Wozu
Physikalisch
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Basiswissen|
Die Frage nach dem Warum|
Die Frage nach dem Wozu|
Das Wozu der Physik =|
Der Animismus des Kindes|
Das Wozu in der Religion|
Übungsfragen dazu|
Fußnoten
Basiswissen
In der Philosophie gibt es die Geschichte vom alten König Xerxes. Mit seiner Armee wollte er ein Meer überqueren. Da es aber stürmisch war ging das nicht. Zur Strafe ließ er das Meer auspeitschen. Hier ist kurz der Unterschied erklärt zwischen warum und wozu.[1]
Die Frage nach dem Warum
Warum hat Xerxes das Meer auspeitschen lassen? Weil er sich über den Sturm ärgerte. Diese Antwort sagt, wie es kam, dass Xerxes das Meer bestrafte. Die Antwort sagt aber nichts über den Zwecke, also das Wozu. Das Warum nennt man in der Philosophie auch eine causa efficiens ↗
Die Frage nach dem Wozu
Wozu hat er das Meer auspeitschen lassen? Dass das Meer ihn mehr respektiert und sich in Zukunft nicht mehr daneben benimmt. Diese Antwort verrät etwa über die möglichen Ziele und Absichten, das Wozu, von Xerxes. In der Philosophie spricht man hier von einer causa finalis ↗
Das Wozu der Physik =====
Es ist bemerkenswert: man spricht von einem Weltbild der Naturwissenschaften und doch gibt es in diesem Weltbild keinen Platz für ein Wozu. Das bemerkte oder anderem Albert Einstein im Jahr 1921 in einem Brief an seinen Freund Max Born.
ZITAT:
Albert Einstein: "Diese Betrachtungsweise [die kausale] antwortet immer nur auf die Frage »Warum?« aber nie auf die Frage »Wozu?«"
Die kausale Betrachtungsweise, die Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen ist aber genau jene Betrachtungsweise, die von vielen Denkern als der Kern der Naturwissenschaften angesehen wird.
Dass die Naturwissenschaften keine Antwort auf ein Wozu geben bestätigt auch der Mitbegründer des sogenannten Teilchenmodells der Physik, Steven Weinberg in einem Interview aus dem Jahr 2002:
ZITAT:
Steven Weinberg, 2002: "Ich glaube nicht, dass es einen Sinn (point) im Universum gibt, der sich mit den Methoden der Wissenschaft finden ließe."[2]
Wie wenig ein Wozu, ein gerichteter Zweck und die Gesetze der Physik nicht zueinander passen wollen, kann man vielleicht ganz gut mit einer Art philosophischen Kategorienfehler nachempfinden. Im Jahr 1976 veröffentlichte die Musikgruppe Kraftwerk ihr Lied Radio-Aktivität. Dort heißt es im Refrain:
ZITAT:
Kraftwerk, 1976: "Radio-Aktivität für dich und mich im All entsteht."
Spürt man, dass hier die Idee, dass hier die gedankliche Verbindung eines wohlwollenden Zweckes und doch eher als blind ablaufend empfundenen Naturpozessen falsch wirkt?[3]
Die Frage, ob unser Universum und mit ihm auch die Naturgesetze so beschaffen sind, dass sie ein Wozu erkennen lassen oder sogar fördern gehört zu den Großen Themen der Philosophie. Es wird dort unter anderem behandelt unter dem Stichwort Anthropozentrismus ↗
Der Animismus des Kindes
Im Weltbild des Kindes, so der schweizer Psychiater Jean Piaget, geschehen die Dinge der Natur alle mit einem Sinn und Zweck: der Regen ist dazu, dass die Pflanzen etwas zu trinken und der Wind, dass er die Wolken bewegen kann.
ZITAT:
Fragt man Kinder "weshalb die Wolken sich bewegen, antworten [sie]: 'Damit es Nacht wird.'"[4, Seite 25]
Das Wozu in der Religion
Diese Vorstellung einer durchgängig beseelten oder doch zumindest mit Zweck ausgestatteten Natur wird Naturvölkern zugeschrieben[5], findet sich aber auch im etwa im christlichen Glauben.[6]
Übungsfragen dazu
Einige Übungsfragen dazu sind hier als Quickcheck zusammengestellt. Zu allen Fragen gibt es immer auch eine Lösung. Direkt zu den Fragen geht es über => qck
Fußnoten
- [1] Zum Unterschied des Wozu gegenüber dem Warum schreibt Albert Einstein in Bezug auf die "kausale Betrachtungsweise": "Diese Betrachtungsweise [die kausale] antwortet immer nur auf die Frage »Warum?« aber nie auf die Frage »Wozu?«. Darüber kann uns kein Nützlichkeitsprinzip und keine Zuchtwahl hinwegbringen. Wenn aber einer fragt, »Wozu sollen wir einander fördern, das Leben einander erleichtern, schöne Musik machen und feine Gedanken zu erzeugen suchen?« so wird man ihm sagen müssen: »Wenn du's nicht spürst, kann's dir niemand erklären.« In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 88.So schrieb Born am 21. Oktober 1921 in einem Brief an Albert Einstein. Dort die Seiten 32 und 33. Was Einstein hier abtut, nämlich den Wunsch, Werturteile wissenschaftlich abzuleiten, heißt heute in der Philosophie naturalistischer Fehlschluss ↗
- [2] Der Physiker Steven Weinberg (1933 bis 2021), einer der Begründer des Standardmodells der Teilchenphysik, fürchtet, dass die letztendlichen Gesetze der Natur eine ziemlich fröstelnd kalte und sehr unpersönliche Sache sein könnten: "I believe that there is no point in the universe that can be discovered by the methods of science. I believe that what we have found so far, an impersonal universe in which it is not particularly directed toward human beings is what we are going to continue to find. And that when we find the ultimate laws of nature they will have a chilling, cold impersonal quality about them." In: PBS (Public Broadcasting Service, USA): “Interview: Steven Weinberg” (2002), Faith & Reason Transcripts, Abschnitt „Do you believe then there is no overall point to the universe?“.
- [3] Von einem Kategorienfehler im Sinne der Philosophie spricht man, wenn "an den Leerstellen einer Aussageform, die nur durch Ausdrücke eins bestimmten Typs sinnvoll gefüllt werden können, Ausdrücke eines anderen semantischen Typs eingesetzt werden, so daß ein sinnloser Satz entsteht." Als Beispiel dient die Aussageform: "Acht ist ___________". Setzt man für die Leerstelle "eine Primzahl" ein, entsteht zwar eine falsche aber immerhin doch sinnvolle, weil zum Beispiel überprüfbare, Aussage. Setzt man aber das Wort nachdenklich für die Leerstelle ein, entsteht ein gänzlich sinnloser Satz, da die Zahl Acht die Eigenschaft der Nachdenklichkeit nicht sinnvoll haben kann. In: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel "Kategorienfehler". Seite 278. Siehe auch Kategorienfehler ↗
- [4] Der schweizer Psychiater Jean Piaget beschrieb in seinem Buch "Das Weltbild des Kindes", wie jüngere Kinder in allem Walten der Welt absichtsvolle Wesen am Wirken sehen. Gerade jüngere Kinder sind oft mit einer Antwort der Art zufrieden, dass der Regen fällt, sodass die Blumen genug Wasser zum Trinken haben. In: Jean Piaget: La représentation du monde chez l'enfant. F. Alcan, Paris 1926.
Deutsch: Das Weltbild des Kindes. Einführung von Hans Aebli. Ungekürzte Ausgabe von 1988. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv). München.
- [5] Zum Animismus, der Idee einer beseelten Welt um uns herum: "It is habitually found that the theory of Animism divides into two great dogmas, forming parts of one consistent doctrine; first, concerning souls of individual creatures, capable of continued existence after the death or destruction of the body; second, concerning other spirits, upward to the rank of powerful deities. Spiritual beings are held to affect or control the events of the material world, and man's life here and hereafter; and it being considered that they hold intercourse with men, and receive pleasure or displeasure from human actions, the belief in their existence leads naturally, and it might almost be said inevitably, sooner or later to active reverence and propitiation." In: Edward Burnett Tylor, Primitive Culture, Chapter XI: Animism (London: John Murray, 1871), p. 419. Online: https://en.wikisource.org/wiki/Primitive_Culture/Chapter_11
- [6] Wer an den Gott der Bibel glaubt, für den geschehen die Dinge um ihn herum auch zu seinem Wohle: "Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind." In: Lutherbibel. 1912. Römer 8. Siehe auch Bibel ↗
ZITAT:
Albert Einstein: "Diese Betrachtungsweise [die kausale] antwortet immer nur auf die Frage »Warum?« aber nie auf die Frage »Wozu?«"
Albert Einstein: "Diese Betrachtungsweise [die kausale] antwortet immer nur auf die Frage »Warum?« aber nie auf die Frage »Wozu?«"
ZITAT:
Steven Weinberg, 2002: "Ich glaube nicht, dass es einen Sinn (point) im Universum gibt, der sich mit den Methoden der Wissenschaft finden ließe."[2]
Steven Weinberg, 2002: "Ich glaube nicht, dass es einen Sinn (point) im Universum gibt, der sich mit den Methoden der Wissenschaft finden ließe."[2]
ZITAT:
Kraftwerk, 1976: "Radio-Aktivität für dich und mich im All entsteht."
Kraftwerk, 1976: "Radio-Aktivität für dich und mich im All entsteht."
ZITAT:
Fragt man Kinder "weshalb die Wolken sich bewegen, antworten [sie]: 'Damit es Nacht wird.'"[4, Seite 25]
Fragt man Kinder "weshalb die Wolken sich bewegen, antworten [sie]: 'Damit es Nacht wird.'"[4, Seite 25]