Nacktmull
Staatenbildendes Säugetier
Basiswissen
Nacktmulle sind - neben dem Menschen - die einzigen Säugetiere, die zu einer echten Staatenbildung neigen. Diese Tiere und die Besonderheit ihrer Staatenbildung sind hier kurz vorgestellt.
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Daten und Fakten zum Nacktmull[1]
- Verwandt mit Nagetieren und Stachelschweinen
- Trockene Halbwüsten als Lebensraum
- Aus einer Karte sieht man die Gegend von Somalia ↗
- Je 100 bis 200 Tiere bilden eine unterirdische Kolonie ↗
- Wurzeln dienen als Nahrung.
- Paarungen: etwa 4 bis 5 mal pro Jahr
- Etwa 70 bis 90 Tage Tragzeit
- Geschlechtsreife mit 7 bis 8 Monate[n] ↗
- Etwa 23 bis 28 Jahre Lebenserwartung ↗
Der Nacktmull als staatenbildendes Säugetier
Echte Staaten im Sinne der Biologie bilden vor allem Insekten. Das einzige staatenbildende Säugetier - neben dem Mensch - ist der Nacktmull. Man spricht auch von Eusozialität. In einer Kolonie gibt es nur ein einziges Weibchen, das sich mit Männchen fortpflanzt. Durch Aggression gegenüber anderen Weibchen werden diese derart gestresst, dass sie vorübergehend unfruchtbar werden, ihr Eisprung bleibt aus.
Merksatz 1.0: Nacktmulle leben ähnlich wie manche Insekten ein eusozial und zeigen dabei einen reproduktiven Altruismus.
Den Verzicht auf die eigene Fortplanzung nennt man reproduktiven Altruismus[6]. Stirbt die Königin, passieren dann zwei Dinge: die Männchen wandern ab und suchen sich eine neue Kolonie. Dadurch wird Inzucht vermieden. Und zum zweiten werden die verbleibenden Weibchen wieder fruchtbar und streiten nun um den Rang der Königin. Diese enge Kanalisierung der Fortpflanzung ist ein wesentliches Merkmal für eine sogenannte Eusozialität ↗
Was ist die Dawkins-Drossel?
Der englische Zoologe Richard Dawkins (geboren 1941 in Nairobi) betonte eine interessante Parallelität zwischen den Zellen eines Organismus und den Mitgliedern eines Tierstaates: bei beiden Pflanzen sich nur sehr wenige Individuen, auf keinen Fall aber die große Mehrzahl selbst als neuer Organismus fort. In der Biologie spricht man von der sogenannten Keimbahn.
Merksatz 2.0: Der reproduktive Altruismus unterbindet den sogenannten Genegoismus.
Bei Menschen pflanze sich die Aberbillionen Zellen nur durch Samen- und Eizelle fort. Bei Nacktmullstaaten pflanzen sich alle Individuen nur durch die gemeinsame Königin fort. Dawkins zufolge schaltet dieser Mechanismus den Zwang zum Genegoismus aus und ermöglicht einen echten Altruismus unter den beteiligten Individuen. Siehe mehr zu diesem Gedanken im Artikel zur Dawkins-Drossel ↗
Fußnoten
- [1] Erklärungstafel zum Nacktmull im Frankfurter Zoo, 14. April 2023.
- [2] Richard Dawkins: 1976: Das egoistische Gen. Spektrum, Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford, 1994. Originaltitel: The Selfish Gene. ISBN 3-86025-213-5. In der deutschen Ausgabe das Kapitel: Die große Reichweite der Gene. Seite 405.
- [3] Zur Eusozialität von Nacktmullen: Anderson, M. The evolution of eusociality. Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics 15, 165–189 (1984).
- [4] Zur Eusozialität von Nacktmullen: Ciszek, D. New colony formation in the "highly inbred" eusocial naked mole-rat: outbreeding is preferred. Behavioral Ecology 11, 1–6 (2000).
- [5] Zur Eusozialität von Nacktmullen: Jacobs, D. & Jarvis, J.: No evidence for the work-conflict hypothesis in the eusocial naked mole-rat (Heterocephalus glaber). Behavioral Ecology and Sociobiology 39, 401–409 (1996). Siehe auch Eusozialität ↗
- [6] Zum reproduktiven Altruismus von Nacktmullen (mole rats): "The great majority of mole rats never reproduce or even try to, sacrificing their reproductive potential to a higher good: helping the colony to survive in a very challenging environment - an act that behaviorists call reproductive altruism." In: Jane E. Brody: The Strange Dark World of the Naked Mole Rat. New York Times. April 12th, 1994. Siehe auch reproduktiver Altruismus ↗