Inkubation (Psychologie)
Definition
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Basiswissen|
Zitate|
Konsequenzen|
Pauken|
Tiefenlernen|
Serendipität|
Intelligent confusion|
Grenzen|
Fußnoten
Basiswissen
Man erinnert sich an einen alten Schulfreund. Das Gesicht, die Sprechweise und viele gemeinsame Momente stehen klar vor dem inneren Auge. Aber der Name fällt einem nicht ein. Man überlegt über Stunden erfolglos. Plötzlich, vielleicht am nächsten Tag, taucht der Name im Bewusstsein auf: diese Zeit einer unbewussten Mitwirkung des Unterbewusstseins nennt man Inkubation[1]. Die Inkubationszeit gezielt nutzen zu können fördert sehr die Kreativität. Das Ergebnis einer Inkubation sind oft gute Ideen oder auch gute Fragen.
Zitate
ZITAT:
Henri Poincare, 1908: "Was mir vor allem auffällt ist das Phänomen der plötzlichen Erleuchtung, die deutliche Zeichen einer langen, vorangegangenen unbewussten Arbeit sind; die Rolle dieser unbewussten Arbeit bei der mathematischen Erfindung scheint mir unbestreitbar."[1]
Henri Poincare, 1908: "Was mir vor allem auffällt ist das Phänomen der plötzlichen Erleuchtung, die deutliche Zeichen einer langen, vorangegangenen unbewussten Arbeit sind; die Rolle dieser unbewussten Arbeit bei der mathematischen Erfindung scheint mir unbestreitbar."[1]
Die durch Inkubation geförderte Erleuchtung ist einer von vier Schritten bei der Gewinnung neuer Erkenntnis mit Hilfe von Assoziationen:
ZITAT:
Graham Wallas, 1926: "Wenn wir einen einzelnen erfolgreichen Gedanken betrachten, können wir vier Stadien unterscheiden: Vorbereitung, Inkubation, Erleuchtung und Prüfung"[2]
Graham Wallas, 1926: "Wenn wir einen einzelnen erfolgreichen Gedanken betrachten, können wir vier Stadien unterscheiden: Vorbereitung, Inkubation, Erleuchtung und Prüfung"[2]
Man kann diese Art von Erleuchtung fördern, indem man die eigentliche Arbeit gezielt ruhen lässt. Dabei kann man mindestens zwei Stufen der Enthaltung unterscheiden:
ZITAT:
Graham Wallas, 1926: "Die Inkubation können wir einrichten indem wir entweder über andere Dinge als das eigentlich interessierende Problem nachdenken. Oder aber wir enthalten uns ganz jeder Art bewussten Denkens. Diese zweite Form der Inkubaiton ist oft nötig für die schwereren Typen geistiger Arbeit. Diese würde duch die Einschaltung von passivem Lesen gestört werden."[2]
Graham Wallas, 1926: "Die Inkubation können wir einrichten indem wir entweder über andere Dinge als das eigentlich interessierende Problem nachdenken. Oder aber wir enthalten uns ganz jeder Art bewussten Denkens. Diese zweite Form der Inkubaiton ist oft nötig für die schwereren Typen geistiger Arbeit. Diese würde duch die Einschaltung von passivem Lesen gestört werden."[2]
Die Idee mit der Inkubation hatte sich dann festgesetzt:
ZITAT:
Jacques Hadamard, 1954: "Einer Erleuchtung geht meist eine Zeit der Inkubation voraus, in der die Studien und das ganze Fach gänzlich ruhten."[3]
Jacques Hadamard, 1954: "Einer Erleuchtung geht meist eine Zeit der Inkubation voraus, in der die Studien und das ganze Fach gänzlich ruhten."[3]
Im Jahr 1962 frug ein Reporter der New York Times, die Krimi-Autorin Agatha Christie, wie es ihr gelänge, Bösewichte zu ersinnen, die sich dann 300 Millionen mal verkaufen lassen:
Konsequenzen
Wie kann man diesen psychologischen Effekt der Inkubation, einer Mitarbeit des Unterbewusstsein, für sich nutzbar machen? Zunächst muss man entscheiden, bei welcher Art des Lernens man darauf überhaupt zurückgreifen will. Man kann das Erlernen von Routinetätigkeiten vom Lösen schwerer Probleme in neuem Gebiet unterscheiden.
Pauken
Zum reinen Pauken, etwa dem Auswendig-Lernen von Ableitungsregeln, braucht man keine Inkubationszeit. Man setzt sich hin, macht hunderte von Ableitungen. Und mit der Zeit wird man besser. Man kann vielleicht beobachten, dass man nach zwei Monaten Nichtbeschäftigung mit dem Thema plötzlich noch einmal sicherer wurde. Aber hier die Inkubation kein notwendiger Schritt zu einer schwierigen Erkenntnis sondern eher der Effekt des langsamen Einsickerns von Neuem in bekannte Wissensstrukturen.
Tiefenlernen
Ein guter Anwendungsfall für das Lernen mit Inkubationszeiten bietet unter anderem die Quantenphysik. Man wird mit vielen neuen Formelzeichen, Worten, Konzepten konfrontiert. Bekannte alte Konzepte aus der Physik der Mittelstufe spielen plöthlich keine Rolle mehr (z. B. Lichtstrahl) oder sie werden radikal in Frage gestellt (z. B. die Flugbahn eines Elektrons). Bei anderen Begriffen scheint man erst langsam zu merken, dass sie irgendwie auf eine diffuse Weise wichtig sind, aber man kriegt es nicht so recht gepackt (Superposition, Objektivität, Wahrscheinlichkeitsfeld). Um hier die Inkubationszeit zu nutzen einige, Tipps:
- Lange, lange vor Klausuren anfangen, sich intenstiv in Probleme hinein zu denken.
- So lange in ein Problem hineinfresse, bis man alle Ideen (erfolglos) ausgeschöpft hat.
- Dann zu diesem Stand der Erkenntnis eine lange Notiz anfertigen, die alle Gedanken festhält.
- Die Notiz solle auch noch einmal den aktuellsten Stand der Problemstellung eng fassen.
- Dann das Problem ruhen lassen (Stunden, Tage, Wochen, Monate). Auf Erleuchtungen hoffen.
- Wenn eine Erleuchtung kommt: die alten Notizen aufgreifen und versuchen, die Idee auf Herz und Nieren zu prüfen.
- Falls die Idee gut war: alles umfangreich aufschreiben.
- Alles zusammen ist Teil vone einem Deeper Learning ↗
Serendipität
Ein verwandter oder mitspielender Mechanismus, irgendwo zwischen dem unbewussten und dem bewussten Danken angesiedelt ist die sogenannte Serendipität. Ein berühmter solche Fall wird aus den frühen 1980er Jahren berichtet. Ein gewisser Peter Russell hat Satellitenbilder von der Erde betrachtet. Dabei erkannte er schlagartig Analogien zu lebenden Wesen. Das war die Geburtsstunde der Metapher vom globalen Gehirn.[8] Siehe mehr unter Serendipität ↗
Intelligent confusion
Interessant ist auch, dass das Ergebnis einer erfolgreichen Inkubation nicht immer nur die Lösung eines Problems sein muss. Oft sind es auch neue Aspekte oder Fragestellungen, die einem vorher noch nie gekommen sind. In diesem Fall führt die Inkubation oft auch zu einer intelligent confusion ↗
Grenzen
Es ist auch wichtig, die Grenzen dieser Methode zu kennen. Wer in einem zeitlich eng getaktetn Korsett in schneller Abfolge schnell wechselnde Inhalte Lernen will, wie es oft von einem Studienplan an Universitäten vorgegeben ist, kann die Inkubationszeit selten nutzen. Man muss dann seine Lernmethoden umstellen, etwa auf Bulimielernen ↗
Fußnoten
- [1] Henri Poincare im Original von 1908: "Ce qui frappera tout d’abord, ce sont ces apparences d’illumination subite, signes manifestes d’un long travail inconscient antérieur; le rôle de ce travail inconscient dans l’invention mathématique me paraît incontestable." In: Henri Poincare: Science et méthode (Edition définitive). Verlag E. Flammarion. Paris,1908. Dort im Kapitel "CHAPITRE III. L'invention mathématique" Online: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k9691658b.texteBrut
- [2] "At what stages in the association-process should the thinker bring the conscious effort of his art to bear? If we examine a single achievement of thought we can distinguish four stages — Preparation, Incubation, Illumination (and its accompaniments), and Verification." Sowie zur Intensität des Nichtstuns: "Incubation stage we can consciously arrange, either to think on other subjects than the proposed problem, or to rest from any form of conscious thought. This second form of Incubation is often necessary for the severer types of intellectual production, which would be hindered either by interruption or by continuous passive reading." In: Graham Wallas: The Art of Thought. Herausgegeben von Butler & Tanner. London. 1926. Online: https://archive.org/details/theartofthought
- [3] Im englischen Original: "illumination being generally preceded by an "incubation" stage wherein the study seems to be completely interrupted and the subject dropped. "Sehr ausführlich ist der Effekt der Inkubationzeit im Sinne kreativer mathematischer Erfindungen beschrieben in: Jacques Hadamard: The Psychology of Invention in the Mathematical Field. 1945. Princeton University Press. Nachdruck von 1954. Dort die Seite 13.
- [4] Die Frage des Reporters: "How do you concoct whodunits that have rolled up world sales of 300-million copies? Ask Agatha Christie." Die Antwort Christies: “Walking or just washing up, a tedious process,” replied the Queen of Mystery. “Years ago I got my plots in the tub, the old-fashioned, rim kind — just sitting there thinking, undisturbed, and lining the rim with apple cores.”In: 1966 October 27, New York Times, Quiet Murders Suit Miss Christie: Visiting Writer Still Prefers to Keep Crime in Family by Howard Thompson, Quote Page 57, Column 1, New York.
- [5] Peter Russell: The Awakening Earth Our Next Evolutionary Leap. 1982. ISBN: 978-086315-616-8. Siehe auch Global Brain ↗