A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Grundkräfte

Physik

© 2016 - 2025




Basiswissen


In der Physik geht man zurzeit von vier Kräften aus, die zur Beschreibung der Weltabläufe ausreichen. Diese vier Kräfte nennt man die vier Grund- oder Fundamentalkräfte[1] oder auch die vier fundamentalen Wechselwirkungen[2] der Physik.

Die vier Grundkräfte der Physik



Was ist Reduktionismus?


Als Reduktionismus bezeichnet man in der Philosophie die Idee, dass man Bereiche der Wirklichkeit ganz auf andere Bereiche oder Prinzipien zurückführen kann[3]. So begegnet uns Kraft im Alltag in einer Vielzahl verschiedener Formen. Man spricht von Kapillarkräften, von Haft- und Reibungskräften, von Halte- oder Hubkräften und vielen anderen mehr. Indem man versucht, diese Viefalt auf einige wenige Grundkräfte zurückzuführen, also zu reduzieren, handelt man im Sinne eines Reduktionismus ↗

Was ist die TOE?


Das Kürzel TOE steht für Theory of Everything, also eine Theorie von Allem. Manchmal wird TOE auch als Weltformel ins Deutsche übersetzt,[6] was aber unglücklich ist, da das Wort Weltformel bereits im 19. Jahrhundert[7] und auch noch später[8] mit einer deutlich weiter gefassten Bedeutung benutzt wurde.

Während GUT (grand unified theory) als Große Vereinheitliche Theorie für die Vereinigung der drei Grundkräfte Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung steht,[9] steht TOE (theory of everything) für die Vereinigung aller vier Grundkräfte.[10] Der Kern des Problems für die TOE ist die Gravitationskraft, die bisher nicht quantentheoretisch gefasst werden kann.

Während die drei letzten der vier Grundkräfte heute quantenphysikalisch gefasst werden, stellt man sich die Gravitation noch klassisch, das heißt nicht quantisiert und nicht mit einer Unbestimmtheit ausgestattet vor. Würde man die Gravitationskraft zum Angleich an die anderen Kräfte auch mit einer Unbestimmtheitsrelation ausstatten, so führt das zu unhaltbaren Folgerungen.[11] Dieses bis heute ungelöste Problem ist aus Sicht der Wissenssoziologie eine sogenannte Anomalie.[12] Siehe mehr zu den Versuchen alle vier Grundkräfte zu vereinigen im Artikel zur TOE ↗

Das mechanistische Weltbild


Die Idee, dass das gesamte Geschehen der Welt auf einige wenige Kräfte mit anziehender oder abstoßender Wirkung zurückgeführt werden könnte, war vor allem im 19ten Jahrhundert weit verbreitet.[4] Dass naturphilosophische Ideal jener Zeit war es, alles in der Welt letztend Endes mechanisch mit den newtonschen Prinzipien erklären zu können. Siehe dazu auch mechanistisches Weltbild ↗

Der Ausschluss des Psychischen


Was bei der Suche nach Grundkräften der Physik durchaus verblüffen darf ist der Ausschluss jeder psychischen oder geistigen Quellen von kraftartigen Wirkungen. Alles ist nur tote Physik, Wechselwirkung von Kräften. Wenn unsere Psyche, unser Bewusstsein, Seele oder Geist keinerlei Wirkung auf die Welt der Materie ausüben kann, so wäre sie auf eine bloße Beobachterrolle im Dasein beschränkt. In der Sprache der Philosophie wäre das Psychische nur eine Begleiterscheinung, ein Epiphänomen, des Materiellen. Das Psychische als irgendwie geartete fünfte Grundkraft der Physik wäre damit ausgeschlossen. Eine - hypothetische - Beeinflussung der Materie durch die Psyche nennt man Psychokinese ↗

Fußnoten


  • [1] Grund- oder Fundamentalkräfte: Das Spektrum Lexikon der Physik schreibt zur Gravitationskraft: "Diese Kraft ist von allen vier Grundkräften diejenige, die uns besonders vertraut ist. Die anderen Kräfte sind die elektromagnetische Kraft, starke und schwache Kraft – die beiden letztgenannten spielen eine besondere Rolle im subatomaren Bereich und sind wichtig, um den Zusammenhalt der uns umgebenden Materie zu verstehen." Einen Satz weiter werden die vier Grundkräfte auch als "Fundamentalkräfte" bezeichnet. In: Spektrum Lexikon der Astronomie. Abgerufen am 19. Januar 2024. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/gravitation/150
  • [2] Fundamentale Wechselwirkungen: "Nach unserem heutigen Kenntnisstand gibt es in der Natur vier grundlegende Wechselwirkungen: die Schwerkraft, den Elektromagnetismus, die schwache und die starke Wechselwirkung, wobei der Elektromagnetismus und die schwache Wechselwirkung in der elektroschwachen Theorie vereint sind." In: Der Artikel "Fundamentale Wechselwirkungen" des Institutes für theoretische Physik der Technischen Universität Wien. Abgerufen am 19. Januar 2024. Online: https://www.tuwien.at/phy/itp/forschung/fundamentale-wechselwirkungen
  • [3] Max Planck in einem Vortrag aus dem Jahr 1908: "… die Anzahl der Einzelgebiete der Physik ist erheblich verringert, dadurch, daß verwandte Gebiete miteinander verschmolzen sind: so ist die Akustik ganz in der Mechanik aufgegangen, der Magnetismus und die Optik ganz in die Elektrodynamik…" In: Die Einheit des physikalischen Weltbildes. (Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakultät des Studentenkorps an der Universität Leiden.)
  • [4] Der später berühmte Physiologe Emil du Bois-Reymond (1818 bis 1896) schrieb als junger Mann im Jahr 1842 in einem Brief an Eduard Hallmann, dass alles letztendlich auf anziehende und abstoßende Kräfte zurückzuführen sei: "Brücke und ich, wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, daß im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind, als die gemeinen physikalisch-chemischen; daß, wo diese bislang nicht zur Erklärung ausreichen, mittels der physikalisch-mathematischen Methode entweder nach ihrer Art und Weise der Wirksamkeit im konkreten Fall gesucht werden muß, oder daß neue Kräfte angenommen werden müssen, welche, von gleicher Dignität mit den physikalisch-chemischen, der Materie inhärent, stets auf nur abstoßende oder anziehende Componenten zurückzuführen sind.“ Siehe auch Emil du Bois-Reymond ↗
  • [5] Erwin Schrödinger hält den Ausschluss des Subjektiven, des Psychischen aus der Physik für etwas Verdächtiges: "Damit [mit dem Begriff der Objektivierung] meine ich genau dasselbe, was auch oftmals die Hypothese der realen Außenwelt genannt wird. Ich behaupte, es handelt sich dabei um eine gewisse Vereinfachung, die wir einführen, um das unerhört verwickelte Probleme der Natur zu meistern. Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zu einer objektiven Welt wird." Quelle: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Dort die Seite 28. Siehe auch Objektivierung ↗
  • [6] Der deutschsprachige Artikel zur TOE auf Wikipedia trägt den Titel Weltformel (Stand 2025). Das halte ich für unglücklich übersetzt, da das Wort Weltformel bereits im 19. Jahrhundert in einem viel weiteren Sinn benutzt wurde. Die beste Übersetzung ins Deutsche wäre "Theorie von Allem". Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Weltformel
  • [7] Im 19. Jahrhundert stand das Wort Weltformel für Fähgigkeiten des Laplaceschen Dämons, beliebig weit in die Vergangenheit und in die Zukunft alles Geschehen der Welt berechnen zu können: "In der That, wie der Astronom nur der Zeit in den Mondgleichungen einen gewissen negativen Werth zu ertheilen braucht, um zu ermitteln, ob, als Perikles nach Epidaurus sich einschiffte, die Sonne für den Piraeeus verfinstert ward, so könnte der von Laplace gedachte Geist durch geeignete Discussion seiner Weltformel uns sagen, wer die Eiserne Maske war oder wie der „President“ zu Grunde ging." In: Emil du Bois-Reymond: Über die Grenzen des Naturerkennens. Ein Vortrag in der zweiten öffentlichen Sitzung der 45. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte. von Veit & Co., Leipzig 1872. S. 4 ff. Siehe mehr unter Weltformel ↗
  • [8] In einem Lexikon von 1912 wird darüber geschrieben wofür der Mathematiker Laplace bekannt sei, nämlich zum Beispiel "durch den »Laplaceschen Geist«, welcher aus einer gegebenen Weltformel alle künftigen Weltzustände erkennen könnte. SCHRIFTEN: Mécanique céleste, 1799 ff. – Essai philos. sur les probabilités, 1814; deutsch 1819." In: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 384. Siehe auch Laplacescher Dämon ↗
  • [9] Nur drei Grundkräfte für die GUT: "We have general relativity,the partial theory of gravity, and the partial theories that govern the weak, the strong, and the electromagnetic forces. The last three may be combined in so-called grand unified theories. in: "Stephen W. Hawking: The Theory of Everything: The Origin and Fate of the Universe. Phoenix Books; Special Anniversary. 2006. ISBN 978-1-59777-508-3. Dort auf der Seite 149.
  • [10] Alle vier Grundkräfte: "Theory of Everything, TOE, ›Theorie von Allem‹, vor allem in der populärwissenschaftlichen Literatur anzutreffende Bezeichnung für eine vereinheitlichte Theorie aller fundamentalen Wechselwirkungen, also einer Theorie der Quantengravitation, z.B. die Stringtheorie." Im Anschluss an diese Definition wird auch darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung "irreführend" sei, die TOE "keineswegs eine Theorie von Allem" sei, etwa nicht eine Theorie über "komplexe Systeme". In: der Artikel "Theory of Everything". Spektrum Lexikon der Physik. Abgerufen am 2. November 2025. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/theory-of-everything/14428
  • [11] Eine Möglichkeit hin zu einer Vereinigten Theorie aller vier Grundkräfte wäre es, die Theorie der Gravitation quantenphysikalisch zu fassen. Dazu müsste man die Unbestimmtheitsrelation nach Heisenberg in sie einführen. Das aber hätte widersinnige Konsequenzen. Der Physiker Stephen Hawking schrieb dazu deutlich "this can produce some remarkable consequences, such as black holes not being black, and the universe being completeley self-contained and without boundary. The trouble is, the uncertainty principle means that even empty space is filled with pairs of virtual particles and antiparticles. These pairs would haven an infinite amount of energy. This means that their gravitational attraction would curve up the universe to an infinitely small size." In: Stephen W. Hawking: The Theory of Everything: The Origin and Fate of the Universe. Phoenix Books; Special Anniversary. 2006. ISBN 978-1-59777-508-3. Dort auf der Seite 149. Sihee auch TOE ↗
  • [12] Als Anomalie bezeichnet im Sinne der Wissenssoziologie bezeichnet man Fakten oder Befunde, die sich im gegenwärtig bekannten theoretischen Rahmen nicht erklären lassen. Der hartnäckige Widerspruch zwischen den einsteinschen Theorien zur Gravitationskraft und der Quantenphysik ist eine solche Anomalie (Wissenssoziologie) ↗