Bewegte Ladung
Physik
Basiswissen
Es ist verwunderlich: eine elektrische Ladung, die relativ zu einem Beobachter ruht, hat nur ein elektrostatisches Feld um sich herum, aber kein Magnetfeld. Ab dem Moment aber, wenn sich die Ladung im Bezug zu einem Beobachter bewegt, existiert für diesen Beobachter auch ein Magnetfeld um die Ladung. Die enge Verbindung von Bewegung und Magnetismus ist der Schlüssel zum Verständnis vieler Effekte.
Vier Fälle in der Übersicht
- Fall 1) Ob ruhend oder bewegt, eine Ladung erzeugt immer ein elektrisches Feld ↗
- Fall 2) Ob ruhend oder bewegt, in einem E-Feld wirkt immer die Coulombkraft ↗
- Fall 3) Nur eine bewegte Ladung erzeugt selbst auch ein Magnetfeld ↗
- Fall 4) Nur eine bewegte Ladung erfährt den B-Teil der Lorentzkraft ↗
Fall 1: Ladungen umgeben sich immer mit einem E-Feld
Eine elektrische Ladung erzeugt immer ein elektrisches Feld[2]. Es ist unmöglich, das zu verhindern. Dabei ist es wiederum unwichtig, ob die Ladung ruht oder ob sie sich bewegt. Das elektrische Feld breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum aus, wird aber dabei mit zunehmender Entfernung von der erzeugenden Ladung auch immer schwächer. Siehe mehr dazu unter elektrisches Feld ↗
Fall 2: Ladungen in einem E-Feld erfahren immer eine Kraft
Befindet sich eine elektrische Ladung, oft abgekürzt als q, in einem elektrischen Feld, so wirkt das elektrische Feld immer mit einer Kraft auf diese Ladung. Diese Kraft nennt man die Coulombkraft[1]. Ob sich die Ladung dabei bewegt oder ruht ist für die Stärke dieser der Coulombkraft nicht wichtig. Die Stärke der Kraft kann man zum Beispiel in Newton angeben. Da die Bewegung keine Rolle spielt, nennt man die Physik rund um elektrische Ladungen, bei denen die Bewegung keine Rolle spielt, auch Elektrostatik. Die grundlegende Kraft ist die Coulombkraft ↗
Fall 3: Nur bewegte Ladungen spüren ein B-Feld
Eine elektrische Ladung, die relativ zu einem Magnetfeld, kurz auch B-Feld genannt, ruht, sich also aus Sicht des Magnetfeldes in diesem nicht bewegt, spürt keine magnetische Kraft. Bewegt sich die Ladung aber relativ zu dem Magnetfeld, kann sie eine magnetische Kraft erfahren[3]. Der Effekt hängt letztendlich mit Einsteins Relativitätstheorie zusammen. Ob die elektrische Ladung eine Kraft erfährt, und wie stark diese ist, hängt noch ab von dem Winkel, den die Bewegung zur Richtung der Magnetfeldlinien bildet und wie schnell diese Bewegung ist. Diese Kraft nennt man die Lorentzkraft ↗
Fall 4: Nur bewegte Ladungen erzeugen ein B-Feld
Es gilt auch der Umkehrschluss: bewegte Ladungen erzeugen immer ein Magnetfeld[4], ruhende Ladungen nie. Da bewegt oder ruhende immer nur relativ zu einem Beobachter gilt, ergibt sich daraus eine zunächst paradox erscheinende Folgerung: fliegt eine elektrische Ladung, etwa ein Proton, gerade durch den leeren Weltraum und fliegt man selbst als Beobachter in entgegengesetzer Richtung zu dem Proton, dann wird man ein Magnetfeld um das Proton messen können. Hat man aber dieselbe Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit wie das Proton, dann wird man kein Magnetfeld messen können. Ob das Proton also ein Magnetfeld „hat“ (oder nicht), hängt von der eigenen Bewegung relativ zum Proton ab.[6] Der Grund dafür ist, dass der Magnetismus letztendlich nur ein Effekt der Relativitätstheorie ist und sich eigentlich aus elektrostatischen Kräften ableitet. Wie das erzeugte B-Feld aussieht und wie stark es an welcher Stelle ist behandelt das sogenannte Biot-Savart-Gesetz ↗
Was heißt Ladung in der Physik?
Ladung meint hier eine elektrische Ladung. Eine elektrische Ladung ist entweder positiv (+) oder negativ (-). Beispiele für elektrische Ladungen sind das Elektron (-), das Proton (+), oder ein Ion (+ oder -). Was eine elektrische Ladung ist, ist näher erklärt im Artikel elektrische Ladung ↗
Was heißt bewegt für eine Ladung?
Bewegung kann heißen, dass sich etwas entlang einer Bahn bewegt und damit ständig seinen Aufenthalsort verändern. Bewegung kann aber auch heißen, dass sich etwas um sich selbst dreht, ohne dabei den Aufenthaltsort zu verändern. In beiden Fällen erzeugt die Bewegung ein Magnetfeld, im zweiten Fall der Drehbewegung spricht man auch von Spin[5]. Wichtig ist hier noch, dass Bewegung immer nur relativ zum Beobachter definiert werden kann. Man stelle sich einen fahrenden Zug auf einer geraden Strecke vor. In einem Waggon sei an einer festen Stelle ein Proton. Relativ zum Waggon ist das Proton nicht bewegt. Relativ zu den Schienen ist das Proton bewegt. Für einen Beobachter im Waggon hat das Proton kein Magnetfeld, für einen Beobachter an einem Bahnhof sehr wohl. Für die hier behandelten Effekte wichtig ist alleine die sogenannte Relativgeschwindigkeit ↗
Klassische Versuche zu Ladungen in Feldern
- Fall 1) Ruhende Ladungen erzeugen ein E-Feld Van-de-Graaff-Generator ↗
- Fall 1) Ruhende Ladungen erzeugen ein E-Feld Coulombwall [Atomphysik] ↗
- Fall 2) Ruhende Ladungen erfahren eine E-Kraft Millikan-Versuch ↗
- Fall 2) Ruhende Ladungen erfahren eine E-Kraft Elektrostatische Salz-Pfeffer-Trennung ↗
- Fall 2) Ruhende Ladungen erfahren eine E-Kraft Versuch fallendes Wasser ↗
- Fall 2) Ruhende Ladungen erfahren eine E-Kraft Torsionswaage ↗
- Fall 3) Bewegte Ladungen im Magnetfeld Fadenstrahlrohr ↗
- Fall 3) Bewegte Ladungen im Magnetfeld Wienscher Filter ↗
- Fall 3) Bewegte Ladungen im Magnetfeld Polarlicht ↗
- Fall 3) Bewegte Ladungen im Magnetfeld Hall-Effekt ↗
- Fall 4) Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfeld Oerstedsches Gesetz ↗
- Fall 4) Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfeld Luftspulenmagnetversuch ↗
- Fall 4) Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfeld Aluminium-Fallturm-Versuch ↗
- Fall 4) Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfeld Wirbelstrombremse ↗
Elektrostatik und Elektrodynamik
Effekte und Prinzipien von elektrischen Ladungen, die auch ohne Bewegung zustande kommen, fasst man zusammen zur sogenannten Elektrostatik. Effekte und Prinzipien hingegen, die als notwendige Voraussetzung Bewegung erfordern, fasst man zusammen zur Elektrodynamik.
- Bewegung erlaubt, aber nicht nötig Elektrostatik ↗
- Bewegung zwingend nötig Elektrodynamik ↗
Fußnoten
- [1] Die Coulombsche Kraft wurde erstmals von dem Franzosen Charles Augustin de Coulomb (1736 bis 1806) mit Hilfe einer sogenannten Torsionswaage genau gemessen: "Drehwage, lat.-dtsch. Torsionswage, wurde 1777 von Coulomb (s. d. A.) erfunden u. deßhalb auch Coulombʼsche Wage genannt. Sie dient zur genauen Berechnung kleiner Kräfte, namentlich der abstoßenden Kraft der Elektricität und des Magnetismus und ist auf das physikalische Gesetz gegründet, daß bei einem elastischen Drähtchen, welches an dem einen Ende befestiget, an dem andern aber gedreht wird, die Widerstandskraft dem Winkel proportional ist, um welchen das Drähtchen gedreht wird. Der Apparat besteht wesentlich aus einem Drahte (Faden, Haar, Metalldraht), woran ein Balken (Stäbchen, dünne Glasröhre, seiner Cylinder von Schellak, Magnetnadel), horizontal aufgehängt ist, auf dessen Ende die zu untersuchende Kraft wirkt. Die D. wurde allmälig vervollkommnet, namentlich mit einer Gradabtheilung und einem Zeiger versehen, der die Zahl der Drehungen des Drahtes angibt, und durch einen gläsernen Behälter vor dem Einflusse der Zugluft geschützt." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 444. Online: http://www.zeno.org/nid/20003306763
- [2] "Mittels der Drehwage hat Coulomb dargetan, daß zwei elektrische Teilchen sich gegenseitig anziehen oder abstoßen mit einer Kraft, die im geraden Verhältnis der wirkenden Elektrizitätsmengen und im umgekehrten Verhältnis des Quadrats ihrer Entfernung steht (Coulombs Gesetz)." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 628. Online: http://www.zeno.org/nid/20006544711
- [3] Das klassische Beispiel dafür ist die Ablenkung von geladenen Teilchen des Sonnenwindes im Magnetfeld der Erde, wobei Polarlichter entstehen: "Polarlicht. Die von der Sonne entsandten Kathodenstrahlen werden im magnetischen Erdfelde zu Zonen größter Häufigkeit, die die magnetischen Pole der Erde in etwa 30° Winkelabstand umgeben (rechnerisch nachgewiesen durch Störmer), zusammengedrängt in bezug auf die magnetische Breite und zugleich, da sie Teilchen verschiedener Geschwindigkeit enthalten, durch die Kraftlinien der Erde im magnetischen Spektrum entfaltet, in bezug auf die magnetische Länge. Die langsamsten Kathodenteilchen werden am stärksten, die raschesten am wenigsten abgelenkt. Infolge der Bremsung beim Aufprall auf die Atmosphäre der Erde gerät das von den Teilchen getroffene Gas ins Leuchten. Dieses Leuchten heißt Polarlicht." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 515-516. Online: http://www.zeno.org/nid/20006176658
- [4] Hans Christian Oersted: Experimenta circa effectum conflictus electrici in acum magneticam, Eigenverlag 1820. Eine Transkription der "Experimenta" auf Deutsch steht im Artikel Oerstedscher Magnetnadelversuch ↗
- [5] In einem Lehrbuch der Physik heißt zu fließenden Elektronen in einem Draht: "Wenn wir einen elektrischen Strom durch einen Draht schicken, bewirkt ihre Bewegung ein Magnetfeld um den Draht. Es gibt aber noch zwei weitere Möglichkeiten, die beide damit zu tun haben, dass Elektronen sich wie kleine magnetische Dipole verhalten." In: David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday. Physik. Englischer Originaltitel: Fundamentals of Physics. Wiley-VCH Weinheim. 2007. ISBN: 978-3-527-40746-0. Dort die Seite 666.
- [6] Die Relativität des Magnetfeldes unterstrich im Jahr 1927 der Astrophysiker Arthur Stanley Eddington: "Consider an electrically charged body at rest on the earth. Since it is at rest it gives an electric fieldbut no magnetic field. But for the nebular physicist it is a charged body moving at 1000 miles asecond. A moving charge constitutes an electric current which in accordance with the laws ofelectromagnetism gives rise to a magnetic field. How can the same body both give and not give amagnetic field? On the classical theory we should have had to explain one of these results as anillusion. (There is no difficulty in doing that; only there is nothing to indicate which of the tworesults is the one to be explained away.) On the relativity theory both results are accepted. Magneticfields are relative. There is no magnetic field relative to the terrestrial frame of space; there is amagnetic field relative to the nebular frame of space. The nebular physicist will duly detect themagnetic field with his instruments although our instruments show no magnetic field. That isbecause he uses instruments at rest on his planet and we use instruments at rest on ours; or at least we correct our observations to accord with the indications of instruments at rest in our respectiveframes of space.Is there really a magnetic field or not?" In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort die Seite 22. Deutsch: Die Natur der physikalischen Welt. Die Gifford Vorlesungen 1927 in Deutsch. Die aufgrund dieses relativen Magnetismus messbare Kräft ist die sogenannte Lorentzkraft ↗