Elektronenbeugungsröhre
Physik
Basiswissen
Ein Elektronenstrahl wird auf eine durchlässige Schicht Graphit geschossen. Anschließend treffen die Elektronen auf einen Fluoreszenzschirm auf, wo sie sich als kleine Lichteffekte verraten. Es ergeben sich dort typische Ringmuster. Dieses Interferenzmuster ist ein Beleg für wellenhafte Eigenschaften der Elektronen.
Beschreibung der Elektronenbeugungsröhre
Das eigentliche Gerät zur Durchführung des Versuches ist eine sogenannte Elektronen- oder Kathodenstrahlröhre[1]. Ein entsprechendes Experiment wurde erstmals im Jahr 1928 von den Briten George Paget Thomson und Alexander Reid beschrieben.[14] Die folgende Beschreibung skizziert eine solche Röhre von links nach rechts. Selbstverständlich kann man sich den Aufbau auch von rechts nach links vorstellen.
Ganz links im Versuchsaufbau befindet sich der Heizdraht, auch Glühkathode[2] genannt. Über eine Heizspannung wird der Draht stark erhitzt. Durch die hohe Temperatur treten dann Elektronen aus dem Metall des Drahtes aus. Diese Elektronen haben anfänglich noch keine besonders hohe Geschwindigkeit und bleiben in der Nähe der Glühkathode. Bringt man aber in einiger Entfernung rechts von der Glühkathode eine Metallplatte an, die sogenannte Anode, kann man die Elektronen nach rechts hin beschleunigen. Dazu wird die Kathode elektrisch negativ geladen und die Anode elektrisch positiv. Das ist der Zweck der sogenannten Beschleunigungsspannung[3]. Die Elektronen werden dann von ihrem negativen Entstehungsort, der Kathode, abgestoßen und von der gegenüberliegenden, positiven Anode nach rechts hin angezogen. Auf dem Weg durchlaufen die Elektronen noch den sogenannten Wehneltzylinder[4]. Dieser dient der Bündelung, das heißt Fokussierung des Elektronenstrahls. So entsteht ein schmaler Strahl von schnellen[5] Elektronen, der sogenannte Kathoden-, oder Elektronenstrahl.
MERKSATZ:
1.0 Eine Elektronenbeugungsröhre erzeugt zunächst einen eng gebündelten Strahl aus schnellenElektronen. Die Elektronen fliegen weg von der elektrisch negativen Kathode hin zur elektrisch positiven Anode.
1.0 Eine Elektronenbeugungsröhre erzeugt zunächst einen eng gebündelten Strahl aus schnellenElektronen. Die Elektronen fliegen weg von der elektrisch negativen Kathode hin zur elektrisch positiven Anode.
Theoretisch würden die Elektronen letztendlich auf die Anode prallen[6]. Bohrt man aber am theoretischen Aufschlagpunkt der Elektronen auf der Anode dort ein kleines Loch in die Anodenplatte, so kann der Elektronenstrahl durch das Loch hindurchgehen und weiter nach rechts fliegen. Man hat damit eine Art Elektronenkanone[7] gebaut.
Nun hat man einen Elektronenstrahl, der von der Kathode ausgehend durch das Loch in der Anode geradeaus weiter fliegt. In Flugrichtung etwas hinter der Anode, also noch weiter rechts, platziert man dann einen Schirm, auf den die Elektronen aufprallen. Dadurch entsteht auf dem Schirm ein Lichteffekt. Durch den Lichteffekt weiß man, wo die Elektronen auf dem Schirm aufreffen. Im Moment würden die Elektronen nur einen kleinen Lichpunkt in Größe des Querschnitts des Elektronenstrahls geben.
MERKSATZ:
3.0 Ganz rechts im Versuchsaufbau treffen die Elektronen auf einen Schirm. Sie verraten ihre Position dort als Lichteffekt. Ohne Graphitschicht im Weg der Elektronen sieht man dort erwartungsgemäß einen hellen Punkt.
3.0 Ganz rechts im Versuchsaufbau treffen die Elektronen auf einen Schirm. Sie verraten ihre Position dort als Lichteffekt. Ohne Graphitschicht im Weg der Elektronen sieht man dort erwartungsgemäß einen hellen Punkt.
Bis jetzt gibt es noch keinen Effekt der Beugung. Diesen zu erzeugen ist die Aufgabe einer dünnen Platte aus Graphit. Mit dieser deckt man jetzt das Loch in der Anode ab. Das Plättchen ist so dünn, dass die meisten Elektronen durch die Platte fliegen. Ähnlich wie beim Goldfolienversuch von Rutherford, kann man aber auch erwarten, dass manche der Elektronen mit Graphitteilchen zusammenstoßen. Dadurch sollten sie in ihrer Flugbahn abgelenkt werden. Stellt man sich die Elektronen klassisch als Kügelchen und die Graphitteilchen als Klumpen, Kugeln oder sonstwie aus fester Materie vor, dann sollte man auf dem Leuchtschirm ganz rechts ein zufälliges Muster von Aufschlagstellen von Elektronen sehen. In der Mitte sollte es am hellsten sein, weiter entfernt von der Mitte sollte es dunkler werden.
MERKSATZ:
4.0 Jetzt ist das kleine Loch in der Anode mit einer dünnen Schicht aus Graphit abgeckt. Die Schicht ist so dünn, dass theoretisch die meisten Elektronen mehr oder minder ungehindert hindurchfliegen können. Auf dem Schirm sollte "dann eine kreisförmige helle Fläche erscheinen, bei der die Helligkeit von innen nach außen abnimmt."[9]
4.0 Jetzt ist das kleine Loch in der Anode mit einer dünnen Schicht aus Graphit abgeckt. Die Schicht ist so dünn, dass theoretisch die meisten Elektronen mehr oder minder ungehindert hindurchfliegen können. Auf dem Schirm sollte "dann eine kreisförmige helle Fläche erscheinen, bei der die Helligkeit von innen nach außen abnimmt."[9]
Was man aber tatsächlich sieht ist etwas ganz Anderes. Tatsächlich erscheint auf dem Schirm eine hellste Stelle genau dort, wo der Strahl ungehindert auftreffen müsste. Dann zeigen sich aber von innen nach außen zwei helle konzentrische Kreisringe, mit dunklen Ringen dazwischen. Eine solche Abfolge von hell und dunkel kennt man zum Beispiel auch vom Doppelspaltexperiment her. Das ist ein typischer Hinweis auf ein sogenanntes Beugungsmuster[10].
MERKSATZ:
5.0 Mit der Graphitschicht vor dem Anodenloch treten auf dem Leuchtschirm ganz rechts typische Beugungsringe auf. Diese entstehen nicht durch das Loch selbst sondern durch die Anordnung der Graphitteilchen. Sie lassen sich nicht klassisch im Teilchenmodell erklären.
5.0 Mit der Graphitschicht vor dem Anodenloch treten auf dem Leuchtschirm ganz rechts typische Beugungsringe auf. Diese entstehen nicht durch das Loch selbst sondern durch die Anordnung der Graphitteilchen. Sie lassen sich nicht klassisch im Teilchenmodell erklären.
Der Versuch der Elektronenstrahlröhre zeigt, dass nicht nur Licht zu Beugungseffekten führen kann. Auch Strahlen aus Dingen, die man an sich für eindeutig materiell und teilchenartig hält, zeigen Beugung[11]. Diese Teilchen waren hier die Elektronen. Diese Erkennntis führte in den 1920er Jahren zum Konzept der Materiewellen[12]. Siehe mehr dazu unter Elektronenbeugung ↗
MERKSATZ:
6.0 Für die quantitivative Beschreibung der Elektronenbeugung verwendet man die Bragg-Gleichung.
6.0 Für die quantitivative Beschreibung der Elektronenbeugung verwendet man die Bragg-Gleichung.
Tatsächlich handelt es sich beim Durchgang von Elektronen durch eine dünne Schicht aus Graphit weniger um den Effekt der Beugung als vielmehr um eine Streuung und Interferenz. Die Phänoneme lassen sich aber nicht immer einfach abgrenzen. Eine umfassende und eindeutige Beschreibung aller wellenartigen Phänomene liefert die sogenannte Quantenelektrodynamik ↗
Erste Andeutungen schon im Jahr 1920
Im Jahr 1920 führte der Physiker Carl Ramsauer Versuche mit Elektronen durch, die einen mit dünnem Gas gefüllten Raum durchquerten. Dabei stellte Ramsauer fest, dass es zu weniger Wechselwirkungen der Elektronen mit den Gasteilchen kam, wenn sich die Elektronen langsam durch das Gas bewegten. Dieser Effekt war damals völlig unverständlich. Max Born etwa bezeichnet die Befunde als "schier verrückt" [13]. Der Effekt ließ sich erst später erklären, als man auch für materielle Teilchen wie Elektronen Welleneigenschaften und damit Beugung annahm. Siehe mehr unter Ramsauer-Effekt ↗
Was ist der Unterschied zum Davisson-Germer-Experiment von 1927?
Im Jahr 1927 deuteten sich die Welleneigenschaften von Elektronen auch in einem mit der Elektronenbeugungsröhre eng verwandten Versuch an: Davisson und Germer schossen eine Strahl aus Elektronen auf eine Platte aus dem Metall Nickel. Anders als bei dünnen Graphitfoligen, ging der Strahl hier aber nicht durch das Metall, sondern prallte daran ab. Dabei zeigten sich jedoch auch typische Erscheinungen der Beugung. Siehe mehr unter Davisson-Germer-Experiment ↗
Begründung der Welleneigenschaften von Elektronen
Berechnet man den Durchgang der Elektronen durch die Graphitfolie mit Hilfe von Formeln die in enger Analogie zu Wasserwellen entwickelt wurden, dann lassen sich die Interferenzmuster auf dem Schirm sehr genau vorhersagen. Unterstellt man hingegen, dass die Elektronen wie kleine Gewehrkugeln durch die Graphitfolie fliegen, lässt sich damit in keinem Fall ein Interferenzmuster erklären. Als gewehrkugelartige Teilchen würden die Elektronen zufällig an den Kristallelementen abprallen und auf der anderen Seite ein reines Zufallsmuster ergeben, auf keinen Fall aber Interferenz zeigen. Interferenz ist eine typische Eigenschaften von Wellen, nicht von Teilchen[13]. Siehe dazu auch Interferenz ↗
Was ist die Ontologie?
Als Ontologie bezeichnet man ein Teilgebiet der Philosophie das sich mit der Frage beschäftigt, was denn das Sein, die Existenz wirklich ist. Nicht "wie berechnet man" ist die Leitfrage der Ontologie sonder eher "Was ist". Wer also fragt, was denn ein Elektron dann ist, eine Welle oder ein Teilchen begibt sich damit in das Gebiet der Ontologie ↗
Fußnoten
- [1] Die Worte Elektronen- und Kathodenstrahlröhre meinen dasselbe: aus einem heißem Draht, der Glükathode, treten Elektronen aus. Diese werden durch elektrische und magnetische Felder zu einem Strahl gebündelt und beschleunigt. Mit diesem Strahl konnte man dann zum Beispiel Fernsehbilder erzeugen (Braunsche Röhre) oder auch physikalische Experimente durchführen. Zum Aufbau siehe auch Kathodenstrahlröhre ↗
- [2] Durch eine Erhitzung von Metall kann man Elektronen aus dem Metallverband lösen und diese aus dem Metall austreten lassen. Siehe dazu den Artikel Glühkathode ↗
- [3] Eine typische Beschleunigungsspannung für eine Elektronenstrahlröhre für Beugungsversuche liegt bei etwa 4000 Volt. In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Dort ist der Beugungsversuch mit eine Elektronenbeugungsröhre ausführlich beschrieben auf den Seiten 394 und 395. Siehe auch Beschleunigungsspannung ↗
- [4] Der Wehneltzylinder selbst ist eine elektrisch negativ geladene Röhre. Durch die negative Ladung werden die Elektronen, die selbst ja auch negativ geladen sind, daran gehindert, sich durch gegenseitige Abstoßung voneinander zu entfernen. Dadurch wiederum wird der Elektronenstrahl gebündelt gehalten. Siehe auch Wehneltzylinder ↗
- [5] Zur Berechnung der Geschwindigkeit der Elektronen muss man hier relativistisch rechnen. Ab einer Beschleunigungsspannung von etwa 1000 Volt nähern sich die Elektronen rund 10 % der Lichtgeschwindigkeit an. Für die relativistische Geschwindigkeit v nimmt man die Formel v = c·√[1-1/(1+e·U/E₀)²]. Das E₀ ist dabei das Produkt aus der Elektronenmasse m und der Lichtgeschwindigkeit c. Mit einer Spannung U=4000 Volt, der Elementarladung e = 1,6022 mal 10 hoch -19 Coulomb und einer Elektronenmasse von m = 9,10938356 mal 10 hoch -31 kg kommt man damit auf eine Endgeschwindigkeit v der Elektronen am Ende der Beschleunigungsstrecke von rund 37500000 m/s oder etwa 12,5 % der Lichtgeschwindigkeit. Siehe auch Beschleunigungsspannung ↗
- [6] Es gibt Anordnungen bei denen genau das der Zweck ist, etwa eine Kathodenstrahlröhre zur Erzeugung von Röntgenstrahlung. Siehe mehr dazu unter Bremsstrahlung ↗
- [7] Ein Gerät zur Erzeugung von scharf gebündelten Strahlen aus Elektronen nennt man tatsächlich Elektronenkanone ↗
- [8] Das Loch darf aber nicht so klein sein, dass sich durch die Kleinheit alleine Beugungseffekte einstellen. Denn auch ein kleines rundes Loch zeigt Beugungsringen. Ein entsprechender Versuch mit Licht ist beschrieben in: David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday. Physik. Englischer Originaltitel: Fundamentals of Physics. Wiley-VCH Weinheim. 2007. ISBN: 978-3-527-40746-0. Dort im Kapitel "37-5 Beugung an einer kreisrunden Öffnung", Seite 776. Siehe auch Der Halliday ↗
- [9] Man bedenke, dass der Strahl aus Elektronen nur aus negativ geladenen Teilchen besteht, die sich gegenseitig mir einer sehr starken Coulombkraft abstoßen. Diese gegenseitige Kraft führt dazu, dass sich der Strahl mit zunehmender Entfernung von der Kathode aufweitet. Für die kurzen Strecken in einer typischen Elektronenbeugungsröhre spielt dieser Effekt aber noch keine störende Rolle. Lies mehr dazu im Artikel zum Elektronenstrahl ↗
- [10] In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Dort die Seite 395.
- [11] Dass sich nicht nur Licht sondern auch Elektronen wellenartig verhalten kann, wurde experimentell erstmals im Jahr 1927 bestätigt. Siehe dazu den Artikel zum Davisson-Germer-Experiment ↗
- [12] Heute kann man Welleneigenschaften nicht nur für sehr kleine und leichte Teilchen wie Elektronen nachweisen. Auch die sehr viel schwereren Neutronen und sogar ganze Moleküle zeigen Interferenz und damit etwas Wellenhaftes. Siehe dazu den Artikel zur Materiewelle ↗
- [13] Am 29. 11. 1921 zweifelte der Physiker Max Born in einem Brief an Albert Einstein die Gültigkeit von Ramsauers Befunden an. Born schrieb: "Aus dieser Änderung muß sich aus vorhandener Theorie die freie Weglänge der Elektronen im Gase berechnen lassen; das hat aber Interesse wegen der schier verrückten Behauptung Ramsauers (in Jena), daß in Argon die Weglänge der Elektronen mit sinkender Geschwindigkeit unendlich wird (die Atome werden von langsamen Elektronen frei durchflogen!). Das wollen wir gern widerlegen." Etwa 40 Jahre später korrigierte Born sich: "Die Behauptung Ramsauers, daß im Argon die freie Weglänge der Elektronen mit abnehmender Geschwindigkeit zunimmt und unendlich wird, mußte in jener Zeit ›verrückt‹ erscheinen. Und doch war sie richtig." Und: "Ob Einstein schon damals tiefer sah? Ich weiß es nicht." In: [1] Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seiten 93 bis 95. Siehe auch Ramsauer-Effekt ↗
- [14] Das erste Experiment, bei dem Strahlen von Elektronen durch Materie hindurch gehen und dabei ein Beugungsmuster erzeugen, wurde im Jahr 1928 durchgeführt: "If a fine beam of homogeneous cathode rays is sent nearly normally through a thin celluloid film (of the order 3 x 10⁻⁶ cm. thick) and then received on a photographic plate 10 cm. away and parallel to the film, we find that the central spot formed by the undeflected rays is surrounded by rings, recalling in appearance the haloes formed by mist round the sun." Zur Berechnung der Wellenlänge der Elektronen nutzten die Autoren die de-Broglie-Wellenlänge: "Using the formula λ = h/mv the wave-length in the above-quoted case would be λ = 1·0 x 10⁻⁹ cm." Ob die Streuzentren (diffracting systems) Atome oder Moleküle sind, ließ die kurze Mitteilung in dem Fachblatt explizit offen. In: George Paget Thomson, Alexander Reid: Diffraction of Cathode Rays by a Thin Film". Nature. 119 (3007): 890. 1927. Bibcode:1927Natur.119Q.890T. doi:10.1038/119890a0. ISSN 0028-0836. S2CID 4122313.