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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Qualia

Physik

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Grundidee


Das Rot als Rot-Erlebnis im Bewusstsein, ein bestimmtes Kitzeln am Finger oder auch ein religiöser Schauer beim Anblick einer erhabenen Landschaft. Als Qualia (Einzahl Quale) bezeichnet direkte Erlebnisinhalte im eigenen Bewusstsein. Sie sind als solche nicht vollständig mitteilbar oder erklärbar[1], sondern höchst subjektiver Natur.

Qualia-Probleme


Man kann mindestens zwei Arten von Problemen im Zusammenhang mit den Qualia unterscheiden. Das erste Problem greift die Frage nach dem WIE des Zusammenhangs von Außenwelt und innerem Erlebens auf. Das zweite Problem zielt auf das WARUM oder auch das WOZU dieser Verbindung ab.

Problem I Art: Wie


Als Qualia-Problem erster Art könnte man die Unmöglichkeit bezeichnen, die genaue Qualität des inneren Erlebens zu beschreiben, die sich bei einem bestimmten physikalischen Zustand des Körpers in der Welt einstellt:


ZITAT:

"Für eine umfassende Beschreibung ist es [...] nicht ausreichend, einzelne Aspekte der Wahrnehmung durch einzelne, aus physikalischen Messgrößen abgeleitete und in Wahrnehmungsversuchen sorgfältig verifizierte Parameter zu beschreiben. Das Problem bestht darin, zu vermitteln, wie es für uns in unserer individuellen Wahrnehmungswelt ist, etwas zu sehen, zu fühlen, zu schmecken oder zu hören."[6]


Wie könnte ein Akustiker, der an der Planung einer Konzerthalle beteiligt ist, genau jene Gefühlszustände vermitteln oder beschreiben, die sich bei bestimmten Posaunen einstellt, wenn man auf einem bestimmten Platz mit einer momentan genau festgelegten Beleuchtung ist? Das Problem hier ist es eigentlich, dass sich nicht vermitteln lässt, wie genau sich etwas für einen selbst anfühlt. Oder in eine extremen Form formuliert: wie würde sich derselbe Moment für eine Fledermaus anfühlen?[8]

Ein persönliches Beispiel, das ich gerne erwähne, ist die zauberhafte Stimmung zur Vorweihnachtszeit und am Heiligen Abend, wie ich sie als Kind erlebt. Die Welt war verändert. Alles fühlte sich überweltlich, von guten Geistern umwirkt an. Jemand der in Deutschland aufgewachsen ist, wird dieses ganz spezielle Gefühl kennen. Je nach Lebensalter wird es mit Schnee und Lametta, Weihnachtsmusik und leckeren Gerüchen verbunden sein. Wie aber sollte man dieses ganz besondere Gefühl aus der Kindheit jemandem vermitteln, der das nie selbst erlebt hat? Dieses Problem der nicht-Kommunizierbarkeit von innerem Erleben ist im Kern das Problem des Subjektivismus ↗

Problem II: Warum


Eng verwandt mit dem Qualia-Problem erster Art, aber doch von diesem zu unterscheiden, ist das Problem zweiter Art. Das Qualia-Problem zweiter Art besteht in der Frage, WARUM diese oder jene Sinnesempfindung überhaupt mit diesem oder jenen Vorgang in der physikalischen Welt von Körper und Umwelt verbunden sein. Zunächst wird fest gestellt, dass es einen solchen Zusammenhang gibt:


ZITAT:

"Andere Farben sieht unser Auge, andere Töne vernehmen wir, wenn die Schwingungsfrequenz oszillierender Mittel sich ändert, die unsere Sinneswerkzeuge berühren, andere Empfindungen knüpfen sich an den Wechsel der Gestalt, der Dichtigkeit und der Geschwindigkeit der bewegten Körper, die mit der Oberfläche unsers Leibes in Berührung kommen, und alle diese Veränderungen erfolgen gesetzmäßig, unter gleichen Bedingungen sich stets in gleicher Weise wiederholend. Gewisser ist daher nichts, als dass die physischen Zustände körperlicher Elemente ein Reich von Bedingungen darstellen können, an welchen Dasein und Form unserer geistigen Zustände mit Notwendigkeit hängt."[5]


Nun wird das Problem formuliert:


ZITAT:

"Aber alles, was den materiellen Elementen der Natur als solchen, oder was dem eigenen Körper als einer Zusammenfassung vieler von ihnen zustoßen kann, die Gesamtheit aller jener Bestimmungen der Ausdehnung, Mischung, Dichtigkeit und Bewegung, ist zugleich völlig unvergleichbar mit der eigentümlichen Qualität jener geistigen Zustände, die wir an sie geknüpft sehen. Keine Analyse würde in der Natur einer Schallwelle einen hinlänglichen Grund finden können, am deswillen sie als Ton und zwar als dieser bestimmte Ton empfunden werden müßte; umgekehrt sind Jahrtausende lang die Farben wahrgenommen worden, ohne dass in ihnen eine Hindeutung auf die Wellenzahl eines vibrierenden Äthers bemerkt worden wäre."[5]


Eine Welt nur aus Qualia?


Das Qualia-Problem, egal ober erster oder zweiter Art, hängt im Kern mit der Zweiteilung der Welt in ein erlebendes Subjekt und eine erlebte Wirklichkeit außerhalb des Subjektes zusammen. Eine radikale Lösung schlug der österreichische Physiker Ernst Mach vor. Er schlug vor, für die Physik, die Annahme einer real existierenden Außenwelt aufzugeben. Stattdessen sollte die Physik sich ganz darauf beschränken, Gesetze zu finden, wie ein Qualium zu einem darauffolgenden Qualium führt:


ZITAT:

"Die Function der Physik besteht also darin, zu lehren, dass eine Thatsache, welche auf eine bestimmte Reaction R ein Empfindungsmerkmal E liefert, zugleich noch auf eine andere Reaction R' ein anderes Merkmal E' zeigt."[7, Seite 164]


Fußnoten


  • [1] Qualia. In: [1] Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X.
  • [2] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886.
  • [3] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Hier speziell die 82. bis 84. Vorlesung, Seite 614 bis 645: optische Empfindungen als reine Qualia.
  • [4] Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort das Kapitel 6: Das Geheimnis der Sinnesqualitäten. Dort unter anderem über die Farbwahrnehmung ↗
  • [5] In: Rudolph Hermann Lotze: MEDIZINISCHE PSYCHOLOGIE ODER PHYSIOLOGIE DER SEELE. Weidmann'sche Buchhandlung. Leipzig. 1852.
  • [6] Michael Haverkamp: Wie klingt, was wir hören? Tagungsband DAGA 2019 - 45. Jahrestagung für Akustik. 18.-21. März 2019, Rostock. ISBN 978-3-939296-14-0.
  • [7] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886. Siehe auch Ernst Mach ↗
  • [8] Nagel, Thomas (1974). "What Is It Like to Be a Bat?". The Philosophical Review. 83 (4): 435–450. doi:10.2307/2183914. JSTOR 2183914.