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Anthropisches Prinzip


Physikalisch


Basiswissen


Was wir im Kosmos wahrnehmen können, ist begrenzt durch die Bedingungen, die uns als Beobachter überhaupt erst ermöglichen: so formulierte der Physiker Brandon Carter das von ihm so benannte anthropische Prinzip. Carters Gedanken wurde später so formuliert, als sei die Welt für Menschen erschaffen [Anthropismus]. Das ist hier kurz ausgeführt.

Originalzitat: Definition


In einem Vortrag im polnischen Krakau im Jahr 1973 definierte der Physiker Brandon Carter das anthropische Prinzip als "effect that what we can expect to observe must be restricted by the conditions necessary for our presence as observers.[1, Seite 291]", sowie auch "The existense of any organism describable as an observer will only be possible for certain restricted combinations of the parameters, which distinguish within the world-ensemble an exceptional cognizable subset[1, Seite 296]". Als world-ensemble definierte Carter "an ensemble of universes characterised by all conceivable combinations of initial conditions and fundamental constants[1, Seite 295]".

Vorgedanke


Zum Verständnis von Carters Argumentation sollte man eine Idee davon haben, was mit "large number coincidences" gemeint ist. Carter zitiert Auffälligkeiten einiger kosmologischer Werte, die man zunächst nicht mit kovnentionellen Theorien in Übereinstimmung bringen konnte. So habe der Physiker Jordan im Jahr 1947 argumentiert, dass es keinen Grund dafür gibt, dass Sterne eine gewisse maximale Masse zu haben scheinen. Nur revolutionäre kosmologische Konzepte könnten das Problem lösen. Später konnte aber gezeigt werden, dass die beobachteten Sternengrößen gerade aus den bekannten konventionellen Theorien vorhergesagt werden könnten[4]. Das zweite Beispiel ist eine Beziehung zwischen der Hubble-Konstanten H (Ausdehnung des Universums) und der gravitativen Kopplungskonstanten. Das dritte Beispiel betrachtet die Schwäche der gravitativen Kopplungskonstanten gegenüber der elektromagnetischen Kopplungskonstanten: wäre das Zahlenverhältnis auch nur geringfügig anders, wären wahrscheinlich keine Sterne im Universums entstanden, die von Planeten umgeben sind[1, Seite 297 ff.]. Und ohne Planeten wären wahrscheinlich auch wir als Beobachter nicht entstanden. Noch deutlicher wird die Abhängigkeit unserer Existenz von physikalischen Konstanten bei der Betrachtung der Kopplungskonstanten starker Kernkräfte: geringe Abweichungen hier würden dazu führen, dass es im gesamten Kosmos kein anderes Element außer Wasserstoff geben könnte. Auch das wäre wahrscheinlich, so Carter, wenig förderlich für die Entstehung von Leben[1, Seite 298].

Carters Position


Carter wünschte sich, dass die beobachteten Werte des Kosmos nicht fundamental seien, sondern eher aus einer tieferen mathematischen Struktur ableitbar seien[1, Seite 298]. Bis das aber bewiesen sei, so Carter, solle man sich aber durchaus mit der Idee beschäftigen, dass der Kosmos so beschaffen sei, dass wir als Beobachter in ihm möglich werden: wenn sich dauerhaft herausstellt, dass das starke anthropische Prinzip die einzige Möglichkeit sei, die Ausprägung der kosmologischen Werte zu erklären, während keine tiefere mathematische dies könne, müsse man die Idee vieler möglicher Welten ernst nehmen (was Carter selbst aber unsympathisch sei).

Motivation


Carter erwähnte Diracs Large Number Hypothesis[3] und bezieht sich dann auf das Buch Cosmology seines Kollegen Hermann Bondi[2]. Bondi hatte darin auffällige Korrelationen von Zahlenwerten beschrieben: die Anzahl von Kernbausteinen in Sternen, die Protonenmasse oder die Expansionsrate H des Universums und ähnliche Werte zeigen gegenseitige Beziehungen (large number coincidences), die auch exotische kosmologische Theorien (varying G theory von Dirac und Jordan) zulassen. Diese Deutung möchte Carter anzweifeln. Vielmehr sieht er die konventionellen kosmologischen Theorien (allgemein Relativitätstheorie, Big Bang) bestätigt. Dazu benötigt er aber eine Art Hilfsannahme, das anthropische Prinzip: was wir beobachten können ist begrenzt durch die Bedingungen die unsere Existenz überhaupt erst ermöglichen[1, 191].

Carters Zielsetzung


Carter sieht seinen Gedankengang als "Reaktion auf eine übertriebene Unterordnung unter das kopernikanische Prinzip". Kopernikus, so Carter "lehrte uns die solide Erkenntnis, dass wir nicht ohne Weiteres eine zentrale Stellung im Kosmos für uns beanspruchen sollen". "Unglücklicherweise", so Carter weiter "hat das zu einer starken Neigung geführt, das fortzuspinnen hin zum fragwürdigen Dogma, dass unsere Position [im Universum] auf keinerlei Weise privilegiert sein kann." Carter hält diese Extrapolation von Kopernikus' ursprünglichem Gedanken für unhaltbar (untenable).[1, Seite 291]

Gedankengang


Carter fußt seine Ablehnung eines extrem intepretierten kopernikanischen Prinzips (perfect cosmological principle) auf zwei Grundannahmen: a) unsere Existenz setzt spezielle Gegebenheiten (Temperatur, Chemismen) voraus und b) das Universum verändert sich und es ist dabei auf lokaler Ebene nicht homogen[1, Seite 291]

Kopplungskonstanten


Carter argumentiert vorrangig mit Gleichungen und Termen, zum Beispiel der "gravitational coupling constant". Eine Kopplungskonstante, etwa die Feinstrukturkonstante, bezeichnet einen Term, der die fundamentalen Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen als festes Zahlenverhältnis ohne Einheiten, also dimensionslos, beschreibt. Kopplungskonstanten sind damit frei von der Zufälligkeit der Wahl eines bestimmten Einheitensystems. Siehe auch Kopplungskonstante ↗

Bedeutung für die Philosophie


Der Begriff vom anthropischen Prinzip wurde in der Philosophie auch außerhalb einer streng physikalisch gedachten Kosmologie mit großer Produktivität aufgenommen. Carters ursprünglicher Begriff wurde dabei verallgemeinert zu der Idee, dass die Welt gezielt so erschaffen wurde, dass die Entstehung menschlichen Lebens sehr wahrscheinlich ist. So bemerkt F. G. Asenjo, dass man in der Welt ein nebeneinander von Determinismus (Kausalität) und Indeterminismus (echter Zufall) beobachtet[5]. Nur diese komplementäre gegenseitige Ergänzung mache sinnvoll definierbares Leben überhaupt erst möglich. Siehe dazu auch Indeterminismus ↗

Was ist der Unterschied zum Anthropismus


Die Begriffe Anthropismus und anthropisches Prinzip werden oft als Synonyme, das heißt mit gleicher Bedeutung verwendet. Man sollte aber einen Unterschied machen. Das anthropische Prinzip bezieht sich auf den astronomisch-kosmologischen Gedankengegang Carters im Bezug auf physikalische Feinstrukturkonstanten des Universmus. Das Wort Anthropismus wurde bereits im Jahr 1899 von dem deutschen Zoologen Ernst Häckel vorgeschlagen. Anthropismus steht für eine Lebensauffassung, in der der Mensch eine zentrale Rolle im Kosmos einnimmt, die auch vom Schöpfer des Kosmos so bereits angedacht war. Siehe auch Anthropismus ↗

Fußnoten