Wellenimpuls
Physik
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Basiswissen ·
Formeln zum Impuls von Photonen ·
Was ist ein Impuls in der Physik? ·
Der Impuls von Wellen ·
Argument 1) Es gibt Wellen ohne Impuls ·
Argument 2) Es gibt Wellen mit Impuls ·
Der Impuls einzelner Arten von Wellen ·
Fußnoten
Basiswissen
Verschiedene Formeln der Physik ordnen Wellen einen Impuls zu. Hier werden zunächst kurz wichtige Formeln dazu vorgestellt. Dass aber Wellen überhaupt einen Impuls haben müssen, ist zunächst nicht logisch zwingend sondern durchaus überraschend. Das wird anschließend kurz diskutiert.
Formeln zum Impuls von Photonen
Die folgenden drei Formeln beziehen sich auf den Impuls von sogenannten Photonen. Als Photonen bezeichnet man wellenartig gedachte aber doch räumlich eng begrenzte Teilchen elektromagnetischer Strahlung:
- p = E:vₚ[2]
- p = h·f:c
- p = h:λ
LEGENDE
- p = der Wellenimpuls ↗
- E = die Photonenenergie ↗
- vₚ = die Phasengeschwindigkeit ↗
- : = ein Geteiltzeichen ↗
- h = die Planck-Konstante ↗
- f = die Wellenfrequenz ↗
- λ = die Wellenlänge ↗
Diese Formeln können nicht direkt übertragen werden auf ausgedehnt gedachte Wellen, etwa solche wie man auf Wasserflächen als Wellen betrachtet oder die Wellen das Schalls in der Luft. Ob räumlich ausgedehnte Wellen, etwa mit Wellentälern und Wellenbergen gedacht, überhaupt einen Impuls haben können, wird im Folgenden diskutiert.
Was ist ein Impuls in der Physik?
Ein bewegter Körper hat einen Impuls. Umgangssprachlich entspricht der Impuls am ehesten dem Schwung oder der Wucht einer Sache. Physikalisch ist der Impuls das Produkt aus der Masse (Kilogrammzahl) und der Geschwindigkeit (z. B. in m/s) eines Körpers. Ein langsamer aber schwerer Körper kann damit einen gleich großen Impuls wie ein leichter aber schneller Körper haben. Bei einem bewegten Körper gilt: je mehr Kilogramm, desto mehr Impuls. Und: je schneller, desto mehr Impuls. Siehe auch Impuls ↗
Hat ein Körper wie zum Beispiel eine rollende Billardkugel, einen Impuls, dann kann dieser Körper bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Körper etwas von seinem eigenen Impuls auf den anderen Körper übertragen. Umganssprachlich könnte man hier von schubsen oder stoßen sprechen.[5] Damit haben wir eine zweite Deutung von Impuls: ein Impuls ist nicht nur die Wucht, die ein Körper hat, ein Impuls kann auch die Wucht, ein Stoß sein, der etwas anderem mitgeteilt wird. In der Physik spricht man von einem Stoß ↗
Wenn nun ein bewegtes Teilchen mit Masse etwas von seinem Impuls auf andere Objekte übertragen kann, etwa bei einem Stoß, gilt dann auch der Umkehrschluss: kann NUR ein Teilchen mit Masse Impuls übertragen?[1]
Der Impuls von Wellen
Die Frage wird zum einen bei echten mechanischen Wellen oder Schallwellen interessant, die selbst ja nicht aus Masse bestehen, sondern nur Massen als Träger, als Oszillatoren haben. Zum anderen stellt sich die Frage auch bei sogenannten Photonen. So nennt man wellenartig gedachte Teilchen elektromagnetischer Strahlung ohne echte Masse. Die Frage ist also: haben Wellen immer oder zumindest unter bestimmten Bedingungen einen Impuls?
Argument 1) Es gibt Wellen ohne Impuls
Man stelle sich einen großen Ozean ohne Wind und ohne Strömungen vor. Die einzige Bewegung dort sind langsam und ruhig dahinwandernde langgezogene Wellen, eine sogenannte Dünung.[4] Nun stelle man sich weiter vor, dass man sich in einem solchen Ozean auf der Oberfläche treiben lasse. Jede Welle, die unter einem hindurchgeht, wird einen etwas anheben, wieder absenken und dann ihren Weg weiter ziehen. Ist so einen Welle unter einem hindurch gegangen, ist man am Ende wieder genau an derselben Stelle, an der man auch vorher war. Und man hat auch keine Geschwindigkeit mehr. Im Endeffekt hat die Welle keinen Impuls auf den treibenden Schwimmer übertragen. Insofern kann man sagen, dass es Wellen gibt, die vielleicht kurzfristig aber nicht bleibend einen Impuls abgeben.[3]
Argument 2) Es gibt Wellen mit Impuls
Das Wellen, etwa Wasserwellen, einen Impuls auf andere Objekte übertragen können ist augenscheinlich. Wenn Wasserwellen auf den Strand treffen, setzen sie dort zum Beispiel Sandteile, Treibgut oder festgemachte Boote in Bewegung. Bei Stürmen können Wellen sogar ganze Schiffe viele hunderte Meter weit landeinwärts transportieren oder schwere Steinbrocken weit verfrachten. Auch ein Wellenreiter, ein Surfer, wird von einer Welle in Richtung ihrer eigenen Bewegung über oft lange Strecken mitgenommen. In all diesen Fällen übertrage Wellen einen Impuls auf andere Objekte, und zwar sowohl in Richtung ihrer eigenen Fortpflanzung als nach oben oder unten. Es macht Sinn, solchen Wellen einen Impuls zuzuordnen, den sie dann teilweise und auch dauerhaft auf andere Dinge übertragen können.
Der Impuls einzelner Arten von Wellen
Der Mathematik Charles S. Peskin hat in einer mehrseitigen, sehr mathematischen Abhandlung für verschiedene Arten von Wellen untersucht, ob sie aus mathematischer Sicht einen Impuls übertragen können. Er kam zu folgenden Ergebnissen:
- Elektromagnetische Wellen: sie haben zu jedem Zeitpunkt einen Impuls in Richtung ihrer Fortpflanzung.[6][7][8]
- Wasserwellen: sie haben einen netto-Impuls in Richtung ihrer Fortpflanzung (net momentum in the direction of wave propagation)
- Nichtlinear schwingende Saite: kann Impuls in Richtung der Fortpflanzung transportieren.[5]
- Linear schwingende Saite: kann keinen Impuls in Richtung der Fortpflanzung transportieren.[5]
- Materiewellen: können Impuls transportieren.[11]
Fußnoten
- [1] Dass Photonen nicht zwangsläufig auch einen Impuls haben müssen, stellt fragend zum Beispiel ein Lehrbuch der Physik in den Raum. Es wird zunächst auf den lichtelektrischen Effekt verwiesen, der gezeigt habe, dass man Photonen sinnvoll eine Energie zuordnen. Dann folgt die Frage: "Aber haben Photonen auch einen Impuls, der in der Impulsbilanz [eines Stoßes, bei der Streuung] berücksichtigt werden muss?" In: Dorn.Bader. Physik SII Gesamtband Gymnasium. Westermann Bildungsmedien. Braunschweig. 2023. ISBN: 978-3-14-152376-8. Dort im Abschnitt zum "Comptoneffekt". Seite 313. Siehe auch Compton-Streuung ↗
- [2] Zur Definition von Impuls (momentum) im Bezug auf Wellen gilt für diesen Artikel hier: "“momentum” means actual physical momentum, the kind that can push on an obstacle in its path, and not some more abstract concept like generalized momentum. Momentum is a vector, and we are interested in the component of momentum parallel to the direction of propagation of the wave." In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010. Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010. Siehe auch Impuls ↗
- [3] Dass Wellen nicht automatisch einen Impuls (momentum) übetragen, stellt der Mathematik Peskin (geboren 1946) an den Anfang einer längeren und recht komplizierten mathematischen Abhandlung: "The phenomenon of wave momentum is remarkable in several respects. First, it is not clear a priori that waves ought to have associated momentum. Waves are commonly divided into two types: transverse and longitudinal waves. In the transverse case, since nothing is moving in the direction of propagation, how can there be associated momentum in that direction? Even in the longitudinal case, since the wave motion is typically oscillatory, one would think that the average momentum density would be zero. How can there be net momentum in the direction of the wave?" Der zweite Aspekt, bezüglich dessen der Wellenimpuls (wave momentum) bemerkenswert sei ist die vergleichsweise einfache Formel, die den Impuls einer Welle mit der Wellenlänge verbindet: Impuls = Energie durch Phasengeschwindigkeit (p=E/c). In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010.
- [4] Als Dünung bezeichnet man sehr gleichmäßige, langgestreckte ruhige Wellen. Siehe mehr unter Dünung ↗
- [5] Impuls (momentum) kann etwas schubsen: "momentum” means actual physical momentum, the kind that can push on an obstacle in its path." In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010.
- [6] Das gilt aber nur für Wellen mit einer klaren Richtung ihrer Fortpflanzung. Das elektromagnetische Wellen einen Impuls haben, gilt etwa nicht für stehende Wellen: " The […] relationship between momentum density and energy density is clearly invalid for superpositions of waves running
- [7] Dass Licht einen Druck ausübt und damit Dinge bewegen kann, wurde bereits 1901 experimentell bestätigt: P. Lebedew, 1901, "Untersuchungen über die Druckkräfte des Lichtes", Annalen der Physik, 1901 Series 4 6, 433-458. Siehe auch Lichtdruck ↗
- [8] Eine technische Anwendung der Impulsübertragung von elektromagnetischer Strahlung auf feste Körper war das Projekt LightSail: ein kleiner Satellit mit einem Sonnensegel wurde erfolgreich von der elektromagnetischen Strahlung der Sonne angetrieben: "The Planetary Society's LightSail program demonstrated that solar sailing is a viable means of propulsion for small satellites. Solar sails use sunlight instead of rocket fuel for propulsion. They are one of the few technologies that could be used for interstellar travel. Our LightSail 2 spacecraft was in space from June 2019 to November 2022 and successfully used sunlight alone to change its orbit around Earth." In: Bericht über das Projekt LightSail2 der Planetary Society der USA (Know the cosmos and our place within it.): LightSail, a Planetary Society solar sail spacecraft. Abgerufen am 21. November 2024. Online: https://www.planetary.org/sci-tech/lightsail
- [9] Dass Schallwellen einen Impuls übertragen wirkt zunächst kontraintuitiv, denn die einzelnen Luftteilchen bewegen sich erst ein Stück in Richtung der Fortpflanzung und dann wieder dasselbe Stück Weg zurück. Unter dem Strich bewegen sich die einzelnen Teilchen der Luft also nicht. Warum Schallwellen dennoch einen Impuls übertragen erklärt Peskin folgendermaßen: "It is instructive to consider why there is net momentum in a traveling sound wave. As mentioned in the introduction, this is counterintuitive, since the average velocity of the air would seem to be zero, and indeed we have taken care to elevate this to a basic principle by choosing a frame of reference in which the spatial integral of u(x, t) is zero for every t. It turns out, however, that there is net momentum because of the correlation between density and velocity in a traveling acoustic wave. In fact, those regions of space in which the air is moving forward (i.e., in the direction of wave propagation) are also the regions in which the density of the air is above average, and vice versa. It is only this effect that produces net momentum." In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010.
- [10] Mit der sogenannten akustischen Levitation können mit Hilfe von stehenden Schallwellen Objekte frei schwebend in der Luft gehalten werden. Das hat zahlreiche technische Anwendungen. Ein frühes Experiment dazu ist beschrieben in: Bücks, Karl; Müller, Hans (January 1933). "Über einige Beobachtungen an schwingenden Piezoquarzen und ihrem Schallfeld". Zeitschrift für Physik. 84 (1–2): 75–86.
- [11] Zu den Materiewellen der Quantenphysik (In quantum mechanics, particles are associated with waves) heißt es: "it appears that the relationship between energy and momentum that we have found to be valid for many (but not for all!) types of classical traveling waves is also valid for the waves that are associated with free particles in quantum mechanics." Es gilt aber zu beachten, dass sich das Moment mit der Phasen- und nicht mit der Gruppengeschwindigkeit der zugeordneten Welle ausbreitet. Die Partikel hingegen bewegen sich mit der Gruppengeschwindigkeit: "This relationship is simply E = Pvₚ, where vₚ = ω/k is the phase velocity of the associated wave. Note that this is not the same as the particle velocity v, which instead is equal to the group velocity, v = dω/dk." In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010.