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Philipp Lenard

Physiker

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Basiswissen


Philipp Lenard (1862 bis 1947) wurde in der Stadt Preßburg in der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie geboren. Ab 1881 arbeitete er als Assistent von Heinrich Hertz in Bonn, wo er auch promovierte[1]. Im Jahr 1905 erhielt er den Nobelpreis für seine Untersuchung des lichtelektrischen Effekt. Seit den frühen 1920er Jahren[14] profilierte sich Lenard als Antisemit und als Vertreter einer deutschen Physik[11][16] im Gegensatz zu einer vermeintlich jüdischen Physik.

Lenard gegen Einstein


Im Völkischen Beobachter, einem nationalsozialistischen Hetzblatt, V~ikischer Beobachter erschien am 13. Mai 1933, ein Artikel, in dem Philipp Lenard Albert Einstein "Relativitätsjuden" bezeichnete, dessen "mathematisch zusammengestoppelte 'Theorie' […] nun schon allmählich in Stücke zerfällt, wie es das Schicksal naturfremder Erzeugnisse ist."[17] 1935 glaubt Lenard dann ein mangelhaftes Verständnis von Wahrheit bei Juden feststellen zu können:


ZITAT:

"Dem Juden fehlt auffallend das Verständnis für Wahrheit, für mehr als nur scheinbare Übereinstimmung mit der von Menschen-Denken unabhängig ablaufenden Wirklichkeit, im Gegensatz zum ebenso unbändigen wie besorgnisvollen Wahrheitswillen der arischen Forscher. Der Jude hat kein merkliches Fassungsverm&gen für andere Wirklichkeiten als etwa die des menschlichen Getriebes und der Schwächen seines Wirtsvolkes. Dem Juden scheint wunderlicherweise Wahrheit, Wirklichkeit überhaupt nichts Besonderers, von Unwahrem Verrschiedenes zu sein, sondern gleich irgendeiner der vielen verschiedenen, jeweils vorhandenen Denkmöglichkeiten."[18]


Man beachte bei diesem Zitat die damals übliche Verwendung des Artikels im Singular "der Jude", als gäbe es den Arttypischen Einzelfall der gleichsam für die ganze Gruppe steht.

Bemerkenswert ist, dass Philipp Lenard noch bis 1918 in einem durchaus kollegialen Austausch mit Albert Einstein stand. Zuvor hatte er sich wohlwohllend über dessen Theorien geäußert.[19] Möglicherweise war es ein Artikel von Albert Einstein im Berliner Tageblatt vom August 1920, der eine deutliche Verschärfung bewirkt.


ZITAT:

Albert Einstein: "Ich bewundere Lenard als Meister der Experimentalphysik; in der theoretischen Physik aber hat er noch nichts geleistet, und seine Einwände gegen die allgemeine Relativitätstheorie sind von solcher Oberflächlichkeit, daß ich es bis jetzt nicht für nötig erachtet habe, ausführlich auf dieselen zu antworten."[21]


Im Monat darauf hat sich Lenard dann auf einer Tagung in Bad Nauheim, bei Frankfurt am Main, deutlich antisemitisch geäußert.[22] Ab diesem Zeitpunkt trugen dann auch Lenards Äußerungen zum Äther und der Relativitätstheorie einen unverhohlen völkischen Zungenschlag.[23] Diese Chronologie lässt es als nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen, dass der ätzende Antisemitismus Lenards mindestens eine seiner Wurzeln in einem Gefühl der Verletztheit durch Einsteins Kritiken an seiner, Lenards, Physik haben könnte.

Fußnoten


  • [1] Philipp Lenard: Über die Elektrizität der Wasserfälle. Promotion. 1892.
  • [6] Philipp Lenard: Quantitatives über Kathodenstrahlen aller Geschwindigkeiten. 1918; 2. Auflage 1925.
  • [7] Philipp Lenard: Über Kathodenstrahlen. 1905; 2. Auflage 1920.
  • [8] Philipp Lenard: Über Relativitätsprinzip, Äther und Gravitation. 1918; 2. Auflage 1921.
  • [10] Philipp Lenard: Große Naturforscher: Eine Geschichte der Naturforschung in Lebensbeschreibungen. J.F. Lehmanns Verlag, München 1929. (Digitalisat der 6. Auflage, 1943).
  • [11] Philipp Lenard: Deutsche Physik in vier Bänden. J.F. Lehmanns Verlag, München 1936¿1937. (Mehrere Auflagen) (Digitalisat der 4. Auflage, 1944).
  • [12] Philipp Lenard: Ideelle Kontinentalsperre. Eher, München 1940 (parteipolitisch motivierter Nachdruck seiner 1914 veröffentlichten Broschüre England und Deutschland zur Zeit des großen Krieges).
  • [13] Philipp Lenard: Wissenschaftliche Abhandlungen aus den Jahren 1886¿1932. 3 Bände. Hirzel, Leipzig 1942¿44.
  • [14] Philipp Lenard: Wissenschaftliche Abhandlungen. Band 4. Hrsg. und kommentiert von Charlotte Schönbeck. GNT-Verlag, Diepholz/ Berlin 2003, ISBN 3-928186-35-3.
  • [15] Aus dem Jahr 1920 ist ein Briefwechsel zwischen Albert Einstein, Hedi Born und Max Born überliefert. Darin geht es um eine Tagung der "Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte" im September 1920 im Hessischen Bad Nauheim. Einstein und auch Lenard besuchten die Tagung. Einstein wohnte damals in Born Wohnung in Frankfurt. Born schrieb in den 1960er Jahren rückblickend über die Nauheimer Tagung: "Dort ereignete sich ein böser Zusammenstoß zwischen Einstein und seinen Gegnern, deren Motive keineswegs rein wissenschaftlich, sondern mit antisemitischen Gefühlen stark vermengt waren." Und: "In der physikalischen Sektion richtete Philipp Lenard scharfe, bösartige Angriffe gegen Einstein, mit unverhüllt antisemitischer Tendenz." Born nannte in diesem Zusammenhang auch Johannes Stark. Born weiter: "Die große Gefahr des Antisemitismus für die deutsche Wissenschaft wurde damals in Nauheim zum ersten Male in Umrissen sichtbar." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort auf den Seiten 60 und 61.
  • [16] Philipp Lenard (1862 bis 1947) und Johannes Stark (1874 bis 1957) waren die zwei herausragenden Befürworter eines sogenannten Deutschen Physik. Nur eine "arische" Physik könne zu echter Naturerkenntnis führen. Dabei wurden die Relativitätstheorie genauso abgelehnt wie die abstrakten Deutungen der Quantentheorie. Stattdessen wurde eine mehr oder minder anschauliche, klassische Physik gefordert, etwa mit der Äthertheorie als Grundlange von Wellenphänomen des Lichts. Lenard und Stark bemühten sich, vor allem in Dritten Reich, ihr Programm durchzusetzen. Das aber konnte durch das gemeinsame Auftreten anderer Physiker und mit Hilfe von Lobby-Arbeit bei NS-Führungsgrößen verhindert werden. Der entscheidende Hinweis dabei war, dass die "Deutsche Physik" keinen brauchbaren Ergebnisse liefere, unter anderem nicht für die damals nötige Kriegswirtschaft. Einen guten Einblick in diese Kapitel der Geschichte der Physik bietet: Michael Eckert: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die »Deutsche Physik«. In: Dieter Hoffmann, Mark Walker (Herausgeber): Physiker zwischen Autonomie und Anpassung: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich. Wiley-VCH. 2007. 676 Seiten. ISBN: 978-3527405855.
  • [18] Philipp Lenard: Deutsche Physik. 4 Bände. J.F. Lehmann-Verlag, München 1936. Das Vorwort ist auf 1935 datiert.
  • [19] Philipp Lenard: Über Äther und Materie. Vortrag, gehalten in der Gesamtsitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am 4. Juni 1910. Zweite, ausführlichere und mit Zusätzen versehene Auflage. Winters Universitätsbuchhandlung. Heidelberg, 1911.
  • [21] Albert Einstein: Meine Antwort. Über die antirelativistische GmbH. Berliner Tageblatt. 20 August 1920.
  • [22] Die Tagung der "Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte" fand vom 19. bis zum 25. September 1920 im Hessischen Bad Nauheim statt. Einstein und auch Lenard besuchten die Tagung. Einstein wohnte damals in Born Wohnung in Frankfurt. Born schrieb in den 1960er Jahren rückblickend über die Nauheimer Tagung: "Dort ereignete sich ein böser Zusammenstoß zwischen Einstein und seinen Gegnern, deren Motive keineswegs rein wissenschaftlich, sondern mit antisemitischen Gefühlen stark vermengt waren." Und: "In der physikalischen Sektion richtete Philipp Lenard scharfe, bösartige Angriffe gegen Einstein, mit unverhüllt antisemitischer Tendenz." Born weiter: "Die große Gefahr des Antisemitismus für die deutsche Wissenschaft wurde damals in Nauheim zum ersten Male in Umrissen sichtbar." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort auf den Seiten 60 und 61.
  • [23] Philipp Lenard: Über Äther und Uräther. Mit einem Mahnwort an deutsche Naturforscher. Verlag: Leipzig, S. Hirzel, 1922.