Utopie
Idealzustand
Zustand
Ernstgemeinter Idealzustand: als Utopie bezeichnet man heute einen ausformulierte Vision einer dauerhaft perfekt eingerichteten Welt. Die wörtliche Bedeutung ist „Nirgendwo“, was bereits Zweifel an der Umsetzbarkeit in sich trägt.
Charakterisierung
Die Wortschöpfung U-topie geht auf den Engländer Thomas More zurück. Dieser veröffentlichte 1516 seine Phantasie-Reisegeschichte Utopia: Seeleute lernten auf einer fernen Insel - Utopia - ein Volk in scheinbar perfektem Einklang mit sich und der Welt kennen. More siedelte in seiner Geschichte Gedanken zur Sterbehilfe, zum Strafvollzug, zur Abwehr fremder Aggressoren und viele weitere modern anmutende Themen an. Das Wort Utopie setzte der englische Humanist Thomas More aus griechischen Silben zusammen. Wörtlich meint Utopie: ein Nicht-Platz oder ein Nirgendwo. Eine Utopie steht für einen Zukunftsentwurf der gegenwärtig herrschende Denkgrenzen überschreitet oder gänzlich unmachbar zu sein scheint. Siehe auch Utopie und Wissenschaft ↗
Die Utopie als Undenkbarkeit
Der englische Autor George Orwell (1984, Animal Farm) beschäftigte sich Ende 1943 mit dem Paradoxon, dass eine überzeugende Utopie eigentlich undenkbar ist[1]. Zwar gibt es in der Literatur angsteinflößend-realistische Darstellungen einer Hölle: man kann sich vorstellen, dass ewiges Übergießen mit heißem Fett, ewiges Aufgespießtwerden von Dämonen oder ewige Einsamkeit unerträglich sind. Aber weder den Religionen noch einzelnen Denker von Utopien ist es gelungen, einen Ort zu beschreiben, an dem man dauerhaft glücklich ist. Glück, so Orwell, gibt es nur als Kontrast zu Leid. Glück und Leid sind zueinander komplementär. Siehe auch Unvorstellbarkeit der Utopie ↗
Die Utopie als machbares Projekt
Der Soziologe Herbert Marcuse, Mitbegründer der sogenannten Frankfurter Schule, wies bereits in seinem Klassiker 'Der eindimensionale Mensch' darauf hin, dass die modernen Industriegesellschaft alle technischen Mittel zur Erreichung der Utopie in den Händen hielten. Marcuse wies immer wieder auf das Paradoxon hin, dass die technischen Mittel zur Erreichung der Utopie weit hinter den gesellschaftlichen Möglichkeiten blieben. Wenn er in einer eigenen kleinen Schrift von Ende der Utopie spricht, so meint er gerade nicht die Preisgabe des Ideals, sondern die unmittelbare Möglichkeit der Umsetzung, wodurch aus der Utopie dann gesellschaftliche Realität würde.[2]
Zitat
- "A map of the world that does not include Utopia is not worth even glancing at, for it leaves out the one country at which Humanity is always landing." Quelle: Oscar Wilde: The Soul of Man Under Socialism. Siehe auch Oscar Wilde (Zitate) ↗
Fußnoten
- [1] George Orwell: Can Socialists be Happy? In: George Orwell. Essays. Everyman Library. 242. Herausgegeben von Alfred A. Knopf. 2002. ISBN: 978-1-85715-242-5. Seite 503-510
- [2] Herbert Marcuse: Das Ende der Utopie. Mit Diskussionsbeiträgen von unter anderem Rudi Dutschke. Oberbaumpresse Berlin. 152 Seiten. Verlag Peter von Maikowski. Berlin, 1971.
- [3] Max Horkheimer: Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. 89 Seiten. Furche Verlag, Hamburg. 1970. ISBN: 3 7730 0023 5.
- [4] Hermann Schempp: Gemeinschaftssiedlungen auf religiöser und weltanschaulicher Grundlage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. 1969.
- [5] Stefan Selke: Wunschland. Von irdischen Utopien zu Weltraumkolonien. Eine Reise in die Zukunft unserer Gesellschaft. Ullstein. 528 Seiten. 2022.
- [16] Vom Sinn und Nutzen der Wissenschaft. In: Richard P. Feynman: Kümmert Sie, was andere Leute denken?. Neue Abenteuer eines neugierigen Physikers. Piper Verlag. München. 1991. ISBN: 3-492-03371-7. Dort schreibt der Nobelpreisträger der Physik auf Seite 241: „Die Menschheit steckt in ihren allerersten Anfängen, darum ist es ganz natürlich, daß wir uns mit Problemen herumschlagen müssen. Doch wir haben Zehntausende von Jahren vor uns. Unser Möglichstes zu tun, in Erfahrung zu bringen, soviel wir können, die Lösungen zu verbessern, und dann weiterzugeben, das ist unsere Pflicht. Und es ist unsere Pflicht, den Menschen der Zukunft freie Hand zu lassen. In der stürmischen Jugend der Menschheit können wir schwerwiegende Fehler begehen, die unser Wachstum auf lange Zeit hinaus hemmen können. Ein solcher Fehler wäre die Behauptung, wir hätten trotz all unserer Jugend und Unwissenheit die Antworten schon parat. Unterdrücken wir jegliche Diskussion, jegliche Kritik und behaupten: "Das ist die Antwort, Feunde; der Mensch ist gerettet!", verdammen wir die Menschheit, eingezwängt in den Kerker unserer heutigen Vorstellungskraft, auf lange Zeit zu den Ketten der Autorität.“