Ruckfrei
Analysis
Basiswissen
Ein abschnittsweise definierter Graph ist an der Nahtstelle zwischen dem linken und dem rechten Funktionsterm genau dann ruckfrei, wenn die zweite Ableitung an der Stelle für beide Terme denselben Wert hat. Diese Definition findet man in vielen Schulbüchern (Stand um 2022). Das ist hier näher erläutert.
Was heißt abschnittsweise?
In Schulaufgaben zur Analysis wird das Wort ruckfrei fast ausschließlich in Verbindung mit abschnittsweise definierten Funktionen verwendet. Eine abschnittsweise definierte Funktion hat zwei oder mehr verschiedene Funktionsterme, die jeweils für unterschiedliche Bereiche von x-Werten gelten. In Schulaufgaben bestehen zwischen diesen Bereichen üblicherweise keine Lücken. Hier ein Beispiel: f(x) wird definiert über f(x)=x für den Bereich von 0 bis einschließlich 10. Und für alle x-Werte größer 10 gilt dann f(x)= (x-9,5)²+9,75. Die Nahtstelle zwischen den zwei Bereichen ist x=10.
Was heißt stetig?
Eine abschnittsweise definierte Funktion kann an der Schnittstelle nur dann ruckfrei sein, wenn sie dort auch stetig ist (notwendige Voraussetzung). Stetig heißt, dass der Funktionswert für beide Terme links und rechts gleich sein muss. Im Beispiel oben gilt für beide Terme f(10)=10. Siehe auch stetige Funktion ↗
Was heißt knickfrei?
Eine abschnittsweise definierte Funktion kann an der Schnittstelle nur dann ruckfrei sein, wenn sie dort auch knickfrei ist. Knickfrei heißt für eine abschnittsweise definierte Funktion, dass der Wert der ersten Ableitung an der Nahtstelle für beide Terme gleich sein muss. Im Beispiel oben gilt für beide Terme f'(10)=1. Als ist die Funktion bei x=10 auch knickfrei ↗
Was heißt ruckfrei?
Verschiedenen Schulbüchern zufolge[1] heißt ruckfrei, dass eine abschnittsweise defeinierte Funktion an ihrer Nahtstelle für den linken und den rechten Funktionsterm den gleichen Wert für die zweite Ableitung gibt. Im Beispiel oben wäre das nicht der Fall, da f''(x) für f(x)=x die Zahl 0 gibt, aber f''(x) für f(x)=(x-9,5)²+9,75 zu 2 wird.
Was heißt ruckfrei physikalisch?
Bewegt man sich mit einer Lok gedanklich auf einer Kurve mit Schienen so wird man durch die Zentrifugalkraft nach außen gedrückt. Je kleiner der Radius der Kurve ist, desto stärke ist die Zentrifugalkraft, desto stärker wird man also auch nach außen gedrückt. Die Krümmung ist hier der Kehrwert des Kurvenradius: großer Kurvenradius heißt kleine Krümmung. Und umgekehrt: kleiner Kurvenradius heißt große Krümmung.
Kritik der (schulmathematischen) Definition
In der angedeuteten Schulbüchern[1] die physikalische Deutung der Krümmung gleichgesetzt mit dem Wert der zweiten Ableitung. Zwar wird der Wert der zweiten Ableitung oft als Krümmung bezeichnet (etwa beim Krümmungsverhalten von Graphen), doch ist er kein echtes Krümmungsmaß im physikalischen Sinn. Das zeigt das Beispiel des Graphen f(x) = e^x. Für größere x-Werte wird der Graph immer ähnlicher einer Geraden, die physikalische Krümmung nimmt auf keinen Fall zu. Dennoch wird der Wert für die zweite Ableitung f''(x) ständig größer.
Fehlerhafte Schulbücher?
Die Skepsis hier fußt auf ersten Überlegungen und wurde noch nicht mit anderen Personen diskutiert. Bei Hausaufgaben oder Klassenarbeiten sollte man die Definition eines Schulbuches durchaus verwenden und vielleicht diese auch kurz zitieren. Damit ist man auf der sicheren Seite, selbst wenn der Ansatz falsch ist.
Fußnoten
- [1] Finale Prüfungstraining. Zentralabitur Mathematik. Nordrhein Westfalen. Georg Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-7426-2215-0. Seite 17.