A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Bagges Weltalter

Historisch

© 2016 - 2025




Grundidee


Im Jahr 1953 argumentierte der Physiker Erich Bagge auf zwei sehr unterschiedliche Weisen, dass sich der hypothetische Urknall vor knapp 4 Milliarden Jahren ereignet hat[3], eine damals übliche Schätzung[11]. Heute geht man von rund 13,8 Milliarden aus. Obwohl Bagge zu einem falschen Ergebnis kam, ist sein allgemeinverständlicher Aufsatz ein Beispiel für gute Wissenschaftlichkeit. Die zwei Argumente werden hier zum Teil auch rechnerisch nachvollzogen.

Bagges Bombensplitter-Modell


Bagge beschreibt zunächt das Bild des Kosmos, wie es sich zu seiner Zeit zeigte. Er schreibt: "Vor dem geistigen Auge des Beschauers entsteht so ein fasznierendes Bild des Kosmos: In einem zentralen Punkte befindet sich ein ruhendes Sternensystem - unsere Milchstraße - , darum herum sind nach allen Richtungen des Raumes einigermaßen gleichmäßig ähnliche Weltengebilde verteilt, die mit großer Geschwindigkeit von diesem Zentrum fortstreben." Nach Bagge wäre das auch das Bild, das ein Beobachter hätte, der sich "unmittelbar nach der Detonation einer großen Sprengbombe an den Explosionsherd begäbe und die Bombensplitter verfolgte." Dabei würde der Beobachter auch feststellen, dass sich die weiter entfernten Splitter schneller von ihm fortbewegen als die näheren Splitter, denn: "Bruchstücke, die im Moment der Explosion zufällig eine große Geschwindigkeit erhielten, hätten sich weiter von ihm entfernt als andere, die von Anfang an langsamer waren." Ausgehend von diesem gut nachvollziebaren Bild, so Bagge, kann man jetzt rechnen: "Ebenso nämlich wie der irdische Beobachter aus den augenblicklichen Geschwindigkeiten der Bombensplitter und ihrer zugehörigen Entfernungen rückwärts zu berechnen vermag, vor wieviel Sekunden die Zündung des Pulvers erfolgte, kann der Astronom als „Alter der Welt“ einen Zeitraum von rund vier Milliarden Jahren angeben, den er aus der Fluchtbewegung der Spiralnebel schließt.[3, Seite 287 und 288]. Wie kann man Bagges viel zu geringes Alter der Welt von nur 4 Milliarden Jahren gegenüber den später gültigen 13,8 Milliarden Jahren erklären? Was Bagge in seinem hier zitierten Bombensplitter-Modell nicht erwähnte, war eine Expansion des Raumes. Die Fluchtbewegung der Galaxien ist nach heutiger Sicht nicht bloß eine Ausdehnung von Materie im Raum, sondern eine Ausdehnung des Raumes selbst, und das mit sogar noch unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das erklärt möglicherweise Bagges niedrigen Wert für das Weltalter. Siehe dazu auch Expansion des Universums ↗

Bagges radiometrisches Uran-Argument


Mit einer zweiten, ganz von der Fluchtbewegung der Galaxien unabhängigen Methode, kommt Bagge wiederum zu einem Alter des Universums von rund 4 Miliarden Jahren. Er geht dabei wiederum vom hypothetischen Urknall aus und hält fest, dass in den ersten zehn Minuten des Universums die Temperaturen "Milliarden von Grad" betrugen und " alle individuellen Züge der verschiedenen Atomsorten völlig beseitigt waren."[3, Seite 288] Erst zehn Minuten nach dem Urknall, so Bagge, wurde es für die Entstehung der Atome interessant: "nämlich der Temperaturbereich von zehn bis zu einer Milliarde Grad, ist dabei physikalisch der interessanteste: bei dieser Temperatur haben sich die Prozesse vollzogen, welche die Weltmaterie in ihrer heutigen Zusammensetzung entstehen ließen." Und Bagge ging um 1953 tatsächlich davon aus, dass sich die Zusammensetzung der Atome seitem kaum mehr geändert hat: "Nach etwa 30 bis 60 Minuten war die Urwelt zu einem riesigen „Wasserstoffball“ aus Protonen und Elektronen geworden, in welchem in verhältnismäßig geringere Menge „Kern-Nebeltröpfchen“, das heißt schwerere Atomkerne, herumschwammen. Damit war im Hinblick auf die Materiezusammensetzung schon beinahe der Endzustand erreicht, wie wir ihn heute vor uns haben. Was noch kam, waren kleinere radioaktive Veränderungen der Atome, die aber das Gesamtbild der Materie nur unwesentlich veränderten."[3, Seite 289]. Von dieser fehlerhaften Annahme[4] argumentiert Bagge - ab dort aber wieder folgerichtig - mit der Halbwertszeit von Isotopen verschiedener Atomsorten. Hier nimmt er, ohne weitere Begründung an, dass zum Beispiel Uran-238 mit einer Halbwertszeit von etwa 5 Milliarden Jahren und von Uran 235 mit eine Halbwertszeit von etwa 0,7 Milliarden Jahren kurz nach dem Urknall in gleicher Anzahl entstanden sind[5]. Da das Uran-238 heute rund 139 mal so oft vorkommt wie das Uran-235, kann man nun also sozusagen in die Zeit zruückrechnen und fragen: wann gab es genauso viel Uran-238 wie Uran-238? Bagge kommt auf einen Zeitpunkt von vor etwa 5 bis 4 Milliarden Jahren.

Bagges Rechnung zu seinem Uran-Argument


Bagge geht davon aus, dass Uran-238 heute rund 139 mal so häufig ist wie Uran-135. Für Uran-238 nimmt er eine Halbwertszeit von rund 5 Milliarden an, für Uran-235 eine Halbwertszeit von etwa 0,7 Milliarden Jahren. Mit diesen Annahmen hat Bagge sozusagen in die Vergangenheit zurück gerechnet[5]. Versuchen wir Bagges Rechnung schrittweise nachzuvollziehen.

  • Man nimmt für heute an: 139 Teilchen U-238
  • Man nimmt für heute an: 1 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: 139 zu 1

  • Vor 0,7 Milliarden Jahren: 153 Teilchen U-238[6]
  • Vor 0,7 Milliarden Jahren: 2 Teilchen U-235[7]
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: 76 zu 1

  • Vor 1,4 Milliarden Jahren: 169 Teillchen U-238
  • Vor 1,4 Milliarden Jahren: 4 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwa 43 zu 1

  • Vor 2,1 Milliarden Jahren: 186 Teilchen U-238
  • Vor 2,1 Milliarden Jahren: 8 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwa 23 zu 1

  • Vor 2,8 Milliarden Jahren: 205 Teilchen U-238
  • Vor 2,8 Milliarden Jahren: 16 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwa 13 zu 1

  • Vor 3,5 Milliarden Jahren: 226 Teilchen U-238
  • Vor 3,5 Milliarden Jahren: 32 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwa 7 zu 1

  • Vor 4,2 Milliarden Jahren: 249 Teilchen U-238
  • Vor 4,2 Milliarden Jahren: 64 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwa 4 zu 1

  • Vor 5,6 Milliarden Jahren: 274 Teilchen U-238
  • Vor 5,6 Milliarden Jahren: 256 Teilchen U-235
  • Verhältnis von U-238 zu U-235: etwas über 1

Diese eigene Rechnung zeigt, ganz in Übereinstimmung mit dem Argument von Bagge[5], dass irgendwann vor einer Zeit zwischen etwa 4 bis 5 Milliarden Jahren das theoretisch berechnete Verhältnis der beiden Isotope des Elementes Uran bei Eins gelegen haben muss. Für ein tieferes Verständnis der Mathematik hinter dieser Rechnung hilft die sogenannte erweiterte Exponentialfunktion ↗

Wo ist Bagges Fehler aus Sicht der Logik?


Aus rein logischer Sicht hat Bagge korrekt argumentiert. In der Logik gilt ein Schluss als formal korrekt, wenn er nach erlaubten Schlussregeln vollzogen wurde. Dabei darf das Ergebnis durchaus falsch sein. Man sagt dann, es sei inhaltlich falsch. Die Trennung zwischen formaler und inhaltlicher Korrektheit ist ein wesentlicher Zug der Logik. Wenn man zum Beispiel annimmt, dass alles was fliegen kann ein Vogel ist, dann ist ein Flugzeug ein Vogel. Dieser Schluss ist formal gesehen korrekt[8], aber inhaltlich natürlich falsch[8]. Bagges Argument war also logisch korrekt aber dennoch inhaltlich falsch. Der Grund für den inhaltlichen Fehler ist eine falsche Annahme Bagges, die nämlich, dass seit der Frühzeit des Universums keine neuen Atome der Isotophe 238 und 235 mehr entstanden sind. Tatsächlich weiß man heute, dass auch schwerste Elemente wir Uran in (seltenen) kosmischen Ereignissen wie einer Kollision von Neutronensternen entstehen können[4]. Ob das alleine Bagges falsches Ergebnis erklärt, oder ob es noch weitere unbewusst gemachte fehlerhafte Annahmen gibt, muss hier offen gelassen werden[9]. Siehe auch Logik ↗

Falsches Ergebnis, gute Wissenschaft!


Bagges Aufsatz in dem Buch aus dem Jahr 1953 lieferte zwar ein falsches Ergebnis für das Alter der Erde. Dennoch ist der Aufsatz aus zwei Gründen ein Beispiel für gute Wissenschaftlichkeit. Zum einen beschrieb Bagge sehr ausführlich die Annahmen, die er machte. So kann jeder Leser für sich die Annahmen prüfen. Zum anderen gab Bagge in dem Aufsatz Rechenbeispiele[5] die man mit der Mathematik der Realschule[6] nachollziehen kann. Siehe auch wissenschaftlich ↗

Fußnoten


  • [1] James Hutton: Theory of the Earth. With Proofs and Illustrations. Am Ende des Kapitels I (Theory of the Earth; or an Investigation of the Laws observable in the Composition, Dissolution, and Restoration of Land upon the Globe) beschreibt Hutton das Werden und Vergehen von Welten. Er schließt mit den Sätzen: "But if the succession of worlds is established in the system of nature, it is in vain to look for any thing higher in the origin of the earth. The result, therefore, of this physical inquiry is, that we find no vestige of a beginning, no prospect of an end.” Siehe dazu den Artikel Tiefe Zeit ↗
  • [2] Der Physiker William Thomson (1824 bis 1907) schätzte unter anderem die Geschwindigkeit der Abkühlung der Erdkugel. Ausgehend von einer Mindestemperatur bei der Entstehung der Erde (glutflüssiger Zustand) konnte er so ein Mindestalter der Erde eingrenzen. Dabei hatte er aber noch nicht gewusst, dass durch radioaktive Prozesse ständig neue Wärme im Inneren der Erde entsteht. Das erklärt den großen Fehler seiner Abschätzung. Siehe auch Thomsons Erdalter ↗
  • [3] Erich Bagge: Der Urknall und die Geburt der chemischen Elemente. In: Das Neue Universum. Ein Jahrbuch des Wissens und Fortschritts. 70. Band. Union Deutsche Verlagsgesellschaft. Stuttgart. 1953. Dort ab Seite 286. Professor Erich Bagge kommt mit zwei unterschiedlichen Argumenten auf ein Alter des Universums von rund 4 Milliarden Jahren. Zum einen rechnet er die Fluchtbewegung der Galaxien rückwärts zurück bis zum Zeitpunkt des hypothetischen Urknalls. Zum anderen vergleicht er die unterschiedlichen Halbwertszeiten von Uran-238 (etwa 5 Milliarden Jahre) und Uran-235 (etwa 0,7 Milliarden Jahre) sowie der Isotope des Kaliums mit den Atomgewichten 39, 40 und 41. Ausgehend von der Annahme, dass beide Isotope des Urans in gleicher Anzahl mit dem Universum entstanden sind kommt er mit Hilfe einer kleinen Korrektur auf ein Alter der Welt von wiederum 4 Milliarden Jahren. Siehe auch Urknall ↗
  • [4] Bagges Annahme, dass sich seit der Frühzeit des Universums keine neuen schweren Elemente mehr gebildet haben, ist eine mögliche Ursache für eine Abweichung von dem später berechneten Wert von 13,8 Milliarden Jahren. Tatsächlich kennt man heute noch mindestens zwei weitere natürliche Vorgänge bei denen schwere Kerne jenseits von Wasserstoff entstehen können. Bei dem ersten Prozess, der stellaren Nukleosynthese entstehen die leichteren der schwereren Element in Sternen. Beim zweiten Vorgang müssen Neutronensterne kollidieren, um beim sogenannten r-Prozess die schwersten Elemente entstehen zu lassen. Die Prozesse zur Entstehung von Atomkernen bezeichnet man zusammenfassend auch als Nukleosynthese ↗
  • [5] Bei dem in der Natur vorkommenden Element Uran tritt das langsamer zerfallende Isotop 238 rund 139mal häufiger auf als das andere. Dieses Mengenverhältnis der beiden Isotopensorten ist immer gleich. Sehr wahrscheinlich entstanden aber die beiden Isotopensorten des Urans beim Urknall mit nahezu gleicher Häufigkeit […] Wenn man sich nun in die Vergangenheit zurückversetzt denkt und dabei das Häufigkeitsverhältnis der Uranisotope verfolgt, so würde es vor 0,7 Milliarden Jahren noch rund 70:1, vor 1,4 Milliarden Jahren etwa 40:1 betragen haben. Das Uran 235 holt gewissermaßen auf. Und vor nicht ganz 5 Milliarden Jahren müßten beide Isotopensorten genau gleich häufig gewesen sein. Es gibt nun Gründe für die Annahme, daß das Uran 238 in etwas größerer Menge entstanden ist als Uran 235. Ein Alter des Urans von rund 4 Milliarden Jahren ist darum sehr gut möglich." In: Erich Bagge: Der Urknall und die Geburt der chemischen Elemente. In: Das Neue Universum. Ein Jahrbuch des Wissens und Fortschritts. 70. Band. Union Deutsche Verlagsgesellschaft. Stuttgart. 1953. Dort die Seite 290.
  • [6] Um die theoretische Anzahl von Atomen der Sorte Uran-238 in die Vergangenehit zurückzurechnen kann man eine erweiterte Exponentialfunktion aufstellen. Wenn man die 139 Teilchen als Anfangswert nimmt, die Zahl ½ als Wachstumsfaktor und als Exponent für den Wachstumsfaktor t/5 mit t als Zeitangabe in Jahrmilliarden annimmt, dann erhält man für die Anzahl Teilchen A(t) als Funktions der Zeit: A(t)=139·½^(t/5). Um die Anzahl der Teilchen vor 0,7 Milliarden Jahren zu berechnen, setzt man dort für t die negative Zahl -0,7 ein. Die Logik hinter diesem Ansatz ist erklärt unter erweiterte Exponentialfunktion ↗
  • [7] Um die theoretische Anzahl von Atomen der Sorte Uran-235 in die Vergangenheit zurückzurechnen genügt es, wenn man die Zeitschritte immer um 0,7 Milliarden Jahre in die Vergangenheit erweitert. Denn nach der Definition des Halbwertszeit verändert sich sich die Anzahl der Teilchen in diesem Zeitraum immer um den Faktor zwei. Siehe auch Halbwertszeit ↗
  • [8] Die hier verwendete Schlussregel ist lautet allgemein: wenn alles mit der Eigenschaft E automatisch zur Menge der Dinge M gehört, und wenn das Objekt O die Eigenschaft E hat, dann muss logisch zwingend dieses Objekt O auch zur Menge M gehören. Diese Schlussregel ist ein sogenannter Syllogismus ↗
  • [9] Eine von Bagge benutzte aber nicht besprochene Annahme ist, dass die Halbwertszeiten der Isotope über die Zeit hinweg dieselben bleiben. Tatsächlich könnte man auch diese Annahme hinterfragen. Und radikale Skeptiker gehen sogar noch weiter, bis hin zu der Frage, ob eine reale Außenwelt außerhalb unserer Sinne überhaupt existiert oder ein böser Geist uns alles nur vorgaukelt. Siehe dazu den Artikel zum Genius malignus ↗
  • [10] Eine eigene Rechnung kommt abweichend von Bagges theoretischem Wert von "vor nicht ganz 5 Milliarden Jahren" auf rund 5,8 Milliarden Jahre: 135·0,5^(t/5)=1·0,5^(t/0,7) mit t als dem Zeitpunkt gleicher Isotopenzahl in Milliarden von Jahren kann man mit Hilfe Potenz- und Logarithmengesetze umformen: 139 mal 0,5 hoch (t/5) = 1 mal 0,5 hoch (t/0,7) -> 139 mal 2 hoch -t/5 = 2 hoch -t/0,7 -> 139 = 2 hoch (-t/0,7 + t/5) -> lb 139 = t/5-t/0,7 -> lb 139 = (0,7t-5t)/3,5 -> 3,5 mal lb 139 = -4,3 t -> t = (3,5 mal lb 139) durch -4,3 -> t = 3,5 mal 7,12 durch -4,3 -> t etwa -5,8 -> t etwa -5,8 Milliarden Jahre. Wer hier einen Fehler erkennt, kann gerne schreiben über Rhetos Impressum ↗
  • [11] So schreibt auch Bagges Kollege, der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 bis 2007) in einem Buch aus dem Jahr 1954: "Verstehen wir, um vorsichtig zu sein, unter Kosmos eine Welt von einer der heutigen ähnlichen Beschaffeneit, aufgebaut aus der uns bekannten Art von Sternen und Sternensystemen, so dürfen wir mit großer Wahrscheinlichkeit den Satz aussprechen: der Kosmos ist nicht älter als etwa fünf Milliarden Jahre." In: Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Erstauflage 1948, 6. Auflage 1964, mit einem Vorwort aus dem Jahr 1954. Dort auf Seite 32.
  • [12] Wie auch Erich Bagge, unterlag auch Carl Friedrich von Weizsäcker dem Irrtum, dass radioaktive Atome seit dem Urknall nicht mehr neu entstanden sind: "Wir haben sehr starke Gründe für die Vermutung, daß solche Atome in den uns bekannten Teilen der Welt nicht entstehen und, seit diese Teile in ihrem heutigen Zustand sind, nicht entstanden sind. […] Ihre Entstehung setzt wahrscheinlich Temperaturen von etwa 100 Milliarden Grad voraus. In den heute bekannten Sternen darf man, soweit sie stabil sind, solche Temperaturen wohl nirgends erwaten. Einige Autoren nehmen an, gewisse Sternkatastrophen stellten die Bedingungen für die Bildung radioaktiver Atome vorübergehend her. Doch ist dies nicht bewiesen, und der Geanke, die radioaktiven Atome hätten sich in einem Zustand der Welt gebildet, der vom heutigen wesentlich verschieden war, hat meinem Gefühl nach die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Schätzen wir das Alter der radioaktiven Atome aus ihrer heutigen Häufigkeit und der Geschwindigkeit ihres Zerfalls ab, so kommen wir auf rund vier Milliarden Jahre." Tatsächlich war von Weizsäckers Gefühl hier falsch. In: Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Erstauflage 1948, 6. Auflage 1964, mit einem Vorwort aus dem Jahr 1954. Dort die Seiten 33 und 34. Die von Carl Friedrich von Weizsäcker erwähnten "Sternkatastrophen" gibt es tatsächlich und sie stellen sehr wahrscheinlich auch die Bedingungen für die Entstehung schwerer und radioaktiver Atome her. Siehe dazu den Artikel zum sogenannten r-Prozess ↗