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Radialbeschleunigung

Physik

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Definition


Von einer Radialbeschleunigung spricht man sowohl bei einer kreisähnlichen Bewegung[2] in der Physik sowie im Zusammenhang mit der Bewegung von Sternen und vor allem Galaxien[3][4] auch in der Kosmologie. Beide Bedeutungen sind hier kurz vorgestellt.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Die Frau am äußeren Rand wird von der Seitenwand nach innen gedrückt. Ohne diesen Druck würde sie auf einer geraden Bahn aus dem Wagen herausgeschleudert. Der Wagen bewegt sich aber ab von der geraden Bahn immer hin zum Mittelpunkt der Kreisbahn. Diese ständige Beschleunigung hin zum Mittelpunkt einer Kreisbewegung (oder von ihr weg) nennt man Radialbeschleunigung. Das Wort Radial ist verwandt mit dem lateinischen Wort für die Speiche eines Rades. Man sieht hier übrigens die älteste noch reisende Raupenbahn Deutschlands (Baujahr 1926). © Superbass (Wikimedia) ☛


Die Radialbeschleunigung einer Kreisbewegung


Im Bezug auf eine Kreisbewegung heißt radial heißt: wie ein Radius als gerade Strecke zwischen Kreis- oder Kugelmittelpunkt und dem Kreis- oder Kugelrand verlaufend.[1] Im Bezug auf eine Beschleunigung kann das sowohl von innen nach außen (zentrifugal)[2] wie auch von außen nach innen (zentripetal)[5] heißen. Die Verwendung ist hier nicht einheitlich. Um Klarheit zu schaffen, kann man die zwei unterschiedlichen Fälle einer Radialbeschleunigung mit eigenen Begriffen eindeutig voneinander unterscheiden:


Die Berechnung einer Radialbeschleunigung


Für die Größe einer Radialbeschleunigung, ganz gleich, ob man sie nach innen oder außen gerichtet denkt, kann man wahlweise einen von zwei Termen benutzen. Das Ergebnis wird immer dasselbe sein:


Die Ergebnisse dieser zwei Formeln liefern für einen positiven Radius (und nur das macht Sinn) immer auch eine positive Zahl als Betrag der Radialbeschleunigung. Dieser Betrag ist dann immer auch gleich dem Betrag der Zentrpetal- oder auch der Zentrifugalbeschleunigung. Für viele Betrachtungen in der Physik ist nur dieser Betrag interessant. Als Beispiel für eine Anwendung siehe orbitales Kräftegleichgewicht ↗

Von der Radialbeschleunigung zur Radialkraft


Um von einer Radialbeschleunigung (z. B. in m/s²) zur dazugehörigen Radialkraft (z. B. in Newton) zu gelangen, multipliziert man die Radialbeschleunigung lediglich mit der Masse (z. B. in kg) des umlaufenden Körpers. Das Ergebnis ist die Radialkraft. Als Merkhilfe kann man sich hier an das zweite Newtonsche Axiom erinnern. Diesem Axiom zufolge ist die Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung, kurz: F=m·a. Im Falle einer Kreisbewegung gilt dazu passend: Radialkraft = Masse · Radialbeschleunigung. Siehe mehr unter Radialkraft ↗

Die Radialbeschleunigung einer Salatschleuder


Für eine handelsübliche Salatschleuder mit einer realistischen Drehzahl von zum Beispiel 10 Umdrehungen pro Sekunde und einem Radius des Schleuderkorbes von 10 cm (0,1 m) kommt man auf eine Radialbeschleunigung in der Größenordnung von über 360 m/s². Das ist mehr als das 36fache der üblichen Erdbeschleunigung. Astronauten in großen Humanzentrifugen haben für wenige Sekunden eine Radialbeschleunigung von etwa 320 m/s² ausgehalten. Siehe auch Salatschleuder ↗

Das Scheinparadoxon des Radius


Weiter oben waren zwei jeweils alternativ verwendbare Formeln für den Betrag der Radialbeschleunigung einer Kreisbewegung angegeben: a = v²/r und r·ω². Dabei steht das kleine v für die Bahngeschwindigkeit und das kleine omega ω für die Winkelgeschwindigkeit des umlaufenden Körpers.

Die beiden Geschwindigkeiten v und ω gehen jeweils quadratisch in den Berechnungsterm eingehen. Man erkennt anhand der beiden Terme zur Berechnung der Radialbeschleunigung a, dass für wachsende Geschwindigkeiten, egal ob für v oder ω, auch die Radialbeschleunigung wächst. Das kann man leicht durch Einsetzen selbst ausgewählter "Spielzahlenwerte" ausprobieren. Anders sieht es beim Radius r der Kreisbahn des Körpers aus.

Es kann auf den ersten Blick paradox erscheinen, dass der Radius der Kreisbewegung einmal im Zähler und einmal im Nenner des Terms für die Radialbeschleunigung steht:

  • a = v²/r <- größeres r, kleineres a
  • a = ω²·r <- größeres r, größeres a

Das scheinbare Paradoxon entsteht durch die Frage, was denn nun wirklich mit der Radialbeschleunigung a passiert, wenn der Radius größer wird. Wenn man bei einer Kreisbewegung langsam den Radius vergrößert, dann kann ja die Radialbeschleunigung nicht gleichzeitig kleiner (die Formel mit v²) und gleichzeitig größer (die Formel mit ω²) werden. Wenn aber nicht beides gleichzeitig stimmen kann, welche Variante ist dann die richtige?

Das Scheinparadoxon löst sich auf, wenn man das sogenannte ceteris paribus-Prinzip der Naturwissenschaften[6] berücksichtigt: man verändert eine Sache und lässt alles andere gleich. Wenden wir das auf die beiden Formeln an.

  • Fall 1: a = v²/r heißt, dass die Radialbeschleunigung a gleich dem Quadrat der BAHNGESCHWINDIGKEIT v geteilt durch den Radius r ist. Wenn wir jetzt den Einfluss des Radius auf a untersuchen wollen, können wir gedanklich die für r eingesetzen Zahlenwerte größer und kleiner machen. Dabei lassen wir aber den ebenfalls gedanklich eingesetzten Zahlenwert für die Bahnbeschleunigung v unverändert (ceteris paribus). Setzen wir zum Beispiel für die Bahngeschwindigkeit v die Zahl 8 ein. Und dann setzen wir der Reihe nach für r ansteigende Werte ein. Wir erhalten dann für die Termwerte zum Beispiel: T(1)=64, T(2)=32, T(4)=16 und T(8)=8. Wir sehen also: mit größer werdendem Radius wird die Radialbeschleunigung kleiner. Wichtig ist: wir halten dabei die Bahngeschwindigkeit gleich. Und das leuchtet auch physikalisch ein: wenn man immer mit 8 Metern pro Sekunde auf einer Kreislinie entlang rennt, dann wird die nach innen hin zum Mittelpunkt gerichtete Kraft, mit denen sich die Füße nach außen abstemmen müssen, umso kleiner je größer der Kreis ist.
  • Fall 2: a = ω²·r heißt, dass die Radialbeschleunigung a gleich dem Quadrat der WINKELGESCHWINDIGKEIT ω mal dem Radius r ist. Lassen wir das r wieder gedanklich anwachsen müssen wir nach dem Prinzip ceteris paribus den Wert für ω konstant halten. Nehmen wir für ω zum Beispiel konstant etwa 8 rad pro Sekunde an, das entspricht ganz grob etwa mehr als einem ganzen Umlauf in jeder Sekunde. Für wachsende r-Werte bekommen wir dann zum Beispiel: T(1)=64, T(2)=128, T(4)=256 und T(8)=512. Hier wächst also, anders als vorher, die Radialbeschleunigung gemeinsam mit größer werdendem Radius an. Und wieder macht es physikalisch Sinn: Wenn ich immer in einer Sekunde etwas mehr als einen ganzen Kreisumlauf mache, dann muss ich mich bei wachsendem Radius auch stärker mit den Füßen nach außen abstemmen. Man stelle sich, man laufe in einer Sekunde einmal ganz auf einem Kreis mit einem Durchmesser von 50 Zentimern herum. Ein anderes Mal laufe man in jeder Sekunde einmal ganz auf einem Kreis mit einem Durchmesser von 500 Metern herum (was praktisch unmöglich ist). Es leuchtet aber sofort intuitiv ein, dass man sich bei dem großen Kreis mit den Füße sehr, sehr stark nach außen abstemmen muss.

Dieser Abschnitt zum Scheinparadoxon des Radius ist etwas länger ausgefallen. Wer aber tiefer in das natrurwissenschaftliche oder technische Denken einsteigen möchte, wird später viel Nutzen davon haben, sich beim Lernen lange in solche Gedanken hingearbeitet zu haben.

Die Radialbeschleunigung in der Kosmologie


In der Kosmologie bezeichnet die Radialbeschleunigung die Zunahme der Geschwindigkeit mit der sich ein Himmelskörper von einem Beobachter wegbewegt. Tatsächlich hat man in den 1920er Jahren entdeckt, dass sich fast alle Galaxien zunehmend schnell von der Erde weg bewegen. Das führte zu der Idee eines Ausdehnung des gesamten Kosmos. Dieses Thema ist behandelt im Artikel über die sogenannte Hubble-Konstante ↗

Fußnoten


  • [1] Radial kommt von Radius. Radius stammt aus dem Lateinischen und heißt auf Deutsch so viel wie die Speiche eines Rades. Damit heißt radial als Richtung zunächst nur, dass etwas hin oder weg vom Mittelpunkt von etwas zeigt. Siehe auch Radial ↗
  • [2] Die Radialbeschleunigung als Zentrifugalbeschleunigung: "Zeichnet man im dreidimensionalen euklidischen Raum einen Punkt als Ursprung aus und zeichnet den Verbindungsvektor vom Ursprung zu einem Kurvenpunkt (Radiusvektor), dann nennt man die Beschleunigungskomponente in dieser Richtung die Radialbeschleunigung." In: Guido Walz: Spektrum Lexikon der Mathematik. Band 1. A bis Eif; 2000; ISBN: 3-8274-0303-0. Dort der Artikel "Beschleunigung". Online: https://www.spektrum.de/lexikon/mathematik/beschleunigung/1054
  • [3] Yong Tian, Keiichi Umetsu, Chung-Ming Ko, Megan Donahue, I-Non Chiu: The Radial Acceleration Relation in CLASH Galaxy Clusters. In: The Astrophysical Journal, 896, 70 (2020). DOI: https://doi.org/10.3847/1538-4357/ab8e3d
  • [4] Frederico Lelli: One Law to Rule Them All: The Radial Acceleration Relation of Galaxies. In: The Astrophysical Journal, Volume 836, Issue 2, article id. 152, 23 pp. (2017). DOI: 10.3847/1538-4357/836/2/152
  • [5] Die Radialbeschleunigung als Zentripetalbeschleunigung, am Beispiel eines Fadenpendels: "… die Radialbeschleunigung ist stets in Richtung des Fadens vom Körper zum Aufhängepunkt gerichtet." (Seite 48), sowie am Beispiel einer "gleichmäßigen Kreisbewegung", für die festgehalten wird, dass "der Beschleunigungsvektor auf dem Geschwindigkeitsvektor senkrecht steht", und: "Man bezeichnet diese Art von Beschleunigungen als Normalbeschleunigungen, Zentripetalbeschleunigungen oder Radialbeschleunigungen." Als Formelzeichen wird ein kleines lateinisches a mit einem querliegenden Pfeil als Symbol für eine Vektorgröße angegeben. (Seite 57). In: Oskar Höfling: Physik. Lehrbuch für Unterricht und Selbststudium. Fünfzehnte Auflage. 1994. ISBN: 3-427-41045-5. Dort im Kapitel "Mechanik". Siehe auch Radialbeschleunigung ↗
  • [6] Ceteris paribus ist latein und heißt auf Deutsch so viel wie: "wenn sonst allge unverändert bleibt". Siehe mehr unter Ceteris paribus ↗