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Kombinatorische Explosion


Heuristik


Basiswissen


Man spricht von einer kombinatorischen Explosion wenn eine geringe Erhöhung der Anzahl von Elementen zu einer so katastrophalen[2] Erhöhung der möglichen Kombinationen dieser Elemente führt. Katastrophal ist die Erhöhung deshalb, weil damit verbundene Fragen praktisch rechnerisch nicht mehr beantwortet werden können[2]. Die kombinatorische Explosion spielt unter anderem eine wichtige Rolle in der Bio(Chemie) und der Evolution.

Beispiel I: die Kombination von Zahlen


Es gibt 6 verschiedene Möglichkeiten, die Buchstaben ABC in verschiedenen Reihenfolgen anzuordnen[2]. Die Buchstaben sind hier die Elemente, die kombiniert werden sollen. Hat man die Buchstaben ABCD, so gibt es bereits 24 mögliche Kombinationen. Die Liste zeigt für jede Anzahl von Buchstaben (links) wie viele Kombinationen (rechts) es gibt:

0 -> 1
1 -> 1
2 -> 2
3 -> 6
4 -> 24
5 -> 120
6 -> 720
7 -> 5040
8 -> 40320
9 -> 362880
10 -> 3628800
11 -> 39916800

Beispiel II: das Lateinische Quadrat


Deutlich "katastrophaler" ist der Anstieg der Kombinationen bei einen sogenannten lateinischen Quadrat[3]. Angenommen man hat ein Quadrat mit genau 4 Zeilen und vier Spalten. Zusätzlich hat man Plättchen, die immer auch eine von insgesamt nur vier verschiedenen Farben haben. Ein Plättchen kann also zum Beispiel gelb, grün, rot oder oder blau sein. Die kombinatorische Explosion ergibt sich aus der folgenden Frage: wie viele Möglichkeiten gibt es, die Plättchen von n verschiedenen Farben in dem Quadrat mit n Zeilen und n Spalten anzuordnen?


Ein Weg, wie die biologische Evolution in der unpraktisch großen Anzahl von Entwicklungsmöglichkeiten die günstigen Pfade findet sind nach Turchin sogenannte Metasystem-Transitionen ↗

Die kombinatorische Explosion in der Biologie


Die beiden Beispiele zeigen einen interessanten Trend. Im ersten Beispiel konnte man die Elemente nur in der Reihenfolge ändern. Das Problem war "eindimensional". Im zweiten Beispiel konnte man die Elemente in der Zeile und der Spalte unterschiedlich platzieren. Das lateinische Quadrat ist "zweidimensional". Macht man gedanklich aus dem lateinischen Quadrat einen lateinischen Würfel, so wird das Problem dreidimensional. Das würde zu einem noch "katastrophalerem" Anstieg der Möglichkeiten führen.

1.0 Je mehr Dimensionen oder Freiheitsgrade, desto ausgeprägter ist die "Explosion".

In der Chemie kann man Atome zu dreidimensionalen Gebilden verbinden. Wie sich die Moleküle dann chemisch verhalten, hängt stark von ihrer genauen Form im dreidimensionalen Raum ab. Das trifft vor allem auf Proteine zu. So besteht ein Molekül des roten Blutstoffs Hämoglobin aus rund 10 tausend Atomen, die wiederum zu einigen Hundert Aminosäuren zusammengesetzt sind[6]. Man denke sich die Liste der Kombinationsmöglichkeiten oben bis zu n=10000 forgesetzt, um die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten abzuschätzen. Die Frage ist nun: wie gelang es der chemischen und biologischen Evolution, aus der praktisch unendlich großen Anzahl möglicher Kombinationen, die wenigen biologisch sinnvollen herauszufinden[5]?

Metasysteme als Lösung?


In der Evolution kam es immer wieder zu einer Art Einfrieren[7] oder Lock-in-Effekt von Bausteinen, die in sich nicht mehr oder nur noch geringfügig variiert wurden. So gibt es nur rund 21 Aminosäuren für alle Lebewesen der Erde. Und alle höheren Lebensformen setzen sich aus Zellen mit einem mehr oder weniger ähnlichem Bauplan zusammen.

2.0 Das Einfrieren von Bausteinen höherer Komplexiät könnte die kombinatorische Explosion handhabbarer machen.

Es entsteht ein Bild von sogenannten Metasystem-Transitionen, bei dem die Bauteile niederer Stufen von Komplexität sozusagen als Elemente höherer Komplexität sozusagen eingefroren werden (lock-in). Ist das Einfrieren der Grundbausteine höherer Komplexität eine Strategie, um eine kombinatorische Explosion handhabbarer zu machen? Siehe dazu den Artikel zur Aminosäure-Barriere ↗

Fußnoten


among 3 individuals is 5, among 5 individuals it is 52, among 10 individuals it is 115,975 and among 20 individuals it is 51,724,156,235,572, etc." In: Klaus Krippendorf: A Dictionary of Cybernetics. Annaberg School of Economics. University of Pennsylvania. 1986. Online: https://asc-cybernetics.org/publications/Krippendorff/A_Dictionary_of_Cybernetics.pdf
10.1016/0167-2789(90)90071-V Siehe auch Modularität (Biologie) ↗

Aminosäure-Barriere ↗
Bernoulli-Kette ↗
Dimension ↗
Evolution ↗
Fakultät [!] ↗
Frozen Components ↗
Genetischer Algorithmus ↗
Heuristik ↗
Kombination [Definition] ↗
Kombinationsproblem [Philosophie des Geistes] ↗
Metasystem-Transitionen ↗
Modularität (Biologie) ↗
Permutation ↗
Physik-Lexikon ↗