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Hermann-Gitter-Paradoxie


Philosophie


Basiwissen


Das sogenannte Hermann-Gitter ist eine optische Täuschung, bei der flackernde Punkte zu verschwinden scheinen, wenn man sie genauer betrachten will. Das wird hier beispielhaft als Sinnbild für einige sehr schwer greifbare Begriffe aus der Philosophie und Naturwissenschaften vorgeschlagen.

Begriffliche Schärfe unerreichbar


Man spricht von den exakten Naturwissenschaften, hält die Mathematik für eine Wissenschaft mit strengen Beweisen und die Logik für eine zuverlässige Instanz, wenn es um wahr oder falsch geht. Das ist trügerisch. Je fundamentaler Begriffe für die modernen Wissenschaften sind, desto deutlicher tritt ihre Undefinierbarkeit zutage. Dazu stehen hier einige Beispiele.

Der Klassiker: Laches und die Tapferkeit


In einem der berühmten Dialoge, die der Philosoph Platon seinem Lehrer Sokrates zuschrieb, zeigt Sokrates seinem Gesprächspartner Laches wie schwer es ist, das scheinbar einfache Wort Tapferkeit zu definieren. Laches beginnt damit, dass tapfer ist, wer in der Schlacht seine Position hält. Dem entgegnet Sokrates, dass man auch militärisch sinnvoll auf einem Rückzug tapfer sein sein. Auch könne man außerhalb einer Schlacht tapfer sein, etwa bei Krankheiten oder in der Seefahrt. Laches präzisiert sich dann und macht eine Art von Beharrlichkeit der Seele als das Wesentliche von Tapferkeit aus. Hier entgegnet Sokrates, dass Beharrlichkeit bei widrigen Umständen Torheit ist, bei günstigen Umständen aber eine Tapferkeit erfordere. Laches kehrt dann wieder zum Anfangspunkt seiner Definitions-Versuche zurück und fordert, nur wer Risiken eingehe sei tapfer und je größer die Lebensgefahr, desto tapferer der Mann. Damit wird aber auch der sinnlos Tollkühne zum Tapferen. Der Dialog endet damit, dass Sokrates und Laches beide anerkennen, wie schwer es ist, ein Wort wie Tapferkeit klar zu definieren[5] und man endet in der Auswegslosigkeit, in der Sprache der Philosophen in der Aporie ↗

Ungelöst: der Gott der Scholastik


In der Zeit von etwa 1000 bis um 1400 bemühten sich christliche Theologen die Idee eines Gottes in klaren Begriffen zu fassen. Gottesbeweise sollten mit logischer Strenge durchgeführt werden können. Das Jahrhundert-Projekt gilt heute weitgehend als gescheitert. Je präziser man etwa die Allmacht Gottes fassen wollte, desto weniger an Güte und Freundlichkeit konnte man ihm zugestehen. Das Problem ist heute bekannt als Theodizee. Klassisch ist auch die Schwierigkeit, einen Freien Willen Gottes mit seiner Allwissenheit (Omniszienz) zu vereinbaren: wenn Gott alles weiß, dann weiß er heute schon was er morgen tun wird. Dann hat er aber morgen keine Wahl und damit keinen Freien Willen[2]. Je schärfer man den Gottesbegriff fassen wollte, desto mehr entzog er sich der Logik. Siehe auch Scholastik ↗

Problematisch: die Materie der Physik


Es klingt zunächst offensichtlich: um uns herum gibt es eine Welt die aus Gegenständen, Flüssigkeiten und Gasen besteht. Diese Dinge haben ein Gewicht, man kann sie in Kilogramm wiegen und viele Dinge kann man in eine fest Form überführen (z. B Wasser frieren). Diese Eigenschaften passen zu dem Wort Materie. Es scheint in der Welt Materie zu geben. Doch Philosophen waren schon immer skeptisch, ob die Sache so einfach liegt[3]. Der Physiker Ernst Mach ging so weit, dass er die Materie und überhapt die gesamte Außenwelt zu einer reinen Hypothese erklärte[4]. Warum die Idee von Materie heute als schwierig betrachtet wird ist erläutert im Artikel Materie ↗

Das Unendlichkeits-Dilemma


Schon viele Kinder, vor allem im Vorschulalter, bemerken das Problem von sich aus: man kann sich eine unendlich große Welt vorstellen. Irgendwo muss ein Ende sein. Aber gleichzeitig kann man sich auch kein Ende der Welt vorstellen, denn dahinter muss ja irgendetwas sein. So bleiben auch Formulierung von Kosmologen über eine sich ausdehnende Raumzeit schwer begreifbar und sie bringen das ursprüngliche Problem trotz mathematischer Widerspruchsfreiheit nicht zur Ruhe. Je genauer man versucht, sich das Ausmaß der Welt vorzustellen, desto bewusster wird einem das Dilemma. Siehe auch Unendlichkeit ↗

Schopenhauers Weltknoten


Der Philosophie Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860) untersuchte die logischen Möglichkeiten eines Freien Willens. In einer Welt der Kausalität aber ist dafür keinen Platz. So formulierte Schopenhauer letztendlich dass der Freie Wille nur die Kausalität von Innen gesehen sei. Das nannte er einen Weltknoten[6]. Um die Probleme bei der Definition eines Freien Willens anerkennen zu können, sollte man für sich einmal versuchen, ein Experiment zu ersinnen, mit dessen Hilfe man eindeutig festellen kann, ob ein Mensch eine Tat aus Freiem Willen oder nur aus den gegebenen Umständen heraus getan hat. Siehe auch Freier Wille ↗

Weitere Beispiele


Die kurz vorgestellten sowie einige weitere grundlegende Begriffe der Wissenschaften für die es bis heute keine über enge Fachgrenzen hinweg anerkannten und befriedigenden Definitionen gibt sind hier abschließend aufgelistet.


Fußnoten