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Kreativität


Tipps


Basiswissen


Leonardo da Vinci ersinnt Jahrhunderte vor der neu-Erfindung ein Fahrrad mit Kettenantrieb: Etwas Neues und nicht Offensichtliches erschaffen zu können nennt man Kreativität. In der Mathematik und den Naturwissenschaften ist Kreativität eng mit der Fähigkeit verbunden, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachen zu können. Hier stehen praktische Tipps aus der Praxis der Lernwerkstatt Mathematik in Aachen zum kreativen Umgang mit Themen aus der Schule.

Ein Komiker gibt Tipps


Was wir im Unterricht mit Schülern, Studenten und Auszubildenden seit 2010 beobachten deckt sich sehr gut mit den Tipps des englischen Weltklasse-Komikers John Cleese. Cleese wurde vor allem in den 1970er und 1980er Jahren berühmt mit der Gruppe Monty Python und später in seiner Star Rolle als Basil Fawlty. In einem kleinen und sehr gut lesbarem Büchlein[1] beschreibt Cleese, was ihm half, gute Ideen zu finden. Cleese erinnert sich in dem Buch, dass er Mathematik und die Naturwissenschaften in seiner Schulzeit als trocken und frei von jeder Kreativität empfand. Seine Tipps können helfen, auch mit Zahlen und Formeln kreativ umgehen zu können.

Rechen-Beispiel


Man soll zwei Zahlen finden, die aufaddiert genau 100 ergeben und die miteinander multipliziert ein Ergebnis möglichst nahe an 40 ergeben. Die Zahlen 90 und 10 geben zusammenaddiert zwar hundert, ihr Produkt 900 liegt aber ziemlich weit entfernt von der 40. Kreativität hilft bei der Suche nach einer besseren Lösung. Weiter unten in diesem Text stehen einige Lösungsideen.

Kein Zeitdruck


Man sollte sich vollständig gegenüber dem Alltag abschotten: keine Mails, keine Telefonate, kein Multitasking nebenher. Die Quelle der Ideen ist das Unterbewusstsein. Das Unterbewusstsein braucht Zeit und Ruhe, um sich an der Oberfläche unserer Wahrnehmung bemerkbar machen zu können. Für größere Aufgaben oder Themen sollte man sich mindestens einen gut geschützten Zeitblock von 90 Minuten aus dem Alltag frei nehmen.

Kein Ergebnisdruck


Für die Zeit der kreativen Suche muss es völlig unwichtig sein, ob man zu einer Lösung kommt oder nicht. Kreativität ist nicht per Knopfdruck abrufbar. Alle Ideen werden positiv aufgenommen und weitergesponnen. Es gibt kein falsch und richtig. Es wird nichts bewertet. Man geht spielerisch mit den Problemen um und betrachtet sie aus verschiedenen Perspektiven.

Sich reinfuchsen


Im englischen Originalwortlaut von John Cleese heißt es: "to stick with a problem", auf deutsch so viel wie reinfuchsen oder reinfressen in ein Thema: je länger man über einem Problem brütet, desto mehr wird im Unterbewusstsein aktiviert. Das Unterbewusstsein arbeitet dann eigenständig von alleine weiter und schickt oft Tage später plötzlich Ideen ins Bewusstsein. Das empfinden wir dann als eine sogenannte Intuition ↗

Denk-Modi wechseln


Dieser Tipp stammt nicht mehr von John Cleese, sondern aus unserer Erfahrung in der Lernwerkstatt in Aachen: man versucht, Probleme in Worte fassen, selbst Fragen als ganze Sätze formulieren, gleichzeitig Modelle bauen, etwa aus Knete, Würfeln, Steinen, Skizzen anfertigen und immer wieder: Ideen mit einfachen echten Zahlen durchrechnen. Je mehr Sinnenskanäle und denkweise für ein Problem angeregt werden desto mehr Ideen kommen. Siehe dazu auch Triple-Code Modell ↗

Denkstrukturen hinterfragen


Hast du versucht, das Rechenproblem von oben zu lösen? Welche zwei Zahlen, die zusammenaddiert 100 ergeben, kommen malgerechnet möglichst nah an die 40? Ist deine Lösung das Zahlenpaar 1 und 99? Mit dieser Lösung ist man 49 Schritte von der 40 entfernt. Solange man nur mit natürlichen Zahlen denkt, ist das die optimale Lösung. Diese Einschränkung machen viele Personen unbewusst. Wenn man aber auch die 0 mit hinzunimmt, dann gibt das Zahlenpaar 0 und 100 eine bessere Lösung. Man ist damit nur noch 40 Schritte von der 40 entfernt, also deutlich näher dran als mit 99 und 1. Und wenn man nun auch mit echten Kommazahlen denkt, dann wäre auch zum Beispiel 0,5 und 99,5 möglich. Das Produkt davon ist 49,75, womit der Abstand zur 40 nur noch 9,75 beträgt. Kann man eine noch bessere Lösung finden?

Schöpferische Zerstörung


Weglassen ist oft wichtig. Der schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911 bis 1991) unterstrich das am Beispiel von literarischen Werken. Im Jahr 1949 schrieb er: "Wie oft beim Anblick ganzer Lebenswerke: was die Größe eines Lebenswerkes entscheidet, ist nicht so sehr die Größe des schöpferischen Vermögens, sondern das Verhältnis zwischen dem schöpferischen und kritischen Vermögen. Bei Hauptmann erscheint das Schöpferische oft ohne jedes Spalier, verwuchert sich in ein Solala, das mancher Mindere sich versagen würde; das Urteil hält nicht Schritt, die Schere des Gärtners kommt nicht nach. Man könnte sich auch die umgekehrte Gefahr denken: das kritische Vermögen ist überwach, voreilig, selbstherrlich, so daß es das Schöpferische, das vorerst immer einer gewissen Schonung bedarf, schon in Keime umbringt.[1]" Siehe auch Kreativität ↗

Kreativität in der Wissenschaft


Im Januar des Jahres 1912 im naturkundlichen Senckenberg Museum in Frankfurt: der junge Meteorologe Alfred Wegener stellt in einem Fachvortrag vor anerkannten Wissenschaftlern seine Idee der Kontinentalverschiebung vor. Was heute in jedem Schulbuch vermittelt wird erzeugte damals nur Spott. Es sollte bis in die 1950er Jahre dauern, bis Wegeners Ideen von der Fachwelt anerkannt wurden. Er selbst durfte das aber nicht mehr erleben. Wegener kam mit 50 Jahren in einem Schneesturm auf Grönland ums Leben. Kreativität, auch erfolgreiche, ist in der Wissenschaft ein gefährliches Wagnis. Wissenschaftler bilden sogenannten Denkkollektive[6], die mit der Zeit erhärten und sich gegen neue Ansichten absperren. Nur wenn es gelingt, die eigenen oft unbewussten Denk-Vor-Urteile bewusst zu fassen, kann man sich auch kreativ auf ganz neue Denkmuster einlassen. Dazu benötigt man eine geistige Grundhaltung der Unentschiedenheit[7]. Man sollte - in Übereinstimmung mit John Cleese - Dinge möglichst auf die lange Bank schieben und aus möglichst vielen Blickwinkeln betrachten können. Beispiele für Themen, die in der Forschung ungeklärt sind und zur Lösung Kreativität benötigen stehen unter Forschungsfragen ↗

Fußnoten