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Ulrich Warnkes Quantenphilosophie


Pseudowissenschaft


Basiswissen


Professor Dr. Ulrich Warnke arbeitete an der Universität des Saarlandes in verschiedenen Disziplinen, unter anderem: Physik, Biologie, Medizin. Er verbindet naturwissenschaftliche mit spirituellen Begriffen. Kritiker halten seine Ansichten für Pseudowissenschaft. Dazu einige Beispiele.

Dualismus als Inselposition


Nach Warnke ist der Wille des Menschen ein geistiges Phänomen. Der Wille zu sprechen sei eine Beeinflussung der Materie des Körpers durch den Geist. Mit Hilfe des Willens könne der Geist Aktionspotentiale auslösen [Warnke 2013]. Tatsächlich wurde genau dieser Gedanke von Nobelpreisträger John Carew Eccles wissenschaftlich als Hypothese ausformuliert [4]. Die zugrundeliegende philosophische Position nennt man Dualismus. Pseudowissenschaftlich wird Warnkes Darlegung dadurch, dass konkurrierende Positionen (etwa Epiphänomenalismus) unerwähnt bleiben. Warnke stellt den Dualismus als alternativ, selbstverständlich oder offensichtlich dar. Das ist er aber nicht. Siehe auch Dualismus ↗

Subquantenebene als Pseudophysik


Warnke führt aus, dass man zur Beeinflussung der Aktionspotentiale nicht nur auf die Ebene der Biophysik hinuntergehe, sondern auf die darunterliegende Quanteneben, die die Grundlage der Physik sei, und noch eine Ebene tiefer auf die Subquantenebene. Denn: man muss Informationen für Elektronenverbindungen beeinflussen [Warnke 2013]. Hier ist anzumerken, dass "Information" bisher keine anerkannte physikalische Größe ist. Der Informationsbegriff gilt als sehr schwierig, siehe auch Information ↗

Elektroneigenschaften als Pseudophysik


Atome werden über Elektronen zu Molekülen verbunden. Die Eigenschaften der Elektronen lägen dabei in einem Rotationsprinzip, das man Spin nennt. Diesem Spin müsse der Geist Information geben sodass letztendlich Zellvorgänge effektiv beeinflusst werden können [Warnke 2013]. Hier ist anzumerken, dass Warnke keine Begründung dafür liefert, warum ausschließlich der Spin zu betrachten sein. Unerwähnt bleibt auch, dass manche Quantenobjekte (z. B. Photonen) keinen Spin haben.

Pionierleistung als attraktive Attitüde


Warnke erwähnt dann, dass sich bisher kein Mensch darum gekümmert habe, diesen Weg "anzugucken" [Warnke 2013]. Hier muss hinterfragt werden, wozu Warnke die einschlägige Arbeiten vieler anderer Wissenschaftler unerwähnt lässt, etwa von John Carew Eccles ↗

Framing und Suggestion


Warnke stellt in dem Vortrag explizit die Frage: "Wie konnte ich mit meinem Willen meinen Körper steuern" [Warnke 2013]. Mit der Frage wird implizit die Aussage transportiert, dass der Wille den Körper steuern kann. Dies gilt aber in der Forschung keineswegs als ausgemachte Sache. Vielmehr wird auch diskutiert, ob der Wille eine bloße Begleiterscheinung der Materie sein könnte, ein reines Epiphänomen ↗

Masterfelder als Pseudophysik


Die Medizin brauche "absolute Grundlagen", denn es gäbe "Felder, energetische Felder", "Masterfelder", die "alles bewegen" [Warnke 2013]. Wer hätte nicht gerne absolute Grundlagen? Hätte diese nicht auch gerne der Physiker oder Jurist? Seriöse Wissenschaftler sind sich der Tatsäche bewusst, dass es "absolute Grundlagen" der Erkenntnis nicht gibt. Sie sind sich bewusst, dass alles Wissen auf willkürlichen Annahmen beruht. Das klassische Beispiel für diese vorsichtige Haltung seriöser Wissenschaftlicher ist Kants Ding an sich ↗

Vorwurf der Ignoranz


Warnke wirft der Wissenschaft vor, dass sie leicht nachzuweisende Fakten ignoriere, und zwar: physikalische, physiologische und pathologische [Warnke 2013]. Hier muss angemerkt werden, dass "die Wissenschaft" schwer greifbar ist und besser nicht personifiziert werden sollte. Wer ignoriert die Fakten? Kollegen aus Warnkes Fachdisziplin? Alle Wissenschaftler? Hat er wirklich alle Veröffentlichungen gesichtet? Personifizierungen von heterogenen Menschengruppen sind ein häufiges Merkmal pseudowissenschaftlicher Argumentationen. Siehe auch Ignoranz ↗

Mainstream-Weltbild und das Asterix-Syndrom


Warnke kündigt an, Phänomene zu vorzustellen, die - wenn sie denn belastbar existieren - zeigen, dass unser Weltbild nicht stimme. Er kündigt dann auch ein Modell für ein neues Weltbild an [Warnke 2013]. Hier sei gefragt wofür "unser Weltbild" steht. Tatsächlich vertreten Wissenschaftler eine breite Palette konkurrierender Weltbilder. Das Spektrum reicht von tiefgläubigen Christen (z. B. Max Planck) hin zu freigeistigen Atheisten (z. B. Richard Dawkins). Es scheint als Wolle Warnke mit pauschalisierenden Begriffen wie "die Wissenschaft" oder "unser Weltbild" eine Art naiv hingenommene Mainstream-Meinung suggerieren, gegen die er sich nun positionieren muss. Ein so zurechtkonstruierter Mainstream als Feindbild ist ein weiteres typisches Merkmal von Pseudowissenschaft. Siehe auch Weltbild ↗

Rolle der Spins als Black-Box-Lösung


Warnke sagt, es sei "bekannt", dass die Spins letztendlich diejenigen seien, die die Quanteneigenschaften im Organismus vermitteln. Sie vermitteln die Kräfte an den Massen (das sei genau bekannt), sie vermitteln die Zeit, die diese Kraft wirkt und sie vermitteln, was relativ neu sei, Sinn und Bedeutung für eine Bindung. Von den Spins hänge alles ab, was die Bindungen beeinflusse, zum Beispiel die Coulombsche Kraft sowie die kinetische Energie und damit die elektromagnetische Kraft. [Warnke 2013] Der Verfasser hier liest relativ viel aktuelle Literatur über Physik, kann aber nirgends erkennen, dass die von Warnke angenommene große Bedeutung des Spins dort behandelt wird. Das Pseudowissenschaftliche hier ist wieder das Vage, es fehlen konkrete Zitate oder Namensnennungen. Formuliereungen wie "es ist bekannt, dass" wird man in seriösen wissenschafltichen Publikationen eher nicht finden. Statt "es ist bekannt" stünde in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zum Beispiel eine Formulierung wie "eine Forschergruppe um Andrea Ghez hat gezeigt dass" oder etwas Ähnliches.

Mens agitat molem als berechtigtes Anliegen


Zu den Spins verwendet Warnke die Redewendung, dass das Bewusstsein "in die Spins hineinarbeiten könne" (spekulativ) und wenn das so sei, dann müsse man sich das genauer ansehen [Warnke 2013]. Wieder muss betont werden, dass Warnkes Grundanliegen, nämlich die Suche nach einer Schnittstelle zwischen Geist und Bewusstsein, durchaus seriös ist. Unwissenschaftlich sind aber Formulierungen völlig bedeutungsoffene Formulierungen wie die vom "Hineinarbeiten von Bewusstsein in Spins". Siehe auch Mens agitat molem ↗

Ignorante Kollegenschaft und das Asterix-Syndrom


Bewusstsein könne im Experiment Spins beeinflussen. Das sei beweisbar und auch die Alltagserfahrung zeige, dass es möglich sei. Es würde aber niemand nach dem Prinzip fragen [Warnke 2013]. Hier sein beispielhaft angemerkt, dass bereits Erwin Schrödering einer solchen Frage nachging, etwa mit dem Vortrag "Do Electrons Think?" aus dem Jahr 1949. Neben Schrödinger beschäftigten sich eine Vielzahl weiterer Personen mit der Frage. Warnke ist hier keineswegs Bahnbrecher. Die ständige Selbststilisierung als einsamer Kämpfer gegen einen (noch) übermächtigen Feind ist ein gängiges Zeichen für Pseudowissenschaft. Siehe mehr dazu im Artikel zum Asterix-Syndrom ↗

Krankheit und Heilung als Nähe zur Esoterik


Warnke folgert logisch korrekt, dass alles was Spins beeinflusse, dann auch Krankheit und Heilung beeinflusse [Warnke 2013]. Verdächtig ist hier die häufige Bezugnahme auf Krankheit und Heilung. Das Thema spricht eine breite Gruppe von Menschen in Not an, die dann oft unkritisch jede Hoffnung aufgreift. Siehe auch Heilstein ↗

Aminosäurewinkel


Warnke erläutert, dass Proteine aus Aminosäuren aufgebaut seien und dass die Aminosäuren ganz genaue Winkel einhalten müssten, um funktionieren zu können. Krankheit sei eine Verletzung von der Form-Struktur-Gestalt.

Ur-Information


Warnke fragt, woher bei Molekülen Form-Struktur-Gestalt kommt. Die Antwort sei nach Warnke eine Ur-Information über die nötigen Winkel zum Aufbau der Verbindungen [Warnke 2013]. Was genau soll Ur-Information sein? Die ständige Verquickung wissenschaftlicher anerkannter Fachbegriffe (z. B. Aminosäure) mit vagen Worten (Ur-Information) markiert den Graubereich zwischen Seriösität und Pseudowissenschaft.

Energie als Formen-Macher


Durch die Ur-Information käme es, dass der Mensch typisch Mensch sei, das Enzym typisch Enzym und die Schneeflocke hexagonal. Das werfe die Frage auf, wer Form-Energie-Gestalt "mache". Die Antwort: "natürlich Energien", die aber nicht direkt messbar seien (Energie sei direkt nie messbar). [Warnke 2013]

Sinn und Bedeutung als Energiewirkung


Warnke führt aus, dass immer nur Folgen von Energien messbar seien und nennt Beispiele für solche Folgen: die Übertragung von "Kraft", "Zeitfluss" oder "Sinn und Bedeutung" "auf die Masse" [Warnke 2013]. Warnke erläutert, dass jedes Messgerät immer nur solche Folgen messen könne. Es ist anzumerken, dass es bisher noch kein allgemein anerkanntes Messgerät für "Zeitfluss" oder "Sinn und Bedeutung" gibt. Das Wort Zeitfluss ist kein gängiger physikalischer Begriff. Einen Begriff durch eine Messanleitung sehr eng zu definieren nennt man in den Wissenschaften Operationalisierung ↗

Bewusstsein steuert Spin


Warnke stellt dann ein Experiment vor (1990 von Davies? "referiert"), das zeigt, dass Teilchen ihren Spin immer so ausrichten, wie ein Experimentator seine Referenz-Richtung dafür wähle. Die neue Physik stelle den Geist wieder zurück an eine zentrale Stelle innerhalb der Natur [Warnke 2013]. Meint Warnke hier so etwas wie das bekannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon [?] ↗

Zwischenfazit


Warnke hält fest, dass bisher im Vortrag gezeigt wurde, dass man innerhalb des Körpers mit seinem Bewusstsein die Materie steuern könne. Diese Position - zumindest als Möglichkeit - ist unter Wissenschaftlern und Philosophen durchaus verbreitet. Warnke behauptet, dass keiner frage wie das funktioniere [Warnke 2013]. Diese Aussage ist falsch. Die Frage, wie Bewusstsein einen Körper steuern könnte ist eine zentrale Fragestellung im Rahmen der Philosophie des Geistes [4]. Das zuvor beschriebene Experiment zeige aber auch, dass das Bewusstsein auch außerhalb des Körpers wirken könne, nämlich den Spin von Elektronen beeinflusse. Dieses Konzept ist in der Philosophie bekannt als "erweiterter Geist". Warnke sagt, dass das beschriebene Experiment ein Experiment sei, dass "die Physiker" kennen. Wer aber sind "die Physiker"? Meint er einzelne Physiker damit oder eine verschworene Gemeinschaft von täuschungswilligen Mainstream-Akademikern? Ein Beispiel für ein Experiment zum Nachweis einer Fernwirkung des Bewusstseins ist der sogenannte Ganzfeldversuch ↗

Einschätzung der Seriösität


Ulrich Warnke benutzt häufig Begriffe, die nicht präzise definiert sind (Zeitfluss, Ur-Information). Er konstruiert mit rhetorischen Stilmitteln eine Vorstellung von einer homogenen "Wissenschaft", die Dinge als Ganzes kenne oder ignoriere und er positioniert sich selbst als Gegenstimme dazu. Warnke behauptet mehrfach, dass bestimmte Themen bisher noch nicht berücksichtigt worden seien, was zumindest in den hier zitierten Einzelfällen schlicht falsch ist. Stilistisch lässt Warnke in seinen Vorträgen oft Verweise auf sein wissenschaftliches Renommee einfließen, was als Versuch gedeutet werden kann, dass er mit Autorität argumentieren wolle. In einer Gesamteinschätzung tragen Warnkes Ausführungen zur Quantenphilosophie viele Züge einer Pseudowissenschaft ↗

Quellen