Insektenstaat
Biologie
Basiswissen
Bienen, Termiten und Ameisen kennen Arten von sogenannten staatenbildenden Insekten. Die Tiere leben dann festgefügten Organisationen deren herausragende Merkmale auf eine starke Arbeitsteilung und Kooperation abzielen.
Eusozialität und Insektenstaaten
In der Biologie spricht man von Eusozialität und bei Insekten von Insektenstaaten, wenn die folgenden vier Bedingungen erfüllt sind[1].
- a) eine kooperative Brutpflege durch mehrere Tiere
- b) eine gemeinsame Nahrungsbeschaffung und auch - verteilung, zum Beispiel durch gegenseitige Fütterung (Trophallaxis)
- c) der Verband umfasst mehrere unterscheidbare Teilgruppen, die arbeitsteilig verschiedene Aufgaben erfüllen[7], die Kasten genannt werden.
- d) das Zusammenleben von Tieren mehrerer Generationen, meist in Familienverbänden aus Müttern und Töchtern
- Siehe auch Eusozialität ↗
Insektenstaaten und die Dawkins-Drossel
Bemerkenswert ist eine weitere Eigenschaft vieler Insektenstaaten: fast alle Individuen sind Kinder nur einer Mutter[2]. Das was man bei komplexen Tieren die Keimbahn nennt, ist bei Insektenstaaten die Vermehrung der Königin. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die gemeinsame verengte Keimbahn genetische Konkurrenz zwischen Einzelindividuen eines Staates ausschaltet und damit Kooperation bis hin zu echtem Altruismus ermöglicht. Siehe auch Dawkins-Drossel ↗
Insektenstaaten als Schwarmintelligenz
Bei engen Gemeinschaften von Insekten, Vögeln und Fischen (Luft- und Wasserbewohnern) spricht man zusammenfassend auch von Schwärmen. (Bei Landsäugetieren spricht man von einer Herde.) Insbesondere die Informatik hat solche Schwarmintelligenzen schon seit den 1990er Jahren als Modell für künstliche Formen kollektiver Intelligenzen aus glichartigen Individuen untersucht. Siehe dazu auch den Artikel zur Schwarmintelligenz ↗
Der Insektenstaat als Superorganismus
Insektenstaaten sind auch Beispiele für einen Superorganismus. Als Superorganismus bezeichnet man in der Biologie Verbände von Individuen einer biologischen, die gemeinsam eine Art Überorganismus bilden. Das trifft auf Insektenstaaten zu. Der Begriff wurde jedoch verallgemeinernd auch auf menschliche Gesellschaften oder hypothetische, zukünftige Überwesen aus Menschen und ihrer Technologie verwendet[3][4][5]. Siehe auch Superorganismus ↗
Fußnoten
- [1] Charles D. Michener: Comparative social behavior of bees. In: Annual Review of Entomology. Band 14, 1969, S. 299–342.
- [2] Heikki Helanterä: An Organismal Perspective on the Evolution of Insect Societies. In: Front. Ecol. Evol., 11 February 2016. Sec. Social Evolution. Volume 4 - 2016. https://doi.org/10.3389/fevo.2016.00006 [Betonung der Keimbahn sozialer Insekten]
- [3] James Lovelock: Gaia. Die Erde ist ein Lebewesen. Wilhelm Heyne Verlag. 1996. Im englischen Original bereits 1991 erschienen. Die Definition von Superorganismus steht auf Seite 64.
- [4] Howard Bloom: Global Brain. Die Evolution sozialer Intelligenz. Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart. 1999. ISBN: 3-421-05304-9. [Superorganismus erwähnt auf den Seiten 23 und 227]
- [5] Peter Russell: Auf dem Weg zum globalen Gehirn. Die digitale Revolution ist die letzte Stufe auf dem Weg zu einem Superorganismus. Übersetzt von Florian Rötzer. 3. Dezember 1996. In: Telepolis. https://www.heise.de/tp/features/Auf-dem-Weg-zum-globalen-Gehirn-3412629.html
- [6] Herbert George Wells: Empire of the Ants. 1905. (Science Fiction).
- [7] Die starke Arbeitsteilung bei Insektenstaaten untersuchen: Richardson, T.O., Stroeymeyt, N., Crespi, A. et al. Two simple movement mechanisms for spatial division of labour in social insects. Nat Commun 13, 6985 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-34706-7
- [8] Der englische Schriftsteller Herbert Spencer (1820 bis 1903) betrachtete Insektenstaaten als Beispiel für das Super-Organische, eine Form der Evolution, die sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Individuen ergibt: "There are various groups of super-organic phenomena, of which certain minor ones may be briefly noticed here by way of illustration. Of such the most familiar, and in some respects the most instructive, are furnished by the social insects." Spencer sieht die Evolution von Insektenstaaten als eine Fortsetzung der Evolution unelebter Materie: " As evidence that Evolution of this order has here arisen after the same manner as the simpler orders of Evolution, it may be added that, among both bees and wasps, different genera exhibit it in different degrees. From kinds that are solitary in their habits, we pass through kinds that are social in small degrees to kinds that are social in great degrees." Als Evolution niederer (simpler) Ordnung bezeichnete er zum Beispiel die Entstehung der Sterne (astrogeny) oder der Erde (geogeny). In: Herbert Spencer Part of: The Principles of Sociology, 3 vols. (1898). The Principles of Sociology, vol. 1 (1898). Dort der Abschnitt: § 3. Of such the most familiar, and in some respects the most instructive, are furnished by the social insects.