Ceteris paribus
Forschung
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Basiswissen
Ceteris paribus heißt so viel wie unter sonst gleich Umständen, wenn alles andere gleich oder unverändert bleibt[1][2][3][4]: Angenommen man möchte den Einfluss der Fallhöhe auf die Falldauer untersuchen. Man lässt dazu kleine schwere Stahlkugeln aus verschiedenen Höhen auf den Boden fallen. Man könnte als Ergebnis dann zum Beispiel formulieren: Bei einer Vervierfachung der Fallhöhe, ceteris paribus, kommt es zu einer Verdopplung der Falldauer. Oder ohne Fremdworte: wenn die Fallhöhe viermal so groß gemacht wird, dann verdoppelt sich bei sonst gleichen Bedingungen die Falldauer.
Zahlenbeispiel
Nehmen wir eine einfache Formel wie zum Beispiel F=m·p:r. Das große F könnte für die Stärke einer Kraft zwischen zwei Gegenständen stehen. Das kleine m und das kleine p könnten die Massen der Gegenstände sein. Und das r könnte den Abstand der Mittelpunkte der beiden Gegenstände sein. Wenn man nun wild durcheinander verschiedene Zahlen für die Variablen auf der rechten Seite der Gleichung einsetzt, wird es schwer, eine Tendenz, eine "Logik" oder ein Muster zu erkennen.
Ohne ceteris paribus
- m=20 p=40 r=1 -> F=800
- m=10 p=60 r=4 -> F=150
- m=90 p=10 r=2 -> F=450
- m=50 p=50 r=5 -> F=500
Mit ceteris paribus
- m=10 p=10 r=2 -> F=50
- m=20 p=10 r=2 -> F=100
- m=30 p=10 r=2 -> F=150
- m=40 p=10 r=2 -> F=200
Im ersten Päckchen ist es schwer, den Einfluss der Werte von m zu erkennen. Im zweiten Päckchen wurden die Variablen p und r auf konstante Werte gesetzt. Nur der Wert der Variablen m wurde systematisch geändert. Man sieht dann recht deutlich, dass der Wert der Kraft F proportional zu m ist. Verdoppelt man den Wert von m, so verdoppelt sich auch immer der Wert von F. Siehe mehr unter proportional ↗
Halten wir im nächsten Beispiel alle Werte bis auf den des Abstandes r konstant. Damit sehen wir, welchen Einfluss die Änderung der Werte von r auf die Kraft F haben.
Mit ceteris paribus
- m=20 p=30 r=1 -> F=600
- m=20 p=30 r=2 -> F=300
- m=20 p=30 r=3 -> F=200
- m=20 p=30 r=4 -> F=150
Wer eine gute Intuition für Zahlen und ihre Beziehungen hat, erkennt hier wahrscheinlich recht schnell, dass F umekehrt proportional auf eine Änderung von r reagiert: Verdoppelt man den Radius, halbiert sich die Kraft. Siehe mehr unter umgekehrt proportional ↗
Praktische Bedeutung
Das Prinzip des Ceteris paribus spielt im praktischen Alltag des Forschens und der Entwicklung von neuen Techniker und Verfahren eine sehr große Rolle. Dazu seien hier nur kurz einige Beispiele genannt.
- Man nutzt Hefe um Brotteig lockerer zu machen: führt doppelt so viel Hefe auch zu doppelt so lockerem Brot? Führt eine Verdopplung der Teigtemperatur zu einem doppelt so lockeren Brot? Führt eine doppelte so lange Gehzeit des Teigs zu doppelt so lockere Brot? Siehe auch Hefe ↗
- Man lässt Wasser durch eine Rohrleitung von einem höheren in ein tieferes Gefäß laufen: gibt der doppelte Rohrquernitt den doppelten Volumenstrom? Gibt der doppelte Rohrquerschnitt den doppelten Volumenstrom? Gibt die doppelte Rohrlänge halb so viel Volumenstrom? Gib der doppelte Höhenunterschied den doppelten Volumenstrom?
- Wie wirkt sich das Einkommen einer Person auf deren Lebensdauer aus? Gibt das doppelte Einkommen die doppelte Lebensdauer? Hängt das nicht auch vom Geschlecht oder vom Wohnort ab? Siehe mehr unter statistische Abhängigkeiten ↗
Bei all diesen Fragestellungen wäre es sinnvoll, alle möglichen Einflussfaktoren konstant zu halten. Man variiert, das heißt verändert, nur den Wert der Variablen, die im Moment interessiert.
Einfacher Versuch

Mit einer einfachen Spielzeugeisenbahn kann man leicht das Prinzip des Ceteris paribus selbst durchspielen. Schienen sind hilfreich aber nicht zwingend nötig.
In unserer Lernwerkstatt in Aachen können viele Prinzipien der Physik mit den beliebten Versuchen mit einer Spielzeuglok betrachtet werden. Wer eine Spielzeuglok oder ein anderes mit Batterien betriebenes Fahrzeug hat, kann leicht die folgende Untersuchung machen.
- Gemessen werden soll die Fahrzeit der Lok für eine bestimmte Strecke.
- Welchen Einfluss hat die Streckenlänge?
- Welchen Einfluss hat das Gewicht eines angehängten Waggons?
- Welchen Einfluss hat die Steilheit (bergauf, bergab) der Strecke?
- Welchen Einfluss hat der Untergrund (Holz, Plastik, Sand, nasse Schienen)?
- Welchen Einfluss hat die Spannung der verwendeten Batterien?
Ein erstes Ziel könnten Formulierungen der folgenden Art sein:
- Bei ansonsten gleichen Bedingungen wächst die Fahrzeit _____ mit der Länge der Strecke.
- Bei ansonsten gleichen Bedingungen wächst die Fahrzeit _____ mit Steigung der Strecke.
- Bei ansonsten gleichen Bedingungen wächst die Fahrzeit _____ mit dem angehängten Gewicht.
- Bei ansonsten gleichen Bedingungen wächst die Fahrzeit _____ mit dem Rollwiderstandskoeffizienten.
Ein anspruchsvolles Ziel für eine knappe Zusammenfassung aller Ergebnisse wäre eine Formel, in der links vom Gleichheitszeichen die Fahrzeit steht und rechts vom Gleichheitszeichen ein rein mathematischer Term in dem alle Einflussgrößen als Variablen vorkommen.
Fußnoten
- [1] "Cetĕris parĭbus (lat.), wenn die übrigen Umstände gleich sind." In: Lexikoneintrag zu »Cetĕris parĭbus«. Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 834.
- [2] "Cetĕris parĭbus (lat.), das übrige als gleich gesetzt, unter übrigens gleichen Umständen." In: Lexikoneintrag zu »Cetĕris parĭbus«. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 850.
- [3] In dem folgenden beispielhaften Satz könnte man statt ceteris paribus ohne Sinnveränderung auch "unter sonst gleichen Umständen" schreiben: "Von verschiedenen Associationen, die sich an denselben Inhalt auf Grund seiner früheren Verbindung mit anderen Inhalten knüpfen, ist ceteris paribus diejenige die wahrscheinlichste, welche mehr eingeübt, d.h. in unserem bisherigen Leben häufiger aufgetreten ist." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 541-542. Online: http://www.zeno.org/nid/20001807358
- [4] Dass auch die Mutationen unseres Erbmaterials nicht zu viele sein, dürfen, um statistisch den Einfluss einer Mutation erkennen lassen zu können, beschrieb der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) im Jahr 1944: "Sollen Mutationen ein für das Wirken der natürlichen Zuchtwahl geeignetes Material abgeben, so müssen sie selten sein, und das sind sie tatsächlich. Wenn sie so häufig wären, daß leicht etwa ein Dutzend verschiedener Mutationen im gleichen Individuum vorkommen könnte, so würden in der Regel die schädlichen über die günstigen dominieren, und die Art würde sich nicht durch die Zuchtwahl verbessern, sondern unveredelt bleiben oder untergehen." Und: "Wesentlich ist der aus der hohen Beständigkeit der Gene resultierende verhältnismäßige Konservatismus. Eine Entsprechung ließe sich in der Arbeitsweise der Produktionsabteilung einer großen Fabrik sehen. Um bessere Methoden zu entwickeln, müssen Neuerungen ausprobiert werden, auch wenn ihre Brauchbarkeit noch nicht feststeht. Will man aber feststellen, ob die Neuerungen die Produktion erhöhen oder herabsetzen, so ist es wesentlich, daß man nicht mehr als eine Neuerung auf einmal einführt und alle andern Teile des Mechanismus unverändert beibehält." Siehe auch Mutation ↗