Warum
Naturwissenschaft
Basiswissen
Auf die Frage "Warum regnet es?" kann man auf zwei sehr unterschiedliche Weisen antworten: a) es regnet wegen der Abkühlung der vorher schon sehr feuchten Luft (Wirkursache) oder b) es regnet, sodass die Pflanzen genug Wasser zum trinken haben (Zielursache). Nach Letzterem fragt man auch mit einem Wozu. Diese beiden Arten einer Antwort auf ein Warum werden hier kurz betrachtet.
Das Warum als Wirkursache (causa efficiens)
Möchte man erklären, warum in einem bestimmten Moment gerade regnet, kann man mit Vorgängen und Gesetzmäßigkeiten antworten, die auf Ursachen in der Vergangenheit verweisen. Wenn ausreichend viel Wassedampf in der Luft ist und diese Luft dann abkühlt, dann kann die Luft den Wasserdampf nicht mehr halten. Der vorher unsichtbare Wasserdampf wird dann zu kleinsten Tröpfchen aus Wasser. Diese sehen wir dann als Nebel oder Wolken. Wachsen die Tropfen weiter an, dann werden sie irgendwann so groß, dass sie als Regen nach unten fallen. Eine Antwort dieser Art erklärt Ereignisse darüber, wie sie zustande kamen, aus welchen Zuständen sie mehr oder minder zwangsläufig folgten. Man nennt also Ursachen, die in der Vergangenheit lagen, vor dem zu erklärenden Geschehen also. Diese Ursachen bewirkten dann den Eintritt des zu erklärenden Ereignissen. Man nennt eine entsprechende Ursache deshalb auch Wirkursache [causa efficiens] ↗
Das Warum als Zielursache: (causa finalis)
Eine zweite Art, um auf das Warum eines Regens zu antworten, zielt auf den Sinn und Zweck ab. Man könnte zum Beispiel sagen: es regnet, sodass die Pflanzen genug Wasser zum wachsen haben[2]. Eine solche Antwort geht davon aus, dass jemanden, der ein Ziel hatte und auf dieses hinarbeitete. Wenn man nach einem solchen Ziel fragt, kann man statt des Fragewortes warum besser das Fragewort wozu benutzen. Das Wozu, das Ziel also, mit dem man dann antworten kann nennt man entsprechend die Zielursache [causa finalis] ↗
Warum-Fragen in menschlichen Dingen
Der Unterschied zwischen der warum-Frage nach eine Wirkursache und der wozu-Frage nach einer Zielursache wird oft dann sehr gut spürbar, wenn jemand eine unerwartet unpassende Antwort gibt. Möglichkeiten dazu bieten vor allem Handlungen von Menschen: "Warum verbrennen die Menschen so viel Kohle, Öl und Gas?" Die Antwort mit einer möglichen Zielursache: "dass damit ein katastrophaler Klimwandel befeuert wird" ersheint völlig unpassend. Antworten mit möglichen Wirkursachen hingegen wirken befriedigend: "weil diese Rohstoffe so billig verfügbar sind", "weil es dem Wirtschaftswachstum dient" oder "weil es keine Alternativen gibt". Hier stehen einige Beispiele für Fragen, bei denen manchmal die Wirkursache und manchmal die Zielursache passender ist:
- Warum verbrennen Menschen so viele fossilbe Brennstoffe? a) weil es so billig ist (Wirkursache) oder b) weil sie eine drastische Erderwärmung herbeiführen möchten (Zielursache). Siehe auch Erderwärmung ↗
- Warum trinken die Menschen so viel Alkohol? weil sie sich entspannen möchten (Wirkursache) oder weil sie früher ernsthaft krank werden möchten (Zielursache). Siehe auch Alkohol als Nervengift ↗
- Warum fing Deutschland den Zweiten Weltkrieg an? a) weil die Menschen vorher eine nationalistische Partei gewählt haben (Wirkursache) oder b) weil die Menschen sich große Gebietsgewinne erhofften (Zielursache). Siehe auch Zweiter Weltkrieg ↗
Warum-Fragen in den Naturwissenschaften: Kausalität
Die Naturwissenschaften wie etwa die Biologie, die Physik oder die Geologie fragen in der Regel nach Wirkursachen, nicht nach Zielursachen. Isaac Newtons Gesetze der Bewegung können sagen, weshalb der Mond um die Erde kreist (wegen Gravitations- und Fliehkräften). Die Gesetze der Naturwissenschafter sagen aber nicht, etwa wozu der Mond um die kreist[1]. Um ein Warum im Sinne der Naturwissenschaften zu beantworten, beschreibt man meist Zustände (wo der Mond gerade ist, wie er sich gerade bewegt) die zwangsläufig eine Wirkung hervorbringen (wo er in 10 Tagen sein wird). Diese Denken in der Form, dass bestimmte Zustände oder Ursachen immer zu denselben Folgen oder Wirkungen führen nennt man auch Kausalität [Ursache-Wirkung] ↗
Fußnoten
- [1] Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) beschrieb, wie die mittelamerikanische Zivilisation der Maya astronomische Ereignisse wie den genauen Zeitpunkt des Auf- oder Untergangs des Planeten Venus oder auch das Auftreten von Sonnenfinsternissen sehr gut über lange Zeiträume vorhersagen konnen. Die Maya wandten dazu "raffinierte Rechenregeln" und kamen zu Erkenntissen wie der, dass "fünf Venuszyklen ungefähr 2920 Tagen oder acht Jahren entsprechen". Nun, so Feynman, hätten die Maya auch fragen können, warum das so sei. Eine mögliche Antwort sei vielleicht, weil die 20 in ihrem Zahlensystem eine so wichtige Rolle spiele. Aber eine solche "Theorie" hätte "im Grund nichts mit der Venus" zu tun. "Seit der Neuzeit", so Feynman weiter, wisse man, "wie unnütz Theorien dieser Art sind". Für seine Erklärungen zur Physik zieht Feynman daraus folgerichtig den Schluss: "Deshalb werden wir uns, ich wiederhole es, nicht mit der Frage beschäftigen, warum sich die Natur so verhält, wie sie es tut. Es gibt keine brauchbaren Theorien, die das Warum erklären könnten." In: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Siehe auch QED (Feynman) ↗
- [2] Der schweizer Psychiater Jean Piaget beschrieb in seinem Buch "Das Weltbild des Kindes", wie jüngere Kinder in allem Walten der Welt absichtsvolle Wesen am Wirken sehen. Gerade jüngere Kinder sind oft mit einer Antwort der Art zufrieden, dass der Regen fällt, sodass die Blumen genug Wasser zum Trinken haben. In: Jean Piaget: La représentation du monde chez l'enfant. F. Alcan, Paris 1926. Das Weltbild des Kindes. Übersetzung: Luc Bernard. Klett-Cotta, Stuttgart 1978. Die Vorstellung, dass Dinge aus Zielursachen heraus geschehen nennt man auch Teleologie ↗
- [3] Zur ethischen Bedeutung des Unterschieds von Warum vom Wozu schreibt Albert Einstein in Bezug auf die "kausale Betrachtungsweise": "Diese Betrachtungsweise [die kausale] antwortet immer nur auf die Frage »Warum?« aber nie auf die Frage »Wozu?«. Darüber kann uns kein Nützlichkeitsprinzip und keine Zuchtwahl hinwegbringen. Wenn aber einer fragt, »Wozu sollen wir einander fördern, das Leben einander erleichtern, schöne Musik machen und feine Gedanken zu erzeugen suchen?« so wird man ihm sagen müssen: »Wenn du's nicht spürst, kann's dir niemand erklären.« In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 88.So schrieb Born am 21. Oktober 1921 in einem Brief an Albert Einstein. Dort die Seiten 32 und 33. Was Einstein hier abtut, nämlich den Wunsch, Werturteile wissenschaftlich abzuleiten, heißt heute in der Philosophie naturalistischer Fehlschluss ↗