Pythagoreischer Aufzug (zweidimensionale Funktion)
Höhere Mathematik
Basiswissen
Der pythagoreische[1] Aufzug ist die einfachere Variante zum pythagoreischen Flaschenzug.[2] Der Versuch wird hier so beschrieben, dass man ihn schnell mit einfachsten Haushaltsmitteln (Pappe, Reißzwecken/Nägel, Schnur/Seil) aufbauen kann. Mit einer sehr einfachen Mechanik kann man anschaulich zeigen, was eine zweidimensionale Funktion[3] und die Schreibweise ℝ² ↦ ℝ[4] bedeuten.
Der Aufbau des Versuchs
Vorgeschlagene Materialien, zum Beispiel: Reißzwecken, Nägel mit oder ohne Öse, Nähfaden, Platte aus Pappe, Schaumstoff oder Holz, Knete, Flüssigkleber oder Klebestreifen. Dauer für den Aufbau von zwei bis vielleicht 30 Minuten.
Man platziert das lose Ende L des Seiles der Länge S auf einem xy-Punkt und liest dann den z-Wert am unteren Ende des Gewichts ab. S steht auch für die Länge des gestreckt gedachten Seiles von z über U nach L. Gesucht ist eine Funktion der Art: z=f(x;y)
Dieser Versuch hier ist nur einer von mehreren ähnlich aufgebauten Versuchen. Man kann sie leicht mit einfachem Material aus dem Haushalt nachstellen und mathematisch ab der Grundschule schon etwas damit anfangen. Siehe mehr dazu unter Pythagoreischer Aufzug ↗
Das Versuchsbrett
Auf einem Stück dicker Pappe, oder einer stechbaren Schaumstoffplatte (z. B. Styrodur) zeichnet man ein xy-Koordinatensystem. Will man den Versuch dauerhaft durchführen, kann man auch ein Holzplatte, zum Beispiel im Format DIN-A4 nehmen.
Für das Koordinatensystem passend ist zum Beispiel eine x-Achse mit Werten von -4 bis 10 und eine y-Achse die ebenfalls Werte von -4 bis 10 hat. Die zwei Koordinatenachsen sollen sich im Punk (0|0| treffen, dort also gemeinsam ihren Ursprung haben. Siehe auch xy-Koordinatensystem ↗
- Beschrifte die waagrecht von links nach rechts verlaufende Achse als x-Achse ↗
- Beschrifte die senkrecht von unten nach oben verlaufende Achse als y-Achse ↗
- Beschrifte die y-Achse zusätzlich auch noch als z-Achse.
Der Umkehrpunkt
In den Punkt (0|10) auf der y-Achse sticht oder schlägt man einen Reißzwecken oder einen dünnen Nagel oder sonst etwas spitzes ein. Hat man als als Spielbrett Holz, so kann man statt eines Nagels mit plattem Kopf auch einen Nagel mit Öse einschlagen.
Das Zugseil
Nun nimmt man ein dünnes und gut biegsames Seil, zum Beispiel einen Nähfaden, mit einer Länge von etwa 15 Zentimetern. An ein Ende befestigt man ein kleines Gewicht. Ein Knetklumpen zum Beispiel erspart die Mühe einer fummeligen Knoterei. Gut sind auch durchbohrte Perlen. Durch die Bohrung kann man Seils stecken und an einer Seite mit einem dicken Stopperknoten sichern oder alternativ festkleben. Wenn das Kleben schnell gehen soll, empfiehlt sich zum Beispiel ein Klebeband. Gut ist es, wenn das Seil eine freie Länge von etwa 14 Zentimetern hat. Aber die genaue Länge ist nicht wichtig, es können auch nur 10 Zentimeter oder auch 18 Zentimeter sein.
Zuletzt führt man das freie Ende des Seils so um den Umkehrpunkt, dass bei senkrecht aufgestellter Spielplatte das Gewicht senkrecht unterhalb des Umkehrpunktes herab hängt. Das lose Ende kann dann irgendwo im xy-Koordinatensystem sein.
Die Durchführung des Versuchs
Man stellt das Spielbrett einigermaßen steil auf, so, dass das Gewicht nach unten ziehen kann. Man platziert das lose Ende des Seils irgendwo an einem gut ablesebaren Punkt (x|y) im Koordinatensystem, etwa bei (8|4). Das Seil sollte jetzt straff gespannt hin zum Umkehrpunkt bei (0|10) gehen und von dort senkrecht nach unten irgendwo auf einem Punkt auf der y-Achse hängen. Wo das untere Ende des Gewichts die y-Achse schneidet, wird dann der z-Wert abgelesen:
- x steht für die x-Koordinate des losen Endes des Seiles.
- y steht für die y-Koordinate des losen Endes des Seiles.
- z steht für die Höhe des Gewichts, gemessen als y-Wert.
Schreibe nun für einige, zum Beispiel zehn, xy-Positionen des losen Seilendes die dazugehörigen z-Werte (Position des Gewichts auf der y-Achse) auf. Eine übersichtliche Form der Darstellung ist zum Beispiel eine Wertetabelle ↗
Mathematische Betrachtungen
Fragestellung 1: Daten sammeln
Als Beginn vieler Betrachtungen ist es sinnvoll, sich erst einmal ein paar sichere Ergebnisse zu beschaffen. In der Mathematik und Physik sind das oft Sammlungen von mölgichst sicheren Werten, die man dann in einer Wertetabelle zusammen stellt.
Wenn man den Versuch wirklich als Mechanik aufbaut, etwa mit Magnethaken an einer Tafel, dann kann man ganz praktisch Messwerte bestimmen. Als ganz allgemeine Erinnerung dazu siehe zum Beispiel Tabelle aus Versuch ↗
Kann man den Versuch nicht wirklich aufbauen, so kann man oft dennoch einige einfache Sonderfälle finden, die dann zuverlässige Daten geben. Als Tipp: wenn man das lose Ende irgendwo entlang der y-Achse platziert oder irgendwo entlang einer waagrechten Linie die auf der Höhe des Umkehrpunktes U liegt, kann man mit wenig rechnen recht sicher zu einigen zuverlässigen Daten gelangen.
Angenommen der Umkehrpunkt läge bei y=10 und das Seil habe eine Länge von 12, dann kann man recht sicher angeben: f(8|10)=6. Zur Probe: wenn das Seilende L bei (8|10) liegt, dann liegt es auf derselben Höhe wie U aber 8 Schritte nach rechts. Damit bleiben für das Seil unterhalb des Umkehrpunkten von den 12 Einheiten Gesamtlänge noch 4 Einheiten übrig. Das Gewicht hängt damit 4 Einheiten unterhalb des Umkehrpunktes, also bei y=6 oder z=4. Es gibt noch mindestens vier weitere solche einfach bestimmbaren Datensätze.
Lösung zeigen
f(0|10)=-2; f(0|14)=2; f(0|22)=10; f(1|10)=-1; f(2|10)=0; f(12|10)=10; f(0|0)=8
Für eine bessere Übersicht kann man die so gewonnen Daten auch in einer Tabelle oder sonst irgendwo angenehme für das Auge darstellen. Eine saubere und übersichtliche Darstellung entlastet dem Kopf beim Denken.
Fragestellung 2: z=f(x;y)?
Man kann nun mit den Messwerten versuchen eine Funktionsgleichung z=f(x;y) zu finden: welche Rechnung könnte man mit dem x- und y-Wert eines bestimmten Punktes durchführen, um damit immer einigermaßen genau den dazugehörigen z-Wert zu erhalten?[2] Siehe auch zweidimensionale Funktion ↗
Ein guter erster Schritt ist es, das Problem zunächst ganz in Worten zu formulieren, im Stil einer Textaufgabe. Wer sich bei der Rechenaufgabe 4 geteilt durch 0,5 unsicher ist, wird schnell und sicher damit zurecht kommen, wenn die Aufgabe in Sprache daherkommt: man hat 4, wie viele 0,5er stecken da drin? Versuche auf ähnliche Weise die Frage nach der gesuchten Höhe z des Gewichts in Sprache zu fassen. Je mehr Worte man am Anfang produziert, desto besser ist es oft.[5] Wie könnte man das Problem in Worten fassen?
Lösung zeigen
Der gesuchte z-Wert ist von der Zahl her her gleich der Strecke von der x-Achse bis zum y-Wert am unteren Ende des Gewichtes. Diese Länge ist gleich der Streckenlänge von x-Achse bis zum Umkehrpunkt U vermindert um diejenige Teillänge des Seiles S, die vom Umkehrpunkt nach unten unten. Die Teilänge des Seiles S, die nach unten hängt, ist gleich der Gesamtlänge S des Seiles vermindert um jene Teillänge, die rechts vom Umkehrpunkt liegt. Die Teillänge des Seiles S, die rechts vom Umkehrpunkt liegt ist die Hypotenuse eine rechtwinkligen Dreiecks. Die waagrechte Kathete des rechtwinkligen Dreiecks ist gleich lang wie der gegebene x-Wert des losen Ends L. Die senkrechte Kathete ist gleich lang wie der Unteschied des y-Wertes von U und des y-Wertes des losen Ende des losen Endes L.
Die rechnerische Lösung, die Funktionsgleichung, ist tatsächlich recht einfach. An 'schwieriger' Mathematik enthält sie lediglich den Satz des Pythagoras. Was also ist die gesuchte Funktionsgleichung?
Lösung zeigen
z=U-(S-√[(U-y)²+x²])
- z = Höhe des unteren Ende des Gewichts, gemessen als y-Wert
- U = y-Koordinate des Umkehrpunktes für das Seil
- S = die Gesamtlänge des Seils
- √ = das Wurzelzeichen für die Quadratwurzel ↗
- y = die y-Koordinate des losen Endes Rechts
- x = die x-Koordinate des losen Endes Rechts
Tatsächlich haben auch gestandene Ingenieure und Physiker längere Zeit gebraucht, um die richtige Lösung zu finden. Die Idee mit dem Pythagoras kam meistens schnell. Hantierig war es die unübersichtlichen Längenverhältnisse richtig im Kopf zu sortieren.
Fragestellung 3: der Definitionsbereich
Der Definitionsbereich sind hier die Kombinationen von x und y, die man sinnvollerweise einsetzen kann, um damit die Höhe z des unteren Endes des Gewichts zu berechnen.[6] Wenn als Vorbile eine reale, physikalische Mechanik gedacht wird, so ist so ist es beispielsweise sinnvoll, dass das Gewicht G nicht über den Um hinaus nach oben angehoben werden kann. Ferner kann man - willkürlich aber nicht ganz ohne Sinn - festlegen, dass die x-Achse für den Boden stehe. Damit hat man einen sinvollen Wertebereich[7] von z=0 bis z=U. Wie nun aber sieht der Definitionsbereich von x und y aus? Wie könnte man diesen angebeben, sodass nur xy-Wertepaare zugelassen sind, die auch zu zulässigen z Werten führen?
Fragestellung 4: 3D-Graph
Man kann den Graphen der gesuchten Funktion in einen dreidimensionalen xyz-Koordinatensystem darstellen. Es entsteht dann eine irgendwie gewölbte oder geknickte Fläche. Wie sieht der Graph für den pythagoreischen Aufzug aus? Siehe dazu auch 3D-Graph ↗
Fragestellung 5: partielle Ableitung
Die partielle Ableitung gibt an, wie stark sich der abhängige Funktionswert z im Verhältnis zu einer Änderung des Wertes einer der unabhängigen Variablen ändert. Für den pythagoreischen Flaschenzug kann man fragen: wie viel mal so stark ändert sich z wie x oder, alternativ, wie viel mal so stark ändert sich z wie y.
∂z/∂x: um sich die partielle Ableitung nach x anschaulich vorzustellen, ändert man mit dem Magnethaken den Wert von x um kleine Beträge. Dabei muss aber der y-Wert konstant gehalten werden. Praktisch heißt das, dass man den Magnethaken nur horizontal, parallel zur x-Achse, also nach links oder rechts nicht aber nach oben oder unten bewegen darf. Für jede x-Änderung bestimmt man dann die dazugehörige z-Änderung. Das Verhältnis der z-Änderung zur (kleinen) x-Änderung ist dann die partielle Ableitung ∂z/∂x.
∂z/∂y: um sich die partielle Ableitung nach y anschaulich vorzustellen, ändert man mit dem Magnethaken den Wert von y um kleine Beträge. Dabei muss aber der x-Wert konstant gehalten werden. Praktisch heißt das, dass man den Magnethaken nur vertikal, parallel zur y-Achse, also nach oben oder unten nicht aber nach links oder rechts bewegen darf. Für jede y-Änderung bestimmt man dann die dazugehörige z-Änderung. Das Verhältnis der z-Änderung zur (kleinen) y-Änderung ist dann die partielle Ableitung ∂z/∂y.
Die partielle Ableitung gehört in das Gebiet der Höheren Mathematik. Sie wird meist erst an Hochschulen vermittelt. Sie spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle in der Thermodynamik und den Wirtschaftswissenschaften. Siehem mehr unter partielle Ableitung ↗
Fragestellung 6: der Gradient
Der Gradient, auch oft totales Differential oder totale Ableitung genannt, gibt die größtmögliche Steigung an einem Punkt auf dem Graphen nach der Richtung und nach der Stärke an. Die Frage ist: in welche Richtung einer gemeinsamen Änderung von x- und y-Werten ändert sich der z-Wert am stärksten?
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was die totale Ableitung meinen kann, setzt man den Magnethaken an irgendeine Position im xy-Koordinatensystem. Von dort aus sucht man dann die Richtung, in die man den Magnethaken eine kurze Strecke verschieben kann, um die maximal größte Veränderung des z-Wertes zu erzielen. Die totale Ableitung als mathematische Funktion gibt diese Richtung mit Hilfe von Vektoren an. Siehe mehr unter Gradient eines Skalarfeldes ↗
Fragestellung 7: Kurvenschar
Wie ändern sich die Funktionen f(x) und f'(x) sowie der Graph und die partielle und totale Ableitung, wenn man die Länge s des verwendeten Seils verändert? Wenn man die Seillänge parametrisiert, kann man eine eine Kurvenschar, auch Funktionen oder Funktionsschar z=fₛ(x;y) erstellen. Siehe auch Kurvenschar ↗
Ein ähnliches Problem
Wer diese Art der Betrachtung zu einfach oder einfach nur ansprechend findet, kann eine nächsthöhere Stufe der Schwierigkeit angehen: beim pythagoreischen Flaschenzug ist als eine Art Schikane die Änderung des z-Wertes durch eine doppelte Seilführung (Flaschenzug) um vermindert:
Der Versuch kann auf einen Holzbrett, oder wie im Video gezeigt, auch an einer großen Tafel aufgebaut werden.
Eine ausführliche Beschreibung des pythagoreischen Flaschenzuges, mit beispielhaften Messwerten und Vorschlägen zu weiteren Betrachtungen der höheren Mathematik steht auf pythagoreischer Flaschenzug (zweidimensionale Funktion) ↗
Fußnoten
- [3] Dem Deutschen Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) zufolge ist pythagoreisch das korrektive Adjektiv zu Pythagoras. In: der Artikel "pythagoreisch". Online: https://www.dwds.de/wb/pythagoreisch
- [2] Ähnlich wie beim hier vorgestellten pythagoreischen Aufzug geht es auch beim pythagoreischen Flaschenzug um eine zweidimensionale Funktion. Der z-Wert hängt aber über einen geometrischen Flaschenzug von den x- und y-Werten ab. Das macht die mathematische Behandlung etwas schwieriger. Siehe auch Pythagoreischer Flaschenzug (zweidimensionale Funktion) ↗
- [3] Wenn eine Funktion genau zwei reelle Zahlen als Argumente hat, das heißt man kann zwei voneinander unabhängige reelle Zahlen in den Funktionsterm einsetzen, nennt man eine solche Funktion auch zweidimensional: Eine "Funktion zweier Variabler" ist eine Funktion mit "zweidimensionalem Input", seit "neuerer Zeit" bezeichne man eine solche Funktion auch als "bivariat". In: Guido Walz: Spektrum Lexikon der Mathematik. Band 2: Eig bis Inn; 2001; ISBN: 3-8274-0437-7. Dort der Artikel zu "Funktion zweier Variablen". Seite 201. Siehe auch zweidimensionale Funktion ↗
- [4] ℝ² ↦ ℝ liest man als: R-zwei wird abgebildet auf R. Das heißt, dass jedem Punktepaar xy (entspricht dem ℝ²) genau eine reelle Zahl (entspricht dem ℝ) zugeordnet wird.
- [5] Welche Bedeutung die Versprachlichung für das Rechnen und die Mathematik hat sieh im Artikel Rechnen und Sprache ↗
- [6] Zur allgemeinen Idee siehe auch Definitionsbereich ↗
- [7] Zur allgemeinen Idee siehe auch Wertebereich ↗