Elektromagnetismus
Ursache
Einführung
Bis etwa zum Jahr 1820 waren Magnetismus und Elektrizität zwei völlig voneinander getrennte gesehene Phänomene. Dann erkannte man, dass elektrische Ströme immer Magnetfelder erzeugen und sich ändernde Magnetfelder immer elektrische Spannungen. Die Brücke zwischen den beiden Phänomen sind Bewegung und Veränderung, daher auch die Bezeichnung Elektrodynamik[6] für den Elektromagnetismus.
Elektrizität als isolierte Phänomene
Das Wort "Elektro" kommt von dem altgriechischen Wort für Bernstein. Man hatte schon in der Antike bemerkt, dass sich kleine Bernstein-Stückchen gegenseitig abstoßen können. Heute erklärt man das mit der elektrostatischen Aufladung. Das Wort für Bernstein hat der Elektrik den Namen gegeben. Im 18ten Jahrhundert nach Christus erforschte man dann elektrische Erscheinungen immer intensiver. Es wurde effektvolle Batterien gebaut, die bei gesellschaftlichen Anlässen oft für eindrucksvolle Experimente genutzt wurden. Die heutigen formelmäßigen Zusammenhänge wurden ab etwa dem Jahr 1800 formuliert.
Magnetismus als isolierte Phänomene
Es gibt Steine oder Gegenstände, die sich gegenseitig anziehen oder abstoßen. Das war schon den alten Griechen bekannt. Nahe der Stadt Magnesia fand man solche Steine, daher der Name. In China wurden bereits im 2ten Jahrhundert nach Christus magnetische Nadeln beschrieben, seit etwa dem Jahr 1000 wurden sie zur Navigation auf Schiffen eingesetzt. Diese Phänomene wurden jedoch bis 1820 in keinerlei Zusammenhang mit elektrischen Erscheinungen gesehen.
Oersteds Entdeckung des Elektromagnetismus
Bis zum Jahr 1820 waren Elektrik und Magnetismus zwei zusammenhangslos dastehende Phänomene. 1820 aber bemerkte der dänische Physiker Christian Oersted, dass ein fließender Strom auch Magnetfelder erzeugen kann. Das war so überraschend und unerwartet, dass Oersted einige anerkannte Personen seiner Stadt als Zeugen zur Beglaubigung der Versuche bemühte.[7]
Erst 11 Jahre später gelang es dem Engländer Michael Faraday nach langen fruchtlosen Bemühungen zu zeigen, dass auch Magnetfelder Strom erzeugen können. Diese enge ursächliche Kopplung magnetischer und elektrischer Phänomene sowie das dazu entstandene Theoriegebäude nennt man Elektromagnetismus: Bewegte Ladungen erzeugen immer ein Magnetfeld. Und: sich irgendwie verändernde Magnetfelder erzeugen immer eine elektrische Spannung. Das verbindende Scharnier ist die zeitliche Veränderung, entweder als Bewegung von Ladungen oder als Änderung von Feldern, daher bezeichnet man den Elektromagnetismus auch als Elektrodynamik ↗
Oersted: Elektrizität verursacht Magnetismus
Relativ zu einem Beobachter bewegte elektrische Ladungen erzeugen immer ein Magnetfeld um sich herum. Eine große Anzahl von Elektronen die gemeinsam in eine Richtung durch einen Draht fließen nennt man einen elektrischen Strom. Jedes der bewegten Elektronen erzeugt ein kleines Magnetfeld, der Strom als Ganzes ein recht deutliches. Man kann das zum Beispiel mit einem einfachen Kompass sichtbar machen. Hat man einen Stromleiter sehr dicht an einem Kompass, so kann man durch Ein- und Ausschalten des Stromes eine deutliche Bewegung der Kompassnadel beobachten. Mehr dazu unter Oerstedsches Gesetz ↗
Faraday: Magnetismus verursacht Elektrizität
Nachdem um 1820 bekannt war, dass elektrische Ströme Magnetfelder erzeugen, probierte man den umgekehrten Weg: man wollte mit Magnetfeldern elektrische Ströme erzeugen. Aber ganz gleich, wie stark man auch die Felder machte: es floss kein messbarer Strom: Bis Michael Faraday die zufällige Beobachtung machte, dass beim ein- und ausschalten eines Elektromagneten plötzlich ein Strom durch einen benachbarten Leiter floss. Der Schlüssel war, dass es nicht auf die Stärke des Magnetfeldes ankam, sondern wie schnell es sich verändert: bewegte oder auch sich in der Stärke verändernde Magnetfelder erzeugen immer eine elektrische Spannung. Mehr dazu unter Induktion ↗
Einsteins Relativitätstheorie als tiefere Ursache
Tatsächlich ist der Magnetismus ein gemeinsamer Effekt rein elektrischer Felder kombiniert mit den relativistischen Effekten der Einsteinschen Relativitätstheorie[1][4]. Wenn sich eine elektrische Ladung im Raum bewegt[5], durchläuft sie bei der Bewegung Bereiche, in die ihr eigenes E-Feld bereits vorher eingedrungen ist. In einem elektrischen Leiter schließlich sind für einen Betrachter die Geschwindigkeiten der positiven Ladungsträger und der negativen Ladungsträger im Fall eines fließenden Stromes unterschiedlich, woraus relativististische Effekte entstehen[3]. Siehe auch Relativitätstheorie ↗
Fußnoten
- [1] "Das Magnetfeld eines Stromes und die Lorentzkraft auf eine bewegte Probeladung q im Magnetfeld lassen sich mithilfe der Relativitätstheorie allein aus dem Coulomb-Gesetz und den Lorentztransformationen herleiten. Das Magnetfeld ist also keine prinzipiell vom elektrischen Feld unabhängige Eigenschaft geladener Materie, sondern ist im Sinne der Relativitätstheorie eigentlich eine Änderung des elektrischen Feldes bewegter Ladungen infolge der Lorentz-Kontraktion. Man spricht daher vom elektromagnetischen Feld einer bewegten Ladung." In: Wolfgang Demtröder Experimentalphysik 2 Elektrizität und Optik, 5. Auflage, 2009. ISBN: 978- 3-540-79294-9. Dort die Seite 108.
- [2] Benjamin Kaufmann: Magnetismus als relativistisches Phänomen. Bachelorarbeit. 13. März 2011. Betreut von Ulrich Hohenester, Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. rer. nat. Karl-Franzens-Universität Graz. Die Arbeit enthählt eine ausführliche und gut nachvollziehbare Herleitung des Magnetismus aus grundlegenden physikalischen Prinzipien für den Fall gleichförmig bewegter Ladungen. Der (wesentlich kompliziertere) Fall beschleunigter Ladungen wird kurz erwähnt, aber nicht weiter behandelt. Online: https://static.uni-graz.at/fileadmin/_Persoenliche_Webseite/hohenester_ulrich/diploma/kaufmann11.pdf
- [3] "Wir stellen uns einen Stromleiter vor, in dem positive Ladungsträger nach rechts wandern und gleich viele negative Ladungsträger nach links". Und dann nach einigen mathematischen Darstellungen: "Wenn man die obige Herleitung genau ansieht, wird deutlich, dass die Lorentzkraft ihre tiefere Ursache in der relativistischen Läangenkontraktion hat, die bei einer bewegten Testladung verschieden fur die positiven und die negativen Ionen ist. Ohne Längenkontraktion wäre die Gesamtladungsdichte nicht nur im Laborsystem gleich null, sondern auch im mitbewegten System der Testladung. Es gäbe dann keine magnetische Kraft." In: Peter Schmuser: Die Spezielle Relativitätstheorie und ihre Auswirkungen in Physik und Technik. DESY und Universität Hamburg. Dort das Kapitel "Das Magnetfeld als relativistischer Effekt" ab Seite 11. Online: https://www.desy.de/~pschmues/Relativitaetstheorie.pdf
- [4] Ein Lehrbuch der Physik erklärt im Kapitel "3.5 Spezielle Relativitätstheorie und elektromagnetische Wechselwirkung" ausführlich und anschaulich, wie Magnetismus als Folge einer relativen Bewegung zu einem Beobachter entsteht. Auf Seite 91 heißt es prägnant: "Magnetismus = Elektrizität + Relativitätstheorie". In: David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday. Physik. Englischer Originaltitel: Fundamentals of Physics. Wiley-VCH Weinheim. 2007. ISBN: 978-3-527-40746-0. Dort die Seite 90 bis 96.
- [5] Der Physiker Richard Feynman (1918 bis 1988) beschreibt zunächst die Coulombsche Kraft "zwischen Ladungen", deren Stärke "proportional zum Quadrat der Entfernung zwischen den Ladungen abnimmt". Feynman schränkt dann ein, dass dieses Gesetz "nicht ganz zutreffend", nämlich dann nicht, "wenn die Ladungen sich bewegen". "Einen Teil der Kraft zwischen elektrischen Ladungen" nenne man die "magnetische Kraft". Diese sei "im Grunde genommen ein Aspekt eines elektrischen Effekts". Deswegen, so Feynman "sprechen wir von „Elektromagnetismus“". In: Richard Feynman: Feymnan-Vorlesungen über Physik. Band 2. Elektromagnetismus und Struktur der Materie. Oldenbourg Verlag. 2007. ISBN:978-3-486-58107-2. Dort die Seite 3.
- [6] Die Elektrodynamik "im weiteren Sinne [umfasst] die gesamte Theorie der Elektrizität und des Magnetismus (Elektromagnetismus)." In: der Artikel "Elektrodynamik". Spektrum Lexikon der Physik. Stand 10. September 2024. Siehe auch Elektrodynamik ↗
- [7] Wie sehr Oersted über seine zufällige Beobachtung der Kopplung von Magnetismus und Elektrizität war, geht aus seiner Veröffentlichung darüber hervor. Siehe dazu Oerstedscher Magnetnadelversuch ↗