A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Deismus

Theologie

© 2016 - 2025




Basiswissen


Als Deismus bezeichnet man heute die Position, dass Gott die Welt zwar erschaffen habe, aber in ihren Ablauf nicht weiter eingreift[10]. Insbesondere im 19ten Jahrhundert verband man mit Deismus auch die Vorstellung, dass die Idee eines Gottes aus der Vernunft hervogeht[1], dieser Gott auch ohne Offenbarung erkennbar ist[2], und dass Gott nicht mehr lenkend und steuernd in die Geschehnisse seiner Schöpfung eingreift[6]. Während bis um 1840 die Worte Deismus und Theismus zunächst noch als gleichbedeutende Synonyme verwendet wurden[1][2], wurden später die beiden Worte für unterschiedliche Bedeutungen verwendet.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Gott schaut seiner Schöpfung nur zu, greift aber nicht mehr aktiv in die Geschehnisse ein: diese Vorstellung bezeichnet man als Deismus.☛


Motivation


Seitdem die auf Experiment und Beobachtungen beruhenden Naturwissenschaften zunehmend praktische Erfolge vorweisen konnten, tat sich das Problem auf, woran man das Wirken eines Gottes erkennen solle. Einen Ausweg bot der Gedanke, dass es Gott zwar gebe und dieser die Welt auch erschaffen habe, dass er aber in ihren Gang nicht eingreife. Dieser Gedanke fand während der Aufklärung im 18ten Jahrhundert unter dem Namen Deismus Verbreitung. Die Idee, dass man aber Gott in der Welt erkennen könne, nämlich im Sein und Wirken der Natur, bezeichnet man als natürliche Religion ↗

Deismus in Abgrenzung zum Theismus====

Deismus geht auf das lateinische deus und Theismus auf das griechische theos zurück[4], beide Fremdwörter werden üblicherweise einfach mit Gott übersetzt. Bis um 1850 wurden die beiden Worten häufig Synonym verwendet[1][2], aber auch später noch[8]. Zunehmend standen die Worte Deismus und Theismus dann aber für zwei unterschiedliche Vorstellung von Gott.

Dass Gott durchaus aktiv steuernd und erhaltend in die Welt eingreift bezeichnet man als Theismus. Der Theismus steht damit in Widerspruch zu einem strikten Determinismus. Mehr unter Theismus ↗

Fußnoten


  • [1] 1809, Glaube aus Vernunft, nicht aus Offenbarung: "Der Deismus, die Lehre, nach welcher zwar eine Gottheit, aber nicht zu Folge einer Offenbarung, sondern zu Folge der Vernunft angenommen wird. Der Deist, derjenige, der dieser Lehre zugethan ist." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 329. Online: http://www.zeno.org/nid/20000748684
  • [2] 1837, Glaube aus Vernunft, nicht aus Offenbarung: "Deismus nach lat. oder Theismus nach griech. Ableitung wird der Glaube an Gott, als letzten Grund und als Regierer aller Dinge genannt, jedoch nur, insofern die Überzeugung der Deisten genannten Anhänger dieses Systems sich auf Vernunftgründe, ohne Rücksicht auf die Offenbarung, stützt. Der eigentliche Gegensatz davon ist der Atheismus oder die Gottesleugnung, doch wird dem Deismus auch häufig der Offenbarungsglaube entgegengesetzt und dann ist der erstere gleichbedeutend mit Naturalismus." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 522. Online: http://www.zeno.org/nid/20000821349
  • [3] 1841, Gott mit menschlichen Eigenschaften: "Deïsmus (v. lat., eigentlich vom Theismus nur insofern verschieden, als D. vom lat. deus, Theismus aber vom griech. ϑεός herkommt), 1) der religiöse Glauben, welcher das Dasein Gottes annimmt, Gott aber nur unter dem allgemeinen Begriffe der Vollkommenheit als Weltursache denkt, ohne weiter auf andere Eigenschaften einzugehen, während der Theismus Gott als persönliches Wesen annimmt u. ihn unter Begriffen denkt, die aus der menschlichen Natur entlehnt sind u. zur denkbar größten Vollkommenheit steigert; 2) im engeren Sinn, die Überzeugung vom Dasein Gottes u. seiner Weltregierung aus bloßen Gründen der Vernunft, im Gegensatz u. mit Verwerfung der Offenbarung u. Dogmen, od. der religiöse Glaube, welcher von Principien a priori od. von den metaphysischen Begriffen ausgeht u. alle Dogmen verwirft. Man hat daher auch die Naturalisten, sogar die Atheisten mit dem Namen Deïsten bezeichnet, bes. Collins u. Tindal, u. des Ersten Discourse of free-thinking, den Katechismus des Deisten, u. Tindals Christianity as old as the creation, die Bibel der Deisten genannt. Vgl. Lechler, Geschichte des evangelischen D., Stuttg. 1841." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 804. Online: http://www.zeno.org/nid/20009765530
  • [4] 1854, eigentlich nur noch im Islam: "Deismus, vom lat. deus oder Theismus vom griech. θέος heißt allgemein im Gegensatz zum Atheismus der Glaube an einen persönlichen Gott, näher jedes Lehrgebäude, welches einen außerhalb der Welt u. derselben unnahbar gegenüber stehenden Gott aufstellt. Historisch hat sich der D. im engern Sinne im Islam festgesetzt. In mehr oder minder unwissenschaftlicher Form und vorherrschend als Feindseligkeit gegen die geoffenbarte Religion repräsentirten den vernunftgläubigen D. zunächst die engl. und französ. Deisten, die sogen. starken oder Freigeister, deren Ansichten durch Uebersetzungen und die Encyklopädisten in der ganzen civilisirten Welt Verbreitung fanden. Die bekanntesten engl. und franz. Deisten: Cherbury, Hobbes, Blount, Shaftesbury, Toland, Collins, Wolstoon, Tindal, Morgan, Chubb, Bolingbroke, Voltaire, Rousseau. Vergl. Lechler »Geschichte des engl. D.«, Stuttgart 1841; J. A. Starck: »Triumph der Philosophie im 18. Jahrhdt.«, 3. Aufl. von Binder, Regensburg 1847." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 307. Online: http://www.zeno.org/nid/20003292835
  • [5] Glaube aus Vernunft, aus menschlichen Eigenschaften idealisierter Gott: "Deïsmus (v. lat., eigentlich vom Theismus nur insofern verschieden, als D. vom lat. deus, Theismus aber vom griech. ϑεός herkommt), 1) der religiöse Glauben, welcher das Dasein Gottes annimmt, Gott aber nur unter dem allgemeinen Begriffe der Vollkommenheit als Weltursache denkt, ohne weiter auf andere Eigenschaften einzugehen, während der Theismus Gott als persönliches Wesen annimmt u. ihn unter Begriffen denkt, die aus der menschlichen Natur entlehnt sind u. zur denkbar größten Vollkommenheit steigert; 2) im engeren Sinn, die Überzeugung vom Dasein Gottes u. seiner Weltregierung aus bloßen Gründen der Vernunft, im Gegensatz u. mit Verwerfung der Offenbarung u. Dogmen, od. der religiöse Glaube, welcher von Principien a priori od. von den metaphysischen Begriffen ausgeht u. alle Dogmen verwirft. Man hat daher auch die Naturalisten, sogar die Atheisten mit dem Namen Deïsten bezeichnet, bes. Collins u. Tindal, u. des Ersten Discourse of free-thinking, den Katechismus des Deisten, u. Tindals Christianity as old as the creation, die Bibel der Deisten genannt. Vgl. Lechler, Geschichte des evangelischen D., Stuttg. 1841." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 804. Online: http://www.zeno.org/nid/20009765530
  • [6] Gott greift nicht lenkend in die Welt ein: "Deïsmus (lat.), das System, das einen von der Welt nicht bloß geschiedenen (im Gegensatze zum Pantheismus), sondern auch verschiedenen, ihr äußerlich gegenüberstehenden Gott als letzte Ursache aller Dinge lehrt, aber (im Gegensatze zum Theismus) annimmt, daß dieser ohne lebendige fortdauernde Beziehung zur Welt sei und sich auch nicht in außerordentlicher Weise offenbare. Während schon im 16. Jahrh. »Deist« im Gegensatze zum Atheisten für jemand gebraucht wurde, der überhaupt an eine Gottheit glaubte, war Charles Blount (gest. 1693), der besonders als witziger und ironischer Gegner der biblischen Geschichte auftrat, einer der ersten, der sich in dem später üblichen Sinn Deist nannte; ihm folgten vornehmlich Tindal und Morgan. Die Denk- und Sinnesweise dieser Männer ging aus den kirchlich-politischen Wirren Englands im 17. Jahrh. und aus dem Widerspruch der zurückgebliebenen Theologie gegen die fortgeschrittene Wissenschaft hervor. Als faktischer Urheber dieses D. ist Edward Herbert (s.d.), Lord von Cherbury, anzusehen, der zuerst den Begriff und die Zulänglichkeit der natürlichen Religion entwickelte. Ihm nahe steht Thomas Browne (s.d. 3), der Verfasser der »Religio medici« und andrer deistischer Schriften. Bestimmter, umfassender und feindseliger wurden diese Angriffe, seitdem 1694 die Preßfreiheit eingeführt worden war und John Locke die »Vernünftigkeit des Christentums« (»The reasonableness of Christianity«, 1695) als Losung ausgegeben hatte. Seitdem wurde das Christentum oft geradezu als Priesterbetrug bekämpft, immer seiner historischen Bedeutung und Grundlage beraubt. Graf Anthony Shaftesbury (s.d.) strebte eine reine diesseitige Religion der Schönheit und Tugend an und führte eine schalkhafte Polemik gegen das Christentum als gegen eine durch den Gedanken ewiger Vergeltung getrübte Sittlichkeit. Gleichzeitig suchte John Toland (gest. 1722), auf den zuerst die Bezeichnung Freidenker angewendet wurde, in einem Hauptwerk der ganzen Richtung (»Christianity not mysterious«, 1696) den Wunderbegriff aus der christlichen Religion zu entfernen und beanspruchte Anton Collins (gest. 1729) das Recht des freien Denkens als allgemeines Menschenrecht. Thom. Woolston, der einzige Märtyrer unter seinen Genossen (gest. 1733 im Gefängnis), gebrauchte die alte Methode, die Wundergeschichten zu allegorisieren, als Hülle für seine Angriffe auf die evangelische Geschichte. Matth. Tindal (gest. 1733) leugnete die Idee und Möglichkeit der Offenbarung und nannte die Heilige Schrift eine Urkunde der natürlichen Religion, das Christentum so alt wie die Schöpfung (»Christianity soold as the creation«, 1730, das Hauptmanifest des D.), die Kirche in Hobbes' Sinn eine Institution des Staates. Lediglich als Mittel für Staatszwecke erscheint die Religion bei Lord H. Bolingbroke (s.d.), der die Freiheit des Denkens nur für die höhern Klassen gelten[593] lassen wollte. Eine Satire auf die Ideale der Kirche stellt die »Fabel von den Bienen« von Bernhard Mandeville (s.d.) dar. Bei David Hume (s.d.) schlug der D. in Skeptizismus um. In der Geschichte der Kirche machte der englische (eigentliche) D. große Epoche. Derselbe entwickelte in sich viel Scharfsinn und geistige Bildung, gab sich aber gewöhnlich nur als Gleichgültigkeit gegen die Kirche kund. In Frankreich ergriff und steigerte der Enzyklopädismus (Diderot) die negative Richtung des englischen D. In Deutschland entwickelte sich der D. teils als Evangelienkritik (Reimarus), teils als Aufklärungsphilosophie und theologischer Rationalismus. In der katholischen Kirche tragen einen deistischen Charakter die Theophilanthropen (s.d.) und die französische katholische Kirche des Abbé Chatel seit 1831, mit starkpolitischer Färbung. Dem Judentum gab vornehmlich Mendelssohn einen Anstoß zu einer innerlichen Entwickelung, die, fast natürlich zum D. fortschreitend, als jüdische Reform besonders in Deutschland und Frankreich Vertreter fand. Vgl. Lechler, Geschichte des englischen D. (Stuttg. 1841); Pünjer, Geschichte der christlichen Religionsphilosophie seit der Reformation (Braunschw. 1880)." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 593-594. Online: http://www.zeno.org/nid/2000647313X
  • [7] 1907, Vernunftreligion, Abgrenzung zum Naturalismus: "Deismus (nlt., geb. von deus = Gott) ist die religiöse Weltanschauung, welche eine Gottheit als Urgrund aller Dinge annimmt, diesen aber nicht, wie es der Theismus tut, als den persönlichen Regenten der Welt ansieht, und die zugleich alle geoffenbarte Religion zugunsten einer natürlichen verwirft. Der Deismus steht dem Naturalismus nahe; beide verwerfen die Wunder, die Weissagung, die übernatürliche Offenbarung und stellen die Vernunft als Norm der Religion auf. Der Naturalismus aber leugnet das Göttliche überhaupt, während der Deismus an der Existenz eines Göttlichen festhält. Deisten oder Freidenker (Freethinkers) nannte man demgemäß diejenigen, welche die natürliche Religion begründen wollten. Am bekanntesten sind die Engländer Herbert v. Cherbury (1581-1648), Ch. Blount (1659-1693), der sich zuerst Deist nannte, John Toland (1670-1722), Graf Shaftesbury (1671-1713), Anthony Collins (1676-1729), Matthew Tindal (1656-1733), der Franzose Voltaire (1694-1778), die Deutschen Bahrdt, Edelmann, Lessing, Mendelssohn. Vgl. G. V. Lechler, Gesch. d. engl. Deismus. Stuttgart 1841. Kant (1724-1804) definiert kurz: »Der Deist glaubt einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott (summam intelligentiam)«. Kr. d. r. V., S. 633. Siehe Theismus." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 137-138. Online: http://www.zeno.org/nid/20003580598
  • [8] 1911, Gott tut keine Wunder: "Deïsmus (vom lat. deus) oder Theïsmus (vom grch. theós), im Gegensatz zum Atheïsmus der Glaube an einen Gott als den letzten Grund aller Dinge; der D. denkt diesen als Schöpfer, aber ohne nachmalige Einwirkung (durch Offenbarung und Wunder) auf die Weltgesetze, der Theïsmus dagegen als fortwährend einwirkend. Daher Deïsten (Freidenker), im 17. und 18. Jahrh. Vertreter des reinen Vernunftglaubens in England und Frankreich." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 402. Online: http://www.zeno.org/nid/20001038184
  • [9] 1923: Deismus als Denunziation? "Deïsmus – Ich habe nicht erfahren können, wer zuerst das Wort geprägt hat, wer zuerst auch nur die Männer Deïsten genannt hat, die in ihren Vorstellungen vom orthodoxen Glauben abwichen. Die Bezeichnungen treten im 16. Jahrhundert auf, scheinen da aber schon den streitenden Theologen geläufig zu sein. Mir klingen die Worte so, als ob sie von Feinden gebildet wären, von frommen Leuten, welche die Deïsten etwa so denunzieren wollten: Ein Deïst sei ein Humanist, der selbstverständlich an Gott glaube, aber nicht an den Gott der Christen, sondern nur an den Deus der Heiden. So konnte es kommen, daß man unter deïsta noch im 18. Jahrhundert bald einen Atheïsten verstand, bald einen Gegner des Atheïsmus. Über den Zufall, daß die beiden Worte Deïsmus und Theïsmus fast nur wie zwei verschiedene Schreibarten nebeneinander bestehen, und daß eine Negation, wie eben Atheïsmus, von Deïsmus nicht gebildet wurde, wären eigentlich nicht viele Worte zu verlieren; die griechischen Worte atheos und atheotês sind zwar uralt und wurden zu Fremdwörtern im Lateinischen, und Atheïsmus als wissenschaftlicher Terminus für eine fast unvorstellbare Gottesleugnung findet sich schon in früher christlicher Zeit; aber seinen Schrecken verlor das Wort doch erst, ohne Bekreuzigung wurde von Atheïsten erst geredet, als die griechische Sprache allgemein in die Schulen eingeführt worden war und griechische Worte ausschließlich als technische Ausdrücke für philosophische Richtungen, Krankheiten und neue Erfindungen benützt oder ad hoc neu zusammengesetzt wurden. Dazu kam wohl noch die frappierende Ähnlichkeit der Wortklänge Deïsmus und Theïsmus. Es ist bekannt, daß der Gleichklang von deus und theos naïve Philologen (wenn es deren gibt) zu der Ketzerei verführt hat, entgegen den heiligen Lautgesetzen, deus und theos für urverwandt zu erklären; wofür sie denn von Curtius (Etymologie 513) gehörig zurechtgewiesen worden sind. Ich habe auf diese beinahe nur orthographische Frage aber deshalb hinweisen zu müssen geglaubt, weil kein Geringerer[270] als Kant zwischen Deïsmus und Theïsmus einen Unterschied setzen wollte, und das zu einer Zeit, als die englischen Deïsten oder Theïsten, die sich auch freethinkers nannten, bereits den Kontinent mit ihrer Ketzerei angesteckt hatten. Wobei es den Philosophen von Beruf nicht eben zur Ehre gereicht, daß sie eigentlich ohne Ausnahme, wenn man den einzigen Spinoza, den Fürsten der Atheïsten, nicht zu ihnen rechnet, nicht ehrlich Farbe bekannten; daß sie einen Konflikt mit der Kirche scheuten. Die Vertreter des Deïsmus waren die großen englischen, französischen und zuletzt auch deutschen Schriftsteller: Shaftesbury, Voltaire, Rousseau, Reimarus, Lessing. Durch diese Männer war der unkirchliche Glaube an einen rein begrifflichen Gott schon zum Gemeingut des gebildeten Abendlandes geworden, als Kant. in diesem Falle doch wohl nur mit scheinbarem Tiefsinn, zwischen Deïsmus und Theïsmus distinguierte. Beide Begriffe haben es nur mit Theologie aus bloßer Vernunft zu tun und stehen außerhalb der offenbarten Theologie. Die Theologie aus bloßer Vernunft »denkt sich nun ihren Gegenstand entweder bloß durch reine Vernunft vermittels lauter transzendentaler Begriffe (ens originarium, realissimum, ens entium) und heißt die transzendentale Theologie, – oder durch einen Begriff, den sie aus der Natur (unserer Seele) entlehnt, als die höchste Intelligenz und müßte die natürliche Theologie heißen. Der, so allein eine transzendentale Theologie einräumt, wird Deïst, der, so auch eine natürliche Theologie annimmt, Theïst genannt.« Der Unterschied soll besagen, daß der Deïsmus vom Wesen Gottes nichts wisse, wohl aber der Theïsmus, der dem Welturheber Verstand und Freiheit zuschreibe. »So könnte man nach der Strenge dem Deïsten allen Glauben an Gott absprechen und ihm lediglich die Behauptung eines Urwesens oder obersten Ursache übrig lassen. Indessen da niemand darum, weil er etwas sich nicht zu behaupten getraut, beschuldigt werden darf, er wolle es gar leugnen, so ist es gelinder und billiger, zu sagen: der Deïst glaube einen Gott, der Theïst aber einen lebendigen Gott (summam intelligentiam).« (Kr. d. r. V., S. 659 bis 661.). Kants Gedanken werden auch in diesem Falle deutlicher erklärt in den Prolegomenen (S. 173). Er will einen Mittelweg finden zwischen dem Dogmatismus, den er überall bekämpft und wirklich mit unwiderstehlichen Waffen vernichtet hat, und dem Skeptizimus, gegen welchen der fromme Sinn Kants einen starken Widerwillen hatte. Der ganze Abschnitt ist gegen den Skeptiker Hume gerichtet und gegen dessen (von unserem Standpunkte) nicht genug zu rühmende »Dialoge über die natürliche Religion«. Kant benützt den Zufall, daß die beiden Worte Deïsmus und Theïsmus zur Verfügung stehen, zu einem Versuche, den Glauben an Gott gegen Hume zu verteidigen. Die Einwürfe Humes gegen den Theïsmus seien sehr stark und in einem gewissen Sinne unwiderleglich; also doch wohl die Einwürfe Humes gegen den Glauben an einen lebendigen Gott. Kant hat sehr gut erkannt, daß Humes Einwürfe sich gegen den Anthropomorphismus der Gottesvorstellung richten; er weiß, daß es schon anthropomorphisch ist, wenn der Theïsmus seinem Gotte Verstand und Freiheit (Willen) beilegt; er erfindet also, um sich selbst trotz der unwiderleglichen Einwürfe Humes einen Theïsten nennen zu dürfen, ein sehr hübsch klingendes Wort: »einen symbolischen Anthropomorphismus, der in der Tat nur die Sprache und nicht das Objekt selbst angeht«. Das soll wohl heißen, daß die Begriffe Verstand und Freiheit nur bildlich auf den Gottesbegriff übertragen werden sollen; etwas andres meint aber auch der Vorwurf des ganz gewöhnlichen Anthropomorphismus nicht. Was Kant hinzufügt, um seinen Gott zur vernünftigen Ursache seiner Welt zu machen, das ist wahrlich nicht stark genug, um zu überzeugen. Erstens kommt Kant zu solcher Erkenntnis »nach der Analogie, welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene Ähnlichkeit zweener Dinge, sondern eine vollkommene Ähnlichkeit zweener Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen bedeutet«; Kant meint, die Welt verhalte sich zu ihrem Urheber ganz gewiß so wie eine Uhr zu dem Uhrmacher; er macht also zwei Fehler, indem er aus einer falschen Prämisse einen bloßen Analogieschluß zieht (vgl. Art. Analogie); zweitens:[272] Sobald zugegeben wird, daß der angeblich bewiesenen Ursache der Welt eine Vernunft (in der Kr. d. r. V. hatte Kant das Wort Verstand gebraucht) nur bildlich beizulegen sei, symbolisch, müßte auch zugegeben werden, daß dieser Weg nur zum Deïsmus führe und nicht zum Theïsmus. Drittens gesteht Kant (S. 178) zu, »daß uns das höchste Wesen nach demjenigen, was es an sich selbst sei, gänzlich unerforschlich und auf bestimmte Weise sogar undenkbar sei«; auf ein unerforschliches oder gar undenkbares Wesen aber auch nur den Begriff der Kausalität anzuwenden, diesem Wesen also Wirksamkeit zuzusprechen, das geht nicht an; Kant machte da den gleichen schweren logischen Fehler wie damals, da er die Dinge-an-sich zu Ursachen unsrer Vorstellungen von den Dingen machte, trotzdem der Kausalitätsbegriff an die Dinge-an-sich nicht heranreicht. Der Weisheit letzter Schluß kommt bei Kant wieder (man nehme das Wort nicht krumm) allerliebst heraus: »Der unseren schwachen Begriffen angemessene Ausdruck wird sein, daß wir uns die Welt so denken, als ob sie von einer höchsten Vernunft ihrem Dasein und inneren Bestimmung nach abstamme.« Durch dieses köstliche als ob scheint Kant sich dennoch mehr den Deïsten als den Theïsten zuzuneigen; und es war vielleicht doch das schlechte Gewissen, das ihn veranlaßte, gelinder und billiger über diese Sekte zu urteilen. An Humes klare und feste Darstellung (vgl. Art. Religion) reicht Kants Vermittlungsvorschlag nicht heran. Über Humes Religionskritik sind auch wir nicht hinausgekommen, oder doch etwa nur in dem einen Punkte, daß wir Orthodoxie und philosophischen Deïsmus historisch vergleichen und verstehen gelernt haben, daß wir darum mit unserem ruhigen kopfschüttelnden Atheïsmus (vgl. Art. Gott) im Grunde keinen Pfaffenhaß mehr verbinden, geschweige denn Religionshaß." In: Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 1923, Band 1, S. 270-273. Online: http://www.zeno.org/nid/20006180248
  • [10] 1999, Gott greift in Welt nicht ein: "Gott hat die Welt zwar (perfekt) erschaffen, greift danach aber nicht mehr in Natur oder Geschichte ein." In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel zu Deismus auf Seite 98.