Werkstattversuch
Lernwerkstatt
Basiswissen
Seit ihrer Gründung im Jahr 2010 werden in der Mathe-AC Lernwerkstatt in Aachen Versuche und Experimente[1] entwickelt und im täglichen Unterricht eingesetzt. Das Ziel ist es dabei, über die an sich vielleicht interessanten Effekte hinaus für allem mathematische[2] und naturwissenschaftliche[3] Prinzipien verständlich zu machen. Viele Versuche werden erst in einen größeren Zusammenhang gestellt wirklich interessant.[4]
Kurzzusammenfassung
- a) Möglichst alle Bestandteile sind nachvollziehbar: keine Black-Box.
- b) Ein Werkstattversuch ist ungefährlich und einfach durchführbar.
- c) Er veranschaulicht mathematische-wissenschaftliche Konzepte.
- d) Er fördert den Umgang mit Zahlen und Messgrößen.
- e) Er steht in einem interessanten Zusammenhang ↗
- f) Er ist Teil von einem Spiralcurriculum ↗
- Liste unter Werkstattversuche ↗
a) Keine Black Box
An einem digitalen Strommessgerät erkennt man nicht, wie die Stromstärke tatsächlich gemessen wird. Auch an eng und kompakt gebauten analogen Messgeräten mit Zeigern und Skalen ist das physikalische Messprinzip oft nicht zu erkennen. Man spricht von einer Black Box, einer Kiste, in die man von außen nicht hineinsehen kann. Keine Black Box ist hingegen eine Luftspule als Amperemeter: in der Spule ist ein Magnet auf einer Welle frei drehbar gelagert ist. Der Magnet dreht sich umso mehr, je stärker der Strom in der Spule ist. Siehe auch Luftspulen-Amperemeter ↗
b) Gefahrlos und einfach
Gefahrlos sind Versuche, die ausschließ mit Haushaltsmitteln und bekannten Alltagsgegenständen auskommen: Glaubersalz, Essigessenz, Schwefel, Alaun sind beispielhafte Stoffe.
c) Konzepte & Prinzipien
Die Versuche der Lernwerkstatt verdeutlichen klar benennbare Prinzipien der Mathematik und der Naturwissenschaften: an einer Luftspule kann das Prinzip gezeigt werden, dass Ströme immer Magnetfelder um sich erzeugen. Beim Entfernen von Kesselstein mit Essigessenz führt eine Erwärmung der Essenz zu einer deutlich stärkeren Reaktion. Das Prinzip hier wäre: Temperatur beschleunigt chemische Reaktionen. Siehe mehr dazu unter Prinzip ↗
d) Zahlen und Messgrößen
Kubikzentimeter, Millimeter, Volt, Ampere: die meisten Versuche in der Lernwerkstatt bieten einen Anlass zum messen und zählen. Der Umgang mit Zahlen und Messgrößen soll dabei mühelos eingeübt werden. Eine spätere Mathematisierung wird dadurch erheblich erleichtert. Viele Museen und andere außerschulischen Lernorte haben diesen Anspruch nicht, sondern verbleiben oft beim eindrucksvollen Effekt ohne erkennbaren Bezug zur Schulmathematik (z. B. Riesen-Seifenblasen im Mathematikum in Gießen). Ein Beispiel für eine gute Mathematisierbarkeit ist der Ziegelstein-Wässerungs-Versuch ↗
e) Praktischer Zusammenhang
Ein Werkstattversuch bietet Anlass, größere Zusammenhänge und die praktische Bedeutung zu erkennen. So regt ein Versuch zur Elektrolyse von Wasser Ideen zu einer wasserstoffbasierten technischen Energienutzung auf. Siehe auch Wasserelektrolyse ↗
Spiralcurriculum
Die Anzahl von Versuchen in einer Lernwerkstatt sollte überschaubar sein. Das gilt für physikalisch-reale Räume genauso wie für digitale oder virtuelle Lernwerkstätten. Wächst die Anzahl an Versuchen über eine kritische Schwelle hinaus, drohen mehrere unerwünschte Effekte: a) Lehrpersonen verlieren die Versuche aus dem Blick, denken nicht mehr an sie, b) der Aufwand die Versuche zu pflegen, fehlerhafte Teile zu ersetzen, veraltete Begriffe an die Zeit anzupassen wächts über das Leistbare hinaus, c) es ist einfach kein Platz mehr um alle Versuche unterzubringen und schließlich c) die Kinder und Jugendlichen werden vor immer neue Dinge gestellt und altes, schon Gelerntes, wird nicht genutzt. Diesen Nachteilen entgegen wirkt die Idee von Versuchen, die für verschiedene Altersklassen immer wieder neu durchgeführt werden können. Dabei können ständig neue Aspekte betrachtet werden, die vorher Gelerntes zusammenspinnen zu größeren Zusammenhängen oder abtrakteren Prinzipien. Siehe auch Spiralcurriculum ↗
Was ist der Unterschied zu einem Freihandversuch?
Das Wort Freihandversuch wird oft als Synonmy für einen Werkstattversuch benutzt. Das Wort betont die geringe Vorbereitungszeit der Versuche im aktuellen Unterricht. Idealerweise kann man einen solche Versuch bei Bedarf ad hoc durchführen. Anders als bei den hier beschriebenen Werkstattversuchen ist aber ein erkennbarer Bezug zur Mathematik zwar oft vorhanden, aber nicht zwingend nötig. Siehe auch Freihandversuch ↗
Was ist der Unterschied zu einem Laborversuch?
Bei einem Laborversuch darf das benötigte Material oder die Raumeinrichtung aufwändig, spezialisiert, gefährlich oder teuer sein. Beispiele sind Versuche mit einem Bunsenbrenner (gefährlich), mit einer Wellenmaschine (aufwändig) oder zur Röntgenkristallographie (spezialisiert). Solche Versuche benötigen oft eine Einweisung und Überwachung durch Fachpersonen. Demgegenüber sollen Werkstattversuche auch ohne Fachpersonal durchführbar sein. Siehe auch Laborgeräte ↗
Was ist ein Spiralcurriculum?
Ein zentrales Motiv der Lernwerkstatt Aachen ist die Idee des Spiralcurriculums. Versuche sollen idealerweise schon ab dem Grundschulalter verständlich sein. Gleichzeitig sollen sie stets neue Interpretationen bis hin ins Studium erlauben. Das trifft in hohem Maße zum Beispiel auf viele Versuche der Optik zu. Siehe mehr dazu unter Spiralcurriculum ↗
Lernwerkstatt Aachen
In Aachen bietet die Mathe-AC Lernwerkstatt seit 2010 einen praxisnahen außerschulischen Unterricht in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie an. Dabei werden theoretische Themen der Nachhilfe oder des Mentoring mit praktischen Elementen aus einer Lernwerkstatt verbunden. Mehr dazu unter Mathe-AC Lernwerkstatt Aachen ↗
Fußnoten
- [1] Die Worte Versuch und Experiment werden im Sprachgebrauch oft Synonym verwendet.
- [2] Oft bleiben interessante Versuche beim bloßen Staun-Effekt stehen oder sie deuten einen mathematischen Hintergrund an, der für die jeweilige Altersklasse zu hoch ist. Werktattversuche im Sinn einer Lernwerkstatt sind im Idealfall so angelegt, dass ein rechnerischer oder mathematischer Zugang möglichst von der Grundschule bis hin zu einem Studium möglicht ist. Zur Idee der altersübergreifender Versuche siehe auch den Artikel zum sogenannten Spiralcurriculum ↗
- [3] Mit naturwissenschaftlichen Prinzipien sind hier keine eng begrenzten Spezialfälle wie zum Beispiel das Brechungsgesetz der Optik mit Brüchen und dem Sinus gemeint. Naturwissenschaftliche Prinzipien sind eher möglichst einfache aber grundlegende Gedanken, die sich dann aber durch möglichst viele Phänomene ziehen. Ein soches Prinzip ist zum Beispiel die Vorhersagbarkeit ↗
- [4] Ein Beispiel für eine größeren Zusammenhang, der wiederholt in unserer Lernwerkstatt in Aachen gerade ältere Schüler stark angesprochen hat, ist die philosophische Idee von einem Freien Willen. Jeder Versuch, der für bestimmte Ausgangsgedingungen immer zuverlässig auch dieselben Messergebnisse liefert (Pendelversuch, Schattenversuch) kann über die Idee einer Determiniertheit der physikalischen Welt hingeführt werden zur Idee eines Freien Willens. Unserer Erfahrung in der Lernwerkstatt in Aachen ist es, dass bei philosophisch interessierten Jugendlichen dazu ein bis zwei Minuten genügen, etwa der Art: wenn man das Pendel so gut vorausberechnen könnte, dann könnte man vielleicht alles was aus Materie ist letztendlich gut vorausberechnen. Wenn aber auch du nur aus Materie besteht, dann könnte man theoretisch auch vorausberechnen, was du in zwei Minuten sagen wirst. Es ist nicht wichtig, ob dieser Gedanke wirklich zutrifft oder nicht. Wichtig für eine Aufwertung der Versuche ist es nur, dass der größere Zusammenhang erkennbar wird. Siehe dazu auch unter Zusammenhang ↗