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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

T-Symmetrie

Physik

Basiswissen


Von einer T-Symmetrie[1][2] (für time-symmetrie), auf Deutsch auch Zeitsymmetrie[11] im Sinne der Physik spricht man, wenn ein Naturgesetz a) unabhängig davon gilt, wo in der Zeit man es anwendet (Symmetrie gegenüber Verschiebung in der Zeit) oder b) ob man es auf Prozesse anwendet, die vorwärts oder rückwärts ablaufen (Spiegelung in der Zeit).[11] Meist wird bei einer T-Symmetrie nur dieser zweite Fall mit sogenannter Zeitumkehr betrachtet.

Die T-Symmetrie mit Zeitumkehr


Der Begriff der T-Symmetrie wird meist nur im Hinblick auf eine sogenannte Zeitumkehr[3][4], T-Konjugation[3], oder die sogenannte Zeitumkehrvarianz[3] hin betrachtet. Dabei geht es nicht um eine Verschiebung[11], sondern eine Spiegelung in der Zeit. Die Kernidee einer Spiegelung in der Zeit ist, dass ein Gesetz auch dann gilt, wenn man Prozesse rückwärts ablaufen lässt. Dabei lassen die Naturgesetze keine Unterscheidung zu, die Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung auszuschließen. Mathematisch lässt man die Zeit rückwärts laufen, wenn man für t den term -t einsetzt. Diesen rein mathematischen Schritt nennt man eine Zeitumkehr.[3]

T-Symmetrie: Jonglieren


Ein Anzeichen dafür, dass ein physikalischer Vorgang in der Zeit umkehrbar oder reversibel ist, also der T-Symmetrie unterliegt, ist, dass man beim Ansehen eines Videos nicht entscheiden kann, ob der gezeigte Film vorwärts oder rückwärts (revers) läuft.[10]



Bei einer sogenannten 3-Ball-Kaskade des Jonglierens kann man nicht entscheiden, welche von zwei Versionen die ursprünglich aufgenommene Version im Vorwärtslauf ist.

Typische Beispiel für Vorgänge, bei denen man nicht entscheiden kann, ob ein Film vorwärts oder rückwärts läuft sind: Jonglieren, ein senkrechter Wurf nach oben, ein freier Fall nach unten oder der Zusammenprall weniger Billardbälle, Eine Kurzgeschichte, die auf eine hirnquälende Weise mit der Idee einer Zeitumkehr spielt, ist Ian Watson "Very Slow Time Machine".[12]

T-Symmetrie: senkrechter Wurf


Als Zeitumkehr bezeichnet man einen rein mathematischen Schritt, nämlich das Einsetzen von -t in eine Gleichung, in der zunächst nur t vorkam.[5] Die so definierte Zeitumkehr ist also kein Vorgang der Natur selbst sondern ein bloß gedankliches Verfahren. Man nimmt rein rechnerisch an, dass die Zeit umgekehrt ablaufe.[4] Nehmen wir als Beispiel eine Gleichung für einen senkrechten Wurf:


Mit


Wenn man für die Gleichung ohne Zeitumkehr der Reihe nach für t die Zahlen 1, 2, 3 und 4 einsetzt, so bewegt man sich dadurch in der Zeit vorwärts, nämlich hin zu größeren Zeitwerten. Setzt man aber dieselben Zahlen in die Gleichung mit Zeitumkehr ein so "sieht" die Gleichung die Zeitenfolge -1, -2, -3 und am Ende -4. Von Schritt zu Schritt geht man also in der Zeit rückwärts. Das berechtigt zur Bezeichnung Zeitumkehr.



Ein Ball fliegt erst auf- und dann abwärts. Ohne eingeblendete Stoppuhr wäre es schwer zu entscheiden, ob die Hand den Ball gerade wirft oder fängt, ob der Ball steigt oder fällt. Alles könnte genauso gut auch die rückwärts laufende Version des Videos sein.

Betrachten wir nun ein Rechenbeispiel. Angenommen die Abschussgeschwindigkeit vo sei 80 m/s (positiv weil nach oben geschossen) und die Erdbeschleunigung g sei -10 m/s² (negativ, weil nach unten wirkend). Hier stehen die Höhen s in Metern über dem Abschlussort:



Bei der Zeitumkehr musste auch das Vorzeichen der Geschwindigkeit negativ werden, da v ja eigentlich für den Term Δs/Δt steht und auch für das t im Nenner dieses Term das Vorzeichen geändert werden muss. Bei der Beschleunigung kommt das Δt zweimal im Term vor: a=(Δs/Δt)/Δt. Auch dort setzt man für t -t ein, was sich in dem Doppelbroch aber wegkürzt. Man sieht, dass ein Einsetzen von -t für t an der Beschreibung des Ablaufs nichts ändert. Die Gleichung für den senkrechten Wurf ist invariant gegenüber der Zeitumkehr. Der senkrechte Wurf ist somit t-symmetrisch.

Zeitsymmetrie mit "Energierückgewinnung


Der englisch Mathematiker und Nobelpreisträger Roger Penrose (geboren 1931) betrachtet ein Glas Wasser, das von einer Tischkante herunterfällt und auf dem Boden zerspringt.[4] Die Newtonschen Gesetze, so Penrose, lassen es ohne Probleme zu, dass die Glassplitter sich auf dem Boden mit dem Wasser wieder zusammenfügen und nach obne auf die Tischkante springen. Aber wo, so Penrose, kommt die Energie für den Rücksprung vom Boden auf den Tisch her? Nun, die Energie könnte aus den vielen Abermilliarden Einzelbewegungen der warmen Teile des Bodens her stammen. Wärme ist ja eine ungeordnete Bewegung vieler Teilchen. Es könnte theoretisch sein, dass alle die Teilchen des Bodens "so absurd genau koordiniert sind, dass sie das gemeinsam das Glas wieder reparieren und zurück auf den Tisch werfen. Der springende Punkt nach Penrose ist, dass dies zumindest nicht die Newtonschen Bewegungsgesetze noch den Satz von der Energieerhaltung verletzen würde.[4]

Weitere Beispiele



Die Newtonschen Gesetze sind t-symmetrisch


Alle Naturgesetze, die auf den Newtonschen Axiomen beruhen, also alle deterministischen Grundgesetze der Physik sind zeitumkehrinvariant oder t-symmetrisch.[3] Wenn zum Beisöiel zwei Kugeln in einem elastischen Stoß zusammentreffen und sich danach wieder voneinander entfernen, so kann derselbe Prozess genauso gut auch rückwärts ablaufen. Die Gesetze der klassichen Physik erlauben es nicht zu entscheiden, ob man einen Film eines solch klassisch gedachten Vorgangs vorwärts oder rückwärts sieht.

Machen wir uns noch einmal deutlich, was die T-Symmetrie anschaulich meint: wenn man einen Prozess der Natur filmt, kann man diesen Film später auch rückwärts ablaufen lassen. Denken wir an Zusammenstöße von zwei Kugeln auf einem Billardtisch, oder einen Ball in einem senkrechten Wurf. Wenn die tT-Symmetriegilt, dann können wir beim Betrachten eines solchen Film nicht entscheiden, ob der Film vorwärts oder rückwärts läuft. Das haben Physiker im Sinn, wenn sie etwa sagen, dass die Gesetze der Physik kein Vorwärts und kein Rückwärts kennen.[5][6] Das ist eine äußerst bemerkenswerte Feststellung.

Die Newtonschen Gesetze und der Zeitpfeil


Wenn wir bis hierher festgehalten haben, dass die Gesetze der klassischen Physik, mit den Newtonschen Axiomen als ihrem Fundament[8],t-Symmetrisch sind, so stimmt das, solange wir uns Prozesse mit einer geringen Anzahl von Objekten betrachten. Wir können dann niemals entscheiden, ob ein Film vorwärts oder rückwärts läuft. Die Sache sieht aber ganz anders aus, wenn wir viele Objekte aufeinander einwirken lassen.

Sieht man einen Film von zwei Billardkugeln, die aufeinander zu laufen, sich stoßen und dann wieder voneinander entfernen, kann man nicht sagen, ob der Film vorwärts oder rückwärts läuft. Wenn man aber sieht, wie eine einzelne Kugel auf zehn zu einem sauberen Dreieck zusammengelegt Kugeln anstößt und dann auf dem Tisch auseinandertreibt, würde man diesen Film rückwärts abgespult niemals für eine Aufnahme einer realen Situation halten.[9]

Das ist äußert bemerkenswert. Für wenige Billardkugeln kann man nicht eindeutig entscheiden, in welche Richtung ein Film gezeigt wird. Für eine große Anzahl von Kugeln hingegen hat man ein sehr gutes Gefühl, dass manche Abläufe unmöglich realistisch sein können. Elf unregelmäßig sich bewegende Kugeln treffen nicht so aufeinander, dass sie am Ende gemeinsam ruhend ein Dreieck bilden, von dem ausgehend eine einzige Kugel mit hoher Geschwindigkeit abgestoßen wird.

Obwohl die grundlegenden Gesetze der Mechanik das in keiner Weise ausschließen, würde es in der Realität niemals vorkommen. Aus dem Zusammenspiel einer größeren Anzahl von Objekten scheint plötzlich die Zeitumkehrinvarinz nicht mehr zu gelten.[10] Dass aus dem Zusammenspiel vieler Teile plötzlich Effekte erscheinen, die in den einzelnen Teilen alleine nicht angelegt sind, bezeichnet man als Emergenz. Was hier emergiert ist die Tendenz der Natur, hin zu mehr Unordnung zu streben. Diese reine Beobachtungstatsache heißt auch zweiter Hauptsatz der Thermodynamik ↗

Und was rein physikalisch bereits an einem Billardtisch gezeigt werden kann, dass es nämlich Vorgänge gibt, die erfahrungsgemäß rückwärts sofort als falsch erscheinen würde, lässt sich auch in der Erdgeschichte und der Biologie wiederfinden. Im Großen und Ganzen scheint die Evolution des Lebens einem Trend hin zu immer mehr Komplexität und Vielfalt zu folgen. Aus Bakterien und Einzellern wurden einfache Mehrzeller, dann große Organismen, die sich zu Herden und später menschlichen Gesellschaften zusammenschlossen. Ein Film der diese Entwicklung rückwärts zeigt ist zwar physikalisch durchaus denkbar, erschiene aber kaum plausibel. Hier sehen wir eine zweite Tendenz, die den Geschehnissen eine bevorzugte Richtung in der Zeit gibt. Zur Idee, dass die Entwicklung des Lebens eine irgendwie geartete Richtung hat, siehe den Artikel zur Orthoevolution ↗

Wenn es nun aber Vorgänge in der Welt gibt, die aus Erfahrung immer nur in eine Richtung ablaufen, so kann man den Geschehnissen einen Zeitpfeil zuordnen. Würde man einen entsprechenden Film sehen, könnte dieser Pfeil anzeigen, in welche Richtung die Zeit nach vorne schreitet. Mit diesem Gedanken sind wir nun bei einem tiefen Prinzip der Physik angekommen, das Konsequenzen bis hin zum endgültigen Schicksal unseres Kosmos haben könnte. Siehe dazu mehr im Artikel zum Zeitpfeil ↗

Fußnoten