r-Prozess
Physik
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Basiswissen ·
Was ist der r-Prozess? ·
Was ist das Wesentliche für den r-Prozess ·
Bagges Weltalter und die Unkenntnis des r-Prozesses ·
Fußnoten
Basiswissen
Kurz nach dem hypothetischen Urknall gab es im Kosmos nur die Elemente Wasserstoff, Helium und Lithium. Später entstanden in brennenden oder auch explodierenden Sternen schwerere Elemente wie Kohlenstoff oder Eisen. Die Entstehung noch schwererer Elemente wie etwa Gold oder Radon hingegen erfordert heftige kosmische Ereignisse wie die Kollision von zwei Neutronensternen. Dabei spielt der sogenannte r-Prozess eine zentral Rolle. Das ist hier kurz vorgestellt.
Was ist der r-Prozess?
Der r-Prozess ist ein sehr schneller, in Millisekunden ablaufender Vorgang, bei dem ein Atomkern, etwa von Eisen, einem Bombardement von freien Neutronen ausgesetzt ist. Das kleine r steht für rapid (englisch schnell) und bedeutet, dass der Prozess tatsächlich schnell abläuft. Es lagern sich dann sehr viele freie Neutronen an zum Beispiel einen Eisenkern an. Der Kern hat als Folge davon einen krassen Überschuss an Neutronen und ist stark radioaktiv. Einige der Neutronen wandeln sich durch Aussendung von einem schnellen Elektron, einem Beta-minus-Teilchen (Betastrahlung), um in ein Proton. Am Ende entstehen so aus leichteren Atomen wie Eisen die Atome schwerer Elemente wie zum Beispiel Gold. Der r-Prozess ist ein Sonderfall einer sogenannten Nukleosynthese ↗
Was ist das Wesentliche für den r-Prozess
Wesentlich für den r-Prozess ist die hohe Rate, mit der Neutronen einen bereits bestehenden Atomern bombardieren. Wäre die Rate nicht ausreichend hoch, würden ein Atom bereits nach dem Beschuss mit ein oder zwei Neutronen innerhalb kurzer Zeit in Bruchstücke zerfallen. Wird ein Neutron von einem bestehenden Atom eingefangen, so kann der Atomkern dadurch in einen instabilen Zustand übergehen. Das Atom hat ab dem Moment der Neutronenaufnahme dann nur noch eine festgelegte stochastische Restlebenszeit oder Halbwertszeit. Kommen neue, weitere Neutronen zu spät an, ist die Halbwertszeit dann so weit überschritten, dass der alte Atomkern bereits zerfallen ist. Die Neutronen müssen also in so enger zeitlicher Folge auf einen Atomkern eintreffen, dass er sozusagen nicht genug Zeit hat, vor erreichen eines neuen stabilen Zustandes zu zerfallen.
Bagges Weltalter und die Unkenntnis des r-Prozesses
In den frühen 1950er Jahren argumentierten zwei herausragende deutsche Atomphysiker, Erich Bagge (1912 bis 1996) und Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 bis 2007) dafür, dass das Alter des gesamten Kosmos zwischen 4 bis 5 Milliarden Jahren liegen muss. Ihre Argumentation baute darauf auf, dass radioaktive Stoffe nur kurz nach dem Urknall entstanden sein konnten. Carl Friedrich von Weizsäcker erwähnte zwar die Möglichkeit von Sternkatastrophen, hielt diese aber für wenig wahrscheinlich[2]. Siehe auch Bagges Weltalter ↗
Fußnoten
- [1] Sanjana Curtis: Komische Schmiede der schweren Elemente. In: Spektrum der Wissenschaft. Mai 2023. Seite 12 bis 21.
- [2] Carl Friedrich von Weizsäcker nahm an, dass die radioaktiven Atome seit dem Urknall nicht mehr neu entstanden sind: "Wir haben sehr starke Gründe für die Vermutung, daß solche Atome in den uns bekannten Teilen der Welt nicht entstehen und, seit diese Teile in ihrem heutigen Zustand sind, nicht entstanden sind. […] Ihre Entstehung setzt wahrscheinlich Temperaturen von etwa 100 Milliarden Grad voraus. In den heute bekannten Sternen darf man, soweit sie stabil sind, solche Temperaturen wohl nirgends erwaten. Einige Autoren nehmen an, gewisse Sternkatastrophen stellten die Bedingungen für die Bildung radioaktiver Atome vorübergehend her. Doch ist dies nicht bewiesen, und der Geanke, die radioaktiven Atome hätten sich in einem Zustand der Welt gebildet, der vom heutigen wesentlich verschieden war, hat meinem Gefühl nach die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Schätzen wir das Alter der radioaktiven Atome aus ihrer heutigen Häufigkeit und der Geschwindigkeit ihres Zerfalls ab, so kommen wir auf rund vier Milliarden Jahre." In: Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Erstauflage 1948, 6. Auflage 1964, mit einem Vorwort aus dem Jahr 1954. Dort die Seiten 33 und 34. Siehe auch Bagges Weltalter ↗