden kleinsten Bestandteilen, den Atomen, bestände. Platon (427-347) setzte den Stoff als das Nichtseiende in Gegensatz zu den Ideen (den allgemeinen Begriffen), denen das substanzielle Dasein innewohnt; auch die Metaphysik des Aristoteles (384-322) beruht auf dem Gegensatz von Stoff und Form. Die Materie, der Stoff, ist das, was nur der Möglichkeit nach existiert (dynamis), die Form dagegen das Wirkliche (energeia), die Veränderung ist der Übergang aus jener in diese. Über das Verhältnis von Materie und Form stritt das ganze Mittelalter; ein Teil der Philosophen nahm eine Bestimmung der Materie durch die Form, der andere eine Entwicklung der Form aus der Materie an. Durch Cartesius (1596-1650) ward die Materie wieder neu bestimmt; da er den Gegensatz zwischen Denken (Geist) und Ausdehnung für einen metaphysischen, für den zweier Substanzen ansah, so erklärte er die Materie für die ausgedehnte Substanz im Gegensatz zum Geiste, der denkenden Substanz. Demgemäß leitete er alle körperlichen Vorgänge aus räumlich-mechanischen Veränderungen ab. Leibniz (1646-1716) setzte an Stelle der Ausdehnung[348] die Raumerfüllung, die nur durch tätige Kraft erfolgen kann, und fand die einzig tätige Kraft im Vorstellen. So gestaltete er die realen Dinge zu Seelenmonaden mit Vorstellungsgkräften um; die Materie war ihm daher nichts Reales, sondern nur die verworrene Vorstellung eines Aggregats von Monaden. Der Materialismus (s. d.) suchte im Gegensatz zu dem Leibnizschen Idealismus alles geistige Leben aus leiblichen Funktionen zu erklären und das ganze Dasein in Materie aufzulösen. Er stützte sich besonders auf die durch die Naturwissenschaft erneuerte alte Hypothese der Atome, welche zwar materiell, aber auch zugleich physisch unteilbar sein sollten. Kant (1724-1804) ließ dasjenige, was der Materie als dem im Raum Beweglichen eigentlich zu Grunde liege, auf sich beruhen, suchte aber die Undurchdringlichkeit und Kohäsion der Materie dynamisch durch anziehende und abstoßende Kräfte zu erklären. Die Identitätsphilosophie von Hegel (1770-1831) und Schelling (1775-1854) konstruierte die Materie aus einer Spannung relativ geistiger Kräfte oder Potenzen und erklärte Geist und Materie als an sich identisch, nur verschieden in der Erscheinung. Herbart (1776-1841) ließ die Materie aus nichtausgedehnten mit der Kraft der Selbsterhaltung ausgestatteten Realen bestehen, die in gewissen Fällen zu chemischer Vermischung gelangen sollen. Quelle: An der Materie, der Substanz der Physik und Chemie, finden wir Masse, Ausdehnung im Raume, Form, Volumen, Gewicht, aber sie selbst fassen wir damit ebensowenig wie durch Teilung in kleinste Teilchen; wir bleiben dabei immer außerhalb derselben und dringen nicht in ihr Inneres ein. Dieses können wir uns nur als einen räumlich geordneten Komplex von Energien denken, und auch mit diesem Begriff sind wir nicht befriedigt; denn wir eliminieren damit eigentlich den Begriff der Materie vollständig. So stehen wir mit den philosophischen Begriffen Materie und Form, Stoff und Kraft, Substanz und Energie, die mit einander zusammenhängen, wie mit vielen anderen Begriffen am Ende der Erkenntnis. Wir arbeiten mit diesen Begriffen allenthalben, aber können sie nicht anders als psychologisch ableiten und nicht von inneren Widersprüchen vollkommen befreien, noch über eine wenig besagende inhaltlose Erklärung hinausbringen. (Siehe Ursache, Substanz.) Kraft nennen wir dasjenige an einem Dinge, was wir durch bestimmte Wirkungen auf andere Dinge erkennen, Form ist das Ergebnis der Einwirkung der Kraft, Stoff dasjenige an einem Dinge, was unmittelbar[349] in der Empfindungsqualität unserem Bewußtsein gegeben ist. Die Form liegt vor in Zahl, Zeit und Raum, der Stoff in allem, was den Inhalt derselben ausmacht. Quelle: Nach den neusten naturwissenschaftlichen Auffassungen ist die Materie tatsächlich nichts anderes als »Träger der Energie« ja vielleicht nur eine besondere Form der Energie. Die Richtigkeit dieser Annahme ist wegen des unendlich kleinen Quantums Materie, welche bei der Erscheinung der verschiedenen Strahlungen dissoziiert wird, zur Zeit noch nicht nachweisbar. Sagt man also z.B., das Radium sende materielle Strahlen aus, so ist dies so zu verstehen, daß es Strahlen entsende, welche die Eigenschaft der Masse im heutigen Sinne habe. Nun besteht nach Thomson die Materie, beziehungsweise das Atom derselben aus Einheiten der Elektrizität, aus Elektronen (s. d.), in welche die Atome bei gewaltsamer Trennung wieder zu zerfallen vermögen. Demnach versteht man unter der Strahlung des Radiums nichts anderes, als daß es Elektronen entsendet, aus deren Wirkung. auf den Äther die merkwürdigen Eigenschaften, welche es besitzt, sich ergeben. Vgl. strahlende Materie. F. A. Lange, Gesch. des Materialismus. 6. Aufl. 1896. Ostwald, Vorlesungen über Naturphilosophie. 3. Aufl. Leipzig 1905." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 347-350. Online: http://www.zeno.org/nid/20003585743
  • [8] 1910, Gegensatz zu Geistigem: "Materie, I) Stoff zu etwas: materia. Quelle: M. zu einer Rede etc., s. Gegenstand. Quelle: II) im Ggstz. zum Geistigen: corpus." In:
Karl Ernst Georges: Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Hannover und Leipzig 7910 (Nachdruck Darmstadt 1999), Sp. 1653. Online: http://www.zeno.org/nid/2000204529X
  • [9] 1911, Gegensatz zu Form: "Materĭe (lat.), Stoff, das Sachliche im Gegensatz zur Form, der Inhalt im Unterschied von der äußern Erscheinung und Darstellung; auch s.v.w. Eiter." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 146. Online: http://www.zeno.org/nid/20001340603
  • [10] Schopenhauer sieht in Materie einen Denkgegenstand: "Die Materie manifestiert sich nur durch ihre[652] Kräfte; sie selbst als Abstraktum ist form- und eigenschaftslos, absolut träge und passiv, das unter allem Wechsel der Qualitäten und Formen Beharrende. Die Materie ist nicht Gegenstand, sondern Bedingung der Erfahrung, das durch die Formen unseres Intellekts notwendig herbeigeführte bleibende Substrat der Vorgänge im Raum, das wir nicht mehr wegdenken können, wenn sie einmal gesetzt ist. Alle Materie ist »nur für den Verstand, durch den Verstand, im Verstande«, kein Ding an sich." In: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 649-658. Online: http://www.zeno.org/nid/20001833499
  • [11] Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Scientia nova, 5. Auflage, Oldenbourg, München 1997, ISBN 978-3-486-56293-4. Dort das Kapitel: Unsere Vorstellung von der Materie. Seite 102 ff.
  • [12] Materie als Sinnes-Empfindungs-Strang: "Nach dieser Auffassung [Mach, Russell, Demokrit] ist ein Stück Materie die Benennung für einen zusammenhängenden „Strang“ von Ereignissen, die sich zeitlich aneinanderreihen, woebei unmittelbar aufeinanderfolgende im allgemeinen engste Ähnlichkeit haben. Das einzelne „Ereignis“ ist ein unentwirrbarer Komplex von Sinnesempfindungen, Erinnerungsbildern, die sich daran knüpfen und Erwartungen, die sich an beide vorigen knüpfen. Der Anteil der Sinne überwiegt, wenn es sich um einen unbekannten Gegenstand handelt, etwa um einen weißen Fleck an der Landstraße, der ein Stein sein könnte, oder Schnee oder Salz, eine Katze oder ein Hund, ein weißes Hemd, eine Bluse, ein verlorenes Taschentuch." In: Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Scientia nova, 5. Auflage, Oldenbourg, München 1997, ISBN 978-3-486-56293-4. Dort die Seite 132.
  • [13] Materie als Sinnesstrang: der Physik Ernst Mach betrachtet "die Materie als ein Gedankensymbol für einen relativ stabilen Komplex sinnlicher Elemente". In: Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Siebte Auflage. 1918. (Erstveröffentlichung 1886). Dort im Kapitel XIV. Seite 296.
  • [14] Hermann Weyl: Was ist Materie? Quelle: Zwei Aufsätze zur Naturphilosophie, Springer, Berlin 1924. Im Vorwort geht Weyl auf die neuen Erkenntnisse der Quantentheorie ein und warnt davor, "verfrüht über das Wesen der Materie zu reden". Siehe auch Kopenhagener Deutung ↗
  • [15] Dass Materie keine stofflich gedachte Substanz ist, sondern eine Ausprägung der Raumzeit, unterstreicht der Astrophysiker Eddington: "On the Newtonian theory no explanation of gravitation would be considered complete unless it described the mechanism by which a piece of matter gets a grip on the surrounding medium and makes it the carrier of the gravitational influence radiating from the matter. Nothing corresponding to this is required in the present theory. We do not ask how mass gets a grip on space-time and causes the curvature which our theory postulates. That would be as superfluous as to ask how light gets a grip on the electromagnetic medium so as to cause it to oscillate. The light is the oscillation; the mass is the curvature. There is no causal effect to be attributed to mass; still less is there any to be attributed to matter. The conception of matter, which we associate with these regions of unusual contortion, is a monument erected by the mind to mark the scene of conflict." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort im Kapitel "Gravitation - The Explanation", Seite 156. Siehe auch allgemeine Relativitätstheorie ↗
  • [16] Iain McGilchrist: The Matter with Things: Our Brains, Our Delusions, and the Unmaking of the World. Volume 1 & 2. Perspectiva Press, London. 2021. Rund 1500 Seiten.
  • [17] Das Zitat von Thomas von Aquin zur Materie im Sinne eines Stoffes im lateinischen Original: natura quae primo subiicitur mutationi, idest materia prima, non potest sciri per seipsam, cum omne quod cognoscitur, cognoscatur per suam formam; materia autem prima consideratur subiecta omni formae. Sed scitur secundum analogiam, idest secundum proportionem. Sic enim cognoscimus quod lignum est aliquid praeter formam scamni et lecti, quia quandoque est sub una forma, quandoque sub alia. Cum igitur videamus hoc quod est aer quandoque fieri aquam, oportet dicere quod aliquid existens sub forma aeris, quandoque sit sub forma aquae: et sic illud est aliquid praeter formam aquae et praeter formam aeris, sicut lignum est aliquid praeter formam scamni et praeter formam lecti. Quod igitur sic se habet ad ipsas substantias naturales, sicut se habet aes ad statuam et lignum ad lectum, et quodlibet materiale et informe ad formam, hoc dicimus esse materiam primam.“ Quelle: Thomas von Aquin, In I Physicorum, lectio 13, Nr. 9.
  • [18] Das lateinische Original von Duns Scotus lautet: „Materia prima est ens in potentia pura, sine omni forma actuali, sed tamen realiter existens.“ Quelle: Johannes Duns Scotus, Ordinatio I, dist. 8, q. un.Diese Passage findet sich in verschiedenen kritischen Ausgaben der „Ordinatio“, beispielsweise in der Edition des Vatikanischen Archivs.
  • [19] Das lateinische Original von Albertus Magnus lautet: „Materia est subiectum formae, quae per formam actualitatem recipit.“ Quelle: Albertus Magnus, De homine, Tractatus II, cap. 1.
  • [20] Das lateinische Original von Bonaventura lautet: „Plenitudo autem rerum, secundum quod materia est plena formis secundum rationes seminales; forma est plena virtute secundum activam potentiam; virtus est plena effectibus secundum efficientiam, id ipsum manifeste declarat.“ Quelle: Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum, cap. II.