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Google-Effekt


Psychologie


Definition


Als Google-Effekt bezeichnet man die vermutete oder reale Tatsache, dass sich Menschen Wissen schlechter merken, wenn sie sicher sind, dieses Wissen jederzeit auch digital wieder abrufen zu können. Auch wenn der Effekt tatsächlich gemessen werden kann, darf man daraus noch nicht auf eine zurückgehende Merkfähigkeit von Menschen schließen. Das ist hier kurz erläutert.

Ein realer Effekt: man merkt sich weniger


Eine Studie aus dem Jahr 2011 zeigte, dass Menschen sich Faken umso weniger merken, je eher sie wissen, dass sie sie auch online erneut abrufen können. Gleichzeit stieg die Fähigkeit sich daran zu erinnern, wo oder wie man die Information abrufen kann. Originalzitat aus der Studie: "The results of four studies suggest that when faced with difficult questions, people are primed to think about computers and that when people expect to have future access to information, they have lower rates of recall of the information itself and enhanced recall instead for where to access it. The Internet has become a primary form of external or transactive memory, where information is stored collectively outside ourselves.[1]" Siehe auch Arbeitsgedächtnis ↗

Ein Trugschluss: die Fähigkeit geht zurück


Die originale Studie aus dem Jahr 2011 stellt eine Tendenz fest, sich Informationen schlechter zu merken, die jederzeit auch online wieder auffindbar sind. Die Studie sagt aber nichts über die Fähigkeiten sich Informationen überhaupt merken zu können. Es wäre also voreilig, hier von einem Verlust von Fähigkeiten, oder gar eine Verdummung oder Demenz[2] zu sprechen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass Studierende sich Wörterlisten besser merken konnten, wenn sie vorher gelernte Liste vor dem Lernen der neuen Liste zuverlässig speichern konnte. Die Autoren vermuten, dass das sichere Speichern von Informationen das Arbeitsgedächtnis entlastet und frei macht für kreative, neue Tätigkeiten[3]. Das Konzept, dass wir unsere physikalische Umwelt zunehemend zu einer Art externem Gedächtnis machen heißt in der Philosophie auch erweiterter Geist [extended mind] ↗

Kreativität und Ideenfindung


Die hier kurz zitierten Studien beschäftigten sich mit dem eher mechanischen Aspekt von Lernen: Fakten oder Informationen speichern und wieder abrufen. Ein noch nicht behandelter Aspekt ist das Lernen auf Verständnis, was man im englischen auch Deep Learning nennt, oder die Fähigkeit zur Kreativität. Um etwa tiefere Analogien zwischen der biologischen Evolution und wirtschaftlichen Prozessen zu erkennen, muss man gleichzeitig ein umfangreiches Wissen im Kopf haben. Die Gedanken müssen schnell und sicher Zugriff auf diese Informationen haben, um in ihnen nach Mustern und größeren Bildern im Sinne von Zusammenhängen zu suchen. Oft kommt man erst Tage oder sogar Wochen nach einer intensiven Beschäftigung mit einem komplexen Thema zu einem Aha-Erlebnis. Die dazu nötige Zeit nennt man die Inkubation (Psychologie) ↗

Besteht die Gefahr einer soziointegrativen Degeneration?


Je weniger Wissen wir im Kopf haben, desto weniger gut funktioniert Deep-Learning und desto weniger kommen wir zur Erkenntnis größerer Zusammenhänge. Wir können uns vielleicht immer besser merken, wo wir Informationen abrufen können, wir erkennen in diesen Informationen immer schlechter größerer Bilder. So gedacht wäre eine mögliche Langzeitfolge des Google-Effekt eine sogenannte soziointegrative Degeneration ↗

Fußnoten