Reproduktiver Altruismus
Evolution
Basiswissen
Als Altruismus im Sinn der Evolutionsbiologie bezeichnet man jedes Verhalten von individuellen Organismen, die auf Kosten eines eigenen Nachwuchses das Wohl einer Gemeinschaft fördern[1]. In einer extremen Form verzichten Individuen dann ganz auf eigenen Nachwuchs. Diese extreme Form heißt dann reproduktiver Altruismus. Reproduktiver Altruismus gilt als ein wesentliches Merkmal hoher Sozialität und als mögliches Indiz für eine sogenannte evolutionäre Transition.
Die Volvox-Kugelalge: das klassische Beispiel
Das klassische Beispiel für einen reproduktiven Altruismus ist die Volvox-Kugelalge[2]. Diese Algenkolonien leben als kleine Kugeln mit einem Durchmesser zwischen einem Zehntel bis einen Millimeter Durchmesser. Sie gelten als klassisches Modell einer Lebensform zwischen losen Individuen und einem Organismus.
MERKSATZ:
Die Volvox-Kugelalge ist ein Beispiel für den Übergangsbereich zwischen einer losen Kolonie und einem Superorganismus.
Die Volvox-Kugelalge ist ein Beispiel für den Übergangsbereich zwischen einer losen Kolonie und einem Superorganismus.
Die Zellen der Kolonie, oder genetisch eng verwandte Zellen, können oft ein Leben als eigenständige Individuen außerhalb einer Kolonie führen. Man spricht dann von einer solitären Lebensweise[3]. Gerät eine solitär lebende Algenzelle unter Stress, etwa durch Kälte, dann wird ein Gen aktiv, das die Vermehrung durch Zellteilung unterbindet. Dasselbe Gen unterdrückt dann auch die Vermehrung von sogenannten somatischen Zellen innerhalb der Zellkolonie[4]. Bei einer Art von Volvox beispielweise besteht die Kugel etwa 2000 unfruchtbaren Einzelzellen und nur 16 fruchtbaren, sich reproduzierenden Zellen[2].
Welche Lebewesen zeigen einen reproduktiven Altruismus?
- Grundsätzlich fast alle Zellen innerhalb von einem Vielzeller[6] ↗
- Die Insekten in einem eusozial lebenden Insektenstaat[16] ↗
- Alle Lebenformen mit einer eng definierten Eusozialität ↗
Reproduktiver Altruismus und Eusozialität
Bei Tieren, die in einer engen, altruistischen Gemeinschaft leben spricht man von einer sogenannten Eusozialität[7]. Typische Merkmale sind eine gemeinschaftlich organisierte Brutpflege über mehrere Generationen hinweg, eine starke Arbeitsteilung und insbesondere die Ausbildung von Kasten aus Individuen, die sich nicht mehr eigenständig vermehren können[15].
MERKSATZ:
Reproduktiver Altruismus geht eng mit Eusozialität einher.
Reproduktiver Altruismus geht eng mit Eusozialität einher.
Manche Autoren halten einen reproduktiven Altruismus für eine notwendige Bedingung von Eusozialität. Tatsächlich kommt er bei allen eusozial lebenden Wesen vor. Siehe auch auch Eusozialität ↗
Was ist der evolutionäre Vorteil des reproduktiven Altruismus?
Ein reproduktiver Altruismus kann sowohl der Gruppe als auch dem Individuum Vorteile bieten. Zuerst gilt, dass bei einem stark ausgebildeten reproduktiven Altruismus der Genotyp der gesamten Kolonie vererbt wird und nicht der Genotyp einzelner Individuen. Das kann die darwinistische Selektion auf der Ebene des Superorganismus wirken[5].
MERKSATZ:
Reproduktiver Altruismus fördert die Selektion von Gruppenmerkmalen.
Reproduktiver Altruismus fördert die Selektion von Gruppenmerkmalen.
Ein weiterer Vorteil für die Gruppe ist, dass unfruchtbare Zellen nicht mehr in einer gegenseitigen Konkurrenz um genetische Nachkommenschaft stehen. Damit entfällt auch die Belohnung für egoistisches Verhalten und die Zellen können ohne eigenen evolutionären Nachteil für das Wohl des Superorganismus wirken[6].
MERKSATZ:
Reproduktiver Altruismus befreit die Individuen vom Zwang zum Genegoismus.
Reproduktiver Altruismus befreit die Individuen vom Zwang zum Genegoismus.
Das waren nun zwei Vorteile für die Gruppe. Welchen Vorteil aber bietet der reproduktive Altruismus den Verzicht übenden Individuen? Bei der Beantwortung diese Frage kann man zwei Arten von Vorteilen unterscheiden: a) einen gen-egoistisch evolutionären Vorteil und b) einen Vorteil in der Lebensqualität.
Aus soziobiologischer, gen-eogistischer Sicht sind Individuen wie Tiere, Pflanzen oder Menschen nur Maschinen zur Verbreitung ihrer Gene[28]. Auf lange Sicht erlaubt die Evolution nur Verhaltensweisen, die der Verbreitung der sie kodierenden Gene entspricht. Nun finden sich die eigenen Gene in eigenen Kindern nur zu 50 % wieder. Aber auch die Kinder eigener Geschwister haben einen Anteil der eigenen Gene. Als eigene Gene sollen hier alle exakt zu den eigenen Genen identischen Gene aufgefasst werden. Wenn jemand nun ausreichend stark ausreichend viele genetisch eng Verwandte Menschen unterstützt, so kann diese Person auch ohne eigene Kinder einen großen Teil der eigenen Gene fördern.
MERKSATZ:
Fördert man den Nachwuchs von genetisch mit einem Verwandten Personen, so fördert man damit auch die Verbreitung der eigenen Gene.
Fördert man den Nachwuchs von genetisch mit einem Verwandten Personen, so fördert man damit auch die Verbreitung der eigenen Gene.
Nun könnte man die Abwägung treffen, ab wann es sich gentechnisch eher lohnt, die Kinder von engen Verwandten zu fördern als die eigenen Kinder. Das ist letztendlich eine "Rechenfrage". Tatsächlich hat man beobachtet, dass Brüder von Mönchen in China mehr eigene Kindern haben als Männer ohne Brüder in einem Kloster[16].
Ein Vorteil der nichts mit evolutionären Vorteilen zu tun hat ist, dass sich manche Menschen die mit eigenem Nachwuchs verbundene Mühe ersparen möchten. Kinderlos zu leben bedeutet für sie Lebensqualität.
MERKSATZ:
Kinderlosigkeit kann auch einfach eine Entscheidung für eine bestimmte Qualität von Leben sein.
Kinderlosigkeit kann auch einfach eine Entscheidung für eine bestimmte Qualität von Leben sein.
Diese kurze Betrachtung möglicher Vorteile eines reproduktiven Altruismus sollen mit einer vielleicht wichtigen Beobachtung abgeschlossen werden: der Verzicht auf eigene Nachkommen kann ganz freiwillig erfolgen, wie etwa bei Mönchen und Nonnen. Er kann aber auch das Ergebnis von Stress sein und ist damit nicht mehr ganz freiwillig. So nutzt die Volvox-Kugelalge Signale, die ein stressbezogenes Gen einer Algenzelle aktivieren, das die Zellteilung unterbindet[4]. Bei Nacktmullen ist es ein besonders erfolgreiches Weibchen, dass ihren Konkurrentinnen so viel Stress macht, dass diese dadurch vorübergehend unfruchtbar werden.
MERKSATZ:
Stress fördert Unfruchtbarkeit und damit indirekt einen reproduktiven Altruismus.
Stress fördert Unfruchtbarkeit und damit indirekt einen reproduktiven Altruismus.
Der Effekt, dass Stress die Unfruchtbarkeit einzelner Indiviuden erhöhen kann, wird auch bei Menschen beobachtet, und zwar sowohl bei Frauen[29] wie auch bei Männern[30]. Umgekehrt wird beobachtet, dass wirtschaftlich sehr erfolgreiche Frauen dann mehr Kinder bekommen, wenn sie sich Fürsorge und Beaufsichtigung der Kinder preiswert einkaufen können[32][33].
Reproduktive und sterile Kasten auch bei Menschen?
Auch menschliche Gesellschaften zeigen zumindest im Ansatz Spielarten eines reproduktiven Altruismus[7], zum Beispiel in Form von zölibatär (unverheiratet[8]) lebenden Priestern[9], Mönchen[10], orientalischen Harems[11] mit Eunuchen[12] oder auch als Homosexualität[13]. Dass diese Phänomene über lange Zeiträume und über verschiedene Kulturen hinweg stabil sein können, spricht für die Annahme, dass sie evolutionär nicht schädlich und möglicherweise sogar nützlich sind. So wird von buddhistischen Mönchen im Westen von China berichtet, dass sie selbst zwar keine Nachkommen haben, ihre Brüder aber statistisch auffällig mehr Nachkommen produzieren als Männer ohne Mönch als Bruder[10]. Die extreme Entwicklung, dass es auch in menschlichen Gesellschaften zur Ausbildung einer reproduktiven und einer sterilen, das heißt unfruchtbarken Kaste kommen könnte ist zwar bisher noch eine Spekulation. Daten aus den USA deuten aber in diese Richtung. Dort beobachtet man, dass die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit in der Bevölkerng die Kinderzahl von wirtschaftlich besonders erfolgreichen Frauen ansteigen lässt. Gut ausgebildeten Frauen mit hohem Einkommen steht ein großes Angebot an privatwirtschaftlicher und preiswerter Beaufsichtigung ihrer Kinder (z. B. Baby-sitting) zur Verfügung. Entsprechend, so eine Studie aus dem Jahr 2011, steigt die Anzahl ihrer Kinder[33].
Reproduktiver Altruismus und die Evolution des Menschen
Verschiedene Autoren sehen den Menschen an der Schwelle zu einer sogenannten evolutionären Transition, speziell einer Metasystem-Transition. Der Grundgedanke ist, dass sich bisher individuelle Menschen zu einer Art neuem Über- oder Superorganismus verbinden. Biologischer Vorgänger einer solche Metasystem-Transition waren etwa der Übergang von Molekülen zu Zellen[18], von Zellen zu Vielzellern[19] und von Vielzellern zu Gemeinschaften[20]. Die Fortsetzung dieses Musters in die Zukunft[21] führt zu der Frage, wie die nächste Metasystem-Transformation aussehen könnte[22]. Spekulationen reichen von einer dystopisch Existenz entseelter Menschen in der Technosphäre[23] bis hin zu euphorischen Utopien[24]. Eine Gesellschaft, die einerseits einen starken reproduktiven Altruismus ausbildet und andererseits die Erzeugung von Nachkommenschaft immer mehr nur einer kleinen Elite (Superreiche?) ermöglicht, wäre ein Indiz dafür, dass sich auch menschliche Gesellschaften hin zu einer biologisch definierten Eusozialität bewegen. Spekulationen über eine mögliche Metasystem-Transition menschlicher Gesellschaften werden besprochen im Artikel HMST [Human Metasystem-Transition][25] ↗
Quaestiones
- Der Begriff reproduktiver Altruismus wird meist nur im Zusammenhang mit Sterilität[2], das heißt eines vollständigen Verzichts von Individuen auf einen eigenen Nachwuchs verwendet[4][27] verwendet. Wäre es nicht sinnvoll, das der Begriff auch mit einschließt, dass Individuen Ressourcen von der Aufzucht des eigenen Nachwuchses umlenken in die Förderung fremden Nachwuchses? Gibt es entsprechende Definitionen?
Fußnoten
- [1] Altruismus, speziell auch mit einem Verzicht auf eigene Nachkommen wird definiert als: "Altruismus m [von ital. altrui = ein anderer; Adj. altruistisch], fremddienliches Verhalten, uneigennütziges Verhalten, gemeinnütziges Verhalten, Gemeinnutz, Beistandsverhalten, uneigennütziges Verhalten eines Individuums (= Geber oder Donor) zum Wohl anderer (= Empfänger oder Rezipient) mit Erhöhung der Fortpflanzungschancen des Empfängers auf Kosten des Gebers. Als klassisches Beispiel gilt der Verzicht auf eigene Nachkommen z. B. von Arbeiterinnen in Insektenstaaten (staatenbildende Insekten)" In: Spektrum Lexikon der Biologie. Abgerufen am 20. Februar 2024. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/altruismus/2546
- [2] Die meisten Zellen der Algenkolonie Volvox verzichten auf eine eigene Fortpflanzung, ein wichtiger Schritt hin zu einer Eusozialität der Algen: "Although reproductive altruism is central to the evolution of multicellularity and eusociality, the mechanistic basis for the evolution of this behaviour is yet to be deciphered." Und: "Volvox carteri consists of approximately 2000 permanently biflagellated sterile somatic cells and up to 16 non-flagellated reproductive cells." Sowie: "In other words, somatic cells are altruistic, and regA is directly responsible for this behaviour." In: Aurora M. Nedelcu: Environmentally induced responses co-opted for reproductive altruism. In: Biol Lett. 2009 Dec 23; 5(6): 805–808. Veröffentlicht am 3. Juli 2009. DOI: 10.1098/rsbl.2009.0334. Siehe auch reproduktiver Altruismus ↗
- [3] Solitär heißt so viel wie alleine, einzeln für sich lebend. Siehe unter solitär ↗
- [4] Der Kerngedanke des Artikels ist ein Gen, das individuell lebende Zellen bei Stress die Reproduktion einstellen lässt. Dasselbe Gen dient in der Zellkolonie als Mechanismus zur Unterdrückung der Zellvermehrung fast aller Zellen: "Here, we report that the gene responsible for the permanent suppression of reproduction in the somatic cells of the multicellular green alga, Volvox carteri, evolved from a gene that in its unicellular relative, Chlamydomonas reinhardtii, is part of the general acclimation response to various environmental stress factors, which includes the temporary suppression of reproduction." In: Aurora M. Nedelcu: Environmentally induced responses co-opted for reproductive altruism. In: Biol Lett. 2009 Dec 23; 5(6): 805–808. Veröffentlicht am 3. Juli 2009. DOI: 10.1098/rsbl.2009.0334.
- [5] Die Ausbildung von einem reproduktiven Altruismus wird als Teilprozess einer Evolutionären Transition von Individualität (ETI) gedeutet. Wesentlich ist dabei, dass nicht mehr der Genotyp einzelner Mitglieder einer Gruppe sondern der Gruppe als Ganzes als Grundflage der Vererbung wirken: "Increased heritability of the group phenotype is the final step in an ETI. Natural selection requires heritable variation in fitness, so when the group phenotype is heritable, selection can act on the group as a whole. The heritability of group-level traits is related to the evolution of conflict-mediating mechanisms, division of labour and export of fitness previously discussed. Increased heritability occurs following the evolution of division of labour because specialized germ cells develop into colonies with both germ and somatic cells, and therefore the colony phenotype, not the cell phenotype, is inherited." In: Davison Dinah R. and Michod Richard E. Steps to individuality in biology and culture. Phil. Trans. R. Soc. Veröffentlicht im Jahr 2023. DOI: http://doi.org/10.1098/rstb.2021.0407
- [6] Der zelluläre Flaschenhals begünstigt echte Kooperation zwischen Teilindividuen eines Superorganismus: "Cooperation is a classic solution to hostile environments that limit individual survival. In extreme cases this may lead to the evolution of new types of biological individuals (e.g., eusocial super-organisms). We examined the potential for interindividual cooperation to evolve via experimental evolution, challenging nascent multicellular “snowflake yeast” with an environment in which solitary multicellular clusters experienced low survival." In: Gulli JG, Herron MD, Ratcliff WC. Evolution of altruistic cooperation among nascent multicellular organisms. Evolution. 2019 May;73(5):1012-1024. doi: 10.1111/evo.13727. Epub 2019 Apr 15. PMID: 30941746; PMCID: PMC6685537.
- [7] Zur Eusozialität von menschlichen Gesellschaften siehe zum Beispiel: "Eusociality in Humans" In: Part II - Sociocultural Anthropology and Evolution. In: Part II. The Cambridge Handbook of Evolutionary Perspectives on Human Behavior. Cambridge University Press. 2020. ISBN: 9781108131797. Siehe auch Eusozialität ↗
- [8] "Zölibāt (lat.), Ehelosigkeit, insbes. die gesetzliche Ehelosigkeit der röm.-kath. Geistlichkeit, seit dem 4. Jahrh. von den Päpsten gefordert, aber erst von Gregor VII. 1074 durchgesetzt." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 1032. Online: http://www.zeno.org/nid/20001701096
- [9] Dass Religion, unter anderem mit einer zölibatären Priesterkaste, die Entstehung von Eusozialität in menschlichen Gesellschaften gefördert haben könnte, untersucht Jay R. Feierman. In: Religion’s Possible Role in Facilitating Eusocial Human Societies. A Behavioral Biology (Ethological) Perspective. In: Studia Humana. Band 5 (2016): Heft 4 (Dezember 2016).
- [10] Familien mit zölibatär lebender Mönche im Westen Chinas produzieren mehr Kinder als andere Familien: "Here, we present sociodemographic data from an agropastoralist Buddhist population in western China, where parents sometimes sent a son to the monastery. We find that men with a monk brother father more children, and grandparents with a monk son have more grandchildren, suggesting that the practice is adaptive." Micheletti Alberto J. C., Ge Erhao, Zhou Liqiong, Chen Yuan, Zhang Hanzhi, Du Juan and Mace Ruth: Religious celibacy brings inclusive fitness benefits. In: Proc. R. Soc. B.2892022096520220965. Veröffentlicht im Jahr 2022. DOI: http://doi.org/10.1098/rspb.2022.0965
- [11] Ohne Beschönigung konstatiert ein Lexikon aus dem Jahr 1809: "Der Harem; so nennt man bei den Muhamedanern und andern Morgenländischen Völkern die ganze Anzahl von Weibern, welche ein Mann hat, oder auch dasjenige Gebäude, in welchem das weibliche Geschlecht wohnt, das überhaupt von allen öffentlichen Gesellschaften ausgeschlossen ist, und nur in einen Schleier gehüllt erscheint. Dieses Gebäude ist immer von dem Hauptgebäude abgesondert, übrigens aber noch prächtiger eingerichtet als dieses. Die Aussicht davon geht gewöhnlich in die Gärten, die mit hohen Mauern umgeben und vielen schattigen Bäumen besetzt sind. In diesen Gärten bringen die Weiber einen großen Theil ihres Lebens mit Sticken, Musik und andern Beschäftigungen zu, Eine von den Weibern ist immer die begünstigte, und dieser sind die andern unterworfen. In dem Morgenlande gehört es mit zur Pracht, einen gut besetzten Harem zu haben. Die Knaben werden nur ungefähr bis zum sechsten Jahre in dem Harem erzogen." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 170. Online: http://www.zeno.org/nid/20000753890
- [12] Ein Eunuch ist nicht mehr zeugungsfähig: "Spado (lat.), ein Entmannter, ein durch Zerstörung der Zeugungsorgane seines Zeugungsvermögens beraubter Mann; vgl. Castrat u. Eunuch. Daher Spadonisch, entmannt." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 325. http://www.zeno.org/nid/20010963170
- [13] Homosexualität ist an sich evolutionär schwer zu erklären: "Of itself, homosexual sexual behavior will not yield offspring, and consequently individuals expressing strong SSSA [Human same-sex sexual attraction] that are mostly or exclusively homosexual are presumed to have lower fitness and reproductive success.". Aber: "We argue that same sex sexual attraction evolved as just one of a suite of traits responding to strong selection for ease of social integration or prosocial behavior. A strong driver of recent human behavioral evolution has been selection for reduced reactive aggression, increased social affiliation, social communication, and ease of social integration." In: Barron Andrew B. , Hare Brian: Prosociality and a Sociosexual Hypothesis for the Evolution of Same-Sex Attraction in Humans. In: Frontiers in Psychology. Volume 10. 2020. DOI: 10.3389/fpsyg.2019.02955. Online: https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2019.02955
- [14] Auch Frauen könne auf die eigene Fortpflanzung verzichten. Das klassische Beispiel sind Nonnen in einem Kloster. Seltsamerweise werden diese von der gegenwärtigen Literatur aber nicht betrachtet.
- [15] In einer engen Definition von Eusozialität wird gefordert, dass die entsprechende Gemeinschaft mindestens eine Kaste unfruchtbarer Individuen hat: "Eusociality is sometimes called ‘ultrasociality’. Today, eusociality has a loose and restricted definition. The loose definition requires: (1) multigenerational care of young, (2) cooperative care of young, (3) a division of labor, and (4) defense of communal locales, often containing foodstuff. The more restricted definition requires that in (3) one component of the division of labor involves a nonreproducing caste." In: Jay R. Feierman: Religion’s Possible Role in Facilitating Eusocial Human Societies. A Behavioral Biology (Ethological) Perspective. In: Studia Humana. Band 5 (2016): Hefft 4 (Dezember 2016). Siehe auch Eusozialität ↗
- [16] Die Ausbildung unfruchtbarer Kasten ist eine notwendige Voraussetzung für eine evolutionäre Transition: "The evolution of eusociality in social insects, such as termites, ants, and some bees and wasps, has been regarded as a major evolutionary transition (MET). Yet, there is some debate whether all species qualify. Here, we argue that worker sterility is a decisive criterion to determine whether species have passed a MET (= superorganisms), or not." In: Abel Bernadou, Boris H. Kramer, Judith Korb: Major Evolutionary Transitions in Social Insects, the Importance of Worker Sterility and Life History. In: Front. Ecol. Evol., 26 October 2021. Sec. Social Evolution. Volume 9 - 2021. Siehe auch HMST [Human Metasystem-Transition] ↗
- [17] In dem Buch aus dem Jahr 1932 werden Menschen künstlich in Gläsern herangezogen und im sogenannten Bokanowsky-Prozess auf ihre zukünftige soziale Rolle konditioniert. Siehe dazu Schöne Neue Welt ↗
- [18] Metasystem-Transitionen seit der Frühzeit der Evolution: "Negative feedback and control offer a self‐selecting mechanism that accounts for the long‐term stability of replication of the genome, and a related concept of reorganization offers a rationale for the progress of evolved forms into those which exert greater and greater control over the local environment. A picture emerges in which the basic principle of control runs like a unifying thread from the first living molecules to modern complex organisms." In: William T. Powers: The origins of purpose: The first metasystem transitions, World Futures, 45:1-4, 125-137. 1995. Dort im Abstract. DOI: 10.1080/02604027.1995.9972556
- [19] Wenn sich Zellen zu einer größeren ganzen verbinden (adhesion), lassen sie sich von genetischen Prozessen des Überorganismus steuern: "When adhesion evolved, the newly multicellular aggregates consisted of complex cells that could exploit their pre-existing ability to differentiate in this new biotic context. Eventually the genetic toolkit organising differentiation gave rise to the developmental program of complex multicellular organisms, with stable cell differentiation organised through spatio-temporal pattern formation" The evolution of multicellularity is a major transition in individuality, which occurred multiple times across the tree of life. In: Vroomans, R.M.A., Colizzi, E.S. Evolution of selfish multicellularity: collective organisation of individual spatio-temporal regulatory strategies. BMC Ecol Evo 23, 35 (2023). DOI: https://doi.org/10.1186/s12862-023-02133-x
- [20] Metasystem-Transitionen in menschlichen Gesellschaften: "Humans form effective, coordinated, division-of-labor groupings at several levels of aggregation. At each level, there is a problem of metasystem transition." In: Donald T. Campbell, Francis Heylighen: Human Society. In: Principia Cybernetica Web (Principia Cybernetica, Brussels), 1991. URL: http://pespmc1.vub.ac.be/SOCIETY.html
- [21] Die Menschheit als Ganzes durchläuft zur Zeit möglicherweise eine Metasystem-Transition: "A tentative application to the human MST seemingly in progress is proposed." In: Charles François: An integrative view of meta‐system transition, World Futures, 45:1-4, 173-179. 1995. Dort im Abstract. DOI: 10.1080/02604027.1995.9972559
- [22] Ein Superwesen jenseits der jetzigen Menschheit: "A possible direction of future evolution is the emergence of further levels of organization realized in "superbeing/metabeings.” The precise configuration of these “beings” is still open; an aspect or totality of which may be viewed as "cybernetic immortality.” In this paper, I review aspects of memes and MST as the basis for cybernetic immortality, discuss the potential for further MetaSystem Transitions in humans and human culture (trans‐sapiens and trans‐culture)" In: Elan Moritz: Metasystem transitions, memes, and cybernetic immortality, World Futures, 45:1-4, 155-171. 1995. Dort im Abstract. DOI: 10.1080/02604027.1995.9972558
- [23] Kazem Sadegh-Zadeh: Als der Mensch das Denken verlernte: Die Entstehung der Machina sapiens. Burgverlag, Tecklenburg. 2000. ISBN: 3-922506-99-2. Eine ausführliche Besprechung des Buches steht unter Machina sapiens ↗
- [24] Joël de Rosnay: Homo symbioticus. Einblicke in das 3. Jahrtausend, Gerling Akademie Verlag, München 1997, ISBN: 3-9803352-4-0. Französisches Original: L'homme symbiotique. Editions du Seuil Paris. 1995. Siehe auch Kybiont ↗
- [25] Metasystem-Transitionen, auch in der Zukunft: "Throughout the evolution of life, metasystems have consistently increased living system complexity. Common examples include the emergence of prokaryotes, eukaryotes, multicellularity, sexuality, societies, and superorganisms […].These metasystems have emerged in a hierarchic and developmentally constrained nature […],through progressive and cooperative symbioses at various levels of biological organization […]. This simply means that previous metasystems act as structured platforms for the emergence of higher cooperation […]" In: Cadell Last: Human metasystem transition (HMST) theory. Journal of Evolution & Technology. 25. 16. 2015. DOI: 10.55613/jeet.v25i1.36. Siehe auch HMST [Human Metasystem-Transition] ↗
- [26] Reproduktiver Altruismus bei Krustentieren: "Synalpheus regalis is a species of eusocial marine snapping shrimp that lives in sponges in coral reefs. They live in colonies of about 300 individuals with one reproductive female. Other colony members defend the colony against intruders, forage, and care for the young." In: Duffy, J. E.: Eusociality in a Coral-Reef Shrimp. Nature, 381 (6 June), 1996, pp. 512–514.
- [27] Zum reproduktiven Altruismus von Nacktmullen (mole rats): "The great majority of mole rats never reproduce or even try to, sacrificing their reproductive potential to a higher good: helping the colony to survive in a very challenging environment - an act that behaviorists call reproductive altruism." In: Jane E. Brody: The Strange Dark World of the Naked Mole Rat. New York Times. April 12th, 1994. Siehe auch Nacktmull ↗
- [28] Die Idee vom egoistischen Gen legte unter anderem der englische Zoologe Richard Dawkins sehr klar in einem Klassiker der Soziobiologie dar. Siehe dazu Das egoistische Gen ↗
- [29] Unfruchtbarkeit bei Frauen erzeugt Stress. Aber gilt auch der Umkehrschluss? Eine Studie zufolge ja: "Women with infertility report elevated levels of anxiety and depression, so it is clear that infertility causes stress. What is less clear, however, is whether or not stress causes infertility." Und als Antwort auf die Frage: "The inability to reproduce naturally can cause feelings of shame, guilt, and low self-esteem. These negative feelings may lead to varying degrees of depression, anxiety, distress, and a poor quality of life.". In Rooney KL, Domar AD. The relationship between stress and infertility. Dialogues Clin Neurosci. 2018 Mar;20(1):41-47. doi: 10.31887/DCNS.2018.20.1/klrooney. PMID: 29946210; PMCID: PMC6016043.
- [30] Auch bei Männern wird Unfruchtbarkeit durch Stress gefördert. Als Einflussfaktoren genannt werden das Altern, psychologischer Stress, Nahrung, körperliche Aktivität, Koffeingenuss, hohe Temperatur der Hoden, heißes Water und Mobilteleophone: "In this review, we will discuss the impact of quality of life (modifiable lifestyle factors) and psychological stress on male fertility." Ein Wirkmechanismus ist die Auslösung von Apoptose auf Zellebene: "Pre-clinical data have shown that acute stress might impair testicular function; testicular tissue from stressed rats shows higher levels of cortisol displayed apoptosis of both germ cells and Leydig cells. By contrast, the net effects of stress might be determined by chronic as demonstrated by the presence of glucocorticoid receptors (GRs) in […] germs cells; permanently high levels of glucocorticoid are believed to induce apoptosis of all cell types." Die Effekte sind überraschend stark: "the link between anxiety and sexual stress was surprisingly strong" In: Ilacqua, A., Izzo, G., Emerenziani, G.P. et al. Lifestyle and fertility: the influence of stress and quality of life on male fertility. Reprod Biol Endocrinol 16, 115 (2018). DOI: https://doi.org/10.1186/s12958-018-0436-9
- [31] In Ländern mit einer gut ausbildeten und preiswerten außerfamiliären Fürsorge für Kinder steigt die Fruchtbarkeit an: "Cheap and easily available childcare frees up women’s time and allows them to combine motherhood with a career, which ultimately increases fertility. In countries such as Sweden and Denmark, where public childcare is widely available for children of all ages, female employment and fertility rates today are higher than in countries where childcare is sparse. Not surprisingly, these countries also spend a larger fraction of their GDP [gross domestic product, Bruttosozialprodukt] on public early childhood education." Fehlende Gelegenheiten für ein stabiles und gutes Einkommen hingegen verringern die landesweite Fruchtbarkeit: "labor market conditions also affect career-family compatibility. In Spain, for example, a country with a two-tier labor market where jobs are either temporary or for a lifetime, women tend to postpone childbearing in hopes of landing a stable job first. Such labor market conditions naturally dampen fertility." In: Anne Hannusch, Fabian Kindermann, Michele Tertilt: The New Economics of Fertility. Herausgegeben vom Internationalen Währungsfond. September 2022. Online: https://www.imf.org/en/Publications/fandd/issues/Series/Analytical-Series/new-economics-of-fertility-doepke-hannusch-kindermann-tertilt
- [32] Wer sich Fürsorge für seine Kinder kaufen kann, hat mehr Kinder. Menschen ohne Einkommen rutschen dann eher in die Rolle die Fürsorge für andere zu leisten und gleichzeitig selbst weniger Kinder zu haben: "a yawning inequality gap may help explain why fertility rates among highly educated women are rising. They argue that the growing divide between rich and poor in American society has created two groups of women: those who can afford to buy help to raise their children and run their homes and those who are willing to supply such services at affordable prices." Dies sei das Ergebnis von empirischen Untersuchungen der Wirtschaftswissenschaflter Moshe Hazan and Hosny Zoabi. In: Jamie Doward and Gaby Bissett: High-fliers have more babies, according to study. In: The Guardian. 26. Oktober 2014. Online: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2014/oct/25/women-wealth-childcare-family-babies-study
- [33] Reiche Frauen investieren mehr Geld in die Fürsorge ihrer Kinder. Eine wachsende Schere zwischen Armen und Reichen, wie in den USA zu beobachten, fördert diesen Trend: "Highly educated women substitute a significant part of their own time for market services to raise children and run their households, which enables them to have more children and work longer hours. Finally, we use our model to shed light on differences between the U.S. and Western Europe in fertility and women's time allocated to labor supply and home production. We argue that higher inequality in the U.S. lowers the cost of baby-sitting and housekeeping services and enables U.S. women to have more children, spend less time on home production and work more than their European counterparts." In: Hazan, Moshe and Zoabi, Hosny, Do Highly Educated Women Choose Smaller Families? (September 22, 2011). Available at SSRN: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.1932835" target="_new">https://ssrn.com/abstract=1932835 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.1932835