Die Maschine Mensch
Buchvorstellung
Basiswissen
1748, im Zeitalter der Aufklärung, veröffentlicht der französische Arzt Julien Offray de la Mettrie (1709 bis 1751) ein kleines Buch mit dem Titel L'homme-machine - Die Maschine Mensch. In dem Buch führt viele Belege dafür an, dass Menschen sich reflexartig maschinell verhalten. Daraus spinnt er ein bis heute provokatives, mechanistisches Weltbild. Ewig auf der Flucht vor Spott und Ablehnung, stirbt er im Jahr 1751 im Umfeld des preußischen Königs Friedrich dem II in Potsdam. Hier stehen einige Zitat aus seinem Buch.
Der Mensch, eine komplizierte Maschine
"Der Mensch ist eine Maschine, welche so zusammengesetzt ist, dass es unmöglich ist, sich zunächst von ihr eine deutliche Vorstellung zu machen und folglich sie zu definiren."[1, Seite 20]
Körperzustände bewegen das Gemüt
"Was war denn bei Canus Julius, bei Seneca, bei Petronius nöthig, um ihre Unerschrockenheit in Kleinmüthigkeit oder in Feigheit zu verwandeln? Eine Verstopfung in der Milz, der Leber, ein Hinderniss in der Pfortader. Warum? Weil das Vorstellungsvermögen sich mit den Eingeweiden ebenfalls verstopft. Und so entstehen aus derselben Quelle alle jenen sonderbaren Erscheinungen hysterischer und hypochondrischer Zustände."[1, Seite 22] Sehr ähnlich sollte gut 180 Jahre später ein Arzt aus London argumentieren. Siehe dazu Reactions of the Human Machine ↗
Der Mensch als Maschine
"Der menschliche Körper ist eine Maschine, welche selbst ihr Triebwerk aufzieht, das lebendige Bild eines perpetuum mobile (beständig bewegten Gegenstandes). Die Nahrungsmittel unterhalten, was das Fieber erregt. Ohne jene schmachtet die Seele, geräth in Wuth und stirbt im höchsten Grade der Ermattung. Sie ist wie eine Kerze, deren Licht, ehe es erlöscht, noch einmal aufflackert. Aber wenn man den Körper ernährt, wenn man in seine Gefässe einen kräftigen Saft, stärkende Getränke eingiesst, dann wird auch die Seele stark wie diese und bewaffnet sich mit stolzem Muthe; der Soldat, welcher beim blossen Genuss von Wasser geflohen wäre, wird heldenmüthig und geht unter dem Klang der Trommel freudig in den Tod."[1, Seite 24]
Erziehung ist nur Mechanik
"Man hat einen Menschen abgerichtet wie ein Thier; man ist Schriftsteller geworden wie Lastträger. Ein Geometer hat erlernt die schwersten Beweise und Berechnungen darzulegen, wie ein Affe seinen kleinen Hut abzunehmen oder aufzusetzen und auf seinem gelehrigen Hunde zu reiten. Alles ist durch Zeichen zu Wege gebracht; jede Art hat begriffen, was sie begreifen konnte, und so haben die Menschen auf diese Weise die symbolische Erkenntniss, wie selbige von unseren deutschen Philosophen noch heute genannt wird, erlangt. Man sieht also, nichts ist so einfach wie die Mechanik unserer Erziehung! Alles lässt sich auf Töne oder auf Worte zurückführen, die von dem Munde des einen durch das Ohr des andern ins Gehirn gehen, welches zu gleicher Zeit vermittelst der Augen die Gestalt der Körper erhält, deren willkürliche Zeichen diese Worte sind."[1, Seite 35]
Die Seele als Produkt der Organe
"Aber wenn nun alle Fähigkeiten der Seele dermaaßen von der eigenthümlichen Organisation des Gehirns und des ganzen Körpers abhängen, dass sie augenscheinlich nur eben diese Organisation selbst sind, so halten wir eine sehr erleuchtete Maschine vor uns. Denn wenn dem Menschen das Naturrecht auch allein zu Theil geworden wäre, wäre er desshalb weniger eine Maschine? Räder, einige Federn mehr als in den vollkommensten Thieren, das Gehirn dem Herzen verhältnissmässig näher und auch mehr Blut empfangend bei gleichem Verhältniss, was weiss ich noch? Unbekannte Ursachen würden immer dieses zarte Gewissen, das so leicht verletzlich ist, diese Gewissensbisse, welche dem Stoffe ebenso wenig fremd, als der Gedanke sind, und mit einem Worte die ganze hier vorausgesetzte Verschiedenheit hervorbringen. Würde denn die Organisation zu Allem genügen? ja, noch einmal. Da doch der Gedanke sich sichtlich mit den Organen entwickelt, warum sollte der Stoff, aus dem sie bestehen, nicht ebenso für Gewissensbisse empfänglich sein, wenn er einmal mit der Zeit die Fähigkeit zu empfinden erlangt hat."[1, Seite 57] Siehe auch Seele ↗
Bewegung auch ohne die Seele
- Bewegung auch ohne Restkörper: "Die Seele ist also nur ein nichtiger Ausdruck, von dem man keine rechte Vorstellung hat und dessen sich ein guter Kopf nur zur Benennung des in uns denkenden Princips bedienen sollte. Nimmt man auch nur den geringsten Grund zur Bewegung an, so wird es den beseelten Körper nicht an dem Nöthigen fehlen, sich zu bewegen, zu fühlen, zu denken, zu bereuen und sich mit einem Worte in der physischen Welt so wie in der davon abhängenden moralischen angemessen zu benehmen. Wir setzen nichts voraus; wer da meinen sollte, es seien noch nicht alle Schwierigkeiten behoben, der wird Erfahrungen vorfinden, die ihn vollends befriedigen werden.
- 1. Alles Fleisch der Thiere zuckt nach dem Tode um so länger, als das Thier kälter ist und weniger ausdünstet. Dies beweisen die Schildkröten, die Eidechsen, die Schlangen etc.
- 2. Die vom Körper getrennten Muskeln ziehen sich zusammen, wenn man sie reizt.
- 3. Die Eingeweide behalten lange ihre peristaltische oder wurmförmige Bewegung.
- 4. Eine einfache Warmwasser-Einspritzung belebt nach Cowper das Herz und die Muskeln.
- 5. Das Froschherz bewegt sich, besonders wenn es der Sonne ausgesetzt ist, noch besser auf einem Tische[59] oder einem heissen Teller, während einer Stunde und noch mehr, sobald man es aus dem Körper herausgenommen hat. Scheint die Bewegung dann rettungslos verschwunden? Man reize bloss das Herz, und dieser hohle Muskel schlägt noch. Harvey hat dieselbe Beobachtung an Kröten gemacht.
- 6. Baco von Verulam spricht in seiner Abhandlung Sylva-Sylvarum von einem des Verraths überführten Manne, welchen man lebendig öffnete und dessen in heisses Wasser geworfenes Herz mehrere Male, immer weniger hoch, bis zur senkrechten Höhe von 2 Fuss sprang.
- 7. Man nehme ein Hühnchen noch im Ei; man entferne sein Herz und man wird dieselben Erscheinungen unter beinahe gleichen Umständen wahrnehmen. Die Wärme des Athems allein vermag ein Thier, welches in der Luftpumpe beinahe leblos gemacht ist, wieder zu beleben. Dieselben Erfahrungen, welche wir Boyle und Stenonis verdanken, macht man mit Tauben, Hunden, Kaninchen, von denen einzelne Stücke des Herzens sich ebenso wie das ganze Herz bewegen. Eine gleiche Bewegung sieht man an den getrennten Pfoten des Maulwurfs.
- 8. Die Raupe, die Würmer, die Spinne, die Fliege, der Aal bieten der Betrachtung Aehnliches dar, und die Bewegung der abgeschnittenen Theile nimmt im heissen Wasser, wegen der in demselben enthaltenen Anfeuerung, noch zu.
- 9. Ein betrunkener Soldat hieb einem Truthahne den Kopf ab. Das Thier blieb stehen, dann ging es, lief; als eine Mauer ihm in den Weg kam, wandte es sich um, schlug mit den Flügeln, wobei es seinen Lauf fortsetzte, und endlich fiel es um. Auf dem Boden ausgestreckt, bewegten sich alle Muskeln dieses Hahnes aufs Neue. Das habe ich gesehen, und es ist leicht, nahezu dieselben Erscheinungen bei kleinen Katzen, oder Hunden, denen man den Kopf abgeschnitten, zu sehen.
- 10. Die Polypen bewegen sich nicht bloss, nachdem man sie zerschnitten; sie verwandeln sich binnen acht Tagen in eben so viele Thiere, als zerschnittene Theile vorhanden sind. Ich ärgere mich hierüber um des Systems der Naturalisten in Betreff der Zeugung willen, oder ich freue[60] mich desshalb eigentlich, weil nehmlich diese Entdeckung uns die gute Lehre giebt, niemals einen allgemeinen Schluss, selbst auf Grund aller bekannten und entscheidendsten Erfahrungen, zu ziehen."[1, Seite 57]
Reflexe der Maschine Mensch
"Treten wir einmal in eine etwas nähere Betrachtung dieser Triebfedern der menschlichen Maschine ein: alle vitalen, animalischen, natürlichen und automatischen Bewegungen geschehen durch die Wirksamkeit derselben. Zieht sich nicht der Körper maschinenmässig zurück, wenn er beim Anblick eines unerwarteten Abgrundes von Schrecken ergriffen wird? Senken sich nicht die Augenlider bei der Drohung eines Schlages? Verengt sich die Pupille nicht vor der Tageshelle, um die Netzhaut zu schonen, und erweitert sie sich nicht, um in der Dunkelheit die Gegenstände zu sehen? Schliessen sich die Poren der Haut nicht maschinenmässig im Winter, damit der Frost nicht ins Innere der Gefässe eintritt? Hebt sich nicht der Magen, vom Gifte erregt, durch eine gewisse Menge Opium, durch alle Brechmittel etc.? Ziehen sich das Herz, die Arterien, die Muskeln nicht während des Schlafs, wie während des Wachens zusammen? Leistet die Lunge nicht den Dienst eines beständig in Bewegung gesetzten Blasebalges? Sind nicht alle Schliessmuskeln der Blase, des Mastdarmes etc. maschinenmässig in Thätigkeit? Zieht sich das Herz nicht stärker zusammen als jeder andere Muskel?"[1, Seite 61] Siehe auch Reflex ↗
Die Seele sitzt im Gehirn
"Ich werde mich nicht weiter über jene kleinen untergeordneten von Jedermann gekannten Triebwerke verbreiten. Es giebt aber ein anderes, feineres, und wunderbares, welches sie alle belebt; es ist die Quelle aller unserer Gefühle, aller unserer Vergnügungen, aller unserer Leidenschaften,[62] aller unserer Gedanken; denn das Gehirn hat seine Muskeln um zu denken, wie die Beine die ihrigen um zu gehen. Ich meine jenes anregende und ungestüme, von Hippocrates enormôn (die Seele) genannte Princip. Dieses Princip ist vorhanden, und es hat seinen Sitz im Gehirne am Ursprunge der Nerven, durch welche es seine Herrschaft auf den ganzen übrigen Theil des Körpers ausübt. Hierdurch erklärt sich Alles, was erklärt werden kann, sogar die überraschenden Wirkungen der Krankheiten des Vorstellungsvermögens."[1, Seite 61]
Der Mensch als Uhrwerk
"Der Körper ist nur eine Uhr, und der frische Chylus der Uhrmacher. Die erste Sorge der Natur, wenn er ins Blut tritt, ist die Erregung einer Art Fieber, welches die Chemiker, welche nur von Oefen träumen, für eine Gährung halten mussten. Dieses Fieber ruft eine grössere Klärung der Lebensgeister hervor, die maschinenmässig die Muskeln und das Herz, als ob sie auf Befehl des Willens zu ihnen geschickt worden wären, beleben."[1, Seite 67]. Die Uhrwerkmetapher war im 18ten und 19ten Jahrhundert weit verbreitet und stand für ein mechanistisches Weltbild ↗
Maschinen können denken
"Eine Maschine sein, fühlen, denken, das Gute vom Bösen unterscheiden können wie das Blaue vom Gelben, mit einem Worte mit Erkenntnissvermögen und einem sicheren Triebe geboren sein und doch nichts als ein Thier sein, das sind also einander nicht mehr widersprechende Dinge, als ein Affe oder ein Papagei sein, und es verstehen sich der Lust hinzugeben."[1, Seite 73]. Die Frage, ob Maschinen wiriklich denken können, sollte gut 200 Jahre nach La Mettries Tod der Engländer Alan Turin zuspitzen zu seinem Turing-Test ↗
Panpsychismus
"Man fängt an die Einheit der Natur zu fühlen, ebenso die Ähnlichkeit des animalischen und Pflanzenreichs, wie auch die des Menschen mit der Pflanze. Vielleicht sogar giebt es animalische Pflanzen, welche nehmlich während[76] ihres Wachsthums sich entweder wie Polypen schlagen, oder andere den Thieren ähnliche Inductionen verrichten."[1, Seite 75] Siehe auch Panpsychismus ↗
Der Mensch als Uhrwerk
- "Der Körper ist nur eine Uhr, und der frische Chylus [Lymphe] der Uhrmacher." (Seite 66).
- "Ich täusche mich nicht, der menschliche Körper ist eine Uhr, aber eine erstaunliche, und mit so viel Kunst und Geschicklichkeit verfertigt, dass, wenn das Rad, welches zur Angabe der Sekunden dient, zum Stillstehen kommt, das für die Minuten sich weiter dreht und seinen Schritt weiter geht, sowie auch das Viertelstundenrad seine Bewegung fortsetzt, und ebenso die anderen Räder, wenn die ersten verrostet oder aus irgend welcher Ursache verdorben, ihren Gang unterbrochen haben." (Seite 72)
- Eine hochmütig ihren Schöpfer anzweifelnde Uhr steht für den Zweifel des Menschen an Gott: "Wir befinden uns in dem Falle einer Uhr, welche sagen würde […] »Was, jener thörichte Handwerker hat mich gemacht, mich, die die Zeit eintheilt, mich, die so genau den Lauf der Sonne bezeichnet, mich, die laut die Stunden, die ich angebe, wiederholt!« Nein, das ist unmöglich." (Seite 76 und 77).
- Wenige Zeilen später stellt La Mettrie die Natur weit über die Fähigkeiten eines Uhrmachers: "die Natur ist keine beschränkte Werkmeisterin. Sie bringt Millionen Menschen mit mehr Leichtigkeit und Vergnügen hervor, als ein Uhrmacher bei der Anfertigung der zusammengesetztesten Uhr Mühe hat." (Seite 77).
- Die Zitate zum Menschen als Uhr stammen aus der Übersetzung des Jahres 1875: La Mettrie: Der Mensch eine Maschine. Berlin 1875. Online: http://www.zeno.org/nid/2000920380X
- Siehe auch Uhrwerk-Universum ↗
Der mechanische Mensch als Denkbild
Dass der Mensch als bloße Maschine gedacht werden kann, war zu Lebzeiten von Offray bereits Gemeingut. Schon im Jahr 1651 schrieb der englische Staatstheoretiker Thomas Hobbes ganz zu Beginn der Einführung zu seinem Klassiker "Der Leviathan" die folgenden Worte: "For seeing life is but a motion of Limbs, the begining whereof is in some principall part within; why may we not say, that all Automata (Engines that move themselves by springs and wheeles as doth a watch) have an artificiall life? For what is the Heart, but a Spring; and the Nerves, but so many Strings; and the Joynts, but so many Wheeles, giving motion to the whole Body, such as was intended by the Artificer?[1]" Und ein deutsches Lexikon aus dem Jahr 1793 spricht vom Leib eines Menschen als einer "natürlichen Maschine[6]". Die Überzeugung, dass alles letztendlich auf die Bewegung von Dingen zurückzuführen ist, bezeichnet man als Materialismus ↗
Offrays Wirkung
Offray griff die Metapher vom Menschen als Maschine auf und verfasst damit eine radikale und unversöhnliche Schrift. Während der Engländer Hobbes der Kirche noch eine positive Rolle in der Gestaltung des menschlichen Lebens zugestand, ist La Mettries Schrift im wesentlichen auf eine zynische Feststellung der Mechanik des Menschen beschränkt. Seine Schriften durften in Frankreich nicht veröffentlicht werden, wurden in den damals sehr toleranten Niederlanden kurzzeitig geduldet und führten letztendlich auch im preußischen Exil La Mettries, am Hofe von Friedrich II in Sansscouci, zu ernsthaften Verstimmungen.
Weiterer Gang des Gedankens
Die Idee einer Weltmechanik, eines fest nach Naturgesetzen ablaufenden Universums fasste bis zur Mitte des 19ten Jahrhunderts immer fester Wurzel. Ein entsprechendes Weltbild bezeichnet man als mechanistisch oder materialistisch. Fast 200 Jahre nach Offray, in den 1930er Jahren, sollte der Gedanke zu einem ähnlich gesinnten Buch führen: Reactions of the Human Machine[3]. Hier war die Mechanik Offrays lediglich ersetzt durch chemische Reaktionsgleichungen im Gehirn von Menschen. Der Mensch als bloße Reaktionsmaschine führte in der Psychologie zur Strömung des Behaviorismus[8]. Mit dem Beginn des 21ten Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Computertechnologie, würde der Mensch dann zunehmend nicht mehr in den Metaphern einer Mechanik oder Chemie sondern als Träger von Rechenprozessen verstanden,[10] die aber letzten Endes immer durch eine Mechanik abgebildet werden können. Ein Beispiel für die Vision einer rein mechanischen Grundlage von Geist ist die Idee des Mind uploading ↗
Persönliche Einschätzung
Die Grundidee Offrays war es, dass alles Geschehen in der Welt im Wesentlichen nur Mechanik ist. Gesteht man Offray zu, dass er damit eine strenge Kausalität im Sinne von einer starren Zuordnung von Ursachen und Folgen meinte, so steht Offrays Buch für einen Kosmos, in dem wir nur wie Spielpuppen nach festen Naturgesetzen ablaufen. In einer solchen Welt ist die Idee eines Freien Willens nur Illusion, der Mensch hat keinen wirklichen Einfluss auf das Geschehen, er ist nur Teil eines kosmischen Kausalgeflechts. Wo Offrays Grundannahmen in der Physik wurzelten, wurden sie spätestens mit der Quantenmechanik des frühen 20ten Jahrhunderts in doppelter Weise hinfällig. Zum ersten kennt die Quantenphysik keine eindeutige Zuordnung materieller Zustände zu einem materiellen Folgezustand mehr[10], sondern nur noch Wahrscheinlichkeiten. Und zum zweiten scheint mit dem Verlust der sogenannten Objektivität[11] eine vielleicht untrennbare Verbindung zwischen psychischen und materiellen Zuständen zumindest denkbar - wenn nicht sogar zwingend - zu sein. Diese beiden Befunde der Quantenphysik eröffnen die Möglichkeit, dass der Kosmos keine starre Mechanik ist, sondern - zu welchem Zweck auch immer - ein Ort, in dem psychische und materielle Aspekte eng verwoben sind. Ein erster Einstieg in einen physikalisch begründeten, lebendigen Kosmos ist John Archibald Wheelers (1911 bis 2008) partizipatorisches Universum ↗
Fußnoten
- [1] Julien Offray de la Mettrie: Die Maschine Mensch. 1748. Als deutsche Übersetzung aus dem Jahr 1875. Online: http://www.zeno.org/nid/2000920380X
- [2] William James: Are we automata? In: Mind 4 (1879), S. 1–22.
- [3] John Yerbury Dent: Reactions of the Human Machine. Published by Victor Gollancz Ltd, 1936. 288 Seiten.
- [4] Martin Wieser: Von reizbaren Maschinen und empfindsamen Geistern: Körperbilder und Seelenmetaphern im Zeitalter von Aufklärung und Industrialisierung. In: Journal für Psychologie, Jahrgang 18. Ausgabe 3. 2010.
- [5] Thomas Hobbes. Der Leviathan. 1651. Einführung.
- [6] 1793, ein Lexikon bezeichnet den Leib des Menschen als natürliche Maschine: "In noch engerer Bedeutung ist der Körper der Leib eines Thieres und besonders eines Menschen, im Gegensatze der Seele, die natürliche Maschine, mit welcher ein Geist verbunden ist; in welchem Verstande es oft für Leib gebraucht wird. Einen starken, schwachen, gesunden, siechen Körper haben. Man muß seinem Körper die gehörige Ruhe gönnen. Ein todter, ein entseelter Körper, der Leichnam. S. Leib." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1727-1728. Online: http://www.zeno.org/nid/2000027447X"
- [7] William James: Are we automata? In: Mind 4 (1879), S. 1–22.
- [8] Der Behaviorismus war eine wirkmächtige Strömung innerhalb der Psychologie, vor allem in der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts. Die Grundidee war die Reduzierung von Verhalten auf reine Reiz-Reflex-Gesetze. Siehe dazu Behaviorismus ↗
- [9] Dass die Tätigkeit des menschlichen Geistes ganz auf Algorithmen zurückgeführt werden kann heißt, dass auch Maschinen diese Tätigkeiten übernehmen können. Als eine solche Maschine wird ein sogenanannter Exokortex vorgeschlagen: "There seems to be a relatively unified cortical algorithm which is capable of processing different types of information. Most, if not all, of the information processing in the brain of any given individual is carried out using variations of this basic algorithm. Therefore we do not need to study hundreds of different types of cortical algorithms before we can create the first version of an exocortex." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios. In: International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. 2012.DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Mehr zu einer solchen künstlichen Erweiterung der Hirnrinde, siehe unter Exokortex ↗
- [10] Manche Physiker betonen, dass auch die Quantenmechanik streng kausal und deterministisch sei. Der Gedankengang ist der, dass es zwischen zwei messbaren materiellen Zuständen eine mathematisch eindeutige Gleichung gibt, die ausgehend vom Zustand A eindeutige Wahrscheinlichkeiten für einen daraus folgenden Zustand B berechnen kann. Das mag richtig sein. Aber die tatsächlich eintretenden materiellen Zustände B sind damit aber nur noch zufällig und keine eindeutige Funktion der Ausgangszustände A mehr. Siehe dazu auch Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation ↗
- [11] Objektivität im Sinne der Physik meint, dass physikalische Prozesse grundstäzlich als losgelöst von Beobachtern, insbesondere auch deren psychischen Zuständen, betrachtet werden können. Zugespitzt gesagt: welche Farbe eine Blume hat, hängt nicht davon ab, in welcher Farbe ich sie als Betrachter gerne sehen würde. Zumindest einige Experimente der Quantenphysik legen es nahe, dass eine solche strenge Objektivierbarkeit in der Physik nicht mehr gilt. Siehe dazu unter Objektivismus ↗