Ballistisches Pendel
Physik
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Basiswissen|
Definition|
Berechnungsidee|
Pilotversuch|
Auslenkung berechnen|
Praktische Überlegungen zur Pendellänge|
Streichholzraketen|
Persönliche Anmerkung|
Fußnoten
Basiswissen
Ballistische Pendel dienen der Messung der Geschwindigkeit von Geschossen. Hier werden die Mathematik und Physik kurz zusammen mit einigen praktischen Tipps vorgestellt. In einer Lernwerkstatt in Aachen werden ballistische Pendel dazu genutzt, die Geschwindigkeit von Stahlkugeln und von abgefeuerten Streichholzraketen abzuschätzen.
Definition
Als ballistisches Pendel, erstmals beschrieben im Jahr 1742,[2] bezeichnet man einen als Pendel an zwei[6] Seilen aufgehängten Körper, in dem ein auf ihn abgefeuertes Geschoss stecken bleibt.[5] Der Körper wird dann aus seiner Ruhelage ausgelenkt. Kennt man die Geometrie und Masse des Pendels, lässt sich aus der gemessenen Auslenkung dann der Impuls[6] oder die kinetische Energie und darüber rückwirkend auch die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses[4] (bei bekannter Masse berechnen).
Berechnungsidee
Die gründsätzliche Idee zur Berechnung der Geschwindigkeit, der Masse oder des Impulses eines Geschosses ist das Gleichsetzen der Terme für die kinetische Bewegungsenergie Energie Eₖᵢₙ des Geschosses vor dem Zusammenstoß mit der potentiellen Höhenenergie Eₚₒₜ des Pendels nach dem Zusammenstoß: Eₖᵢₙ = Eₚₒₜ.
- ½·mₖ·vₖ² - = Eₖᵢₙ kinetische Energie [Geschoss alleine] ↗
- mₜₒₜ·g·h = Eₚₒₜ Höhenenergie [Pendel mit [−1, 1]Geschoss] ↗
Nach dem Gleichsetzen kann man dann die Gleichung nach einer beliebigen gesuchten Größe umstellen und die Werte für die restlichen Größen, sofern mit ihren Zahlenwerten bekannt, einsetzen. Der mathematisch schwierigste Teil ist dabei die trigonometrische Umrechnung des leicht zu messenden Winkels der Auslenkung θ in die Höhe des Pendels über seiner Ruhelage.
Pilotversuch
Ein erster Versuch mit drei verschiedenen Anrollhöhen. Was kann man praktisch am Aufbau verbessern? Wie gut passen die gemessenen Hubhöhen rechnerisch auf die Abfluggeschwindigkeit der Kugel am Ende der Anlaufstrecke?
Für verschiedene und möglichst einfach durchführbare Versuche in einer Lernwerkstatt wird ein ballistisches Pendel entwickelt. Der Pilotversuch verfolgt zwei Ziele: a) Erfahrungen für die praktische Handhabung des Pendels zu sammeln und b) zu überprüfen, wie gut die Messung mit anschließender Auswertung die Geschwindigkeit einer auf das Pendel geschossenen Stahlkugel abschätzen kann.
Aufbau
Eine erste Version besteht aus einer dickwandigen Pappröhre (Wickelzylinder von Küchenpapierrolle) als Auffänger. Diese Pappröhre ist so an einer Parallelogrammführung aus zwei Nautik-Seilen[2] aufgehängt, dass die Auffangröhre auch bei Auslenkung selbstparallel bleibt, hier also immer in der Waagrechten ausgerichtet bleibt.
- mₖ = 8,44 g Kugelmasse ↗
- d: 13 mm Kugeldurchmesser ↗
- mₚ: 6,5 g Leermasse [Pendel] ↗
- mₜₒₜ = 14,94 g Gesamtmasse [Pendel+Kugel] ↗
Die Seile selbst wie überhaupt die ganze Versuchseinrichtung sind über Permanentmagnete an einer Metalltafel befestigt. Auf der Tafel angebracht ist eine papierne Skala zur Messung der maximalen vertikalen Hubhöhe des Pendels im Falle eines Ausschlags.
Durchführung
Eine Stahlkugel mit einer Masse von 8,44 Gramm und einem Durchmesser von etwa 13 Millimetern wurde dann von einer parabelförmigen Anlaufrutsche bis zum Abwurfpunkt beschleunigt. Am Abwurfpunkt verlässt die Kugel die Rutsche in waagrechter, das heißt horizontaler Flugrichtung. Sie begibt sich dabei sofort in die Auffängröhre des ballistischen Pendels. Das Pendel wird so parallel zur Tafelfläche geführt, dass die momentane Höhe des Pendels über seiner Ruhelage direkt von einer Skala an der Tafel abgelesen werden kann. Die direkten Messwerte sind die Anrollhöhe x der Kugel auf der Wurfrutsche sowie die dazugehörige maximale Hübhöhe y des Pendels über der Ruhelage. Es soll dann überprüft werden, ob man dann von der maximalen Hubhöhe und unter Kenntnis der Kugelmasse sowie der Leermasse des Pendels rein rechnerisch auf die Abfluggeschwindigkeit der Kugel am Ende ihres Anlaufes auf der Rutsche schließen kann.
Ergebnisse
- Anlaufhöhe 10 cm → Hubhöhe ≈ 1,5 cm
- Anlaufhöhe 20 cm → Hubhöhe ≈ 2,8 cm
- Anlaufhöhe 30 cm → Hubhöhe ≈ 4,8 cm
Erfahrungen
- Der Messzeiger für die Hubhöhe sollte für einen besseren Ablesekontrast geschwärzt werden.
Auslenkung berechnen
Der übliche Anwendungsfall für ein ballistisches Pendel ist, dass ein Geschoss auf das Pendel aufprallt, es auslnenkt und man dann aus der Auslenkung rückwirkend den Impuls p des Geschosses berechnet. Hier steht beispielhaft der Recheneweg um die maximale Auslenkung des Pendels[7] direkt nach dem Zusammenstoß zu berechnen.
Formelzeichen
- Eₖᵢₙ = die kinetische oder auch Bewegungsenergie ↗
- θ = kleines Theta, die gesuchte Auslenkung ↗
- vₖ = die Geschwindigkeit [des Geschosses] ↗
- [−1, 1] = ein geschlossenes Intervall ↗
Rechenweg
- Gesamtimpuls unmittelbar nach dem Stoß: pₜₒₜ= pₖ + pₜₒₜ
- Gesamtmasse nach (vollständig unelastischem) Zusammenhaften: mₜₒₜ = mₖ + pₜₒₜ
- Geschwindigkeit unmittelbar nach Stoß: v = pₜₒₜ / mₜₒₜ
- Kinetische Energie unmittelbar nach Stoß (in Impulsform): Eₖᵢₙ = pₜₒₜ² / (2 · mₜₒₜ)
- Umwandlung in potenzielle Höhenenergie beim Ausschwingen bis zur Umkehrhöhe: mₜₒₜ · g · l · (1 − cos(θ)) = Eₖᵢₙ
- Umstellen nach cos(θ):
- cos(θ) = 1 − Eₖᵢₙ / (mₜₒₜ · g · l) | vereinfachen
- cos(θ) = 1 − pₜₒₜ² / (2 · mₜₒₜ² · g · l)
- Maximale Auslenkung:
- θ = arccos( 1 − pₜₒₜ² / (2 · mₜₒₜ² · g · l) )
- arccos = der Arkuscosinus ↗
- / = ein Geteiltzeichen ↗
- √ = das Wurzelzeichen ↗
Tipps
- Der Ausdruck im arccos muss im Intervall [−1, 1] liegen. Falls er >1 → kein physikalisches Ergebnis (zu große angenommene Eₖᵢₙ), falls <−1 → θ ≈ π.
- Kleine‑Winkel‑Approximation (falls θ ≪ 1 rad): 1 − cos(θ) ≈ θ²/2 ⇒ θ ≈ pₜₒₜ / ( mₜₒₜ · √(g · l) )
- Zur Geschwindigkeit des Geschosses aus seinem Impuls: vₖ = pₖ/mₖ
Praktische Überlegungen zur Pendellänge
Elisa Vahrmeyer, November 2025[6]
Zur Bestimmung der Geschwindigkeit eines bewegten Objekts kann ein ballistisches Pendel verwendet werden. Dabei stößt das Objekt gegen das Pendel, und die maximale Auslenkung des Pendels nach dem Stoß gibt Aufschluss über die Bewegungsenergie und somit über die Geschwindigkeit des Objekts. Um genaue Messergebnisse zu erzielen, kann der Ausschlagswinkel des Pendels gemessen und daraus die Höhe der Auslenkung bestimmt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob sich ein längeres oder ein kürzeres Pendel besser eignet, um einen möglichst großen und somit eindeutig messbaren Ausschlag zu erzeugen.
Zur Bestimmung der Geschwindigkeit eines bewegten Objekts kann ein ballistisches Pendel verwendet werden. Dabei stößt das Objekt gegen das Pendel, und die maximale Auslenkung des Pendels nach dem Stoß gibt Aufschluss über die Bewegungsenergie und somit über die Geschwindigkeit des Objekts. Um genaue Messergebnisse zu erzielen, kann der Ausschlagswinkel des Pendels gemessen und daraus die Höhe der Auslenkung bestimmt werden. Dabei stellt sich die
Frage, ob sich ein längeres oder ein kürzeres Pendel besser eignet, um einen möglichst großen und somit eindeutig messbaren Ausschlag zu erzeugen.
Dieses Problem lässt sich graphisch untersuchen, indem Pendel unterschiedlicher Länge gezeichnet werden, wobei jeweils dieselbe Ausgangshöhe festgelegt wird. Mithilfe eines Zirkels kann anschließend der Ausschlag des Pendels konstruiert werden. So lässt sich der maximale Ausschlagswinkel bestimmen und der Einfluss der Pendellänge vergleichen. Bei einem Ausschlag von jeweils 1 cm ergaben die Zeichnungen für verschiedene Pendellängen die folgenden Winkel:
- l=4 cm gab einen Winkel von 40°
- l=10 cm gab einen Winkel von 25°
- l=15 cm gab einen Winkel von 21°
- l=17,5 cm gab einen Winkel von 19°
Daraus lässt sich schließen, dass das kürzere Pendel einen größeren Ausschlagswinkel und damit ein besser messbares Ergebnis liefert.
Um die bisher rein graphische Betrachtung experimentell stichprobenartig zu überprüfen, wurde eine eine bestimmte Höhe, hier 4 cm festgelet. Das reale Pendel wurde dann mit verschiedenen Pendellängen auf diese konstante Höhe ausgelenkt. Damit lassen sich die verschieden Winkel messen und vergleichen. Die festgelegte Höhe betrug 4 cm. Bei einem Pendel von 40,5 cm betrug der Winkel etwa 23°. Bei einem Pendel von 20 cm waren es 43°. Damit ist die Vermutung aus der graphischen Betrachtung bekräftigt: kurzes Pendel, großer Winkel.
Streichholzraketen
In der Mathe-AC Lernwerkstatt in Aachen werden ballistische Pendel unter andere dazu benutzt, den Impuls und die Startgeschwindigkeit von Streichholzraketen abzuschätzen. Dazu sind zwei Varianten denkbar: a) man schießt die Rakete auf das Pendel oder b) man lässt die Rakete von dem Pendel aus starten. Für beide Varianten wurden in ersten Versuchen gut sichtbare Auslenkungen von geschätzt bis zu 30° beobachtet. Das Pendel aus Knete hatte eine Masse von etwa 50 Gramm und eine Pendellänge von etwa 30 Zentimetern. Die Masse der Rakete war etwa 0,7 Gramm, ihre Geschwindigkeit lag in der Größenordnung von 20 m/s. Siehe auch Streichholzrakete ↗
Persönliche Anmerkung
Leicht berechnet, schwer verstanden: die Mathematik zum ballistische Pendel mit der direkten Messung der Hubhöhe ist nicht schwer. Es genügen Kenntnisse bis etwa zur Klasse 9. Der physikalische Reiz liegt in den leicht flüchtigen und daher schwer greifbaren Unterschieden zwischen dem Impuls m·v und der kinetischen Energie ½·m·v².Fußnoten
- [1] 1742: Benjamin Robins: New Principles of Gunnery. 1742. Dort auf Seite 25. Online: https://archive.org/details/newprinciplesgu00wilsgoog
- [2] 1857: "Das Ballistische Pendel ist ein als Pendel aufgehängter Holzblock; aus der Schwingung, welche eine dagegen abgeschossene Kugel hervorbringt, wird die anfängliche Geschwindigkeit derselben berechnet. Von Robins erfunden, von Hutton (Nouvelles expériences de l'artillerie, aus dem Englischen von Villantroys, Par. 1802) verbessert." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 251. Online: http://www.zeno.org/nid/20009461906
- [3] 1904: "Ballistisches Pendel (erfunden von Benjamin Roberts 1740). Dasselbe ist ein schweres, um eine horizontale Achse drehbares Pendel, gegen das eine Geschützkugel abgeschossen wird, um die Geschwindigkeit zu bestimmen, mit der dieselbe das Rohr verläßt." Und noch sehr ausführlich weiter zur Mathematik. In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 537. Online: http://www.zeno.org/nid/20005966507
- [4] 1908: "Ballistisches P. heißt ein von Robins erfundener Apparat zur Messung der Anfangsgeschwindigkeit von Geschossen und damit der Kraft des Pulvers (vgl. Ballistik)." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 560-562. Online: http://www.zeno.org/nid/20007228198
- [5] 1911: "Ballistisches Pendel, Pendel zum Messen der Anfangsgeschwindigkeit von Geschossen; besteht aus einem pendelnd aufgehängten schweren Körper (mit Erde gefüllten Kasten), in welchem das abgefeuerte Geschoß stecken bleibt, seine lebendige Kraft [heute: kinetische Energie] an denselben abgebend. Aus dem Ausschlagwinkel des Pendels läßt sich die gesuchte Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses berechnen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 145. Online: http://www.zeno.org/nid/20000934178
- [6] 1998: "ballistic pendulum, device for measuring the velocity of a projectile, such as a bullet. A large wooden block suspended by two cords serves as the pendulum bob. When a bullet is fired into the bob, its momentum [deutsch: Impuls] is transferred to the bob. The bullet’s momentum can be determined from the amplitude of the pendulum swing." In: The Editors of Encyclopaedia Britannica. "ballistic pendulum." Encyclopedia Britannica, July 20, 1998. https://www.britannica.com/technology/ballistic-pendulum.
- [7] Üblicherweise nennt man die maximale Auslenkung einer Schwingung ihre Amplitude. Das ballistische Pendel wird aber hier nicht als klassisches schwingendes System mit einer ständigen Wiederholung immer gleicher Pendelbewegungen gedacht. Beim ballistischen Pendel interessiert nur die maximale Auslenkung der ersten Bewegung aus der Ruhelage. Für die maximale Auslenkung einer mehrfach sich wiederholenden Bewegung als Schwingung, siehe unter Amplitude ↗
- [8] Die Nautik-Seile haben eine vergleichsweise geringe Arbeitsdehnung von 12 %. Das Seil ist näher beschrieben auf WH54 20250325 Inventar Nautik-Seil ↗
- [9] Dividiert man die Masse der Kugel von 8,44 durch ihr Volumen kommt man auf eine Dichte von rund 6,86 g/cm³. Die üblichen Werte für Stahl liegen mit z. B. 7,86 g/cm³ aber deutlich darüber. Hier ist es noch einmal nötig, die gemessenen Werte für die Kugel zu überprüfen. Wichtig für den Versuch hier ist die Genauigkeit der Massenangabe für die Kugel. Zur Berechnung siehe auch Kugeldichte ↗
- [10] Die grafischen und experimentellen Betrachtungen zur Beziehung zwischen der Pendelänge, der Hubhöhe und dem Winkel der Auslenkung wurden im November 2025 federführend von Elisa Vahrmeyer gemacht.