R


Sinn des Lebens


(Natur)Wissenschaftlich


Grundidee


Der Sinn des Lebens kann als Theorie in Worten gefasst sein oder auch ein sich einstellendes Gefühl. Beiden Erscheinungsformen gemeinsam ist oft die Idee, Teil eines guten und durchdachten Weltganzen zu sein. Das ist hier kurz vorgestellt.

Sinn als eine intellektuelle Idee


Das Intellekt fragt nach Beweisen und Begründungen, es überprüft Stimmigkeiten und zweifelt alles an. Für den so suchenden Geist muss der Sinn des Lebens als klar ausformulierte Folge von Sätzen gefasst sein. Doch droht hier die Gefahr, dass das Intellekt mit keiner so dargebotenen Sinnbeschreibung zufrieden sein wird. Denn offen wird immer die Beweisbarkeit bleiben. Die Überspanntheit einer intellektuell gefassten Sinnfrage wird schon daran erkennbar, dass es dem Intellekt unmöglich zu sein scheint, Kriterien zu nennen, anhand derer man eindeutig entscheiden könnte, woran man den Sinn des Lebens erkennen könnte, wenn man ihn denn dargebotenen bekommt. Das Intellekt sieht sich mit der Sinnfrage vor einer unlösbaren Aporie ↗

Sinn als ein Gefühlszustand


Viele Religionen (Zen, Buddhismus, Katholizismus) kennen Praktiken, um das suchende Intellekt, die ewig Worte formulierende Ratio in uns zur Ruhe zu bringen. So werden Momente frei, in denen man sich im Einklang mit der Welt fühlen kann. Man ist am richtigen Ort, man erfährt, dass man das Richtige tut. Dieses Lebensgefühl eines tiefen Einklangs mit der Welt kann als Ausruck einer Sinnerfahrung gedeutet werden, die aber weiter nicht in Worte fassbar gemacht werden kann. Das alles verbindende Gefühl ist der Einklang ↗

Sinn als naturwissenschaftliche Erkenntnis?


Das letzte Rätsel des Kosmos, schwarze Löcher und die Entschlüsselung des menschlichen Genoms: Schlagwörter aus den Naturwissenschaften klingen oft so, als wären sie der Schlüssel zum letztendlichen Sinn unseres Lebens. Dem ist aber nicht so. Logiker und Philosophen weisen immer wieder darauf hin, dass empirische Fakten und rein logische Gedankenketten keinen Sinn des Seins letztendlich beweisen oder widerlegen können: Sinn, wie auch das Attribut des Guten, sind fundamentale Denk- oder Gefühlsinhalte, die durch keine logische Beziehung zu anderen Denkinhalten definiert werden können. So wenig wie man eine Farbempfinden mit einer Wellengleichung definieren kann, so wenig kann man Sinn durch andere Dinge definieren. Diese Sicht wurde 1903 von G. E. Moore im Bezug auf Gut und Böse formuliert, lässt sich aber auch übertragen auf Sinn: jeder Versuch, Sinn mit Hilfe anderer Begriffe zu definieren ist ein naturalistischer Fehlschluss ↗

Sinn im kosmischen Kontext


Nimmt der Kosmos Anteil an unserem Wohl und Leid? Hat ein Schöpferwesen uns im Sinn gehabt bei der Erschaffung der Welt? Kann die Welt einen Sinn haben, wenn sie in einem physikalischen toten Zustand endet? Der Philosoph und Essayist Fritz Mautner meint, dass "der Sprachgebrauch (sehr ungenau, wie sie mir werden zugeben müssen) mit der Wortfolge »Sinn des Lebens« die Ahnung von etwas Unbestimmtem verbindet." und fragt salopp weiter "Was denn? Eine Sehnsucht, einen Aufschwung nach etwas, das höher steht als das Leben. Ein Emporstreben nach Dingsda"[7]. Die Frage, wie der Sinn unserer individuellen Leben mit kosmologischen Konzepten zusammenhängt wird unter anderem diskutiert unter dem Stichwort Anthropismus ↗

Können wir den Sinn überhaupt erfassen?


Was ein Mensch verstehen kann, nennt man in der Philosophie auch intelligibel. Verschiedene Philosophen[1] kamen zu der Ansicht, dass der Sinn des Seins für einzelne Menschen nicht vollständig greifbar ist. Ein Gedankengang hin zu dieser Ansicht folgt der sogenannten Stufenleiter des Seins. Vom Atom über Moleküle, Zellen bis hin zu vernunftfähigen Organismen scheint die Natur auf der Erde einer Tendenz zu immer höheren Formen von Komplexität zu folgen[2]. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Entwicklung mit dem Menschen ihr Ende gefunden hat. Verschiedene Autoren sehen eine nächsten Schritt der Evolution darin, dass Menschen mit Technik zu einer globalen Gehirn, dem Global Brain[3] verschmelzen. Daraus ergibt sich ein verstörendes Gedankenspiel. Gewisse Empfindungen wie etwa "Nostalgie", "Sehnsucht" oder gedankliche Konzepte wie "Gegenteil" oder "erste Ableitung" würden wir (vermeintlich) niederen Lebensformen wie einem Fisch oder selbst einem Affen eher nicht zugestehen. Obwohl wir niederen Lebensformen vielleicht ein dumpfes Bewusstsein zugestehen, nehmen wir an, dass ihnen gewisse Geisteszustände nicht zugänglich sind[4]. Setzen wir diesen Trend in die Zukunft fort, so dürfen wir annehmen, dass uns überlegene Lebensformen einmal über Bewusstseinszustände verfügen, die den unseren so weit überlegen sind wie der physikalische Begriff des Drehmoments den Empfindungen eines kleinen Fisches. Und damit stellt sich auch die Frage, ob wir in unserer jetzigen Entwicklungsstufe überhaupt in der Lage sind, einen möglichen Sinn des Lebens zu erfassen. Siehe auch Holismus und Evolution ↗

Transhumanismus als nächster Schritt?


Die Idee einer Stufenleiter aufsteigender Komplexität des Lebens passt zu der Vision eines Transhumanismus. Unter diesem Begriff fasst man verschiedene Versionen einer qualitativen Höherentwlickung von Menschen zusammen. Ein zentrales Motiv ist die Verschmelzung biologischer Lebensformen mit Computerchnologie. Aber auch eugenische Momente oder gar die Herrschaft über unsere genetische Ausstattung spielen dort hinein. Die Frage bleibt aber ungeklärt, ob eine letzendliche Sinnerfassung des kosmischen Seins nur eine quantitative Frage - etwa im Sinne eines hohen IQ - ist oder ob es vielleicht eine qualitative Schranke gibt, die es eine Teil des Kosmos niemals erlaubt, den Sinn des ganzen zu erfassen, ungeachtet möglicher Erfolge eines Transhumanismus ↗

Eine persönliche Antwort


Mir kam der Gedanke mit etwa 15 Jahren zum ersten Mal als reines Wortspiel: solange man den Sinn des Lebens noch nicht gefunden hat, besteht er darin, nach ihm zu suchen. Und damit hat man dann einen Sinn. Gut 40 Jahre später hatte sich dieser typische Teenager-Einfall zu einer ganz tragfähigen Lebenseinstellung verfestigt. Ich fühle mich "auf der richtigen Baustelle", solange ich offen für Neues bin, den großen Fragen der Philosophie nachgehen kann, mich mit anderen Menschen austausche und ganz generell das Interesse und auch die Fähigkeiten zum (gemütlichen) Philosophieren irgendwie fördere.

Fußnoten