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Mereologie


Logik


Basiswissen


Ist ein Schiff, bei dem über die Zeit alle Teile durch Ersatzteile ausgetauscht wurden, immer noch dasselbe Schiff wie am Anfang? Wie hängt die Identität eines Ganzen mit seinen Bestandteilen zusammen? Diese Frage bildet den historischen Ausgangspunkt der Mereologie, einem Teilgebiet der Mathematik, Logik und Informatik.

Historische Anfänge der Mereologie


Die Frage nach der Identität von Objekten im Zusammenhang mit ihren Bestandteilen wurden bereits im Altertum formuliert. Berühmt ist hier das antike Bildnis vom Schiff des Theseus. Als eigenständiges Forschungsgebiet der Logik enstand die heutige Mereologie in den ersten Jahrzehten des 20ten Jahrhunderts. Den Anlass dazu gaben Antinomien (innere Widersprüche) der Mengenlehre. Das Wort Mereologie wurde dann im Jahr 1923 als Kunstwort von dem Polen Stanislaw Lesnieski geprägt[1]. Mereologie heißt wörtlich so viel wie die Lehre von den Teilen.

Ein Beispiel zur Mereologie aus der technischen Planung


Bei der technischen und betriebswirtschaftlichen Planung von Industrieanlagen werden einzelne Betriebsmittel oft mit einer eigenen Identifikationsnummer (ID), einem Datenbankschlüssel eindeutig gekennzeichnet. Ist dann zum Beispiel ein rein geplanter Kompressor mit einer eigenen ID derselbe Kompressor wenn er im Betrieb im Einsatz ist? Behält er seine ID auch nachdem er verschrottet wurde? Solche Fragen bezandelt man in der Informatik unter dem Stichwort Ontologie (Informatik) ↗

Ein Beispiel zur Mereologie in der Mengenlehre


Kann man sich eine Menge aller Menge aller vorstellen, die sich nicht selbst als Element enthalten? Dieser offensitliche Widerspruch wird heute als Russelsche Antinomie[1] bezeichnet und hat viele Mathematiker und Logiker beschäftigt. Die Art der Frage verweist eindrucksvoll auf den Grad der Abstraktheit der Mereologie. Einen ähnlichen Kern hat das Problem vom Barbier von Sevilla ↗

Ein Beispiel zur Mereologie aus der Philosophie des Geistes


Als Mind uploading bezeichnet man hypothetische Technologien, die es erlauben, den Geist eines Menschen, sein Bewusstsein oder sein Ich vom ursprünglichen biologischen Gehirn auf ein künstliche geschaffenes technisches Medium zu übertragen. Hier ist die Frage interessant, ob die Ich-Identität untrennbar mit den ursprünglichen Bestandteilen des Gehirns verbunden ist oder aber nur die Funktion der Teile eine Rolle spielt. Siehe dazu auch den Artikel zum Mind uploading ↗

Ein Beispiel zur Mereologie aus Evolutionsforschung


Im Laufe der Evolution haben sich immer wieder vorher einzelständige Einzeller zu mehrzelligen Lebewesen verbunden. Aus einzelligen Algen entstanden so mehrzellige Tange, aus frei umherschwimmenden Einzellern zusammenhängende Tiere wie Schwämme. Die Übergänge sind jedoch fließend. Bei Schwämmen zum Beispiel kann der Einzelorganismu sogar wieder in isoliert lebensfähige Einzeller zerfallen. Hier stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien man entscheiden will, ab wann eine Zellkolonie eine bloße Gemeinschaft von Zellen ist oder bereits ein eigenständiges Lebewesen. Ein häufig diskutiertes Beispiel dazu ist die Kugelalge Volvox ↗

Ein Beispiel zur Mereologie aus der historischen Politik


Im 19ten Jahrhundert blühten vor allem im deutschsprachigen Raum Theorien auf, die den Staat als ein einzelnes Lebewesen ansahen. Man sprach von Staatsorganen und einer Staatsräson. Manche Autoren gingen so weit, dem Staat ein eigenes Bewusstsein zuzuschreiben. Die Gesamtheit dieser historischen Theorien bezeichnet man heute als organische Theorie ↗

Ein Beispiel zur Mereologie aus der spekulativen Philosophie


Seit den 1960er Jahren wurden Theorien populär, die das Geflecht menschlicher Aktivitäten auf der Erdoberfläche als einen aufkeimenden globalen Organismus betrachteten. Menschen waren Zellen im globalen Körper, Straßen und Schifffahrtswege bildeten die Arterien, Kommunikationstechnologien das Nervensystem. Im Jahr 1981 prägte dann der Engländer Peter Russell die griffige Idee vom Global Brain ↗


Fußnoten