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Neuronales Netz


Informatik


Basiswissen


Als neuronales Netz wird in den Neurowissenschaften eine beliebige Anzahl miteinander verbundener Neuronen bezeichnet, die als Teil eines Nervensystems einen Zusammenhang bilden und die einem bestimmten Zweck dienen. Abstrahiert werden in der Informatik darunter auch vereinfachte Modelle einer biologischen Vernetzung verstanden. Beides ist hier kurz vorgestellt.

Neuronale Netze in biologischen Lebewesen


Ein Neuron ist eine Nervenzelle, ein neuronales Netz ist eine Verbindung mehrere solcher Nervenzellen über Leitungen, über die sie elektrische oder andere Signale austauschen können. Solche neuronalen Netze gibt es etwa in Würmern, Quallen, allen höheren Tieren und im Gehirn von Menschen. Dabei ist bis heute unklar, auf welchen Prinzipien genau die Lernerffekt solcher biologischen Netze beruhen[5]. Beispiele für Tiere mit einem sehr einfachen neuronalen Netz sind Würfelquallen[15] sowie der Wurm Caenorhabditis elegans ↗

Neuronale Netze in einer Petrischale


Ein Forscherteam in London hat aus menschlichen Stammzellen Neuronen gezüchtet, die sich in einer Petrischale zu einem Netz verbanden. Die Neuronen versuchten, ihre Umgebung möglichst stabil im Sinne von gleichbleibend zu halten. Das nutzten die Forscher, um das Netz zu trainieren. Sie spielten ihm über Elektroden Daten aus einem sehr einfache Computerspiel, Pong, ein: Ein Ball fliegt auf einem Bildschirm hin und her und muss auf einer Seite von einem Schläger getroffen werden. Über ausgehende elektrische Signale konnte das neuronale Netz den Schläger steuern. Über eingehende Signale gaben die Elektroden den Weg des Balls über den Bildschirm an, die Frequenz kodierte dabei die Nähe des Schlägers zum Ball. Nach einigen wenigen Minuten Training konnte das neuronale Netz das Computerspiel erfolgreich spielen.[7][12]

Neuronale Netze in der Informatik


Angeregt durch biologische neuronale Netze werden heute mit Computern stark mathematisierte künstliche neuronale Netze programmiert. Sie arbeiten erfolgreich zum Beispiel bei der Stabilisierung von Fluggeräten, der Gesichtserkennung mit Kameras, dem Lesen von Handschriften oder auch beim Schachspielen. Das Grundprinzip ist so einfach, dass es von Gelegenheitsprogrammierern mit etwas Mühe als Computercode umgesetzt werden kann. Während man aber für solche künstlichen Netze klar sagen kann, warum und wie sie lernen, ist fraglich, ob reale biologische Netze nicht auf völlig anderen Prinzipien beruhen[4]. Siehe auch künstliches neuronales Netz ↗

Neuronale Netze in der Soziologie und Psychologie


Im Jahr 1995 veröffentlichte der Psychologe Theo Gehm ein Habilitationsschrift, in der er detailliert an vielen Beispielen zeigte, dass kleine Gruppen von Menschen in Analogie zu einem biologischen oder künstlichen neuronalen Netz modelliert werden können[3]. So scheinen Menschen sich unbewusst gegenseitig im Rhytmus ihrer Körperbewegungen zu synchronisieren um damit Übereinstimmung bei Gesprächen zu signalisieren. Gehm sieht darin eine Analogie zur Hebbschen Regel des Lernens. Lies mehr dazu unter Informationsverarbeitung in sozialen Systemen (1995) ↗

Neuronale Netze als Modell für soziointegrative Degeneration


Hat man ein bestehende neuronales Netz als Software erstellt, kann man es auf mindestens vier Arten effektiver machen: a) man kann die Anzahl der Neuronen erhöhen, b) die Architektur der Verschaltung ändern, c) jedes Neuron für sich komplexer machen oder d) den Lernalgorithmus ändern. Tatsächlich dürfte die Maßnahmen a und b bei sonst gleichen Bedingungen oft genügen, um das Netz als ganzes effektiver zu machen. Der springende Punkt hier ist, dass die einzelnen Neuronen in ihrer Komplexität beschränkt sein dürfen oder sogar reduziert werden, und gerade dadurch Ressourcen (Rechengeschwindigkeit, Arbeitsspeicher) frei werden, die über eine andere Architektur oder mehr Neuronen zu besseren Ergebnissen führen. Dieses Phänomen, dass man einzelne Individuen in der Komplexität reduziert und dadurch Ressourcen frei werden für eine weitere Optimierung des Systems übertrug der polnische Autor Stanislaw Lem auch auf menschliche Gesellschaften. Siehe dazu den Artikel über soziointegrative Degeneration (Soziologie) ↗

Hybride sozio-technische Netze


Im Jahr 1983 prägte Peter Russell das Wort vom Global Brain, dem weltweiten Gehirn. Die Grundidee war, dass Menschen in Verbindung mit Kommunikationstechnologie im Großen wie ein neuronales Netz funktionieren könnten. Das metaphorische Wort inspirierte vor allem seit den 1990er Jahren mit dem Aufkommen des Internets eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Büchern. Aber trotz vieler augenfälliger Analogien, ist unklar, wie solche Netze tatsächlich lernen sollen. Lies mehr unter Global Brain ↗

Neuronale Netze in der Evolution


Als frühe Lebensformen mit Nervennetzen diskutiert man Schwämme[8], Quallen[9] und Würmer[10]. Fossilien von mehrzelligen Vorformen dieser Tiere gibt es mindestens seit der erdgeschichtlichen Zeit des Ediacarium. Eindeutig voneinander unterscheidbar und mit Neuronen ausgestattet waren sie dann spätestens seit dem Kambrium ↗

Eine Kuriosität: Pilze mit Neuronen


Zellen von Pilzen tauschen in ihrem Mycel elektrische Signale mit Schwingunsdauern von mehreren Stunden aus. In einer statistischen Analyse konnte gezeigt werden, dass diese Signale zumindest formal Worten und Sätzen gesprochener Sprache entsprechen. Auch ist bekannt, dass Pilze sich gegenseitig über einen Parasitenbefall warnen können[6]. Inwiefern hier ähnliche Prozesse wie in neuronalen Netzen von echten Tieren ablaufen ist eine offene Forschungsfrage. Siehe auch Pilz ↗

Fußnoten