A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Kleiner Herzigel

Seeigel

© 2025




Basiswissen


Der Kleine Herzigel (Echinocardium cordatum) ist ein Seeigel mit einer besonderen Lebensweise und einem besonderen Körperbau. Anders als die meisten Seeigel ist er nicht gut erkennbar radialsymmetrisch (wie etwa ein Weihnachtsstern). Stattdessen erkennt man bei ihm gut ein Rechts und ein Links sowie auch ein Vorne und ein Hinten. Und er lebt auch nicht auf der Oberfläche von Sedimenten sondern gräbt sich in diese ein. Beides hängt miteinander zusammen. Schalen des Tieres findet man durchaus oft im Spülsaum an den Küsten der Nordsee.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Das Gehäuse eines Kleinen Herzigels. Das Besondere an dieser Art Seeigel ist, dass der Körper nicht deutich erkennbar radial sondern eher achsensymmetrisch ist. Links sieht man das Tier von oben. Man sieht dort vier sternförmig auseinandergehende Strahlen. Ein fünfter Strahl zeigt als Rinne hin zur Vorderseite des Tieres. Rechts sieht man dasselbe Gehäuse von unten. Man erkennt wie sich die Rinne nach unten hin zum deutlich erkennbaren Mundschlitz krümmt. Am linken Endes der Ansicht von unten sieht man den After des Seeigels. Die Tiere leben eingegraben im Sediment und jagen dort nach kleinen wirbellosen Tieren. © Sabine Heim ☛


Aussehen


Die meisten Arten von Seeigeln sind radialsymmetrisch. Das heißt, von oben aus gesehen sehen sie kreisförmig aus, wobei oft gut erkennbare Strahlen von der Mitte zum Rand zeigen, ähnlich wie die fünf Füße bei den Seesternen. Die Symmetrie der meisten Arten von Seeigeln nennt man deshalb auch fünfstrahlig. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Kleine Herzigel. Das deutet schon der Name Herzigel an, der sich nämlich auf Form des Gehäuses bezieht. Dieses ist von oben oder unten gesehen nicht kreisrund sondern eher herzförmig.

Größe


Als maximale Größe werden 9 Zentimeter angegeben.[1] Das ist in etwa die Länge von einem ausgestreckten Zeigefinger. Ein 2025 am Strand von Wangerooge angespültes Gehäuse hatte eine Länge ohne Stacheln von 5 cm.

Achsensymmetrie


Die Symmetrie des Kleinen Herzigels kann man gut anhand von ihren Gehäusen aus Calciumcarbonat betrachten. Die hell weißen Gehäuse werden oft am Strand angespült, etwa an der Nordsee. Die "Unterseite ist flach mit schlitzförmigem, breitem Mund".[1] Die "Rückenseite" hingegen ist "leicht aufgewölbt" und sie zeigt "fünf Paar Porenreihen, von denen "vier sternförmig auseinanderweichen". Die fünfte "Porenreihe" aber verläuft in einer "rinnenförmigen Vertiefung zum Vorderende". Mit diesen ersten Angaben kann man oben und unten sowie vorne und hinten unterscheiden. Der Kleine Herzigel zeigt damit zumindest in der oberflächlichen Betrachtung eine klare Achsensymmetrie ↗

Stachelpelz


Der Kleine Herzigel hat zwar genau so viele Stacheln wie auch andere Seeigel, aber sie sind kürzer. Und sie liegen beim lebenden Tier eng als "braun bis gelb irisierender Stachelpelz" am Körper an.[1] Mit diesen Stacheln bewegt sich das Tier eingegraben im Sediment wühlend vorwärts.[10]

Lebensweise


Habitate


Der Kleine Herzigel lebt in Gruppen, sowohl in ufernahen klaren Sanden (littoral population, clean sand of low organic content)[6], Watten (intertidal flat)[4] sowie auch in größeren Tiefen von zum Beispiel 30 bis 40 Metern[6] oder noch mehr[4]. Die typischen Lebensgebiete seien etwas unterhalb der Hochwasserlinie gelegen die eu- bis sulitorale Zone.[9, Seite 125] Eulitoral ist die Zone, die noch vom Wellenschlag beeinflusst ist. Sublitoral nennt man einen ufernahen Bereich, der ständig überlutet ist. Im Watt findet man die Tiere aber auch im Bereich der Niedrigwasserlinie in sogenannten "rinnennahen Randwatten", dort zusammen etwa mit dem Bäumchenröhrenwurm.[9, Seite 139]

Eingegraben


Der Kleine Herzigel graben sich mit ihren "beweglichen Stacheln tief in den Boden ein"[1], bis etwa 15 cm tief[6]. Sie bauen sich dann eine "Wohnhöhle, die sie mit einer Schleimtapete auskleiden".[1] Eine Röhre verbindet sie mit der Oberfläche[1], ähnlich einem Syphon, wie ihn auch eingegraben lebende Muscheln haben. Interessant ist, dass bei einer siebenjährigen Studie beobachtet wurde, dass die ufernahen (littoral) Gruppen sich bis zu 15 cm tief eingegraben hatten, die in tieferen Wasser (offshore) lebende Gruppe aber bis nur 2 cm Tiefe. Beide Gruppen zeigten eine mehr oder minder konzentrische wennauch zufällige Verteilung der Individuen. In der Mitte war die Populationsdichte am größten.[6] Tiere, die im Sediment leben bezeichnet man in ihrer Gesamtheit auch als Endofauna oder als individuelles Tier als Endobiont.[7]

Beweglichkeit


Obwohl die Tiere eine Wohnhöhle bauen[1] werden sie aber auch als sehr beweglich beschrieben. Es wurde beobachtet, dass sich einzelne Tiere mit einer Geschwindigkeit von 6 bis 8 cm/h (Zentimeter pro Stunde) durch den Sand bewegten.[6] Die Fortbewegung soll durch die Stacheln bewerkstelligt werden: "Er [der Herzseeigel] bewegt sich einige Zentimeter under der Bodenoberfläche durch das Sediment, indem er seine Stacheln schaufelnd kreisen lässt."[9, Seite 154][10]

Wühltätigkeit


Der Kleine Herzigel gilt als einer der besonders wühlfreudigen Bewohner des Sediments von Meeren. Bei einer untersuchten Population kam es zu Durchwühlungsraten von 20 tausend Kubikzentimetern pro Quadratmeter und Tag.[4] Das sind auf jeden Quadratmeter 20 Liter Sediment am Tag. Diese Wühltätigkeit trägt zur Belüftung des Bodens. In der Geologie bezeichnet man eine solche Wühltatigkeit von Lebewesen im Sediment als Bioturbation. In erdgeschichtich alten Sedimenten zeigen die entsprechenden Wühl- und Grabmale das Vorhandensein von aktiven Lebewesen an.[8]

Beute


Wie auch die anderen Arten von Seeigeln ist auch der Kleine Herzigel ein Räuber. Er ernährt sich von anderen kleinen Wirbellosen Tieren, die sie "im Sediment ausmachen"[1]. Die Beute wird nicht zerkleiner, da der Kleine Herzigel keinen "Kauapparat" hat.[1]

Sterberate


Die Sterberate von den zwei über 7 Jahre beobachteten Populationen war etwa 15 % pro Jahr. Das Lebensalter der Tiere wurde auf etwa 15 Jahre geschätzt. Während die ufernahen Populationen bereits drei Jahre nach dem Larvenstadium Nachwuchs erzeugten, wurden in der tiefer lebenden offshore-Population kein Nachwuchs beobachtet.[6]

Fußnoten


  • [1] Eine ausführliche Beschreibung der Stachelhäuter (Seite 120 und 121) sowie der verschiedenen Arten von Seeigeln an der deutschen Nordseeküste (Seite 244 ff.) sowie eine Vorstellung des Kleinen Seeigels auf (Seite 246) findet man in: Klaus Jahnke; Bruno P. Kremer: Düne Strand und Watt. Franckh-Kosmos Verlags-GmhH & Co. KG Stuttgart 2018. ISBN: 978-3-440-15406-9.
  • [2] Der Kleine Herzigel ist in großem Maße mit verantwortlich für die Durchwühlung (Bioturbation) von Meeressedimenten weltweit: "heart urchins of the genus Echinocardium are regarded as key sediment bioturbators in marine systems throughout the world." In: A. M. Lohrer et al.: Rapid reworking of subtidal sediments by burrowing spatangoid urchins. Journal of Experimental Marine Biology and Ecology, 321(2), 155–169. 2005. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jembe.2005.02.002
  • [3] Bei einer untersuchten Population kam es zu Durchwühlungsraten von 20 tausend Kubikzentimeter pro Quadratmeter und Tag. Das sind auf jeden Quadratmeter 20 Liter Sediment am Tag. (The volume of sediment displaced by Echinocardium populations reached 20,000 cm³ m⁻² d⁻¹). Beachte, dass im Englischen das Komma ein Dezimaltrennzeichen ist. Im Englischen meint 20,000 also 20 tausend. In: A. M. Lohrer et al.: Rapid reworking of subtidal sediments by burrowing spatangoid urchins. Journal of Experimental Marine Biology and Ecology, 321(2), 155–169. 2005. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jembe.2005.02.002
  • [4] Der Kleine Herzigel gräbt sich bis zu 20 cm tief in das Sediment ein: "Heart urchins [...] are common marine deposit feeders found in soft-sediment habitats throughout the world's oceans from intertidal flats to abyssal depths. Members of this group can be extremely large sized relative to other infaunal deposit feeders, and can burrow as deeply as 15-20 cm beneath the sediment–water interface." In: A. M. Lohrer et al.: Rapid reworking of subtidal sediments by burrowing spatangoid urchins. Journal of Experimental Marine Biology and Ecology, 321(2), 155–169. 2005. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jembe.2005.02.002
  • [5] Die Bestände dieser Tiere sind jedoch durch menschlichen Einfluss bedroht: vor allem Fischerei mit Schleppnetzen, aber auch der Eintrag von Festmaterial ins Meer, Eutrophierung (Überdüngung) und die Entstehung sauerstoffarmer Zonen (anoxia) setzen den Tieren zu: "The most pervasive and globally widespread disturbance to marine benthic habitats is associated with commercial fishing, and spatangoids in particular are damaged by the passage of trawls and dredges." Es folgt dann eine kurze Auflistung weiterer Stressoren für die Tiere. In: A. M. Lohrer et al.: Rapid reworking of subtidal sediments by burrowing spatangoid urchins. Journal of Experimental Marine Biology and Ecology, 321(2), 155–169. 2005. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jembe.2005.02.002
  • [6] Im Jahr 1966 wurden die Ergebnisse einer sieben Jahre dauernden Beobachtung zweier Populationen des Kleinen Herzigels veröffentlicht. Wahrscheinlich wurden die Populationen an der Küste des englischen Northumberland an der Nordsee gemacht. Der Artikelbuchautor John B. Buchanan war am Dove Marine Laboratory, Newcastle University, ansässig, das in Cullercoats an der Küste von Northumberland in der Region Tyne & Wear liegt – nahe dem südlichen Rand der Nordsee zwischen Newcastle und South Shields. In: J. B. Buchanan: The biology of Echinocardium cordatum [Echinodermata: Spatangoidea] from different habitats. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom. 1966;46(1):97-114. doi:10.1017/S0025315400017574
  • [7] Vor allem an Küsten und Watten mit der ständigen Bedrohung durch Vögel und andere Jäger, und bei fehlendem Schutz nach oben, etwa durch Pflanzen, leben viele Tiere eingegraben im Sediment. Siehe dazu auch Endobiont ↗
  • [8] Eine sehr ausführliche Beschreibung mit vielen Bildern zu den Spuren von Lebewesen im aktuellen wie auch im fossilen Sediment findet man in: Günter Hertweck: Die Bewohner des Wattenmeeres in ihre Auswirkungen auf das Sediment. In: Hans-Erich Reineck: Das Watt. Ablagerungs- und Lebensraum. Dritte Auflage. Senckenberg-Buch 50. Verlag Waldemar Kramer. Frankfurt am Main. 1982. ISBN: 3-7829-1067-2. Dort auf den Seiten 145 bis 172.
  • [9] Hans-Erich Reineck: Das Watt. Ablagerungs- und Lebensraum. Dritte Auflage. Senckenberg-Buch 50. Verlag Waldemar Kramer. Frankfurt am Main. 1982. ISBN: 3-7829-1067-2. Dort auf Seite 125.
  • [10] Hans-Erich Reineck: Lebensspuren von Herzigeln. Senckenbergiana lethaea, 49: 311-319. Veröffentlicht 1968.