STI
Search for Terrestrial Intelligence
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- 2025
Basiswissen|
Einführung|
Gas abseits des Gleichgewichts|
Der Exoplanet K2-18 b als Beispiel|
Der STI-Blick in der Science Fiction|
Was bedeutet STI für SETI?|
Fußnoten
Basiswissen
STI kann man als scherzhafte Abkürzung für Search für Terrestrial Intelligence deuten, in Anlehnung an SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence). Was zunächst wie eine Satire klingen mag, hat jedoch als Gedankenexperiment eine geistreiche wissenschaftliche und eine literarische Geschichte.

Am 9. Dezember 1992 fliegt die Jupiter-Sonde Galileo in rund 500 tausend Kilometern über Nordafrika hinweg. Was auf diesem Bild deutet auf eine technologische Zivilisation hin? An welchen physikalischen Messdaten könnte eine außerirdische Intelligenz intelligente Wesen auf der Erde erkennen?
Einführung
Am 18. Oktober 1989 wurde von dem Raumgleiter Atlantis[1] die Sonde Galileo Richtung Jupiter gestartet. Die Sonde flog aber nicht auf dem geometrisch gesehen kürzesten Weg Richtung Jupiter. Um Treibstoff zu sparen nutzte sie sogenannte Swing-by oder Slingshot.[2] So kam es, dass die Sonde Galileo am 8. Dezember 1990 in nur etwa 960 Kilometern Entfernung an der Oberfläche der Erde vorbeiflog. Der Astronom Carl Sagan (1934 bis 1996) nutzte die Chance, um die Sensoren der Galileo auf die Erde zu richten. Er wollte Messdaten erheben, mit deren Hilfe man überlegen könne, ob e es Leben auf der Erde geben könnte.
ZITAT:
"Galileo fand Anzeichen für große Mengen von gasförmigen Sauerstoff, einen weit verbreiteten Farbstoff an der Oberfläche, der rotes Licht in einem engen Bereich des sichtbaren Spektrums von Licht absorbiert sowie das Gas Methan extrem abseits des thermodynamischen Gleichgewichts. […] Außerdem sind gepulste, amplituden-modulierte Funkwellen in einem engen Bandbereich typisch für intelligentes Leben."[3]
"Galileo fand Anzeichen für große Mengen von gasförmigen Sauerstoff, einen weit verbreiteten Farbstoff an der Oberfläche, der rotes Licht in einem engen Bereich des sichtbaren Spektrums von Licht absorbiert sowie das Gas Methan extrem abseits des thermodynamischen Gleichgewichts. […] Außerdem sind gepulste, amplituden-modulierte Funkwellen in einem engen Bandbereich typisch für intelligentes Leben."[3]
Das interessante an diesem "Experiment" war die Frage, wie man ausschließlich mit Hilfe von physikalischen Messdaten die Anwesenheit von intelligentem Leben auf einem fremden Himmelskörper erkennen könnte. Der Astrobiologe David Grinspoon schlug knapp vor: "Lasst uns annehmen, wir sehen die Erde zum ersten Mal".[4] Hochauflösende Bilder von Australien und Antarktika brachten keine Anzeichen für eine Zivilisation auf der Erde[4], wohl aber die für unbelebte Planeten ungewöhnliche Gase in der Atmosphäre. Die von Sagan vorgeschlagenen Methoden wurden später auch auf tatsächlich gefundene Expoplaneten angewendet.[6]
Gas abseits des Gleichgewichts
Sagans Gedanken waren damals nicht neu. Die Idee, dass bestimmte Gase in einer Atmosphäre nur von lebenden Wesen in größeren und stabilen Anteilen aufrecht erhalten werden können, war zum Beispiel die Grundidee von Lovelocks Gaia-Hypothese. In den 1960er Jahren sollte Lovelock Kriterien dafür entwickeln, ob es Leben auf dem Mars geben könnte. Eine Idee war es, nach stabilen Anteilen von Gasen in der Atmosphäre zu suchen, die dauerhaft auch abseits eines chemischen Gleichgewichts bestehen.[7] Lovelock entwickelte diesen Gedanken später zusammen mit der Biologien Lynn-Margulis weiter zur Gaia-Theorie ↗
Der Exoplanet K2-18 b als Beispiel
Im Sternbild Löwen, für das bloße Auge unsichtbar, umkreist in etwa 124 Lichtjahren Entfernung zu uns der Planet K2-18 b einen roten Zwerg. Die physikalischen Daten lassen den Planeten in vielerlei Hinsicht als ähnlich unserer Erde erscheinen:
- Etwa das 2,6fache des Erdradius ↗
- Etwa das 8,6fache der Erdmasse ↗
- Etwa 2,7 g/cm³ als mittlere Dichte ↗
- Etwa 12,4 m/s² als Fallbeschleunigung ↗
- Etwa 265 K oder −8 °C als Temperatur ↗
K2-18 b umkreis seine Sonne[8] alle 33 Tage einmal ganz, in einem Abstand von etwa 21 Millionen Kilometern. Seine Sonne K2-18 ist als roter Zwerg deutlicher kleiner, masseärmer und an der Oberfläche sehr viel kühler als unsere Sonne.[8] Diese Zahlenwerte platzieren den Planeten K2-18 b in der sogenannten habitablen Zone in seinem System. Habitabel heißt dabei so viel wie für erdähnliches Leben wirtlich, bewohnbar. Nach den gemessenen Gasanteilen in der Atmosphäre und den Randbedingen wäre es möglich, dass K2-18 b ein Planet mit Ozeanen aus Wasser an der Oberfläche ist. Damit wäre dieser Exoplanet ein guter Kanditat für eine belebte ferne Welt. Doch können die Messdaten auch durch andere Szenarien erklärt werden, insbesondere die Annahme, dass der Planet eine Art Mini-Neptun ist. Die für Leben charakteristischen Gasmengen hätten dann allerdings keinen biologischen Ursprung.[6] Spekulationen über mögliche Lebensformen auf fernen Himmelskörpern untersucht die Exobiologie ↗
Der STI-Blick in der Science Fiction
Carl Sagans Idee waren nicht neu. Die Deutung atmosphärischer Gase als Indiz für Leben hatten schon Lovelock und Margulis Anfang der 1970er Jahre ausgearbeitet.[7] Und spätestens schon 1959 wurde vorgeschlagen, den Himmel nach wissenschaftlichen Methoden auf künstlich erzeugte Radiowellen hin zu durchforsten.[9] Und auch die Idee, dass außeridirdische Intelligenzen uns nur schwer als ebenfalls intelligente Lebensform - oder überhaupt lebendig - zu erkennen, ist recht alt. Sagans Größe aber liegt darin, solche Ideen publikumswirksam vermittelt zu haben.[10]
Die letzte Idee, dass fremde Intelligenz uns nicht als lebendig erkennen könnten, ist einer der verstörendsten Aspekte eines Kapitels in einem Buch der frühen Science Fiction. In seinem Klasse Die Letzten und die Ersten Menschen aus dem Jahr 1930. Geschildert wird eine Scharm-Intelligenz auf dem Planeten Mars. Die einzelnen Mikro-Individuen bestehen aus winzigen Metallteilchen. Jedes dieser insektoiden Mini-Wesen ist für sich alleine nicht intelligent. Erst im Scharm und mit Hilfe elektromagnetischer Kommunikation und Kraftwirkungen entsteht aus dem Zusammenwirken aller dieser Mikro-Wesen die übergeordnete Intelligenz. Als diese Schwarmwesen vom Mars dann die Erde besiedeln möchten, treffen sie dort kein Leben an.
ZITAT:
"Kein Forscher von einem fremden Planeten hätte geahnt, dass diese schnöde Kugel belebt ist mit Ungeziefer, mit weltbeherrschenden, selbstquälerischen und im Keim engelhaften Kreaturen."[12]
"Kein Forscher von einem fremden Planeten hätte geahnt, dass diese schnöde Kugel belebt ist mit Ungeziefer, mit weltbeherrschenden, selbstquälerischen und im Keim engelhaften Kreaturen."[12]
Ihr Gedankenfehler ist, dass sie eine reichhaltige Aktivität im Bereich elektromagnetischer Phänome für eine zwingend notwendige Voraussetzung für Leben halten. Doch die wenigen Funkantennen sind so primitiv, dass sie kaum als Leben gelten. Uns Menschen nehmen sie nur als Proteinklumpen wahr, die vielleicht von den Funkantennen gesteuert werden. Erst im Zuge langer und leidvoller Kriege erkannten die zwei Lebensformen sich gegenseitig als lebendig. Siehe auch Die letzten und die ersten Menschen [Buch] ↗
Was bedeutet STI für SETI?
SETI ist der offizielle Name eines wissenschaftlichen Programms zur Suche nach extraterristrischer Intelligenz, also intelligentem Leben, das nicht auf der Erde entstanden ist. Der Kerngedanke von STI als halb-satirischem Gedankenexperiement ist die Schwierigkeit, mit der man als außerirdische Intelligenz die menschliche Zivilisation vom Weltraum aus betrachtet als Ausdruck von Intelligenz erkennen würde. Das gewinnt eine besondere Schärfe durch die anhaltenden Misserfolge von SETI: trotzt einer vielleicht hohen Wahrscheinlichkeit, dass es alleine in unserer Galaxie eine große Anzahl hochtechnologischer Zivilisationen geben müsste[13]. Paradox ist dann aber, dass wir davon nichts mitbekommen.[14] Siehe mehr dazu unter Fermi-Paradoxon ↗
Fußnoten
- [1] Die Atlantis war ein Raumgleiter, der nach einem raketengetriebenen Start von der Erde und nach üblicherweise vielen Umrdungungen der Erde in einem Orbit mit Hilfe von Flügeln wie ein Flugzeug auf der Erde landen konnte. Siehe mehr unter Space Shuttle ↗
- [2] Als Swing-by oder Slinghot bezeichnet man in der Raumfahrt ein Flugmanöver, bei dem ein Raumfahrzeug einen größeren Himmelskörper nahe passiert. Je nach Bahn, kann dabei die Geschwindigkeit des Fahrzeug erhöht oder vermindert werden, ohne dass dazu Treibstoff verbraucht werden muss.
- [3] Im Original hieß es, die Sonde Galileo "found evidence of abundant gaseous oxygen, a widely distributed surface pigment with a sharp absorption edge in the red part of the visible spectrum, and atmospheric methane in extreme thermodynamic disequilibrium; together, these are strongly suggestive of life on Earth. Moreover, the presence of narrow-band, pulsed, amplitude-modulated radio transmission seems uniquely attributable to intelligence. " In: Sagan, C., Thompson, W., Carlson, R. et al. A search for life on Earth from the Galileo spacecraft. Nature 365, 715–721 (1993). https://doi.org/10.1038/365715a0
- [4] Im Original sagte der NASA-Astrobiologe David Grinspoon: "Let’s imagine that we’re seeing Earth for the first time." In: Alexandra Witze: How would we know whether there is life on Earth? This bold experiment found out. In: Nature 622, 451-452 (2023). DOI: doi: https://doi.org/10.1038/d41586-023-03230-z
- [5] Alexandra Witze: How would we know whether there is life on Earth? This bold experiment found out. In: Nature 622, 451-452 (2023). DOI: doi: https://doi.org/10.1038/d41586-023-03230-z
- [6] In den 2020er Jahren wurden Methan, Kohlendioxid und Wasserdampf in der Atmosphäre des Exoplaneten K2-18 b in 124 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Löwen gefunden. Deutet das auf Leben hin? Drei Möglichkeiten wurden untersucht: "a lifeless Hycean world [Wasser-Ozean], an inhabited one with a simple biosphere that affects the atmospheric chemistry, and a gas-rich planet with a deep atmosphere akin to standard gas or icy giants. The results show that a lifeless Hycean world cannot explain the observed methane bands in the JWST [James Webb Space Telescope] spectra." Die einfachste Erklärung für die gemessenen Werte, so der Artikel, ist die Annahme, dass der Planet eine Art Mini-Neptun ist. In: Maltagliati, L. The (probable) gas-rich nature of K2-18 b. Nat Astron 8, 153 (2024). https://doi.org/10.1038/s41550-024-02216-9
- [7] James Lovelock, Lynn Sagan: Atmospheric homeostasis by and for the biosphere: the Gaia hypothesis In: Tellus. Series A. Stockholm: International Meteorological Institute. Band 26, Nr. 1–2, 1974, S. 2–10. Siehe auch Gaia-Theorie ↗
- [8] Die Sonne heißt: K2-18 und hat grob folgende Daten: Rektaszension: 11h 30m 14.51774s; Deklination: +07° 35′ 18.2553; scheinbare Helligkeit: 13,5 (sehr dunkel); etwa die Hälfte der Sonnenmasse, etwa das 0,47fache des Sonnendurchmessers; etwa 3500 Kelvin Temperatur an der Oberfläche (eher kühl für einen Stern). Siehe auch Sterne ↗
- [9] Den Himmel systematisch nach Radiosignalen zu durchsuchen wurde spätestens im Jahr 1959 vorgeschlagen: Cocconi, Giuseppe & Philip Morrison (1959): Searching for interstellar communications. In: Nature. 184 (4690): 844–846.
- [10] Eine Vorlesung von Sagan mit einer Dauer von über zwei ist heute allgemein verfügbar: Carl Sagan: The Bunyan Lecture. Is There Intelligent Life on Earth? 1993. Online: https://www.youtube.com/watch?v=Hez5MyKQIMs
- [11] William Olaf Stapledon: Last and First Men (1930). Deutsch: Die letzten und die ersten Menschen. Heyne (Bibliothek der Science Fiction Literatur), 1983, ISBN 3-453-30960-X. Siehe auch Die letzten und die ersten Menschen ↗
- [12] Als Teil einer kosmischen Vision beschreibt Stapledon, wie Engel oder Wesen von einem fremden Planeten beim Anblick der Erde nichts von den dort lebenden Menschen erahnen würde: "No visiting angel, or explorer from another planet, could have guessed that this bland orb teemed with vermin, with world-mastering, self-torturing, incipiently angelic beasts." In: Die letzten und die ersten Menschen. Heyne (Bibliothek der Science Fiction Literatur), 1983, ISBN 3-453-30960-X. Siehe auch William Olaf Stapledon ↗
- [13] Eine kontrollierte, analytische Abschätzung über die Anzahl jetzt in unserer Galaxie existierenden Hochzivilisationen erlaubt zum Beispiele die Drake-Gleichung ↗
- [14] Als Fermi-Paradoxon bezeichnet man den verwirrenden Befunde, dass man im Weltraum keinerlei Anzeichen intelligenter Lebensformen findet. Es gibt zahlreiche Erklärungsversuche dafür. Vielleicht ist die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen biologischen Lebens auf Planeten tatsächlich extrem niedrig. Oder aber es gab viele technologisiche Zivilisationen im All, sie haben sich aber alle recht schnell nach ihrer Entstehung selbst zerstört (Big Filter). Oder aber, der Kosmos wimmelt vor Leben, aber es hat für uns so fremde Ausdrucksformen, dass wir es nicht erkennen. Siehe mehr unter Fermi-Paradoxon ↗